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Engel der Armen

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106 DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2014 | www.pta-aktuell.de

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icht erst seit

Andrew Lloyds Webbers Mu- sical „Evita“, seiner Verfilmung mit dem Popstar Madonna und dem herzzerreißenden Lied „Don‘t cry for me, Argentina” ist Evita Perón auch in Europa selbst den an Politik und Geschichte desinteressierten Menschen bekannt, denn ihre Lebensge- schichte bewegt.

Außergewöhnlicher Perso- nenkult Volksheldin, Märtyre- rin, ein Massenidol, vergöttert von den Peronisten in Argen- tinien als Heilige, als Engel der

„descamisados“, der Hemd- losen, der Armen – das war Evita schon zu Lebzeiten. Ge- boren wurde Evita Perón am 7.

Mai 1919 in Los Toldos, einem Ort in der tiefsten argentini- schen Provinz, etwa 250 Ki- lometer westlich von Buenos Aires, als Eva Maria Ibarguren Duarte, fünftes uneheliches Kind des Landwirts Juan Du- arte und seiner Geliebten Juana Ibarguren. Mit 15 Jahren zog sie mit dem Tangosänger Magaldi in die argentinische Hauptstadt Buenos Aires, arbeitete dort als Animiermädchen, später Foto- model und Schauspielerin.

Schon bald wurde sie Geliebte eines millionenschweren Sei- fenfabrikanten, der ihr Kontakt zum Chef eines Radiosenders verschaffte und den Seifenfab-

rikanten als Geliebter ablöste.

Sie wurde Radiomoderatorin, machte dabei auf die schreiende Armut Argentiniens aufmerk- sam, zelebrierte ihre Sendung als Spektakel, weinte und klagte mit ihrer glockenhellen Stimme – und wurde damit in ganz Ar- gentinien bekannt.

Einer ihrer nächsten Liebha- ber, ein Oberst des Militärs, das in Argentinien den Schlüs- sel zur Macht besaß, stellte der 24-Jährigen auf einer Wohl- tätigkeitsveranstaltung den damals doppelt so alten verwit- weten Oberst Juan Domingo Perón (1895 bis 1974) vor, der kurz darauf ihr neuer Lieb- haber, aber auch Vizepräsident, Kriegs- und Arbeitsminister wurde. Unter Peróns Einfluss erhielt Eva auch immer größere Spielfilmrollen. Anfang 1945 musste sie sich für den Streifen

„La Cabalgata del Circo“ (Der Zirkusritt) ihre dunklen Haare blondieren. Diese Verwandlung war so gelungen, dass sie für den Rest ihres Lebens blond ge- färbte Haare trug. Am 12. Ok- tober 1945 wurde Eva Duarte dann jäh in die Politik gerissen.

Nach einem Staatsstreich des Militärs, bei dem Perón verhaf- tet wurde, mobilisierte Eva die Massen und erreichte so, dass Perón freigelassen wurde. Am 22. Oktober 1945 heirateten Juan Perón und Eva, wenige Monate später am 24. Februar 1946 wurde Juan Perón – auch

dank Evitas populistischer Hilfe und ihres starken sozialen En- gagements – zum Präsidenten Argentiniens gewählt.

Fleiß, Intellekt und Schönheit hat Eva Perón immer wieder bewusst eingesetzt, um sich von einem Mann zum nächs- ten „hochzuarbeiten“. Die- ser Lebens- und Karrierestil wurde ihr später auch immer wieder zum Vorwurf gemacht, manchmal sogar als Erklärung für ihre spätere tödliche Krank- heit herangezogen. Tatsächlich war Sex für Evita reines Mittel zum Zweck: „Mir ist es egal, mit wie vielen Frauen du schläfst“, soll sie zu Perón noch kurz vor ihrem Tod gesagt haben. „Aber sorge dafür, dass ich unsterb- lich werde.“ Das ist bis heute gelungen.

Evita darf nicht sterben Ihre Krankengeschichte begann im Jahr 1950, mit 30 Jahren. Bei einer öffentlichen Veranstal- tung am 9. Januar 1950 wurde sie ohnmächtig, ein paar Tage später wurde ihr der Blinddarm entfernt. Womöglich fiel den Medizinern bei diesem Eingriff schon ihr Gebärmutterhals- krebs auf. Evita erholte sich nur langsam, blieb schwach, anämisch, erlitt abermals einen Ohnmachtsanfall, litt an immer heftiger werdenden Unter- leibsschmerzen. Vom Haus- arzt wurde diese mit Morphi- uminjektionen behandelt.

