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Wissenschaftlicher Realismus

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Academic year: 2022

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Wissenschaftlicher Realismus

Dissertation

zur Erlangung des philosophischen Doktorgrades an der Philosophischen Fakult¨at der Georg-August-Universit¨at G¨ottingen

vorgelegt von Frank Tschepke

aus Kassel G¨ottingen 2003

(2)

1. Gutachter: Prof. Dr. Felix M¨uhlh¨olzer 2. Gutachter: Prof. Dr. Ulrich Majer

Tag der m¨undlichen Pr¨ufung:

(3)

Inhaltsverzeichnis

Vorwort xiii

1 Einleitung: Die Realismusdebatte in der Wissenschaftstheorie und ihr

allgemein-philosophisches Umfeld 1

1.1 Probleme des Realismus . . . 1 1.2 Realismus in allgemein-philosophischen Diskussionen: Dimensionen des The-

mas, Thesen und Positionen . . . 2 1.2.1 Realistische Thesen . . . 3 1.2.2 Gegenpositionen . . . 9 1.3 Realismus in der Wissenschaftstheorie: Dimensionen des Themas, Thesen

und Positionen . . . 11 1.3.1 Realistische Thesen . . . 11 1.3.2 Gegenpositionen . . . 18 1.4 Realismus: Das Verh¨altnis von allgemein-philosophischen und wissenschafts-

theoretischen Thesen, Positionen und Argumentationen . . . 20 1.4.1 Ein Cluster realistischer Thesen mit mehreren Teilclustern, das The-

ma der wissenschaftstheoretischen Realismusdebatte als “Spezialge- biet”, kein Konsens ¨uber die f¨ur eine realistische Position konstitu- tiven Thesen . . . 20 1.4.2 Strategien der Argumentation f¨ur (oder gegen) wissenschaftlichen

Realismus und ihr Verh¨altnis zur Argumentation f¨ur (oder gegen) realistische Thesen bez¨uglich anderer Bereiche . . . 21 1.4.3 Realistische Positionen im Mainstream der wissenschaftstheoreti-

schen Debatte . . . 22 1.4.4 Fazit . . . 25

I Bedeutungs-, Referenz- und Wahrheitstheorien f¨ur die Sprache der

Wissenschaften 27

2 Verifikationistische Theorien und die “Standarddarstellung” des logi-

schen Positivismus 31

2.1 Die Verifikationstheorie . . . 31 2.2 Die Erosion der Verifikationstheorie: Reduktionss¨atze versus Definitionen . 33 2.3 Die “Standarddarstellung” wissenschaftlicher Theorien . . . 37 2.4 Logischer Positivismus und Wahrheits- und Referenztheorien . . . 42 2.5 Bedeutungs-, Referenz- und Wahrheitstheorien des logischen Positivismus

und semantischer Realismus . . . 45 iii

(4)

2.5.1 Die Verifikationstheorie . . . 47

2.5.2 Die Standarddarstellung . . . 49

2.6 Probleme und Einw¨ande . . . 52

2.6.1 Die Ad¨aquatheit der Formalisierung . . . 53

2.6.2 Die Unterscheidung Beobachtungsterme/theoretische Terme . . . 53

2.6.3 Die Unterscheidung analytisch/synthetisch . . . 54

2.6.4 Ver¨anderungen der Bedeutung theoretischer Ausdr¨ucke und die “pes- simistische Induktion” . . . 55

2.6.5 Unterbestimmtheit . . . 59

2.6.6 Bedeutungskonstituierende Beschreibungen, sprachliche Kompetenz und Referenzbestimmung . . . 61

2.7 Fazit . . . 62

3 Kontexttheorien 65 3.1 Die Idee einer Kontexttheorie und ihre Varianten . . . 65

3.2 Kontexttheorie und semantischer Realismus . . . 67

3.3 Probleme und Einw¨ande . . . 69

3.3.1 Die Abgrenzung des bedeutungskonstituierenden Kontextes eines Ausdrucks . . . 69

3.3.2 Ver¨anderungen von Bedeutung und Referenz . . . 71

3.3.3 Inkommensurabilit¨atsprobleme . . . 72

3.4 Fazit . . . 75

4 Kausale Referenz- und Bedeutungstheorien 77 4.1 Kripkes kausale Theorie der Referenz . . . 77

4.1.1 Eigennamen . . . 77

4.1.2 Bezeichnungen f¨ur nat¨urliche Arten . . . 78

4.2 Putnams Bedeutungstheorie . . . 80

4.2.1 Die Theorie f¨ur nat¨urliche Arten und physikalische Gr¨oßen . . . 80

4.2.2 Der Zusammenhang zwischen der Referenz eines Art- oder Gr¨oßen- namens und den Eigenschaften, die den Referenzobjekten zugeschrie- ben werden . . . 82

4.3 Kausale Referenztheorie und Wahrheit . . . 88

4.4 Die kausale Referenztheorie und semantischer Realismus . . . 89

4.5 Probleme und Einw¨ande . . . 89

4.5.1 Probleme der deskriptiven Ad¨aquatheit des Modells von Kripke und Putnam . . . 90

4.5.2 Konflikte mit vortheoretischen Intuitionen ¨uber die Referenz wissen- schaftlicher Art- und Gr¨oßennamen: “Zu stabile” Referenzrelationen 92 4.5.3 Generalisierungsprobleme bei der Einf¨uhrung von Art- und Gr¨oßen- namen . . . 94

4.5.4 Die Rolle der Kausalit¨at in der kausalen Referenztheorie . . . 98

4.6 Fazit . . . 99

5 Hybridtheorien 103 5.1 Die Idee einer Hybridtheorie und ihre Varianten . . . 103

5.1.1 Die Idee . . . 103

5.1.2 Die Angabe einer Kategorie als minimale Beschreibung . . . 105

(5)

INHALTSVERZEICHNIS v

5.1.3 Die Angabe eines kausalen Mechanismus als minimale Beschreibung 105 5.1.4 Die Angabe einer explanatorischen Metapher als minimale Beschrei-

bung . . . 107

5.1.5 Der Zusammenhang zwischen der Referenz eines Art- oder Gr¨oßen- namens und den Eigenschaften, die den Referenzobjekten zugeschrie- ben werden . . . 109

5.2 Hybridtheorien, Bedeutung, Wahrheit, semantischer Realismus . . . 110

5.3 Probleme und Einw¨ande . . . 111

5.3.1 Wie klar und wohldefiniert sind die verschiedenen Vorschl¨age f¨ur minimale Beschreibungen? . . . 111

5.3.2 Sind die Hybridtheorien frei von den Problemen der kausalen Refe- renztheorie? . . . 113

5.3.3 Sind die Hybridtheorien frei vom Problem der Referenzinstabilit¨aten, das Beschreibungstheorien h¨aufig belastet? . . . 115

5.4 Fazit . . . 116

6 Fazit: Bedeutungs-, Referenz- und Wahrheitstheorien f¨ur die Sprache der Wissenschaften und ihre Eignung f¨ur eine Rolle in der Realismus- debatte 117 II Argumente f¨ur wissenschaftlichen Realismus 121 7 Pr¨asuppositionsargumente 125 7.1 Putnams Konjunktionsargument . . . 125

7.2 Cartwrights Generalisierungsargument . . . 130

7.3 Probleme und Kritik . . . 137

7.4 Fazit . . . 139

8 Kontinuit¨atsargumente 141 8.1 “Destruktive” Kontinuit¨atsargumente . . . 141

8.1.1 Zweifel, daß die Unterscheidung beobachtbar/theoretisch eine f¨ur philosophische Zwecke brauchbare Grenzziehung ergibt . . . 141

8.1.2 Van Fraassens Replik: Eine Pr¨azisierung des Begriffes der Beobacht- barkeit . . . 142

8.2 “Positive” Kontinuit¨atsargumente: vortheoretische Intuitionen ¨uber Konti- nuit¨aten auf der Sachebene . . . 145

8.2.1 Die “Merkw¨urdigkeit” eines anthropozentrischen Weltbildes . . . 145

8.2.2 Zwei antirealistische Repliken . . . 147

8.3 “Positive” Kontinuit¨atsargumente: epistemische Kontinuit¨atsargumente . . 149

8.3.1 Naturalistische und reliabilistische Ans¨atze in der Erkenntnistheorie 151 8.3.2 Kontinuit¨at durch eine “grenz¨uberschreitende” Folge von Beobach- tungsverfahren mit ¨uberlappendem Anwendungsbereich (Maxwell) . 157 8.3.3 Kontinuit¨at durch ein grenz¨uberschreitendes kausales Beobachtungs- verfahren (Salmon) . . . 158

8.3.4 Kontinuit¨at durch ein grenz¨uberschreitendes kausales Inferenzprin- zip (Salmon) . . . 162

8.3.5 Kontinuit¨at durch ein grenz¨uberschreitendes Inferenzprinzip des Schlie- ßens auf die beste Erkl¨arung (Glymour) . . . 167

(6)

8.3.6 Probleme und Einw¨ande . . . 171

8.4 Fazit . . . 182

9 Das Wunderargument und seine Varianten 185 9.1 Formulierungen des Wunderarguments . . . 185

9.1.1 Die Idee, grob formuliert (Putnam, Smart) . . . 185

9.1.2 Ein pr¨azisierter Vorschlag f¨ur das Explanandum: erfolgreiche neue Prognosen und unbeabsichtigte Vereinheitlichungsleistungen . . . 188

9.1.3 Ein pr¨azisierter Vorschlag f¨ur das Explanandum: die Verl¨aßlichkeit wissenschaftlicher Methodologie (Boyd) . . . 189

