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Gärtner gesucht 

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Academic year: 2022

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IP November / Dezember 2018

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Buchkritik

Kehrt die Geschichte zurück? „Ja“, meint Bob Kagan in seinem neu- en Buch. Der amerikanische Rück- zug aufgrund des relativen Macht- verlusts der USA sowie der wachsen- de geopolitische Machtanspruch u.a.

Russlands und Chinas bedeuteten die Rückkehr der klassischen Macht(ba- lance)politik und beförderten damit das Ende der multilateralen Ordnung.

Kagan, der sich – typisch ameri- kanisch – seit Jahrzehnten zwischen US-Regierung, Thinktank-Welt und Journalismus bewegt, gilt als neokon- servativ und beschreibt sich selbst als

„liberalen Interventionisten“. Er war bis 2016 Mitglied der Republikaner, hat nach der Einsetzung Trumps je- doch die Partei verlassen und Hillary Clinton unterstützt. Mit Trump ging er nach dessen Inauguration hart ins Gericht, für manche Geschmäcker zu hart. Daher mag es überraschen, wie beiläufig er ihn in „The jungle grows back“ behandelt: eher als Katalysator denn als Motor einer Entwicklung, de- ren lange Linie er aufzeigen möchte.

Kagan schildert ausführlich die entscheidende Rolle der USA für Auf- bau und Erhalt der liberalen interna- tionalen Ordnung nach 1945. Vor al- lem am Beispiel Deutschlands und Japans macht er deutlich, wie durch die US-Politik der „Dschungel-Einhe- gung“ Demokratie und Wirtschaft auf- blühen konnten und wie positiv sich das auf die jeweiligen Subregionen, Europa und Asien, ausgewirkt habe.

Die Politik des Aufbaus einer libera- len Ordnung vor allem in der Wirt- schaft sowie direkte bilaterale Unter- stützung für Kernpartner waren laut Kagan „uneigennützig“ und führten zu einem Rückgang des US-Anteils am globalen BIP von 50 auf 25 Prozent in der Nachkriegszeit. Weniger uneigen- nützig agierte man auf strategischem Feld: Die dort von den USA diktierten Regeln galten nicht oder zumindest nicht durchgängig für Amerika selbst.

Auch in den Jahren nach dem Mau- erfall und dem Zusammenbruch der Sowjetunion sei keine Phase des „kol- lektiven Internationalismus“ angebro- Sebastian Groth | Als Erfinder von „Mars“ und „Venus“ ist er bekannt, dem Bild eines planetarischen Gegensatzes zwischen Amerika und Europa. Heu- te wagt Kagan die These, die stabile Ordnung seit Ende des Zweiten Welt- kriegs sei eine historische Anomalie. Der Trend gehe in Richtung Verwil- derung – die US-Politik unter Donald Trump verstärke diese Tendenz nur.

Robert Kagan beobachtet, wie der Dschungel der Weltpolitik wieder wächst

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chen. Wichtige Stimmen in den USA forderten bereits in den 1990er Jah- ren Konzentration auf die Innenpo- litik und äußerten Kritik am Inter- ventionismus der US-Regierung, ver- stärkt angesichts des „Irak-Desasters“

2003. Eine Schwächung der Ordnung durch einen „Rückzug des Gärtners“

deutete sich bereits an. Letztlich habe die Wahl Trumps diesen Trend ledig- lich verstärkt: Außenpolitik und die US-Rolle in der Welt spielten in der Wahlentscheidung und im Wahlkampf 2016, so Kagan, eine untergeordnete Rolle. Der jahrzehntelange innerame- rikanische Konsens über die globale Rolle der USA als Hüterin der libera- len Ordnung sei endgültig zerbrochen.

Parallel zum Abschied der US-Ame- rikaner von der eigenen Rolle als Ga- rant der liberalen Ordnung erfolgte, so Kagan, die „Rückkehr der Geschich- te“: Geografie, alte Gewohnheiten und Glaubenssätze kehrten als Leit- motive der Politik zurück. Gleichzei- tig sei die durch den US-Rückzug ge- schwächte liberale internationale Ord- nung nicht in der Lage, diese „autori- tären Machtansprüche“ einzuhegen:

Der Gärtner fehlt. Trump mit seiner Kritik am globalen Institutionenge- füge, am Multilateralismus insgesamt und seinem Politikansatz „maximaler Stärke“ wirke wie ein Katalysator bei der Destruktion dieser Ordnung. Die heutige innere Verfasstheit der USA und ihrer Eliten stünde einer US-Au- ßenpolitik, die im wohlverstandenen Eigeninteresse die liberale internatio- nale Ordnung fördere, entgegen.

Die Kräfte der „Gegen-Aufklä- rung“, die weltweit Auftrieb hätten, wirkten mit Erfolg gegen die Auf- rechterhaltung dieser Ordnung. Zu- sammengenommen seien dies die strategischen Megatrends, die den

Aufwuchs des Dschungels beförder- ten. Kagan schließt mit einem Plädo- yer für ein US-Engagement in Europa und starke transatlantische Bindun- gen. Sich selbst als „pessimistisch, aber nicht fatalistisch“ bezeichnend, prognostiziert er eine Entwicklung Richtung multipolarer, von Wettbe- werb geprägter Weltordnung.

Kagan ist gut in der historischen Analyse. Er schreibt eingängig und in prägenden Bildern. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ein ehe- maliger Neo-Con sich auch wegen der Politik Donald Trumps zum leiden- schaftlichen Verfechter einer libera- len Weltordnung entwickelt. Politik- leitende Hinweise, wie die „Rückkehr des Dschungels“ verhindert werden kann, bleibt er aber weitgehend schul- dig. Welche Pfeiler der internationalen Ordnung gilt es vornehmlich zu ver- teidigen? Wo sollte die internationa- le Gemeinschaft neue institutionel- le und rechtliche Streben einziehen?

Und wo müssen wir bei der Reform des globalen Institutionengefüges an- setzen, um möglichst viel Ordnung zu erhalten und die Mitwirkung bei der „Gartenpflege“ für aufstrebende Mächte attraktiv zu machen? Auch die gesellschaftlichen, ökonomischen und sozialen Triebkräfte, die gerade im Westen zu einer Abwendung von globalem Engagement führen, sind bei Kagan etwas schwach ausgeleuchtet.

Dennoch ein lesenswertes Buch.

Sebastian Groth ist stellvertretender Lei- ter des Planungsstabs im Auswärtigen Amt in Berlin. Der Beitrag gibt ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.

Robert Kagan:

The Jungle Grows Back: America and Our Imperiled World. New York:

Knopf Doubleday Publishing Group 2018. 192 Seiten, 22,95 $

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