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Ein Parlament für die WTO?

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von Peter Bender

W

ie kann Globalisierung, wie können die internationalen wirtschaftlichen Beziehun- gen demokratisch kontrolliert und ge- staltet werden? Diese drängende Frage stellen Globalisierungskritiker, Wis- senschaftler und besorgte Bürgerin- nen und Bürger hartnäckig. Bei der Suche nach Antworten wird meistens nur über die Rolle von Regierungen, Konzernen und Nichtregierungsorga- nisationen (NGOs) diskutiert. Selten ist aber von Parlamentariern die Rede, den immerhin demokratisch gewähl- ten und direkt dem Bürger verant- wortlichen Politikern. Globalisierung demokratisieren – wäre dies durch ein

„Weltwirtschaftsparlament“ möglich?

Seit rund drei Jahren intensivieren sich die Bemühungen, gewählte Volksvertreter stärker institutionell in die Welthandelspolitik einzubezie- hen. Dabei handelt es sich um ein – noch völlig offenes – politisches Pro- jekt, leider kaum bekannt und dis- kutiert: die Schaffung einer Par- lamentarischen Versammlung der Welthandelsorganisation (WTO).

Treibende Kräfte dieser Initiative sind das Europäische Parlament (EP) in Straßburg und die weltweite Par- lamentsvereinigung Interparlamen- tarische Union (IPU) in Genf. Erste Sondierungstreffen von Parlamenta- riern fanden 1999 in Seattle sowie

2001 in Brüssel, Genf und Doha statt.

Das EP hat im Oktober 2001 einen Bericht zu Demokratie und Trans- parenz im Welthandel angenommen, verfasst von Harlem Désir, SPE-Euro- pa-Abgeordneter aus Frankreich.

Darin bekräftigten die Straßburger Volksvertreter ihren Wunsch nach einer beratenden Parlamentarischen Versammlung bei der WTO. Auch die Interparlamentarische Union hat auf ihrer 107. Konferenz in Marrakesch im März 2002 in einer Entschließung eine parlamentarische Dimension der WTO gefordert. Selbst beim WTO-Symposion zur Doha-Ent- wicklungsrunde Ende April in Genf diskutierte WTO-Generaldirektor Mike Moore mit Abgeordneten und NGOs in einem speziellen Workshop, wie Volksvertreter in die WTO-Ange- legenheiten besser einbezogen wer- den können. Derzeit bereitet im Auf- trag von EP und IPU ein Lenkungs- ausschuss von 30 Parlamentariern aus allen Kontinenten für Anfang 2003 eine große Post-Doha-Par- lamentarierkonferenz zum Welthan- del vor – möglicherweise die Ge- burtsstunde einer Parlamentarischen Versammlung der WTO.

Wie könnte eine solche aussehen?

Verschiedene Modelle sind denkbar:

etwa ein ständiges Gremium im recht- lich-institutionellen Rahmen der WTO, ein Welthandelsausschuss der IPU oder eine bloße Ad-hoc-Kon- ferenz mit nur lockerem Bezug zur WTO. Mögliche Vorbilder sind etwa die Parlamentarischen Versammlun-

Ein Parlament für die WTO?

S T A N D P U N K T E

6/2002 I N T E R N A T I O N A L E P O L I T I K 4 3

Dr. Peter Bender, Politikwissenschaftler in Brüssel, ehem. wissenschaftlicher Mit- arbeiter im Europäischen Parlament.

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gen von NATO und Europarat, die Parlamentarische Versammlung EU- AKP oder die IPU selbst.

Um effizient arbeiten zu können, sollte die WTO-Parlamentarierver- sammlung nicht zu groß sein. Jedes Parlament eines WTO-Mitglieds soll- te maximal zwei Abgeordnete stellen, so dass das Gremium nicht mehr als 300 Personen umfasst. Damit bei Ent- scheidungen in der Versammlung so- wohl den unterschiedlichen Bevölke- rungszahlen als auch den abweichen- den Welthandelsanteilen der Staaten Rechnung getragen wird, könnte man die Stimmen der Parlamentsvertreter in einer Kombination beider Kriterien entsprechend gewichten.

WTO-Generaldirektor Moore und EU-Handelskommissar Pascal Lamy sind offen für eine stärkere Betei- ligung von Volksvertretern in der Welthandelspolitik. Sie haben beide, trotz Vorbehalten im Detail, ihre grundsätzliche Unterstützung für eine Parlamentarierkonferenz signali- siert. Doch noch gilt die Errichtung einer parlamentarischen Dimension der WTO als „nördliches“ Anliegen weniger Industrienationen. Die Ent- wicklungsländer des Südens, in der WTO in der Mehrheit, scheinen ge- genüber der Parlamentarierinitiative zurückhaltend. Sie setzen stattdessen auf verbesserten Marktzugang für ihre Exportgüter im Norden. Weitere Bedenken aus verschiedenen Ländern beziehen sich auf den Charakter der WTO als internationale Organisation von Regierungen (nicht Parlamenten) und auf die Befürchtung, nationale Minderheitsparteien könnten die WTO-Versammlung benutzen, um

gegen die heimische Regierungsarbeit zu opponieren. Beide Einwände kön- nen aber nicht überzeugen und wer- den eher aus taktischen Gründen vor- gebracht. Trotzdem gilt es, das Kon- zept für eine WTO-Versammlung zu präzisieren und zusätzliche Überzeu- gungsarbeit zu leisten – vor allem auch in den USA.

Ein als Gesetzgeber fungierendes Weltwirtschaftsparlament mit bin- denden Entschlüssen bleibt eine Visi- on. Aber eine Parlamentarische Ver- sammlung bei der WTO mit beraten- der Funktion scheint möglich. Ein sol- ches Gremium könnte eine wichtige Mittlerrolle einnehmen, Öffentlich- keit schaffen und in Globalisierungs- fragen Ansprechpartner für Bürger und NGOs sein. Die Abgeordneten würden sich in der Parlamentarischen Versammlung intensiver und gezielter mit Weltwirtschaftsfragen befassen können als in ihren nationalen Par- lamenten, wo sie bei Handelsabkom- men Ratifizierungszwängen unterlie- gen und wo die Regierungen dank ihres Informationsvorsprungs die Au- ßenhandelspolitik dominieren. Die Parlamentarierversammlung sollte re- gelmäßig vor den WTO-Ministerkon- ferenzen Beschlussempfehlungen for- mulieren und könnte auch für mehr Transparenz bei WTO-Streitschlich- tungsverfahren sorgen. So hätten Par- lamentarier die Möglichkeit, soziale, umweltpolitische und entwicklungs- politische Anliegen mit mehr Nach- druck in die Welthandelspolitik ein- zubringen – im Interesse des gesamten Planeten. Ein Parlament für die WTO – das wäre auch ein Beitrag für eine bessere „global governance“.

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