9.1.4 Ein Vorschlag f¨ur ein “abgeschw¨achtes” Explanans: Realismus der Ph¨anomenarten (Carrier) . . . 192

9.1.5 Ein Vorschlag f¨ur ein “abgeschw¨achtes” Explanans: Realismus der mathematischen Strukturen (Worrall) . . . 193

9.2 Die Versionen des Wunderarguments als Schl¨usse auf die beste Erkl¨arung: Die Version von Putnam und Smart und deren Varianten mit pr¨azisiertem Explanandum (erfolgreiche neue Prognosen und unbeabsichtigte Vereinheit- lichungsleistungen) . . . 194

9.2.1 Erfolge einzelner Theorien oder Erfolge der Gesamtheit wissenschaft- licher Theorien als Explanandum . . . 195

9.2.2 Semantische oder epistemische Antirealisten als Diskussionsgegner . 197 9.2.3 Prognoseerfolge als Explanandum . . . 199

9.2.4 Vereinheitlichungsleistungen als Explanandum . . . 202

9.2.5 Handlungserfolge als Explanandum . . . 203

9.3 Die Versionen des Wunderarguments als Schl¨usse auf die beste Erkl¨arung: Die Version von Boyd . . . 210

9.4 Die Versionen des Wunderarguments als Schl¨usse auf die beste Erkl¨arung: Die Version von Carrier . . . 211

9.5 Die Versionen des Wunderarguments als Schl¨usse auf die beste Erkl¨arung: Die Version von Worrall . . . 212

9.6 Die Versionen des Wunderarguments als Schl¨usse auf die beste Erkl¨arung: Explanantia des Wunderarguments und realistische Thesen . . . 213

9.7 Die Versionen des Wunderarguments als Schl¨usse auf die beste Erkl¨arung: Probabilistische Modelle f¨ur kognitive Zust¨ande . . . 214

9.8 Die Versionen des Wunderarguments als Schl¨usse auf die beste Erkl¨arung: Fazit . . . 217

9.9 In welchem Sinn von ‘erkl¨aren’ wird das Explanandum des Wunderargu- ments durch dessen Explanans erkl¨art (und in welchem Sinn nicht)? . . . . 218

9.9.1 Die Erkl¨arung einfacher Prognoseerfolge . . . 220

9.9.2 Die Erkl¨arung neuer Prognoseerfolge . . . 223

9.9.3 Die Erkl¨arung von Vereinheitlichungsleistungen . . . 225

9.9.4 Die Erkl¨arung von Handlungserfolgen . . . 225

9.9.5 Die Erkl¨arung der instrumentellen Verl¨aßlichkeit der Methodologie der Wissenschaften (Boyd) . . . 227

9.9.6 Die Erkl¨arung neuer Prognoseerfolge durch abgeschw¨achte Expla- nantia (Carrier/Worrall) . . . 233

9.9.7 Fazit . . . 235

9.10 Probleme und Einw¨ande . . . 236

(7)

INHALTSVERZEICHNIS vii

9.10.1 Das Wunderargument im Lichte der Geschichte der Wissenschaften

betrachtet . . . 236

9.10.2 Unterbestimmtheit . . . 239

9.10.3 Vorschl¨age f¨ur Alternativen zu den Erkl¨arungen, auf die gem¨aß dem Wunderargument zu schließen ist; Kriterien f¨ur die beste Erkl¨arung 248 9.10.4 Der Petitio-Principii-Einwand . . . 256

9.10.5 In welchem Sinn sind die Explananda, auf die sich das Wunderar- gument bezieht, erkl¨arungsbed¨urftig oder “wundersam” und welche argumentative Rolle spielen die Inanspruchnahme von Erkl¨arungs- bedarf und die Rede von “Wunder”? . . . 263

9.11 Fazit . . . 287

III Drei neuere Positionen in der Realismusdebatte 291 10 Bas van Fraassens konstruktiver Empirismus 295 10.1 Einleitung . . . 295

10.2 Konstruktiver Empirismus . . . 295

10.2.1 Semantischer Realismus plus ontologischer, epistemischer und axio- logischer Antirealismus . . . 295

10.2.2 Die Unterscheidung beobachtbar/unbeobachtbar . . . 296

10.2.3 Die Unterscheidung akzeptieren/glauben . . . 297

10.2.4 Van Fraassens Ideal epistemischer Rationalit¨at . . . 297

10.3 Probleme und Kritik . . . 300

10.3.1 Die Frage nach der konsistenten Abgrenzung dessen, was ein kon- struktiver Empirist glauben darf . . . 300

10.3.2 Epistemische Kontinuit¨atsargumente . . . 303

10.4 Fazit . . . 304

11 Der experimentelle Realismus von Ian Hacking und Nancy Cartwright 307 11.1 Einleitung . . . 307

11.2 Terminologisches . . . 308

11.3 Hacking . . . 310

11.3.1 Hackings “experimentelles Argument” f¨ur wissenschaftlichen Realis- mus . . . 310

11.3.2 Probleme und Kritik . . . 320

11.3.3 Hackings experimentelles Argument – eine Zwischenbilanz . . . 331

11.4 Cartwright . . . 335

11.4.1 Cartwrights Argumentation f¨ur wissenschaftlichen Realismus . . . . 335

11.4.2 Probleme und Kritik . . . 346

11.5 Der experimentelle Realismus von Hacking und Cartwright — Fazit . . . . 352

12 Andrew Pickerings Sozialkonstruktivismus 355 12.1 Einleitung . . . 355

12.2 Constructing Quarks . . . 356

12.3 The Mangle of Practice . . . 360

12.4 Probleme und Kritik . . . 364

12.4.1 Constructing Quarks . . . 364

12.4.2 The Mangle of Practice . . . 373

(8)

12.5 Fazit . . . 379

IV Das Programm eines selektiven wissenschaftlichen Realismus 381 13 Der Umriß einer selektiven realistischen Position in der wissenschafts-

theoretischen Realismusdebatte 383

13.1 Eine Bilanz der bisherigen Debatte . . . 383 13.2 Welche Art(en) von Thesen ist (sind) konstitutiv f¨ur eine realistische Position?387

13.2.1 Ontologische oder semantische plus epistemische Thesen als Herz- st¨uck einer realistischen Position? . . . 387 13.2.2 Erl¨auterungen und Erg¨anzungen zu ontologischen realistischen Thesen400 13.2.3 Ontologische realistische Thesen und konstruktivistische Motive . . . 411 13.2.4 Eine axiologische These als konstitutiv f¨ur eine realistische Position? 415 13.2.5 Fazit: Ontologische realistische Thesen bilden das Herzst¨uck einer

intuitiv angemessenen realistischen Position . . . 417 13.3 Welche Rolle spielen Wahrheits-, Bedeutungs- und Referenztheorien f¨ur eine

realistische Position? . . . 418 13.3.1 Die Vertr¨aglichkeit von ontologischen realistischen Thesen und se-

mantischen Theorien . . . 418 13.3.2 Die Rolle semantischer Theorien bei der Begr¨undung oder Verteidi-

gung einer realistischen Position . . . 421 13.4 Eine selektive realistische Position in der wissenschaftstheoretischen Realis-

musdebatte, deren Herzst¨uck ontologische realistische Thesen bilden: einige Details . . . 424 13.4.1 Natur, Herkunft und Inhalt ontologischer realistischer Thesen . . . . 424 13.4.2 “Epistemisch vorsichtige” ontologische realistische Thesen . . . 426 13.4.3 Die Struktur der Gesamtheit der ontologischen realistischen Thesen,

die eine selektive realistische Position konstituieren . . . 429 14 Rechtfertigungsgr¨unde und Argumente f¨ur ontologische realistische The-

sen 431

14.1 Die Argumentation gegen instrumentalistische Diskussionsgegner . . . 432 14.1.1 Die argumentative Konstellation in der Diskussion zwischen Reali-

sten und Instrumentalisten . . . 432 14.1.2 Eine Argumentationsstrategie f¨ur konziliante Realisten und Instru-

mentalisten: Die Verlagerung der Debatte auf die epistemische Ebene 436 14.1.3 Ein kausales Kriterium im Anschluß an Hacking und Cartwright . . 439 14.1.4 Argumente f¨ur epistemische Zug¨anglichkeit . . . 442 14.1.5 Fazit . . . 446 14.2 Epistemische Rechtfertigungsgr¨unde und Argumente f¨ur ontologische reali-

stische Thesen . . . 448 14.2.1 Eine naturalistische und reliabilistische Perspektive . . . 448 14.2.2 Der Zusammenhang zwischen der Eigenschaft einer ¨Uberzeugung,

daß P, gerechtfertigt zu sein, Rechtfertigungsgr¨unden und Argu- menten f¨ur die ¨Uberzeugung, daßP, und der ¨Uberzeugung (zweiter Ordnung), daß die ¨Uberzeugung, daß P, gerechtfertigt ist . . . 455

(9)

INHALTSVERZEICHNIS ix

14.2.3 Rechtfertigungsgr¨unde und Argumente f¨ur ontologische realistische Thesen ¨uber Beobachtbares . . . 458 14.2.4 Rechtfertigungsgr¨unde und Argumente f¨ur ontologische realistische

Thesen ¨uber Unbeobachtbares . . . 494 14.2.5 Fazit . . . 520 15 Ein Baustein f¨ur die Realisierung des Programms eines selektiven wis-

senschaftlichen Realismus 523

15.1 Elektrische Str¨ome und Spannungen . . . 524

Zusammenfassung und Fazit 545

(10)
(11)

F¨ ur Lorenz Kr¨ uger

(12)
(13)

Vorwort

Eine Aufz¨ahlung der ¨ausseren Umst¨ande, durch die sich das Erscheinen dieser Schrift so lange verz¨ogert hat, w¨are ohne Interesse f¨ur den Leser;

der innere Grund der Verz¨ogerung lag in der Schwierigkeit eines Theiles der zu behandelnden Probleme und der gerechten Scheu, zu Fragen, die den Meisten f¨ur transcendent gelten, eine Meinung zu ¨aussern, ehe dieselbe nicht nach den verschiedensten Seiten gekehrt und zu einem wenigstens subjectiv befriedigenden Abschluss gebracht war.1

Gegenstand dieser Arbeit sind der wissenschaftliche Realismus und die Debatte, die in der Wissenschaftstheorie um realistische und andere, alternative Positionen gef¨uhrt wird.

