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Bilder für die Ewigkeit oder glanzvoller Auftritt? Zum Repräsentationsverhalten der stadtrömischen Eliten im dritten Jahrhundert nach Christus

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S. 43-77

Bilder für die Ewigkeit oder glanzvoller Auftritt?

Zum Repräsentationsverhalten der stadtrömischen Eliten im dritten Jahrhundert nach Christus

1

Barbara

E . Bo r g

Einleitung

G l a u b t maxi gängigen Beschreibungen nicht nur in Handbüchern, so stellen sich die Veränderungen, welche insbesondere die materielle Kultur während des dritten J a h r h u n ­ derts n. Chr. erfuhr, zumeist als eine betrübliche S u m m e v o n Defiziten dar: D i e künsderi- sche bzw. handwerkliche Qualität ihrer Gegenstände lässt o f t mehr als z u wünschen übrig;

seit d e m E n d e der severischen Dynastie scheint gar die materielle Hinterlassenschaft insgesamt a b z u n e h m e n u n d insbesondere die Z a h l v o n repräsentativen M o n u m e n t e n geht drastisch zurück; statt neue öffentliche G e b ä u d e z u errichten repariert m a n nur n o c h , Inschriften werden i m m e r seltener u n d auch Ehrenstatuen werden kaum n o c h aufgestellt Speziell u m letztere u n d u m den V e r s u c h eines neuen Verständnisses dieses Rückgangs einer F o r m v o n Selbstdarstellung, welche die römische K u l t u r seit der späten Republik dominiert hat, soll es i m folgenden gehen.

M e i n e Überlegungen k n ü p f e n an Vorschläge an, die ich v o r einiger Zeit gemeinsam m i t Christian WlTSCHEL formuliert habe. I n diesem Beitrag haben wir zwei Ziele verfolgt: Z u m einen wollten wir die Tragweite der gängigen Interpretationen für d e n Rückgang an statuarischen Ehrungen überprüfen u n d zeigen, dass diese nur sehr partiell weiterführen, das P h ä n o m e n insgesamt jedoch nicht zu erklären vermögen. Z u m andern wollten wir einen Beitrag z u alternativen Erklärungsmöglichkeiten leisten und haben die T h e s e aufgestellt, dass die z u n e h m e n d e Attraktivität temporärer, performativer F o r m e n v o n Selbstdarstellung die Bedeutung bestimmter monumentaler F o r m e n der Repräsentation wie eben der Statuenehrung teilweise abgelöst hat.2 I m folgenden sollen diese beiden

Argumentationslinien weiterverfolgt werden, u n d zwar weitgehend beschränkt auf die Situation in der Metropole R o m , die sich in mancher Hinsicht v o n derjenigen in anderen Regionen des Reiches unterscheidet.

I m ersten Teil dieses Beitrags soll zunächst der gelegentlich postulierte Z u s a m m e n h a n g zwischen d e m Nachlassen v o n Bauaktivitäten u n d d e m Rückgang statuarischer E h r u n g e n diskutiert werden, u m sodann die T h e s e zu überprüfen, die Eliten hätten nicht m e h r wie

1 Verschiedene Teile und Versionen dieses Beitrags habe ich bei unterschiedlichen Gelegenheiten in L o n d o n , Harvard, Liverpool, Exeter, Greifswald und bei d e m mit diesem Band vorgelegten W o r k s h o p vortragen dürfen. Für die Möglichkeit, meine Thesen bei diesen Gelegenheiten zur Diskussion zu stellen, danke ich allen Einladenden, insbesondere den Veranstaltern der Münchner Tagung, Franz A l t o Bauer und Christian Witschel. M e i n besonderer D a n k gilt Christian Witschel für seine sorgfältige Durchsicht des Manuskripts und wichtige sachliche Hinweise sowie J a n e Fejfer für ihre Gastfreundschaft in R o m und die vielen anregenden und produktiven Gespräche. Alle Irrtümer gehen selbstverständlich zu mei­

nen Lasten.

2 B o r g - Witschel 2001.

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z u v o r in K o n k u r r e n z u m A n e r k e n n u n g u n d Prestige gestanden u n d somit auch kein Interesse m e h r an — auch statuarischer - Selbstdarstellung besessen. I m Anschluss m ö c h t e ich die G e d a n k e n zur z u n e h m e n d e n Bedeutung performativer Repräsentation fortfuhren und zeigen, wie diese i m Bereich v o n kaiserlichen wie privaten domus, borti u n d Villen eine wachsende Bedeutung erhielt, die sich auch in der materiellen Kultur niederschlägt.

Z u Beginn seien jedoch n o c h einmal die wichtigsten der bereits früher behandelten A s p e k t e der Argumentation kurz zusammengefasst. Ausgangspunkt sind seit langem diskutierte Veränderungen in der statuarischen Repräsentation seit d e m dritten Jahrhundert n. Chr., unter denen v o r allem zwei P h ä n o m e n e hervorstechen. Z u m einen Esst sich ein deutlicher zahlenmäßiger Rückgang v o n B i l d n i s m o n u m e n t e n beobachten - u n d zwar nicht nur anhand der auf uns g e k o m m e n e n Marmorporträts, sondern auch anhand der Statuen- basen, welche zusätzlich die zumeist verlorenen Bronzebildnisse dokumentieren". Z u m zweiten sind Porträts wie Inschriften n u n o f t handwerklich erheblich schlechter u n d weniger sorgfältig gearbeitet, u n d m e h r oder weniger elegante Umarbeitungen aus älteren D e n k m ä l e r n begegnen nicht selten.