Um ihrem Mann die Wieder- wahl zum Präsidenten zu er- möglichen und zunächst vom Wunsch beseelt, selbst Vize- präsidentin im partriarchali- schen Argentinien zu werden, arbeitete sie weiter – bis zu 18 Stunden am Tag. Mit der bis dahin glamourösen Präsiden- tengattin ging es körperlich jedoch stetig bergab, sie erhielt immer größere Mengen Mor- phin. Doch sie musste funk- tionsfähig bleiben – mindestens bis zum Wahltermin am 11.

November 1951, denn ohne sie hatte Juan Perón keine Chance auf Wiederwahl. Um heraus- zufinden, unter welcher Erkran- kung sie tatsächlich litt, wurde von Seiten des mächtigen Ge- werkschaftsbosses José Espejo und ihres Mannes Juan Perón eine Geheimaktion gestartet,

Als Eva Perón 1952 im Alter von 33 Jahren an Krebs starb, trauerte

ganz Argentinien. Schon zu Lebzeiten war sie ein Mythos, ihr Sterben wurde absichtlich hinausgezögert.

Engel der Armen

PRAXIS KRANKHEITEN BERÜHMTER PERSÖNLICHKEITEN

VORSCHAU

In unserer neuen Serie

„Krankheiten berühmter Persönlichkeiten“ stellen wir Ihnen demnächst folgende Menschen vor:

+ Sigmund Freud (Gaumenkrebs) + Ludwig II (Hirnhautent-

zündung und Folgen) + Friedrich Nietzsche (pa-

ranoide Schizophrenie)

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2014 | www.pta-aktuell.de

die jedem Agententhriller zur Ehre gereichen würde: Evita wurde statt einer Morphium- eine Betäubungsspritze verab- reicht und – ohne ihr Wissen – im „Presidente Perón“-Kli- nikum vom dortigen Chefarzt Dr. Ricardo Finochietto unter- sucht. Ergebnis: Gebärmutter- krebs und Leukämie. Zu ihrer Operation am 3. November 1951 wurde der renommierte Krebsspezialist Dr. George Pack vom Memorial Hospital in New York heimlich einge- flogen. Auch dies ohne Wissen von Evita Perón, die über die Schwere ihrer Erkrankung weitgehend im Unklaren gelas- sen wurde. Für den erfahrenen Operateur stand nach einer faktischen Totaloperation fest, dass Evita weiter todkrank war und trotz seiner Eingriffe keine Chance mehr hatte. Dennoch wurde alle nur erdenklichen lebensverlängernden Maßnah- men inklusive Strahlentherapie bei der Todkranken mit mitt- lerweile künstlichem Darm- ausgang ergriffen. Und tatsäch- lich gewannen die Peronisten die Wahl – mit überwältigender Mehrheit. Acht Wochen nach der Operation meisterte Evita tatsächlich noch einmal einen öffentlichen Auftritt – quasi ein Sieg des Geistes über den ma- roden Körper. Vollgepumpt mit Medikamenten hielt sie

weiter Ansprachen, empfing sie Diplomaten, besuchte sie sogar Kinderheime. Doch der nächste Zusammenbruch folgte. Auch extra aus Deutschland hinzuge- zogene Gynäkologiespezialis-

ten konnten nichts am Zustand ändern. Evita Perón starb am 26. Juli 1952.

Auch als Tote keine Ruhe Ihr Leichnam wurde einbal- samiert und in einem Sarg mit Glasdeckel im Kongress- gebäude zur Schau gestellt.

Über zwei Millionen Menschen

nahmen am Trauerzug teil, die Staatstrauer dauerte 30 Tage.

Die Geschichte verzeichnet keine andere Frau, die unter so

ausufernden Trauerbezeigun- gen zu Grabe getragen wurde.

Selbst Wachskopien ihres Leichnams wurden angefertigt, ein gewaltiges Mausoleum ge- plant. Ihren Leichnam selbst

schaffte das Militär beim Putsch gegen Perón 1955 jedoch außer Landes. Jahrelang war Evita Peróns balsamierter Leichnam unter falschem Namen in Mai- land begraben. Heute ruht er hinter drei Stahlplatten in einer mehrere Meter tiefen Gruft auf dem Friedhof La Recoleta in Buenos Aires.

Evita Perón war 33 Jahre – das Alter, in dem Jesus gekreuzigt wurde, wie ihre Anhänger bis heute sagen. Dies zeigt: Idole dürfen nicht alt werden. ■

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

© neftali77 / 123rf.com

»Evita wurde eine Betäubungsspritze verabreicht und – ohne ihr Wissen – von

Dr. Ricardo Finochietto untersucht.«

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