Es wird untersucht, wie in dieser Debatte realistische Positionen formuliert werden, es wer- den die f¨ur und gegen wissenschaftlichen Realismus vorgebrachten Argumente analysiert, und es wird im Anschluß daran untersucht, wie im Lichte der bisherigen Debatte eine in- tuitiv angemessene und haltbare realistische Position zu formulieren ist, und was sich f¨ur sie an Rechtfertigungsgr¨unden und an ¨uberzeugungskr¨aftigen Argumenten angeben l¨aßt.

Das Resultat ist der Umriß einer moderaten realistischen Position, der auszuf¨ullen ist durch eine Vielzahl von Einzelthesen ¨uber unbeobachtbare Gegenst¨ande und Sachverhalte aus den Themenbereichen der Wissenschaften, außerdem eine Analyse der M¨oglichkeiten und der Grenzen der M¨oglichkeiten, f¨ur eine solche realistische Position erfolgreich zu argumentieren, sowie ein umfangreiches Programm f¨ur die Suche nach den Einzelthesen, die konstitutiv f¨ur eine solche realistische Position sind, und nach den f¨ur sie im einzelnen zur Verf¨ugung stehenden Rechtfertigungsgr¨unden und Argumenten.

Das Thema “wissenschaftlicher Realismus” ist zu groß und die Realismusdebatte in der Wissenschaftstheorie inzwischen viel zu umfangreich, um sie in einer Arbeit, selbst einer vergleichsweise langen wie dieser, auch nur ann¨ahernd vollst¨andig und ersch¨opfend zu dis- kutieren. Die folgenden Kapitel spiegeln daher notwendigerweise eine Perspektive wieder, die durch meinen Zugang zu dieser Debatte gepr¨agt ist, und aus der diese Debatte nicht vollst¨andig erfaßt wird, auch wenn das Ziel ist, wenigstens die systematisch wichtigsten Positionen und Argumente in den Blick zu nehmen. Der Gang der Untersuchung ist der Folgende.

1Alois Riehl; Der philosophische Kriticismus und seine Bedeutung f¨ur die positive Wissenschaft, zweiter Band, zweiter Theil, Leipzig, 1887, S.III.

xiii

(14)

In der Einleitung wird eine systematisierende ¨Ubersicht ¨uber die verschiedenen, vielfach nicht pr¨azise formulierten Thesen gegeben, die in der wissenschaftstheoretischen Realis- musdebatte unter dem Stichwort “Realismus” vertreten und bestritten werden, und damit auch ¨uber die diversen, durch verschiedene solcher Thesen konstituierten realistischen Po- sitionen und ihre wichtigsten Gegenpositionen in dieser Debatte. Noch zuvor wird eine entsprechende systematisierende ¨Ubersicht ¨uber die Thesen, Positionen und Gegenposi- tionen gegeben, die in allgemein-philosophischen, also nicht auf den Bereich der Wissen- schaftstheorie beschr¨ankten Debatten unter dem Stichwort “Realismus” diskutiert werden.

Man gewinnt auf diese Weise zum einen pr¨azise Formulierungen f¨ur verschiedene, deutlich voneinander unterscheidbare realistische Thesen, zum anderen ein Bild vom Verh¨altnis der wissenschaftstheoretischen Realismusdebatte zu ihrem allgemein-philosophischen Umfeld und den dort zum Thema “Realismus” gef¨uhrten Debatten. Beides erweist sich als wichtig f¨ur die folgenden Untersuchungen.

Die Kapitel 2 bis 6 sind Bedeutungs-, Referenz- und Wahrheitstheorien f¨ur die Sprache der Wissenschaften gewidmet. Diese Theorien sind f¨ur die Realismusdebatte in zweierlei Weise relevant: Zum einen z¨ahlen sie zum Inhalt einiger realistischer Positionen, zum an- deren spielen sie bei der Argumentation f¨ur und gegen realistische Positionen an mehreren Stellen eine wichtige Rolle. Im Hinblick auf ihre Eignung f¨ur diese Rollen in der Rea- lismusdebatte werden die wichtigsten derzeit vorliegenden semantischen Theorien f¨ur die Sprache der Wissenschaften untersucht.

In den folgenden Kapiteln 7 bis 9 werden die Argumente, die in der Realismusde- batte f¨ur wissenschaftlichen Realismus vorgebracht werden, nach drei Arten klassifiziert und hinsichtlich ihrer Struktur, ihrer Vorz¨uge und ihrer M¨angel eingehend analysiert. Dis- kutiert werden nacheinander Pr¨asuppositionsargumente, Kontinuit¨atsargumente und das Wunderargument und seine Varianten.

Gegenstand der Kapitel 10 bis 12 sind drei neuere Positionen in der Realismusdebat- te, die (in unterschiedlichem Maß) als Konkurrenten realistischer Positionen auftreten.

Diskutiert werden im Hinblick auf ihre Beitr¨age zur Realismusdebatte Bas van Fraas- sens konstruktiver Empirismus, der experimentelle Realismus von Ian Hacking und Nancy Cartwright und schließlich Andrew Pickerings Sozialkonstruktivismus.

In den letzten Kapiteln der Arbeit wird, im Anschluß an eine Bilanz des bis dahin gewonnenen Bildes vom Stand der Dinge in der wissenschaftstheoretischen Realismus- debatte, eine moderate, im dort erl¨auterten Sinn selektive realistische Position umrissen.

Außerdem wird ein Programm skizziert, was zu tun ist, um diesen Umriß einer realistischen Position mit konkreten Thesen auszuf¨ullen und sich alles an Rechtfertigungsgr¨unden und Argumenten f¨ur diese Thesen zu verschaffen, was der Natur der Sache nach zu haben ist.

In Kapitel 13 wird er¨ortert, welche der diversen, in der Realismusdebatte diskutierten The- sen konstitutiv f¨ur eine intuitiv angemessene realistische Position sind. In Kapitel 14 wird untersucht, welche Rechtfertigungsgr¨unde und Argumente f¨ur eine solche Position vorge- bracht werden k¨onnen, und zwar zum einen, was der realistischen Seite in einer Diskussion mit instrumentalistischen Gegnern an Argumenten zur Verf¨ugung steht, zum anderen, was sich von realistischer Seite an epistemischen Rechtfertigungsgr¨unden und Argumenten f¨ur die eigene Position ins Feld f¨uhren l¨aßt, etwa in einer Diskussion mit antirealistischen Geg- nern wie van Fraassen. In Kapitel 15 schließlich wird an einem Fallbeispiel gezeigt, was zu tun w¨are, um das skizzierte Programm umzusetzen.

Wenn die angestellten ¨Uberlegungen richtig sind, ist die Umsetzung dieses Programms das, was man tun kann, um zu einer plausiblen und haltbaren realistischen Position in der wissenschaftstheoretischen Realismusdebatte zu gelangen, und das, was einem auf realisti-

(15)

xv

scher Seite nach Umsetzung dieses Programms an Argumenten f¨ur die eigene Position zur Verf¨ugung steht, ist der Natur der Sache nach das beste, was an argumentativen Mitteln zu haben ist, obwohl dadurch, wie die Diskussion zeigen wird,nichtalle Diskussionsgegner vom wissenschaftlichen Realismus ¨uberzeugt werden k¨onnen.

Obwohl die Argumentation in den folgenden Kapiteln nat¨urlich f¨ur sich spricht, ist es vielleicht n¨utzlich anzudeuten, auf welchem Weg ich zu der Position gelangt bin, die am Ende dieser Arbeit steht. Als ich begann, mich mit dem Thema “wissenschaftlicher Realismus” zu besch¨aftigen, neigte ich, wie viele, die in den Naturwissenschaften soziali- siert worden sind, intuitiv zu einer realistischen Position, ohne jedoch daf¨ur einigermaßen zufriedenstellende Rechtfertigungsgr¨unde oder Argumente nennen zu k¨onnen und auch ohne ein wirklich pr¨azises Bild davon zu haben, was eigentlich wissenschaftlichen Realis- mus ausmacht. Meine Versuche, mich auf dem Feld der Realismusdebatte zu orientieren und meine wenig reflektierten realistischen Intuitionen zu einer systematischen, durch Ar- gumente gest¨utzten Position zu entwickeln, brachten zun¨achst die Erfahrung, daß eine frustrierende Diskrepanz besteht zwischen hartn¨ackigen realistischen Intuitionen einer- seits und der zun¨achst sehr unbefriedigenden Bilanz der Suche nach Argumenten f¨ur eine realistische Position andererseits: Die Argumente, die sich in der Literatur finden, sehen bei etwas genauerer Betrachtung meistens mehr oder weniger skizzenhaft formuliert und unzufriedenstellend aus (auch wenn sie von ihren Anh¨angern gelegentlich im Brustton der ¨Uberzeugung vorgetragen werden), und selbst die Argumente, die noch am griffigsten und plausibelsten aussehen, erweisen sich in der Diskussion mit konsequenten Diskussi- onsgegnern als kraftlos und scheinen gleichsam unter der Hand ihre ¨Uberzeugungskraft einzub¨ußen. Realistische Intuitionen (meine jedenfalls) werden von diesem Befund jedoch eigenartigerweise kaum ber¨uhrt.