D e n Deutungsversuchen dieser P h ä n o m e n e war in der Regel gemeinsam, dass sie die Verhältnisse des dritten Jahrhunderts an einem klassizistischen Ideal maßen, das — ursprünglich an der griechischen K u n s t g e w o n n e n - in der kaiserzeitlichen K u n s t des ersten u n d zweiten Jahrhunderts ebenfalls G e l t u n g zu besitzen schien u n d daher als eine verbindliche N o r m der gesamten A n t i k e unterstellt wurde. D i e Veränderungen seit d e m dritten Jahrhundert mussten aus dieser Perspektive als Z e i c h e n einer ^Dekadenz' erschei- nen, auch w e n n dieser T e r m i n u s in der m o d e r n e n Literatur meist durch andere Begriffe ersetzt wird.3 Stellt m a n diese Sichtweise jedoch infrage, s o ergibt sich in mehrerer Hinsicht eine erste Differenzierung:

(1) I n d e m das zweite Jahrhundert zur N o r m erhoben wurde, musste der zahlenmäßige Rückgang der Porträts als Rückfall hinter diese N o r m , als ein N i c h t - M e h r - K ö n n e n erscheinen. Alternative Deutungen, die v o n einem N i c h t - M e h r - W o l l e n oder N i c h t - M e h r - D ü r f e n hätten ausgehen k ö n n e n , kamen so zunächst gar nicht erst in Betracht.

(2) Scheinbar gestützt wurde die T h e s e des N i c h t - M e h r - K ö n n e n s durch Beobachtungen hinsichtlich der formalen Gestaltung der n o c h verbliebenen Porträts. Abstraktion u n d Expressivität w u r d e n o f t als Folge geschwundener'handwerklicher Fähigkeiten angesehen.4

D i e klassizistische Perspektive verstellte hier jedoch den Blick dafür, dass es einen grund- sätzlichen Unterschied gibt zwischen handwerklich grober A u s f ü h r u n g einerseits sowie Abstraktion und Expressivität als gewählter A u s d r u c k s f o r m andererseits, auch w e n n beide P h ä n o m e n e gelegentlich gemeinsam auftreten. Mittlerweile hat sich weitgehend die Erkenntnis durchgesetzt, dass handwerklich hervorragende Arbeiten während der gesam- ten fraglichen Zeit hergestellt wurden, u n d wie Marianne BERGMANN als erste ausgeführt hat, sind Expressivität u n d Abstraktion der F o r m e n i m dritten Jahrhundert gezielt gewählte Ausdrucksmittel.5 Entsprechend darf m a n , insofern m a n überhaupt einen Z u s a m m e n h a n g

3 Ähnlich Brands - Rutgers 1999, 859f. mit Bezug auf die Untersuchung und Bewertung spätantiker Wohnarchitektur.

4 So n o c h Reece 1999, z.B. 26f. z u m Konstantinsbogen.

5 Bergmann 1977; dazu Borg - Witsche! 2001, 86f. Für eine Interpretation spätantiker Bildnisse seit tetrarchischer Zeit, die auf ähnlichen Überlegungen fußt, vgl. Smith 1997 und 1999.

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zwischen Qualität und A u s d r u c k s f o r m herstellen möchte, eher vermuten, die handwerkli- chen G r o b h e i t e n seien auf diese neue Ästhetik zurückzuführen, sei es, dass sie ihr weniger abttäglich z u sein schienen, sei es, dass sie diese Ästhetik sogar unterstützen.

(3) Relativiert w o r d e n ist neuerdings auch eine weitere scheinbare Stütze der D e k a d e n z - Szenarien, nämlich die Vorstellung v o n einer allgemeinen ö k o n o m i s c h e n u n d gesellschaftli- chen Krise, die das römische Reich i m dritten Jahrhundert insgesamt erfasst u n d den Niedergang ausgelöst habe.6 Zweifellos wäre es absurd, krisenhafte Situationen u n d ö k o n o m i s c h e Notlagen für diese E p o c h e generell infrage z u stellen. Einige G e g e n d e n des Reiches w u r d e n durch Barbareneinfalle schwer in Mideidenschaft gezogen, u n d m a n darf d a v o n ausgehen, dass die permanenten u n d intensiven militärischen Einsätze zur Sicherung der Reichsgrenzen nicht nur diejenigen Städte u n d Landschaften, welche für den Unterhalt der T r u p p e n a u f k o m m e n mussten, arg belasteten, sondern auch die Staatskasse. D i e Geldentwertung war nicht nur A u s d r u c k ö k o n o m i s c h e r Schwierigkeiten, sondern hat z u diesen auch selbst beigetragen.7 D o c h zeigen andererseits Detailstudien z u einzelnen O r t e n u n d Regionen des römischen Reiches, dass die Veränderungen des Repräsentationsverhal- tens zeitlich durchaus nicht mit nachgewiesenen Krisen zusammenfallen müssen. D i e unmittelbar durch Barbareneinfalle hervorgerufenen wirtschaftlichen Notlagen waren z u d e m regional wie zeitlich begrenzt, u n d persönliche finanzielle Kalamitäten beschränkten sich auf eine mehr oder weniger große Z a h l v o n Einzelnen, betrafen aber nicht die oberen Schichten des Reiches in ihrer Gesamtheit.8 Insbesondere in B e z u g auf R o m wird m a n d a v o n ausgehen dürfen, dass zumindest in den höheren Kreisen der Gesellschaft ausrei- chende wirtschaftliche u n d gesellschaftliche Stabilität bestand, u m eine Porträtrepräsenta- tion ungefähr auf d e m N i v e a u des zweiten Jahrhunderts z u erhalten, w e n n m a n dies denn gewollt hätte.9 Hierzu seien n u n n o c h einige Überlegungen ergänzt.

Bautätigkeit und ö k o n o m i s c h e Krise

O f t wird der R h y t h m u s der Porträtproduktion in B e z u g z u B a u m a ß n a h m e n gesetzt, sei es, dass m a n erstere v o r allem als Resultat v o n letzteren ansieht — dazu weiter unten10 — sei es, dass m a n die K o n j u n k t u r beider Aktivitäten gemeinsam als Gradmesser wirtschaftlicher Prosperität versteht. I n der Regel wird a n g e n o m m e n , auch in der Architektur sei i m Laufe des dritten Jahrhunderts recht bald eine Stagnation eingetreten und „die Bautätigkeit in R o m u n d U m g e b u n g [sei] allgemein z u einem fast völligen Stillstand" gekommen.1 1 Hierfür wird erneut die ö k o n o m i s c h e und politische Krise verantwortlich gemacht, welche in diesem Rückgang ihrerseits eine Bestätigung finde. A n dieser Stelle sollen nicht n o c h einmal die bereits vorgetragenen Argumente wiederholt, sondern vielmehr zwei bislang wenig beachtete Aspekte hinzugefügt werden.

6 Insbesondere Witschel 1999, zusammenfassend Borg - Witschel 2 0 0 1 , 7 8 - 9 0 .

7 D i e tatsächlichen Auswirkungen der Geldentwertung sind jedoch schwer abzuschätzen und waren vermutlich geringer, als o f t angenommen: Witschel 1999, 85-91, der zudem auf regionale Unterschiede aufmerksam m a c h t

8 Ausführlich Witschel 1999,239-374; FaUbeispiele auch in Borg - Witschel 2001, 50-78.

9 Z u r Diskussion weiterer Erklärungsvorschläge der älteren Forschung vgl. Borg - Witschel 2001, 78-90.

10 Hier bei A n m . 33 und 44.

11 So Mielsch 1987, 90 - stellvertretend für viele ähnliche Äußerungen in der modernen Literatur.

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D a b e i sei zunächst betont, dass es nicht meine A b s i c h t ist, den Rückgang der Bauaktivitä- ten in nachseverischer Zeit rundweg zu bestreiten. A u c h neuere Untersuchungen k ö n n e n oftmals - etwa in d e n suburbanen Villen, d e n horti oder domus - keine Bauphasen aus d e n J a h r e n zwischen der Regierungszeit Caracallas u n d der tetrarchischen E p o c h e ausweisen.

D i e s gilt jedoch nicht für alle diese Untersuchungen. M i t der steigenden Z a h l v o n sorgfälti- gen G r a b u n g e n u n d Bauanalysen n e h m e n in letzter Zeit auch die Nachweise für B a u m a ß - n a h m e n in ebendieser Periode zu. E s wäre daher z u fragen, o b der Rückgang i n der Bautätigkeit tatsächlich so drastisch gewesen ist, wie i m m e r behauptet wird. E i n erhebliches P r o b l e m stellt nämlich die archäologische Sichtbarkeit' solcher Aktivitäten dar. W ä h r e n d ein großer Prozentsatz der z u m Bauen verwendeten Ziegel aus den E p o c h e n bis z u Caracalla Stempel aufweist, die z. T . auf das J a h r genau datierbar sind (was selbst- verständlich für den B a u selbst nur einen ungefähren W e r t u n d termims post quem ergibt), w u r d e n zwischen Caracalla u n d Diokletian nur n o c h ornamentale Stempel verwendet, welche zur Zeit n o c h gar nicht datiert werden können.1 2 D i e Datierung v o n Mauerwerk ist z u d e m ein notorisch schwieriges Unterfangen, so dass die G e f a h r v o n Zirkelschlüssen besteht: D a m a n a priori v o n einem Nachlassen der Bautätigkeit zwischen der

spätseverischen Z e i t u n d den Tetrarchen ausgeht, datiert m a n Bauphasen i m Zweifelsfalle entweder v o r oder nach diese P e r i o d e . " E i n etwas ausgewogeneres Bild vermitteln aber schon die fistulae aquariae. D i e Z a h l der durch sie belegten stadtrömischen domus bzw.

Bauaktivitäten in denselben ist i m zweiten u n d dritten Jahrhundert sogar annähernd identisch, wenngleich etwas m e h r als die Hälfte der Fistulen des dritten Jahrhunderts der severischen Zeit zugewiesen werden.

Seit m a n sich aber überhaupt stärker für die Architektur der h o h e n u n d späten Kaiserzeit z u interessieren beginnt, wird in Häusern u n d Villen n u n erstmals auf d e m neuesten Stand der Forschung gegraben. E i n Ergebnis ist, wie erwähnt, eine z u n e h m e n d e Z a h l v o n

12 D e r Anteil omamentaler Stempel n i m m t seit d e m 1. J h . kontinuierlich zu, bis er in severischer Zeit 100%

erreicht R E SuppL X V (1978) 1489-1531, bes. 1498 s.v. „Ziegelstempel v o n R o m und U m g e b u n g " (M.

Steinby); Steinby 1986, bes. 101. - Darüber hinaus mfisste m a n überlegen, o b nicht bereits in den 270er Jahren, d.h. seit d e m Beginn der Zerstörung v o n älteren Bauten auf der Trasse der Aurelianischen Mauer, mit der Errichtung v o n Spolienmauern zu rechnen ist, die Coates-Stephens 2001 für Gebäude ab der tetrarchischen Zeit nachgewiesen hat. D i e Rahmenbedingungen - in großem U m f a n g zur Verfügung stehendes Material, an dessen Beseitigung man interessiert war - waren jedenfalls schon zuvor gegeben.