Zur Aufl¨osung dieser frustrierenden Diskrepanz f¨uhrt die Einsicht (oder hat sie zu- mindest f¨ur mich gef¨uhrt), daß in der wissenschaftstheoretischen Realismusdebatte h¨aufig unter unausgesprochenen Voraussetzungen argumentiert wird, die sich, wenn man sie expli- zit macht, als wenig plausibel und jedenfalls nicht unkontrovers erweisen, und die deutlich an intuitiver Plausibilit¨at einb¨ußen, wenn man sie in allgemein-philosophische, ¨uber die wissenschaftstheoretische Debatte hinausreichende Diskussionszusammenh¨ange r¨uckt. Die

“Unsichtbarkeit” dieser Voraussetzungen wird dadurch zumindest beg¨unstigt, daß die wis- senschaftstheoretische Debatte ¨ublicherweise von allgemein-philosophischen, insbesondere von erkenntnistheoretischen Debatten abgekoppelt gef¨uhrt wird, und die Voraussetzungen werden leichter sichtbar, wenn man die “Entkoppelung” der Debatten r¨uckg¨angig macht.

Eine solche Voraussetzung, die f¨ur die Argumentation in dieser Arbeit eine wichtige Rol- le spielt, ist die, daß in der wissenschaftstheoretischen Realismusdebatte h¨aufig eine Art empiristische und/oder fundamentalistische Konzeption von epistemischer Rechtfertigung vorausgesetzt wird: Durch direkte Beobachtung mit dem bloßen Auge gewonnene ¨Uber- zeugungen gelten danach als in epistemischer Hinsicht “unproblematisch”, ebenso durch deduktive Schl¨usse daraus gewonnene ¨Uberzeugungen, alles andere ist dagegen in epistemi- scher Hinsicht “problematisch” und muß auf der Basis “unproblematischer” ¨Uberzeugun- gen durch deduktive Schl¨usse gerechtfertigt werden. Eine zweite solche Voraussetzung ist die Annahme, daß man dann und nur dann zufriedenstellende Rechtfertigungsgr¨unde f¨ur eine ¨Uberzeugung hat, wenn man ¨uber ein (im Prinzip) f¨ur jedermann ¨uberzeugungskr¨afti- ges Argument f¨ur diese ¨Uberzeugung verf¨ugt. Wenn man diese Voraussetzungen fallenl¨aßt

— und daf¨ur spricht einiges —, dann erscheinen zumindest ein Teil der Argumente, die f¨ur realistische Positionen vorgebracht werden, in einem deutlich g¨unstigeren Licht, und die Aussichten, eine intuitiv plausible realistische Position zu entwickeln und in einer der

(16)

Natur der Sache angemessenen Weise zu rechtfertigen und durch Argumente zu st¨utzen, werden deutlich besser.

Im Anschluß an ein Kolloquium mit Michael Friedman in G¨ottingen, auf dem er sei- ne “zeitgem¨aß erneuerte” neukantianische Wissenschaftsphilosophie vorgestellt hat, bin ich auf die Frage gestoßen, wo die Position, die am Ende dieser Arbeit anvisiert wird, auf einer “philosophischen Landkarte” anzusiedeln w¨are, und diese Frage liegt auch na- he, wenn man, wie es in dieser Arbeit f¨ur das Thema “Realismus” getan wird, daf¨ur pl¨adiert, wissenschaftstheoretische Debatten st¨arker in allgemein-philosophische Debatten einzur¨ucken, als es in der Wissenschaftstheorie noch immer ¨ublich ist. Wo die anvisierte Positionnichtanzusiedeln ist — n¨amlich z.B. nicht in der N¨ahe empiristischer Positionen (wie die von van Fraassen) und nicht in der N¨ahe kantianischer Positionen (wie die von Friedman) —, ist leichter zu sagen als sie “positiv” zu verorten, und generell haben solche Etikettierungen ohnehin nur sehr begrenzten Gehalt, aber wenn die anvisierte Position zu einer sehr groben Orientierung einem Bereich der “philosophischen Landkarte” zugeordnet werden muß, dann sollte dies der Bereich sein, in dem so etwas wie ein naturalistischer Common-sense-Realismus liegt2, also eine Position, wie sie von den zeitgen¨ossischen Phi- losophen “außerhalb der Wissenschaftstheorie” etwa Ernest Sosa vertritt, und wenn dieser Bereich durch den Namen eines philosophischen Klassikers gekennzeichnet werden muß, dann m¨ußte dies am ehesten der von Thomas Reid sein.

Einige entschuldigende Bemerkungen: Ich verwende bei Berufsbezeichnungen etc., von denen es eine weibliche und eine m¨annliche Form gibt, aus Gewohnheit und Bequemlichkeit in der Regel die letztere, also etwa “Philosophen” und “Physiker”, nat¨urlich ohne damit irgendjemanden ausschließen oder gar emanzipatorische Errungenschaften bestreiten zu wollen; ich habe dies im Text beibehalten, da ich hinreichend viele Philosophinnen und Physikerinnen kenne, die dem keinerlei Bedeutung beimessen.

Von den diversen Disziplinen und Fachgebieten, die gew¨ohnlich den Wissenschaften zugerechnet werden, spielt im folgenden, wenn es um Fallbeispiele etc. geht, die Physik die zentrale Rolle, obwohl sich die Realismusdebatte nat¨urlich nicht nur auf die Physik bezieht und auch die von mir am Ende skizzierte realistische Position nicht, wie im Verlauf der Diskussion klar werden sollte. Dies hat damit zu tun, daß ich mich in der Physik am besten auskenne, und soll keinerlei Annahmen ¨uber einen irgendwie privilegierten Status der Physik o.¨a. implizieren oder zum Ausdruck bringen.

Schließlich sollen drei neuere Arbeiten zum Thema “wissenschaftlicher Realismus” ge- nannt werden, auf die ich leider zu sp¨at aufmerksam geworden bin, um mich in angemesse- ner Weise mit ihnen auseinanderzusetzen und sie ¨uber die Erw¨ahnung in einigen wenigen Fußnoten hinausgehend zu ber¨ucksichtigen, n¨amlich die B¨ucher von Jarrett Leplin und von Stathis Psillos3, und auch, was ich besonders bedauere, das Buch von Philip Kitcher4. Zu den erfreulichen Dingen, die mit dem Abschluß dieser Arbeit verbunden sind, z¨ahlt die Gelegenheit, mich bei all denen zu bedanken, denen ich dankbar bin f¨ur ihre Un- terst¨utzung oder Hilfe auf dem etwas unebenen Weg, der zu dem gef¨uhrt hat, was ich damit fertiggestellt habe.

Diese Dissertation wurde durch mehrere Institutionen gef¨ordert, denen ich daf¨ur Dank schulde: Begonnen habe ich diese Arbeit als Mitarbeiter am Forschungsschwerpunkt Wis- senschaftsgeschichte und Wissenschaftstheorie der F¨orderungsgesellschaft Wissenschaftli-

2Nicht zu verwechseln mit dem, was in der wissenschaftstheoretischen Realismusdebatte gew¨ohnlich als Common-sense-Realismus bezeichnet wird; siehe S.24.

3[Lepl97, Psil99].

4[Kitc93].

(17)

xvii

che Neuvorhaben m.b.H. in Berlin. Sie wurde außerdem gef¨ordert durch ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und durch ein Stipendium der Landesgradu- iertenf¨orderung des Landes Baden-W¨urttemberg. Dem Center for Philosophy and History of Science der Boston University und insbesondere seinem Leiter, Professor Alfred Tauber, bin ich zu Dank verpflichtet f¨ur eine Einladung als Visiting Scholar im akademischen Jahr 1995/96.

Annabel Falkenhagen und Klaus Tschepke haben Teile des Manuskripts gelesen und hilfreiche Verbesserungsvorschl¨age gemacht. Ihnen sei hiermit f¨ur ihre M¨uhen herzlich gedankt.

F¨ur F¨orderung und Anregungen w¨ahrend meiner Berliner Zeit danke ich Professor Michael Heidelberger und Professor J¨urgen Renn, außerdem allen Mitarbeitern des For- schungsschwerpunkts Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftstheorie. F¨ur Diskussio- nen mit oder ohne Kaffeetasse danke ich Malte Grunwald, Ed Jurkowitz, Niels Loesch und Heike Wiese.

In meiner Zeit in Boston verdanke ich den Diskussionen und Gespr¨achen mit Jordi Cat, Professor Ulrich Majer und Professor Sam Schweber wichtige Anregungen. Außeror- dentlich hilfreich f¨ur mich war dort außerdem eine Physik-Vorlesung von Professor Gerald Gabrielse. Besonders herzlich bedanken m¨ochte ich mich bei Professor Peter Galison f¨ur Vorlesungen, Seminare und Diskussionen in seinem inspirierenden, von seinem anstecken- den Engagement gepr¨agten Zirkel.

Auf meiner n¨achsten Station in Heidelberg waren Diskussionen mit Andreas H¨utte- mann, Jesse Kraai, Jutta Rockmann, Marcus Schulte und Orestis Terzidis hilfreich und anregend. Zu Dank verpflichtet bin ich ferner Professor Martin Carrier, der eine Zeitlang offizieller Betreuer meines Dissertationsprojektes war.

Ein großer und herzlicher Dank geht an Professor Felix M¨uhlh¨olzer, der die Betreuung meiner Dissertation zu einem Zeitpunkt ¨ubernommen hat, zu dem es f¨ur mich wichtig war, obwohl er daf¨ur eigentlich kaum gute Gr¨unde haben konnte, und der diese Arbeit dann mit großer Unterst¨utzung und Geduld begleitet und gef¨ordert hat.

Mein gr¨oßter Dank erreicht seinen Adressaten nicht mehr: Er geht an Professor Lorenz Kr¨uger, der mir einen Weg zur Philosophie gezeigt hat und der auch diese Arbeit angeregt und in ihrer Anfangsphase gef¨ordert hat.