D a solche Mauern bis v o r kurzem grundsätzlich für spätantik oder gar mittelalterlich gehalten wurden und i m übrigen schwer datierbar sind, verwundert es nicht, dass man diese Möglichkeit bislang nicht in Erwägung gezogen h a t

13 V o r voreiligen Schlüssen in Hinblick auf das A u f h ö r e n v o n Bautätigkeit bei Abbrechen der epigraphi- schen Stempel warnt auch Vorster 1993, 164 mit Bezug auf die Aniciervilla u n d verweist ebd. 167 auf eine Fistula aus spätseverischer Z e i t

14 D i e Datierungen beruhen auf den z.T. sehr vorsichtig geäußerten Vorschlägen Werner Ecks, der die fraglichen Lemmata in L T U R I I (1995) 2 2 - 2 1 7 s.v. „ D o m u s " verfasst hat, u n d sollten daher ebenfalls mit Vorsicht behandelt werden (s. auch die etwas andere statistische Verteilung in der älteren Arbeit v o n E c k 1982, die allerdings entsprechend ihrem Erscheinungsdatum neuere Funde nicht berücksichtigt und darüber hinaus nicht auf das Stadtgebiet v o n R o m beschränkt ist). Entscheidend ist hier jedoch, dass trotz des Ungleichgewichtes i m 3. J h . eine nicht geringe Zahl der Fistulen auf die nachseverische Zeit verweist; s. auch hier A n m . 20. Z u einer ähnlichen Einschätzung k o m m t schon Guidobaldi 1999 (so explizit ebd. 55). Guidobaldi 1986, bes. 229 vermutet für die spätantiken domus des 4. Jhs. teilweise V o r - läufer aus der zweiten Hälfte des 3. Jhs.

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Bauphasen, die sich d e m dritten Jahrhundert zuweisen lassen;15 ein anderes eine gründliche Revision der kunsthistorischen u n d stilistischen Chronologie. Beispielhaft sei hier auf das Hanghaus 2 in E p h e s o s verwiesen (Abb. 10), dessen letzte Phase v o r der endgültigen Zerstörung und A u f g a b e der Mehrzahl der Wohneinheiten bisher aufgrund der stilistischen Beurteilung der Wandmalereien in die Zeit zwischen 380 u n d 450 n. Chr. datiert wurde.16

N a c h neueren archäologischen Untersuchungen steht jedoch fest, dass die erwähnte Zerstörung durch ein E r d b e b e n bereits 262 erfolgte, dass aber n o c h zwischen 220 u n d 2 6 2 ein bis zwei größere U m b a u m a ß n a h m e n anzusetzen sind. A u c h waren die Besitzer der W o h n e i n h e i t 6 bei der endgültigen Zerstörung des Hauses gerade m i t der Renovierung beschäftigt.17 D a dieses Haus nach d e n verheerenden Schäden durch das B e b e n nicht m e h r für repräsentatives W o h n e n genutzt wurde, müssen die fraglichen Malereien alle zwischen 220 u n d 262 ausgeführt w o r d e n sein.18 Ähnliches gilt für die

opus

x«#£-Scrimuckfelder, welche zur O b e r z o n e der Wanclinkrustationen des ,Marmorsaals' gehörten. Sie wurden bisher in das vierte Jahrhundert datiert, müssen n u n jedoch ebenfalls v o r 262 angesetzt werden u n d gehören möglicherweise wie die Pilasterkapitelle desselben Saals in die trajanische Zeit.19

Ist d e m n a c h der Rückgang an Bauaktivitäten in nachseverischer Zeit w o h l nicht ganz so radikal ausgefallen wie o f t behauptet wurde, so besteht andererseits, wie schon ausgeführt, an d e m Rückgang als solchem kein Zweifel. Fraglich ist jedoch, und hiermit k o m m e ich z u m e i n e m zweiten Punkt, o b dieser Rückgang ganz allgemein ,der politischen u n d sozialen Krise des dritten Jahrhunderts' geschuldet ist, oder o b nicht auch andere G r ü n d e eine wichtige Rolle gespielt haben. I n diesem Z u s a m m e n h a n g ist es hilfreich, sich die konkreten

15 Größere Umbauten fanden in der Mitte des 3. Jhs. in der 1300 m2 großen D o m u s des Gaudentius statt (Spinola 1992, bes. 957). Für die QuintUiervilk sind nicht nur eine kontinuierliche Nutzung mindestens bis z u m Ende des 3. Jhs., sondern auch mehrere Bauphasen mindestens bis in die Zeit der Gordiane (Fistula) gesichert. Eine vollständige Publikation der neueren Untersuchungen bleibt abzuwarten, s.

vorerst Paris 2000, bes. 23. Bauphasen des 3. Jhs., teilweise ausdrücklich aus dessen Mitte, werden jetzt für die H o r ü Sallustiani angegeben: P. Innocenti - M.C. Leotta, in: L T U R III, 7 9 - 8 1 . Eine nach-caracal- leische Bauphase in der Villa des M . Aurelius Prosenes postuliert Tartara 1987/88, bes. 413. Abzuwarten bleibt vorerst, wie sich die v o n Iiverani 1988, 895 konstatierten zahlreichen Bauphasen bis in die Spät- antike in den Horti der D o m i t i a Lucilla verteilen. Ähnliches gilt für die Bauphasen des 3. Jhs. in der D o m u s Marmeniae (Le Pera Buranelli - Turchetü" 2003, 50-53). Gerne wüßte man auch, wann genau die v o n A s h b y - Lugü 1928,174 vermerkte Ausbauphase des 3. Jhs. in der Villa Ad dms Itwrw bei Centocelle zu datieren ist, die die Autoren jedenfalls v o n einer severischen unterscheiden (sie bemerken hierzu nur, die Villa sei v o m 1. bis ins 4. J h . ununterbrochen bewohnt gewesen und weiter ausgebaut worden).

Grundsätzlich viel versprechend ist darüber hinaus das Gebiet des Aventin, der seit d e m 3. Jh. für Sena- toren immer attraktiver geworden zu sein scheint und in der Spätantike eine bevorzugte aristokratische Wohngegend war (Eck 1997, 77). - Ähnliches lässt sich für die Grabarchitektur beobachten: Vgl. z.B. die neueren Ergebnisse v o n Heinzelmann 2000, bes. 79f., der in Ostia gerade für das 3. J h . größere Graban- lagen mit Tempelgräbern nachweisen kann. Diese verteilen sich allerdings topographisch anders als die früheren Gräber, so dass das vorherrschende Bild teilweise auch durch eine Beschränkung der Archäolo- gen auf bestimmte Orte sowie ein bevorzugtes Interesse an den E p o c h e n der späten Republik und der frühen Kaiserzeit zu erklären ist.

16 Strocks 1977 und noch Strocka 1999.

17 Vgl. Kritzinger 2002. D i e Renovierungsarbeiten sind vorerst am besten dokumentiert i m sog. Marmor- saal, einem großen, repräsentativen Triclinium in Wohneinheit 6, w o die Marmorverkleidung der W ä n d e gerade für den Versatz ausgelegt war (Lang-Auinger 1989, 52f.; T h ü r 2002, 63f. mit weiteren Indizien für Renovierungsarbeiten).

18 Kritzinger 2002; vgl. auch Lang-Auinger 1996 zu der entsprechenden Phase in Hanghaus 1.

19 Für die ältere Datierung s. noch Lang-Auinger 1989, 53.

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A t K w i r k u a g e n des B a u b o o m s des zweiten Jahrhunderts u n d insbesondere der severischen E p o c h e v o r A u g e n z u halten. Falls die chronologische Verteilung der fistulae aquariae das A u s m a ß der Bauaktivitäten zumindest der oberen Klassen einigermaßen genau widerspie- gelt - u n d dies scheinen die n o c h durch Ziegelstempel ausgewiesenen Bauphasen r ö m i - scher Häuser u n d Villen z u bestätigen - , so w u r d e in der ersten Hälfte des dritten J a h r h u n - derts v o n privater Seite so viel gebaut wie niemals zuvor.20 Entsprechend bestand nach der allgemeinen Runderneuerung w o h l zunächst auch geringere Notwendigkeit für größere B a u m a ß n a h m e n . I m späten zweiten bis frühen dritten Jahrhundert waren s o w o h l diejeni- gen Bautypen als auch diejenigen Bauten entstanden, die selbst spätantiken Bedürfnissen n o c h entsprachen - u n d somit sicher auch denen des dritten Jahrhunderts genügten.21

Blickt m a n auf die gut datierbaren B a u - u n d Renovierungsphasen v o n Häusern u n d Villen bis in die severische Zeit, so lässt sich häufig ein A b s t a n d zwischen diesen v o n etwa 30 Jahren (oft auch erheblich mehr) erkennen, o h n e dass wirtschaftliche Krisen dafür verantwortlich gemacht werden könnten.22 Für den B a u b o o m der severischen Zeit darf m a n darüber hinaus vermuten, dass der Wettbewerb unter den Eliten u m i m m e r größere und prächtigere Häuser u n d Villen so m a n c h e n an d e n R a n d seiner Leistungsfähigkeit gebracht hatte u n d eine Erholungsphase somit ohnehin unvermeidbar war. D a es k a u m ein H a u s oder eine Villa z u geben scheint, welche keine früh- oder mittelseverische Bauphase besitzt, könnte der allgemeine Rückgang der Bautätigkeit in nachseverischer Zeit auch durch diese Synchronisierung des Baurhythmus beeinflusst gewesen sein. D a s s es in entsprechendem zeitlichem A b s t a n d , d.h. nach der Mitte des dritten Jahrhunderts, nicht e m e u t z u einem B a u b o o m k a m , m a g dann allerdings tatsächlich durch einen Mangel insbesondere an Bargeld, das für B a u m a ß n a h m e n in größerem U m f a n g erforderlich war, mit bedingt gewesen sein. Seit d e m Beginn des e n o r m e n Bauprogramms des Aurelian,23 v o r allem der Errichtung der neuen Stadtmauer, dürften für private Aktivitäten z u d e m die Kapazitäten der Ziegeleien entweder ganz gefehlt haben oder aber die Preise für das Baumaterial unverhältnismäßig h o c h gewesen sein.24

2 0 s. für die stadtrömischen domus L T U R I I , 2 2 - 2 1 7 s.v. „ D o m u s " sowie die Zusammenstellung bei Eck 1982. N a c h letzterer stehen 81 Fistulen des 2. Jhs., die sich i m übrigen relativ gleichmäßig über diesen Zeitraum verteilen, 67 allein aus der ersten Hälfte des 3. J h s . gegenüber, was einer Z u n a h m e u m 65%

entspricht V o n diesen lassen sich wiederum 43 relativ sicher der severischen Zeit zuweisen. I m Sinne der oben geäußerten Vermutung, das Fehlen v o n Bauphasen aus der Zeit zwischen Caracalla und D i o - kletian sei zumindest z u m Teil ein Problem der archäologischen Sichtbarkeit, wäre hinzuzufügen, dass sich aus dem restlichen 3. J h . (d.h. abzüglich der severischen Fistulen) 35 Bleirohre erhalten haben. V o n diesen sind zwar nur 8 mit Sicherheit oder einiger Wahrscheinlichkeit der Mitte oder der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zuzuweisen, d o c h lässt sich vermuten, dass v o n den 16 nur allgemein dem 3. J h . zuge- wiesenen Stücken ein größerer Prozentsatz aus ebendiesem, prosopographisch insgesamt weit schlechter bekannten Zeitraum s t a m m t A u c h sind hierbei die neueren Funde noch nicht berücksichtigt

21 D a z u s. auch hier i m letzten A b s c h n i t t

22 D i e s gilt zumindest für die umfassenderen Baumaßnahmen; mit Reparaturen u n d kleineren Renovierun- gen muss sicher jederzeit gerechnet werden, auch i m 3. J h . Fine Stagnation in der zweiten Hälfte des 4.

Jhs. nach einem neuerlichen B a u b o o m in der ersten Jahrhunderthälfte konstatiert Guidobaldi 1986, 229.

23 s. dazu unten bei A n m . 27.