(18)
(19)

Kapitel 1

Einleitung: Die Realismusdebatte in der Wissenschaftstheorie und ihr allgemein-philosophisches

Umfeld

1.1 Probleme des Realismus

Innerhalb der Wissenschaftstheorie, die sich mit einem ganzen Spektrum von Orientie- rungsfragen zu den modernen Wissenschaften, ihren Zielen, Methoden und Praktiken, ihren Erkenntnisleistungen und ihrem Beitrag zu unserem Weltbild besch¨aftigt, behandelt die Debatte, die ¨uber das Thema Realismus gef¨uhrt wird, in vieler Hinsicht ein Kernpro- blem. Im Schnittpunkt zahlreicher Fragestellungen aus den genannten Bereichen liegt das Problem, ob und wenn ja in welchem Sinn genau die “kognitiven Produkte” wissenschaft- licher Forschung, also Theorien, Erkl¨arungen, Modelle, Gesetze etc., als Erkenntnisse ¨uber die Natur, die Welt o.¨a. zu verstehen sind und wie solche Erkenntnisanspr¨uche gegebenen- falls zu bewerten sind.

In der wissenschaftstheoretischen Realismusdebatte werden also f¨ur den Bereich der Wissenschaften Fragen verhandelt, die prima facie zu den allgemeineren, umfassenderen Themenbereichen geh¨oren, die traditionell der theoretischen Philosophie, sprich: der allge- meinen Erkenntnistheorie, Sprachphilosophie und Metaphysik, zugerechnet werden. Den- noch zeigt ein Blick auf die “philosophische Praxis”, daß die wissenschaftstheoretische Realismusdebatte weitgehend abgekoppelt von den allgemeineren erkenntnistheoretischen, sprachphilosophischen und metaphysischen Debatten gef¨uhrt wird, oder wenigstens ohne explizite Bezugnahme auf sie. Da zudem das Stichwort “Realismus” in den allgemeinen wie in den spezielleren Diskussionen jeweils mehrere verschiedene Thesen und Positionen bezeichnet, die von den Beteiligten nur zum Teil aufeinander bezogen und pr¨azise von- einander abgegrenzt werden, ist es zur ersten Orientierung n¨utzlich, ein grobes Bild von den beiden Debattenfeldern und ihrem Verh¨altnis zueinander zu gewinnen, bevor man die Thesen und Argumente der wissenschaftstheoretischen Debatte genauer in den Blick nimmt.

Im folgenden soll zun¨achst in beiden Debattenfeldern eine systematisierende ¨Ubersicht

¨

uber die wichtigsten realistischen Thesen und Positionen sowie auch ¨uber das Spektrum der Gegenthesen und -positionen gewonnen werden. Anschließend soll untersucht werden,

1

(20)

in welcher Beziehung die beiden Debattenfelder zueinander stehen.

1.2 Realismus in allgemein-philosophischen Diskussionen:

Dimensionen des Themas, Thesen und Positionen

In allgemein-philosophischen, also nicht auf die Wissenschaftstheorie beschr¨ankten Diskus- sionen wird unter Realismus eine Vielzahl von Thesen und daraus kombinierten Positionen verstanden, hinter denen sich aber vielleicht so etwas wie eine sie verbindende, allgemeinere Intuition erkennen l¨aßt.1 Thomas Nagel formuliert diese wie folgt:

“In simple terms [realism . . . ] is the view that the world is independent of our minds, but the problem is to explain this claim in a nontrivial way which cannot be easily admitted by everyone.”2

Crispin Wright beschreibt diese Intuition etwas ausf¨uhrlicher und streicht dabei heraus, daß sie zwei “Komponenten” hat:

“A reasonable pretheoretical characterisation of realism about, say, the exter- nal world seems to me that it is a fusion of two kinds of thoughts, one kind expressing a certain modesty, the other more presumptuous. The modest kind of thought concerns theindependenceof the external world – for example, that the external world exists independently of us, that it is as it is independently of the conceptual vocabulary in terms of which we think about it, and that it is as it is independently of the beliefs about it which we do, will or ever would form [. . . ]. The presumptuous thought, by contrast, is that [. . . ] we are nevertheless, in favourable circumstances, capable of conceiving the world aright, and, often, of knowing the truth about it.”3

Typischerweise geht es in den allgemeinen Diskussionen pro und contra Realismus zun¨achst um materielle Gegenst¨ande der Alltagswelt (Tische, Bratpfannen, Papageien, Wolken u.¨a.) und ihre Eigenschaften bzw. entsprechende Sachverhalte oder S¨atze. Din- ge dieser Art liefern die paradigmatischen Beispiele, anhand derer realistische und anti- realistische4 Thesen entwickelt und diskutiert werden. Debatten ¨uber realistische oder

1Mit “Intuitionen” oder auch “vortheoretischen Intuitionen” sind hier und im folgenden (f¨ur den jewei- ligen Kontext relevante) ¨Uberzeugungen gemeint, die man zu Beginn einer philosophischen Untersuchung hat, die also den Ausgangspunkt der Argumentation bilden. Dies k¨onnen in sehr unterschiedlichem Grad reflektierte und auch bisher noch gar nicht artikulierte ¨Uberzeugungen sein. Was in diesem Sinn “intuitiv plausibel” erscheint, ist keineswegs unrevidierbar, man wird eine entsprechende ¨Uberzeugung jedoch auch nicht ohne Grund aufgeben. (Zu dieser Verwendung von “Intuition” vgl. [Sosa91a], Kap.15.)

Ein Appell an “Intuitionen” in diesem Sinn ist daher von anderen in der Philosophie gel¨aufigen Ver- wendungsweisen dieses Ausdrucks abzugrenzen: Es wird nicht auf so etwas wie ein Verm¨ogen “rationaler Intuition” Bezug genommen, wie es von Anh¨angern rationalistischer Positionen in Anspruch genommen wird, und es geht i.a. auch nicht um sprachliche Intuitionen, also um die Bedeutung von Begriffen, Aus- dr¨ucken o.¨a., die (bestimmten sprachphilosophischen Positionen zufolge) jedem kompetenten Sprecher einer Sprache “intuitiv” zug¨anglich ist.

2[Nage86], S.90.

3[Wrig92], S.1/2.

4‘Antirealismus’ bzw. ‘antirealistisch’ wird in dieser Arbeit als Bezeichnung f¨ur Thesen und Positionen verwendet, die realistischen Thesen und Positionen entgegengestellt werden. Dies entspricht dem Sprachge- brauch, der in der zeitgen¨ossischen philosophischen Literatur vorherrscht und der weiter ist als die in Teilen der sprachphilosophischen Literatur im Anschluß an Dummett ¨ubliche Verwendung dieser Ausdr¨ucke zur Bezeichnung speziellerer semantischer Thesen und Positionen (vgl. S.10).

(21)

1.2. REALISMUS IN ALLGEMEIN-PHILOSOPHISCHEN DISKUSSIONEN 3

antirealistische Thesen werden aber auch bez¨uglich anderer Gegenstands- oder Diskursbe- reiche gef¨uhrt: ¨uber Universalien (“R¨ote” bzw. die Farbe rot u.¨a.) und nat¨urliche Arten (G¨urteltiere, Granat usw.), abstrakte Gegenst¨ande (Sinfonien, Vereine, Nationen u.¨a.), ma- thematische Gegenst¨ande (Zahlen, Algebren, Mannigfaltigkeiten u.¨a.), mentale Zust¨ande und Entit¨aten, die Gegenst¨ande und Sachverhalte der Ethik (Werte, ethische Urteile etc.), Sachverhalte kausaler, modaler und kontrafaktischer Art und vieles mehr. Eine differenzier- te philosophische Position kann nach Gegenstands- oder Diskursbereichen unterscheiden, die groß oder klein “zugeschnitten” sein k¨onnen und in bezug auf verschiedene Bereiche i.a. unterschiedliche realistische und antirealistische Thesen einschließen.

1.2.1 Realistische Thesen

Bei den Anh¨angern realistischer Positionen findet sich eine Vielzahl realistischer Thesen, teils explizit und pr¨azise formuliert, teils eher grob skizziert, nur angedeutet oder implizit angenommen, die sich als Konkretisierung der von Nagel und Wright genannten allge- meinen Intuition auffassen lassen. Die Menge dieser Thesen ist zu umfangreich, um sie (oder auch nur wesentliche Teile davon) im einzelnen zu analysieren, es l¨aßt sich aber eine systematisierende ¨Ubersicht ¨uber sie gewinnen, indem man drei Dimensionen dessen unterscheidet, was diese Thesen zum Inhalt haben: eine ontologische, eine semantische und eine erkenntnistheoretische.5 F¨ur jede dieser Dimensionen lassen sich ein oder zwei Schemata f¨ur pr¨azise formulierte realistische Thesen angeben derart, daß die meisten der von Anh¨angern realistischer Positionen vertretenen Thesen sich als Instantiierungen die- ser Schemata auffassen lassen oder sich, wenn es sich um grob und unscharf formulierte Thesen handelt, zumindest im Sinne einer pr¨azisierenden Explikation als Instantiierungen dieser Schemata rekonstruieren lassen.6

Ontologischer Realismus

Eine ontologische realistische These7 bez¨uglich eines bestimmten Gegenstandsbereiches, d.h. bez¨uglich eines spezifizierten Bereichs von Entit¨aten und deren Eigenschaften8, Sach- verhalten, Gesetzen o.¨a., ist eine These der Form

OR Die spezifizierten Entit¨aten existieren unabh¨angig von menschlicher Erkenntnis und haben unabh¨angig von menschlicher Erkenntnis die spezifizierten Eigenschaften, es

5ur Klassifikationen dieser und ¨ahnlicher Art siehe z.B. [Earm93, Haac87, Hell83, Horw82a, Nage86]

sowie [Mitt95], Bd.3, S.500ff.