24 Für die Mauer wurde zwar auch Baumaterial wiederverwendet, doch spricht vieles für einen relativ großen Anteil an neu hergestelltem Ziegelmaterial; vgl. vorläufig Coates-Stephens - Parisi 1999, bes. 88f.

S o müssen die Ziegelproduzenten mehr als ausgelastet gewesen sein. - D a s Argument bezüglich der Privatbauten setzt allerdings voraus, dass die oben (s. A n m . 12) erwogene Möglichkeit, dass für diese bereits seit Beginn des Baues der Aurelianischen Mauer wiederverwendetes Material eingesetzt worden sein könnte, nicht oder jedenfalls nicht in größerem U m f a n g zutrifft.

(7)

A u c h der Rückgang an kaiserlichen Bauaktivitäten i m dritten Jahrhundert ist nicht allein m i t Verweis auf eine ö k o n o m i s c h e Krise zu erklären, denn auch hier dürfte der Bedarf an Neubauten nach der severischen Z e i t zunächst relativ gering gewesen sein. D e r zeitliche A b s t a n d zwischen den m o n u m e n t a l e n T h e r m e n des Caracalk u n d des Diokletian ist sogar geringer als der zwischen ersteren u n d den T h e r m e n des Trajan; Nachrichten über kleinere Thermenneubauten haben wir außerdem n o c h aus d e m fortgeschrittenen dritten J a h r h u n - dert.25 W e n n Janet DeL A I N E S Kalkulationen über die K o s t e n der Caracalkthermen i m Verhältnis z u den übrigen regelmäßigen Ausgaben des Staates b z w . des Kaisers annähernd das Richtige treffen, erforderten Bauprojekte wie dieses zwar höhere Investitionen als sie selbst einer der reichsten Bürger des Imperiums hätte tätigen k ö n n e n - dies z u demonstrie- ren war w o h l auch eines der beabsichtigten Ziele des Bauherrn —, d o c h stellten sie insgesamt eine vergleichsweise bescheidene Ausgabe für den Kaiser dar.26 Sah m a n es als erforderlich an, neue Bauten z u errichten, so war dies offensichtlich auch n o c h in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts möglich. D e r A u f w a n d , den es bedeutete, die Aurelianische Mauer - in nur k n a p p 10 Jahren — z u errichten, ist kaum z u überschätzen u n d kann es mit den severischen Aktivitäten mühelos aufnehmen.2 7 A u c h beschränkte sich Aurelian nicht auf dieses Verteidigungswerk, sondern ließ trotz der enormen Belastung des Baubetriebs auch n o c h die Portiken der Caracallafhermen erneuern u n d einen offenbar nicht gerade bescheidenen S o l - T e m p e l auf d e m Marsfeld errichten.28 E i n e längere Pause zwischen kaiserlichen Großprojekten ist d e m n a c h nicht für die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts festzumachen, die als die Periode der größten Krise gilt, sondern für die etwa

35 Jahre zwischen Severus Alexander u n d Aurelian.

Schließlich m a g m a n sich v o r A u g e n halten, dass ein B a u b o o m , wie i h n die Städte des römischen Reiches in unterschiedlichen Zeiten erlebten, auch erhebliche negative A u s w i r - kungen haben konnte, die in der Folgezeit eine allgemeine Baumüdigkeit gefördert haben dürften. W e n n etwa D i o n v o n Prusa berichtet, dass sich die Bürger seiner Vaterstadt wenig erfreut v o n seinem Bauvorhaben zeigten, weil es ihre gewohnte Lebensweise beeinträch- tigte,29 so ist dies ein zwar rares, aber bezeichnendes Zeugnis für die negativen N e b e n - effekte ausgedehnter Bautätigkeit, die i m R o m der severischer Zeit bisweilen nur schwer erträgliche A u s m a ß e a n g e n o m m e n haben müssen.30

25 So 2. B . die T h e r m e n des Traianus D e c i u s a u f d e m A v e n t i n : L . L a Folette, in: L T U R I V , 5 1 - 5 3 . 26 „ D e L a i n e 1997, 2 0 7 - 2 2 4 . — E i n e A b w ä g u n g der gesamtwirtschaftlichen A u s w i r k u n g e n des B a u b o o m s

würde z u weit v o m T h e m a wegführen. W e n n es zutrifft, dass die severischen B a u p r o g r a m m e in ihrer A u s w i r k u n g ein regelrechtes Wirtschaftsförderprogramm darstellten (so D e L a i n e 2 2 3 - 2 2 4 ) , w ü r d e das ö k o n o m i s c h e A r g u m e n t für ein Nachlassen der Bautätigkeit in R o m u m s o weniger greifen. D i e s kann jedoch nicht ohne weiteres als gesichert gelten. I n K y z i k o s u n d E p h e s o s scheint es durch die H o c h k o n - junktur des B a u b o o m s zeitweise zur E r h ö h u n g der Lebenshaltungskosten g e k o m m e n zu sein, weshalb die Bevölkerung auf entsprechende euergetische Anstrengungen negativ reagierte ( E n g e l m a n n 1999).

27 G . Pisani Sartorio, in: L T U R I I I , 2 9 0 - 2 9 9 . Coates-Stephens 2001, 2 3 2 - 2 3 5 m a c h t zu Recht darauf aufmerksam, dass die V e r w e n d u n g großer Mengen v o n Spolien in der Aurelianischen Mauer durch das große A n g e b o t an Baumaterial nach der Zerstörung der G e b ä u d e i m K o r r i d o r ihres Verlaufs u n d die Notwendigkeit, dieses Material irgendwie zu beseitigen, bedingt gewesen sein dürfte.

28 Steinby 1 9 8 6 , 1 1 0 - 1 1 1 ; J . Calzini G y s e n s - F. Coarelli, in: L T U R I V , 3 3 1 - 3 3 3 ; D e L a m e 1997, 37.