6In diesem Sinn ist die Liste der im folgenden vorgeschlagenen Schemata und zugeh¨origen Erl¨auterungen zu verstehen. Sie soll m¨oglichst viele und insbesondere die systematisch wichtigen der in der Realismusde- batte vertretenen realistischen Thesen im Sinne einer systematisierenden und pr¨azisierenden Explikation erfassen. Um zu zeigen, daß sie dies leistet, m¨ußte die Literatur zur Realismusdebatte vollst¨andig aufgear- beitet und analysiert werden, was hier nicht m¨oglich ist.

7In der Literatur werden diese h¨aufig auch als metaphysische Thesen bezeichnet. Das Etikett ‘onto- logisch’ hat jedoch den Vorzug, daß man terminologisch Abstand h¨alt von Hilary Putnams Unterschei- dung von “metaphysischem” und “internem” Realismus (siehe u.a. [Putn78], Teil 4, [Putn81], [Putn87a], [Putn90a], Kap.2). Die damit bezeichneten Positionen (oder, wie Putnam sich ausdr¨uckt, “Perspektiven”) verflechten Thesen und Themen verschiedener Art (Wahrheitstheorien, Bedeutungstheorien, Ontologie, Physikalismus, Unterbestimmtheit und einiges mehr) in einer zu komplizierten Weise, um sie hier entflech- ten und sinnvoll behandeln zu k¨onnen.

8Inklusive relationaler, also “mehrstelliger” Eigenschaften; diese Erl¨auterung bleibt im folgenden impli- zit.

(22)

liegen unabh¨angig von menschlicher Erkenntnis die spezifizierten Sachverhalte vor, es gelten unabh¨angig von menschlicher Erkenntnis die spezifizierten Gesetze u.¨a.9 An einer solchen These lassen sich10 zwei Aspekte unterscheiden, die die beiden “Kom- ponenten” der von Nagel und Wright genannten Intuition konkretisieren: Zum einen die Aussage, daß bestimmteEntit¨aten existierenund bestimmteEigenschaften haben,daß be- stimmteSachverhalte vorliegen,bestimmteGesetze gelten usw., zum anderen die Bestim- mung, daß diesunabh¨angig von menschlicher Erkenntnisso ist. Erstere konkretisiert den, wie Wright sich ausdr¨uckt, anmaßenden Gedanken, den die realistische Intuition enth¨alt, letztere den bescheidenen.11

Aus diesem Schema wird eine pr¨azise These, indem zum einen ein Gegenstandsbe- reich spezifiziert wird und zum anderen die Unabh¨angigkeitsaussage, d.h. die Qualifika- tion “unabh¨angig von menschlicher Erkenntnis”, erl¨autert wird. Letzteres kann entweder in bereichsspezifischer, d.h. auf einen speziellen Gegenstandsbereich bezogener Weise ge- schehen, so daß f¨ur verschiedene Gegenstandsbereiche evtl. unterschiedliche Erl¨auterungen gegeben werden, oder in (mehr oder weniger) globaler Weise.

Eine solche Erl¨auterung ist eine Aussage der Form

UvmE1 Die Entit¨aten w¨urden auch dann existieren und h¨atten auch dann die spezifi- zierten Eigenschaften, die Sachverhalte w¨urden auch dann vorliegen etc., wenn es keine menschliche Erkenntnis g¨abe.

Eine andere Erl¨auterung ist eine Aussage der Form

UvmE2 Die Entit¨aten und ihre Eigenschaften, die Sachverhalte etc. werden von mensch- lichen Erkenntnis- und Wahrnehmungszust¨anden, -f¨ahigkeiten und -verfahrenkausal nicht beeinflußt.

Aussagen dieser Art k¨onnen noch weiter pr¨azisiert oder eingeschr¨ankt werden:

UvmE1a Die Entit¨aten w¨urden auch dann existieren und h¨atten auch dann die spezifi- zierten Eigenschaften, die Sachverhalte w¨urden auch dann vorliegen etc., wenn nie- mand von dieserExistenz, von diesen Eigenschaften, von diesen Sachverhalten etc.

w¨ußte (in der Vergangenheit gewußt h¨atte oder zuk¨unftig wissen w¨urde), Eviden- zen f¨ur oder gegendiesbez¨uglicheUberzeugungen h¨¨ atte (gehabt h¨atte oder zuk¨unftig

9Dazu z¨ahlen als Grenzf¨alle auch Thesen, die die “blanke” Existenz bestimmter Entit¨aten zum Inhalt haben, ohne diesen irgendeine Eigenschaft zuzuschreiben, und Thesen, die eine generelle Aussage oder ein Gesetz formulieren, die bzw. das (m¨oglicherweise) keine Instantiierung hat. Der Gegenstandsbereich,

¨uber den eine ontologische realistische These etwas aussagt, kann grunds¨atzlich jede Gr¨oße haben: Sie kann im Extremfall auch von einer einzelnen, speziellen Entit¨at handeln oder ein v¨ollig allgemeines Gesetz formulieren.

10Ahnlich wie Devitt es tut ([Devi84], S.12ff., [Devi91], S.44).¨

11Eine These, daß bestimmte Entit¨aten existieren und bestimmte Eigenschaften haben etc., konkretisiert den von Wright als “anmaßend” charakterisierten Gedanken nicht, wie Wrights eigene Formulierung (“we are [. . . ] capable of conceiving the world aright, and [. . . ] of knowing the truth about it”), indem sie vom Vorliegen von Wissen ¨uber einen unabh¨angigen Gegenstandsbereich oder von epistemischen F¨ahigkeiten handelt, sondern indem sie den Inhalt solchen Wissens formuliert, so daß jemand, derdiese These vertritt und damit eine Behauptung aufstellt, dadurch einen Wissensanspruch in bezug auf den unabh¨angigen Gegenstandsbereich erhebt.Daß ein solcher unabh¨angiger Gegenstandsbereich f¨ur Menschen epistemisch zug¨anglich ist, wird also nicht explizit durch den Inhalt dieser These zum Ausdruck gebracht, sondern durch das Behaupten der These pragmatisch impliziert. (Die sprachphilosophische Frage, was genau eine Behauptung bzw. das Vertreten einer These involviert und impliziert, und auf welche Weise, muß an dieser Stelle beiseite bleiben.)

(23)

1.2. REALISMUS IN ALLGEMEIN-PHILOSOPHISCHEN DISKUSSIONEN 5

haben w¨urde) und/oder ¨uber die Begriffe verf¨ugte (verf¨ugt h¨atte oder zuk¨unftig verf¨ugen w¨urde),dieseUberzeugungen zu formulieren.¨

UvmE2a Die Entit¨aten und ihre Eigenschaften, die Sachverhalte etc. werden von den menschlichen Erkenntnis- und Wahrnehmungszust¨anden, -f¨ahigkeiten und -verfahren kausal nicht beeinflußt,die menschliches Wissen von diesen Entit¨aten etc. konstitu- ieren bzw. erzeugen.12

Eine dritte (zu den beiden ersten quer liegende13) Erl¨auterung ist eine Aussage der Form

UvmE3 Die Entit¨aten und ihre Eigenschaften, die Sachverhalte etc. werden nicht durch mentaleEntit¨aten und Eigenschaften, Sachverhalte etc. konstituiert.

Damit wird ausgeschlossen, daß die fraglichen Entit¨aten etc.identisch sind mitoderzusam- mengesetzt aus Ideen, ¨Uberzeugungen, Wahrnehmungen, Empfindungen oder ¨ahnlichen Typen mentaler Entit¨aten, deren Eigenschaften, entsprechenden Sachverhalten etc., die f¨ur menschliche Erkenntnis konstitutiv sind. Eine weiter pr¨azisierte oder eingeschr¨ankte Variante dieser Erl¨auterung ist eine Aussage der Form

UvmE3a Die Entit¨aten etc. werden nicht durch diejenigen mentalen Entit¨aten etc. kon- stituiert, die f¨ur menschliche Erkenntnisvon ihnenkonstitutiv sind, d.h. nicht durch Uberzeugungen¨ ¨uber sie, Wahrnehmungenvon ihnen etc.14

Sowohl die erste als auch die dritte der genannten Erl¨auterungen sind erf¨ullt, wenn die st¨arkere Unabh¨angigkeitsaussage gilt:

12Die Qualifikation, daß es nur auf Erkenntnis- und Wahrnehmungszust¨ande etc. ankommt, die Wis- sen von den fraglichen Entit¨aten und ihre Eigenschaftenkonstituieren o.¨a. (im Unterschied zu sonstigen Erkenntnis- und Wahrnehmungszust¨anden etc.), ist wichtig, zumindest f¨ur einige Gegenstandsbereiche, z.B. wenn Artefakte (wie Bratpfannen und Fernrohre) und “soziale Objekte” (wie Institutionen, soziale Rollen u.¨a.) nicht als Kandidaten f¨ur ontologische realistische Thesen ausfallen sollen; vgl. auch Kap.13.2.1 und 13.2.3.

13Daß die dritte Erl¨auterung nicht identisch mit einer der beiden vorigen ist, kann man sich anhand von F¨allen verdeutlichen, die unter die ersteren fallen, aber nicht unter die letztere: Russell spricht von

“sensibilia” und versteht darunter so etwas wie potentielle Erscheinungen oder Wahrnehmungen (im Un- terschied zu den aktuellen Wahrnehmungen und Sinnesdaten eines Beobachters), auf die Gegenst¨ande wie Tische etc. reduzierbar sind ([Russ18b], bes. S.148ff.). Nach Russell w¨aren solche Gegenst¨ande also als unabh¨angig von menschlicher Erkenntnis im Sinne der ersten Erl¨auterung und, insofern Russell den Kausalbegriff ganz zur¨uckweist, auch im Sinne der zweiten Erl¨auterung, aber (sofern “sensibilia” als men- tale Entit¨aten z¨ahlen) nicht als unabh¨angig im Sinne der dritten Erl¨auterung aufzufassen. Kandidaten f¨ur

“inverse” F¨alle, also Abh¨angigkeit von menschlicher Erkenntnis im erst- und zweitgenannten Sinn (ohne daß das den in der vorigen Fn. erw¨ahnten trivialen Grund hat) und Unabh¨angigkeit im Sinne der dritten Erl¨auterung sind mentale Entit¨aten wie Wahrnehmungen, ¨Uberzeugungen etc.; ob man diese (bzw. welche davon man) tats¨achlich als einschl¨agige Beispielf¨alle akzeptiert, h¨angt jedoch davon ab, welche Position man in der Philosophie des Geistes vertritt. Andere unzweideutige “inverse” F¨alle außerhalb von Philo- sophieb¨uchern zu finden ist nicht ganz einfach; ein Beispiel findet sich aber bei Douglas Adams: “Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau rausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch etwas noch Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt” ([Adam82], S.7).

14Diese Qualifikation kann relevant sein, wenn man eine realistische These in bezug auf mentale Entit¨aten wie ¨Uberzeugungen, Wahrnehmungen etc. formulieren m¨ochte, insbesondere, wenn man diese nicht ur unabh¨angig von menschlicher Erkenntnis im Sinne der ersten Erl¨auterung h¨alt.

(24)

UvmE Die Entit¨aten w¨urden auch dann existieren und h¨atten auch dann die spezifizierten Eigenschaften, die Sachverhalte w¨urden auch dann vorliegen etc., wenn es keine denkenden und wahrnehmenden Wesen, sprich: keine Menschen g¨abe15.

Eine vierte (wiederum quer zu den anderen liegende16) Erl¨auterung ist eine Aussage der Form

UvmE4 Die Eigenschaften der Entit¨aten, die Sachverhalte etc. involvieren nicht den menschlichen kognitiven Apparat oder bestimmte seiner Z¨uge oder Charakteristi- ka. D.h. konkret, daß die Eigenschaften, Sachverhalte etc. keine relationalen Eigen- schaften, Sachverhalte etc. sind, bei denen der menschliche kognitive Apparat ein Relationsglied ist, keine Dispositionen sind oder involvieren, zu deren Manifestati- onsbedingungen dieser kognitive Apparat geh¨ort, o.¨a.

Damit wird ausgeschlossen, daß die fraglichen Eigenschaften etc. sozusagen zu anthropo- zentrisch sind.17

W¨ahrend die bisher beschriebenen Versionen ontologischer realistischer Thesen beide Komponenten der von Nagel und Wright genannten Intuition konkretisieren, sich also auf Entit¨aten, Sachverhalte etc. beziehen, die f¨ur Menschen kognitiv (mehr oder weniger) zug¨anglich sind oder jedenfalls gew¨ohnlich daf¨ur gehalten werden, halten einige Anh¨anger realistischer Positionen nur die eine Komponente, den bescheidenen Gedanken ¨uber die Unabh¨angigkeit der Welt vom menschlichen Geist, f¨ur wesentlich und formulieren daher ontologische realistische Thesen, die sich auf einen Bereich beziehen, der f¨ur Menschen nichtzug¨anglich ist: Sie versuchen, durch Analogien eine These wie die folgende plausibel zu machen:

OR2 Es gibt Dinge und Sachverhalte in der Welt oder kann sie geben, ¨uber die Men- schen nicht nur in dem Sinne nichts wissen k¨onnen, daß sie ¨uber die Wahrheit oder Falschheit von S¨atzen, die diese Dinge beschreiben, nicht entscheiden k¨onnen, son- dern dar¨uber hinaus in dem starken Sinn, daß Menschen der konzeptionelle Apparat fehlt und, so wie sie kontingenterweise “gebaut” sind, immer fehlen wird, um diese

¨

uberhaupt begrifflich erfassen zu k¨onnen.

Auf Sloganform gebracht lautet der Gedanke: “Reality is bigger than us”18; eine Analogie, um ihn zu st¨utzen, w¨are etwa die zu einem Kleinkind oder einem Tier (z.B. einem Affen), denen man kognitive F¨ahigkeiten zuspricht, die aber die durch Theorien wie die Quan- tenmechanik oder die Transformationsgrammatik beschriebenen Sachverhalte begrifflich nicht erfassen k¨onnen.19

15Und wenn man außerdem voraussetzen kann, daß es ohne denkende und wahrnehmende Wesen keine mentalen Entit¨aten, Sachverhalte etc. g¨abe. Diese Annahme k¨onnte man bestreiten; vgl. die vorletzte Fn.

16Ein Beispiel, das die Differenz zwischen dieser Erl¨auterung und den vorigen illustriert, w¨aren Farben bzw. entsprechende Sachverhalte, sofern man etwa die Eigenschaft, rot zu sein, auffaßt als eine Disposi- tion, (unter “Normalbedingungen” im Hinblick auf Beleuchtung usw.) bei Menschen eine Rotempfindung hervorzurufen. Farbeigenschaften w¨aren demnach unabh¨angig von menschlicher Erkenntnis im Sinne der ersten drei Erl¨auterungen, aber nicht im Sinne der vierten.

17Thesen dieser Art werden vor allem im Zusammenhang mit sekund¨aren Qualit¨aten, Ethik und ¨ahnli- chen Bereichen diskutiert. Siehe dazu z.B. [Krug89, Pett91].

18[Hack83a], S.274.

19Vgl. [Nage86], Kap.VI.

(25)

1.2. REALISMUS IN ALLGEMEIN-PHILOSOPHISCHEN DISKUSSIONEN 7

Semantischer Realismus

Semantischer Realismus in Bezug auf eine bestimmte Menge von S¨atzen20 schließt min- destens21 eine These der Form

SR1 Die spezifizierten S¨atze haben Wahrheitswerte, d.h. sind wahr oder falsch, und zwar unabh¨angig von menschlichen epistemischen Mitteln zum Erkennen dieser Wahr- heitswerte.22

ein. Aus diesem Schema wird eine pr¨azise These, indem zum einen eine Menge von S¨atzen spezifiziert wird und zum anderen die zentralen Formulierungen “Wahrheitswerte haben”

und vor allem “unabh¨angig von menschlichen epistemischen Mitteln” erl¨autert werden.

Dies kann in bereichsspezifischer oder in (mehr oder weniger) globaler Weise geschehen.

Die Suche nach einer solchen Erl¨auterung f¨uhrt auf die Frage nach einer Wahrheits- theorie und evtl. nach einer Bedeutungs- und Referenztheorie f¨ur die fraglichen S¨atze, innerhalb derer die semantischen Eigenschaften und Relationen der S¨atze charakterisiert werden und damit auch erl¨autert wird, in welchem Sinn die Eigenschaft eines Satzes, einen Wahrheitswert zu haben, bzw. die semantische Relation zwischen einem Satz und seinem Wahrheitswert unabh¨angig von menschlichen epistemischen Mitteln sind. Realisten pl¨adie- ren an dieser Stelle meistens f¨ur eine nicht-epistemische Wahrheitstheorie, typischerweise f¨ur eine Korrespondenztheorie, und evtl. f¨ur eine Bedeutungs- und Referenztheorie, bei der Wahrheits- bzw. Erf¨ullungsbedingungen23im Zentrum stehen.24Eine Erl¨auterung von

“unabh¨angig . . . ”, die sich durch eine solche semantische Theorie ergeben kann, ist eine Aussage der Form

UvmeM1 Die S¨atze h¨atten auch dann ihre Wahrheitswerte, d.h. w¨aren auch dann wahr oder falsch, wenn niemand ¨uber epistemische Mittel verf¨ugen w¨urde, die es (wenig- stens im Prinzip) erm¨oglichen, herauszufinden, ob die S¨atze wahr sind oder falsch.

Eine andere solche Erl¨auterung ist eine Aussage der Form

UvmeM2 Die Eigenschaft der S¨atze, einen Wahrheitswert zu haben, d.h. wahr oder falsch zu sein, involviertnichtmenschliche epistemische Mittel zum Erkennen dieser Wahr- heitswerte. D.h. konkret, daß die Eigenschaft, wahr oder falsch zu sein, keine rela- tionale Eigenschaft ist, bei der epistemische Mittel ein Relationsglied sind, keine Disposition ist oder involviert, zu deren Manifestationsbedingungen diese epistemi- schen Mittel geh¨oren, o.¨a.25

Eine semantische realistische These vom Typ (SR1) wird, je nach Gegenstandsbereich, h¨aufig durch eine zweite Teilthese erg¨anzt, die unerw¨unschte Interpretationen der S¨atze,

20Bzw. Propositionen; ich ¨ubergehe hier diese Differenz und die damit zusammenh¨angenden Probleme.

21S.u.

22Siehe etwa [Dumm78b], S.146. M¨ogliche Komplikationen, die mit leeren Kennzeichnungen oder vagen Pr¨adikaten zusammenh¨angen, bleiben hier beiseite.

23Im Unterschied zu Behauptbarkeitsbedingungen, Regeln des Gebrauchs u.¨a.

24Die semantischen Theorien, die zur Erl¨auterung von (SR1) herangezogen werden k¨onnen, und die Frage, ob, und wenn ja, wie sie eine Erl¨auterung von “unabh¨angig . . . ” liefern, k¨onnen an dieser Stelle nicht diskutiert werden, dies geschieht jedoch f¨ur die Sprache der Wissenschaften in Teil I.

25Andere Erl¨auterungen von “unabh¨angig . . . ”, die man vielleicht in Analogie zu den f¨ur ontologische realistische Thesen genannten Erl¨auterungen konstruieren k¨onnte, spielen im Zusammenhang mit seman- tischem Realismus keine Rolle.