29 D i o C h r y s o s t h o m o s , Oratio 40, 8 - 9 ; 4 7 , 1 7 . 20. 21; dazu E n g e l m a n n 1999,159.

30 H i n z u k o m m e n die Belästigungen durch den Baubetrieb selbst A u c h w e n n die Kalkulationen v o n D e L a i n e 1997 für die Z a h l v o n Arbeitskräften u n d Ochsenkarren i m Einzelnen diskussionswürdig sein m ö g e n , s o sind sie d o c h insgesamt völlig überzeugend u n d machen erstmals die ganz praktischen A u s - wirkungen v o n G r o ß b a u p r o j e k t e n deutlich.

(8)

D i e hier skizzierten Überlegungen m ö g e n zeigen, dass erstens der Rückgang in der Bautätigkeit teilweise durchaus andere als ö k o n o m i s c h e G r ü n d e besessen haben dürfte;

zweitens, dass dieser Rückgang offenbar weniger radikal gewesen ist als o f t behauptet wird;

u n d drittens, dass er kaum unmittelbar m i t d e m Ausbleiben v o n Statuenehrungen in V e r b i n d u n g gebracht werden kann, die z u m einen — anders als die Bautätigkeit - in R o m bereits in der Z e i t nach Caracalla zahlenmäßig stark zurückgingen31 u n d für die z u m anderen i m Vergleich mit B a u m a ß n a h m e n nur geringe S u m m e n aufzuwenden waren.

R ü c k z u g ins Private?

W e n n wir d e m n a c h weiterhin d a v o n ausgehen, dass es nicht allein der Mangel an wirt- schaftlichen Ressourcen gewesen sein kann, der für den Rückgang an statuarischen M o n u m e n t e n verantwortlich war, so ist z u begrüßen, dass in jüngerer Zeit auch k o m p l e - xere Erklärungen vorgeschlagen wurden, welche die auf ein reines N i c h t - M e h r - K ö n n e n reduzierten, materialistischen Erklärungsmuster relativieren. Insbesondere hinsichtlich der zahlenmäßigen Entwicklung v o n Porträtehrungen ist für verschiedene O r t e gezeigt w o r d e n , dass der Rückgang nicht alle gesellschaftlichen Schichten gleichermaßen betraf.

V i e l m e h r waren es die Bildnisse der Mittelschichten u n d der lokalen Eliten, welche weitgehend verschwanden, während für die Kaiser sowie für Statthalter u n d andere Angehörige der höchsten Aristokratie mit guten Verbindungen zur kaiserlichen A d m i n i - stration weiterhin Statuen errichtet wurden.3 2 D i e s hat m a n damit in V e r b i n d u n g gebracht, dass aufgrund der z u n e h m e n d zentralistischen Organisationsformen militärische u n d zivile Ä m t e r i m m e r weniger als Ziel elitärer K o n k u r r e n z infrage g e k o m m e n seien, dass es z u n e h m e n d weniger Bedarf an Neubauten, dafür aber an Instandhaltungs- u n d R e n o v i e - rungsarbeiten gegeben habe, welche für Euergeten uninteressant gewesen seien u n d z u d e m oftmals ohnehin zentral geregelt waren, u n d dass auf diese Weise s o w o h l die Anlässe zur Errichtung v o n Statuen als auch das Bedürfnis danach weggefallen seien.33 D i e s e Aspekte haben zwar sicherlich in Hinblick auf m a n c h e O r t e u n d Personenkreise eine gewisse Rolle gespielt; d e n n o c h scheint mir der Erklärungsversuch insgesamt aus drei G r ü n d e n z u kurz z u greifen.

Z u m ersten erklärt er nicht d e n deutlichen Rückgang an Statuenehrungen auch für die Kaiser. W ä h r e n d wir v o n den Porträts des Caligula, der nur knapp vier Jahre regierte und dessen Bilder nach seinem T o d teilweise zerstört wurden, n o c h i m m e r 45 Bildnisse besitzen34 u n d v o n d e m nur zwei J a h r e regierenden N e r v a immerhin 15,35 kennen wir v o n

31 Dies legen jedenfalls die Weihungen für Angehörige des Kaiserhauses (nach C I L V I 8, 2) und die erhaltenen kaiserlichen wie privaten Porträts nahe. Eine genauere Untersuchung privater Statuen- stiftungen steht n o c h aus.

32 s. die Fallbeispiele in B o r g - Witschel 2001, 55-78.

33 z. B . Smith 1999, 173: Dasselbe Argument für Veränderungen in der Art der Grabmonumente wird vorgebracht v o n Hesberg 1987; Zanker 1992; Wrede 2001, 43; Zanker 2003; Zanker - Ewald 2004, bes.

181-185.

34 Böschung 1989. Diese und die folgenden Zahlen beziehen sich auf Funde aus d e m gesamten römischen Reich. Eine Differenzierung zwischen einzelnen Fundorten oder Regionen erscheint wegen der geringen A n z a h l v o n Porträts mit bekanntem Fundort (nicht nur bei den K a i s e m des 3. Jhs.) problematisch.