(26)

auf die sich die These der Form (SR1) bezieht, ausschließt und den Spielraum f¨ur m¨ogliche Reduktionen und Paraphrasierungen der S¨atze und Ausdr¨ucke auf bzw. durch andersartige S¨atze und Ausdr¨ucke einschr¨ankt, die den “eigentlichen” Gehalt, die tats¨achliche Bedeu- tung o.¨a. der ersteren anzugeben beanspruchen. Etwas metaphorisch heißt es h¨aufig:

SR2 Die fraglichen S¨atze und Ausdr¨ucke sind w¨ortlich zu nehmen oder buchst¨ablich zu verstehen,

im Gegensatz zu reduzierbaren S¨atzen und Ausdr¨ucken, Metaphern, stehenden Redewen- dungen oder sonstigen nicht-w¨ortlich aufzufassenden sprachlichen Gebilden.26

Epistemischer Realismus

ErkenntnistheoretischeroderepistemischerRealismus in bezug auf eine bestimmte Menge von S¨atzen setzt eine Version des semantischen Realismus voraus. Eine epistemische rea- listische These ist eine (zu einer semantischen realistischen These hinzutretende) Aussage der Form

ER Die spezifizierten S¨atze sind wahr.27

Semantische und epistemische realistische Thesen geh¨oren im Hinblick auf die Frage, wie realistische Thesen die von Nagel und Wright genannte Intuition konkretisieren, in gewisser Weise zusammen, da sie (wie die beiden Teile einer ontologischen realistischen These der Form (OR)) je einer der beiden Komponenten dieser Intuition zuzuordnen sind: Semantische realistische Thesen konkretisieren den bescheidenen Gedanken, daß die Welt unabh¨angig vom menschlichen Geist und menschlicher Erkenntnis ist, epistemische realistische Thesen konkretisieren den anmaßenden Gedanken, daß Menschen dennoch Wissen haben k¨onnen und tats¨achlich haben.28

Sowohl ontologische realistische Thesen zu vertreten, als auch epistemische realisti- sche Thesen zu vertreten, ist vertr¨aglich mit dem Anerkennen der prinzipiellen Fehlbar- keit menschlicher Erkenntnisf¨ahigkeiten und -verfahren, also der Erfahrung, daß selbst die

26Siehe z.B. [Dumm93b], S.468ff., [Dumm93c], S.239. S¨atze wie ‘Peter hat die Nase voll von Jane-Austen- Verfilmungen’, ‘Das Klonen von Menschen ist moralisch verwerflich’ oder ‘Der FSV Eppelheim hat sich aufgel¨ost’ sind Beispiele f¨ur S¨atze, die vielfach nicht w¨ortlich genommen werden oder sogar (der erste Satz) ortlich genommen gar nicht verst¨andlich sind. Dennoch lassen sich f¨ur sie Interpretationen angeben, unter denen sie (unabh¨angig von epistemischem Zugang) wahr oder falsch sind und daher die erste Teilthese des semantischen Realismus erf¨ullen, etwa indem man sie interpretiert als S¨atze ¨uber Peters Dispositionen im Hinblick auf sein Freizeitverhalten, die (moralischen) Pr¨aferenzen von Menschen oder Handlungen einer bestimmten Gruppe von Personen. Der erste Satz wird danach als Metapher oder stehende Redewendung interpretiert, beim zweiten werden ethische Aussagen auf deskriptive, nicht-normative reduziert und der dritte, der w¨ortlich genommen von einem abstrakten Gegenstand handelt, wird als Satz ¨uber Handlungen von konkreten Personen interpretiert.

27Abweichend werden als erkenntnistheoretischer oder epistemischer Realismus gelegentlich auch Posi- tionen bezeichnet, die als bez¨uglich des semantischen Realismus neutral aufgefaßt werden sollen, die also z.B. die These einschließen, daß eine bestimmte Menge von S¨atzen wahr ist, dabei aber die Frage offen lassen wollen, ob die fraglichen S¨atzeunabh¨angig von menschlichen epistemischen Mittelnwahr oder falsch sind, und ebenso die Frage, welches die f¨ur diese S¨atze korrekte Wahrheitstheorie ist; vgl. z.B. [Horw82a].

Weiterhin wird als konstitutiv f¨ur erkenntnistheoretischen oder epistemischen Realismus gelegentlich auch die These, daß Menschen (oder “wir”) die Wahrheit ¨uber einen bestimmten Gegenstandsbereich kennen oder Wissen dar¨uber haben k¨onnen, angesehen, oder die These, daß Menschen (bzw. “wir”) solches Wis- sen tats¨achlich haben; beide Thesen werden von jemandem, der eine entsprechende These der Form (ER) vertritt bzw. als Behauptung aufstellt, pragmatisch impliziert (vgl. dazu S.4, Fn.11).

28Vgl. dazu S.4, Fn.11.

(27)

1.2. REALISMUS IN ALLGEMEIN-PHILOSOPHISCHEN DISKUSSIONEN 9

besten epistemischen F¨ahigkeiten und Verfahren, die Menschen zur Verf¨ugung stehen, ge- legentlich Fehler und T¨auschungen liefern. Ein Realist, der bestimmte ¨Uberzeugungen f¨ur tats¨achlich wahr h¨alt, die bei sorgf¨altigem Einsatz f¨ur den fraglichen Bereich geeigneter epistemischer Mittel und Verfahren gewonnen wurden, h¨alt im allgemeinen die zur Ge- winnung eingesetzten Mittel und Verfahren nicht f¨ur unfehlbar, d.h. er schließt nicht aus, daß ihr “Output” in Einzelf¨allen zu korrigieren sein k¨onnte.29

In der Literatur gibt es keinen Konsens dar¨uber, welche These oder Thesen der ge- nannten Arten als “realismuskonstitutiv” zu betrachten sind, d.h., durch welche Thesen die von Nagel und Wright genannte allgemeine Intuition konkretisiert werden sollte, um zu einer intuitiv angemessenen realistischen Position zu gelangen. Die mittelgroßen ma- teriellen Gegenst¨ande der Alltagswelt stellen sicherlich einen Kernbereich dar, bez¨uglich dessen die meisten Autoren, die ¨uberhaupt “realistische Neigungen” haben, f¨ur realistische Thesen pl¨adieren. Jedoch gehen die Meinungen auseinander, ob dort eine oder mehrere ontologische Thesen den Kern einer realistischen Position bilden sollten und welche genau, oder stattdessen eine oder mehrere semantische plus (evtl.) epistemische Thesen,30ebenso dar¨uber, inwieweit (gleichartige oder andere) realistische Thesen auch f¨ur andere der vor- ne genannten Gegenstands- oder Diskursbereiche zu formulieren und zu begr¨unden sind.

Unter dem Titel “Realismus” wird eine Vielzahl von Positionen formuliert, skizziert oder angedeutet, die verschiedene, verschiedenartige und unterschiedlich weitreichende Thesen einschließen, die zu den genannten drei Arten geh¨oren oder sich zumindest im Sinne einer pr¨azisierenden Explikation in dieser Weise rekonstruieren lassen.

1.2.2 Gegenpositionen

Den verschiedenen realistischen Positionen steht ein mindestens ebenso vielf¨altiges Spek- trum von Gegenpositionen gegen¨uber, die sich dadurch unterscheiden, welche (Arten von) realistischen Thesen abgelehnt werden und durch welche Thesen sie (eventuell) ersetzt werden. Von diesen Gegenpositionen sollen einige wichtige genannt werden.

Skeptiker zeichnen sich dadurch aus, daß sie in erkenntnistheoretischer Hinsicht pessi- mistisch sind: Sie halten die menschlichen epistemischen F¨ahigkeiten und Verfahren nicht f¨ur ausreichend, um zu Wissen bzw. zu gerechtfertigten ¨Uberzeugungen (sprich: ontologi- schen oder epistemischen realistischen Thesen) zu gelangen, da systematische Irrt¨umer —

29Zwecks terminologischer Klarheit sollen hier noch zwei Unterscheidungen erw¨ahnt werden, die in- nerhalb der Erkenntnistheorie im Kontext von Theorien der Wahrnehmung g¨angig sind: Einerseits die zwischendirektem und indirektemRealismus und andererseits die zwischennaivem Realismus und dem, was manchmal (z.B. [Danc85], S.144ff.) wissenschaftlicherRealismus genannt wird (nicht zu verwechseln mit dem wissenschaftlichen Realismus der wissenschaftstheoretischen Debatte — s.u.). Ein direkter Rea- list vertritt die These, daß Menschen Objekte “direkt”, d.h. sozusagen ohne “zwischengeschaltete” Ebene wahrnehmen k¨onnen, ein indirekter Realist dagegen die These, daß sie nur Ideen, Sinnesdaten o.¨a. im eigentlichen Sinn wahrnehmen k¨onnen und diese ihrerseits von den Objekten hervorgerufen werden, so daß die Objekte selbst nur “indirekt” epistemisch zug¨anglich sind. Die Unterscheidung zwischen naivem und wissenschaftlichem (in diesem Sinn des Terminus) Realismus h¨angt mit der Dichotomie von prim¨aren und sekund¨aren Qualit¨aten zusammen: Ein naiver Realist schreibt den Gegenst¨anden alle Eigenschaften zu, die er an ihnen beobachten kann, ein wissenschaftlicher Realist unterscheidet prim¨are Qualit¨aten, die den Gegenst¨anden zukommen, und sekund¨are Qualit¨aten, die den Gegenst¨anden nur insofern zukommen, als Menschen sie wahrnehmen, und die mit Hilfe von prim¨aren Qualit¨aten zu erkl¨aren sind.

30Z.B. sieht Michael Dummett eine (bestimmte) semantische These als den wesentlichen Kern einer realistischen Position (siehe z.B. [Dumm78b, Dumm93b]). F¨ur eine Trennung der Realismusdebatte von semantischen Fragen pl¨adiert dagegen Michael Devitt (siehe [Devi84, Devi91]); vgl. Kap.13.2 und 13.3.

Referenzen

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