35 Bergmann - Z a n k e r 1981, 380-403.

(9)

d e n K a i s e r n d e s d r i t t e n J a h r h u n d e r t s s e l t e n m e h r als v i e r b i s s e c h s B i l d n i s s e , o b w o h l d o c h P r o b u s , v o n d e m n u r z w e i B i l d n i s s e e r h a l t e n s i n d , i m m e r h i n e t w a s ü b e r s e c h s , P h i l i p p u s A r a b s m i t v i e r B i l d n i s s e n v i e r e i n h a l b u n d A u r e l i a n m i t n u r e i n e m B i l d n i s k n a p p s e c h s J a h r e r e g i e r t e n .3 6 A u c h S e v e r u s A l e x a n d e r m i t 2 5 B i l d n i s s e n3 7 u n d G a l l i e n u s m i t 163 8 s t e l l e n n u r s c h e i n b a r A u s n a h m e n d a r , d e n n p r o R e g i e r u n g s j a h r g e r e c h n e t e r g i b t s i c h f ü r sie l e d i g l i c h e i n W e r t v o n 1,8 b z w . 1 B i l d n i s . F ü r d i e K a i s e r d e s 2 w e i t e n J a h r h u n d e r t s b e s i t z e n w i r n a c h d e r s e l b e n R e c h n u n g h i n g e g e n z w i s c h e n 4 , 3 u n d 7 P o r t r ä t s , f ü r C a r a c a l l a s o g a r ü b e r 1 0 B i l d n i s s e .3 9 A u c h ist d e r R ü c k g a n g d e r K a i s e r p o r t r ä t s n i c h t e i n f a c h d u r c h d i e A b w e s e n h e i t d e r K a i s e r v o n R o m b z w . e i n ä h n l i c h b e g r ü n d e t e s D e s i n t e r e s s e a n d e r E r r i c h t u n g v o n K a i s e r s t a n d b i l d e m o d e r d u r c h U n v e r m ö g e n s e i t e n s p o t e n z i e l l e r D e d i k a n t e n v o n P o r t r ä t s z u e r k l ä r e n .4 0 G a l ü e n u s e t w a w e i l t e w ä h r e n d s e i n e r v e r g l e i c h s w e i s e l a n g e n R e g i e r u n g s z e i t m e h r f a c h i n R o m , w o e r u n t e r a n d e r e m m i t g r o ß e m P o m p d i e D e z e n n a l i e n b e g i n g , ' " u n d P r o b u s h i e l t s i c h i m m e r h i n z u r F e i e r e i n e s T r i u m p h e s e i n i g e Z e i t i n d e r M e t t o p o l e a u f . I n s t r u k t i v e r n o c h i s t d e r F a l l d e s G o r d i a n u s I I I . , a u s d e s s e n s e c h s J a h r e n R e g i e r u n g s z e i t , w e l c h e e r t r o t z s e i n e s j u g e n d l i c h e n A l t e r s t e i l w e i s e a u f F e l d z ü g e n v e r b r a c h t e , 2 7 P o r t r ä t s a u f u n s g e k o m m e n s i n d . E r e r r e i c h t d e m n a c h m i t 4 , 5 B i l d n i s s e n p r o R e g i e r u n g s j a h r w i e d e r d a s N i v e a u d e r K a i s e r d e s z w e i t e n J a h r h u n d e r t s .4 3 W a s a u c h i m m e r d e r G r u n d h i e r f ü r g e w e s e n s e i n m a g , f ü r d i e s e n K i n d e r k a i s e r h a t m a n j e d e n f a l l s n o c h e i n m a l v e r s t ä r k t a u f d i e a l t e F o r m d e r S t a t u e n r e p r ä s e n t a t i o n z u r ü c k g e g r i f f e n .

36 Macrinus: Drei erhaltene Bildnisse für 14 Monate (Fittschen - Zanker 1994, 112-114 Kat. 95-96);

Elagabal: Sechs für knapp vier Jahre (Fittschen - Zanker 1994, 114-117 K a t 97-98); Maximinus Thrax:

Sechs für gut drei Jahre (Fittschen - Zanker 1994, 124-126 K a t 105); Maximus Caesar: Vier für etwa denselben Zeitraum (Bergmann 1977, 32-33); Philippus Arabs: Vier für viereinhalb Jahre; Philippus Caesar: D r e i für denselben Zeitraum (Bergmann 1977, 35-38); Traianus Decius: Eines für zwei Jahre (Fittschen - Zanker 1994, 130-133 Kat. 110); Probus: Zwei für etwas über sechs Jahre (Bergmann 1977, 104-113; Fittschen - Zanker 1994, 139-140 K a t 116 mit A n m . 14); Aurelian: Eventuell eines für fast sechs Jahre (Bergmann 1977,113-117).

37 F i t t s c h e n - Z a n k e r 1994,117-123 Kat. 99-103. .

38 Bergmann 1977, 51-59; Fittschen - Zanker 1994,134-139 Kat. 112-115.

39 D e n unteren Wert stellt Antoninus Pius mit etwa 100 erhaltenen Bildnissen und 23 Regierungsjahren (Fittschen - Zanker 1994, 6 3 - 6 7 Kat. 59-60), den oberen Hadrian mit 149 und 21 Regierungsjahren;

v o n Caracalla sind allein aus der Zeit seiner Alleinherrschaft v o n f ü n f Jahren 52 Bildnisse auf uns gekommen (Fittschen - Zanker 1 9 9 4 , 1 0 5 - 1 1 2 Kat. 91-94).

40- D a s Argument der Abwesenheit des Kaisers v o n R o m hält auch schon deshalb nicht stand, weil in früheren Jahren auch in Orten Kaiserbilder errichtet wurden, welche der Kaiser aller Voraussicht nach niemals besuchen würde.

41 Z u m Vergleich: Hadrian erhielt i m Jahr seiner Dezennalien die zweitgrößte Anzahl v o n Statuenehrungen (nach d e m Jahr seines Regierungsantritts) und erheblich mehr als in den meisten übrigen Jahren: Evers 1994, 37.

42 Historia Augusta, vita Probi 19.

43 Fittschen 1969, bes. 200-201; Fittschen - Zanker 1994, 127-130 Kat. 107-109 mit S. 128 A n m . 3. D i e hier vorgelegten Zahlen sind freilich mit großer Vorsicht zu betrachten, insbesondere solange keine Statistiken für die epigraphischen Zeugnisse vorliegen. Eine Durchsicht der kaiserlichen Tituli aus R o m nach C I L V I 8, 2 bestätigt jedoch das Ergebnis. D e s weitern ist die Möglichkeit postumer Bildnisse nicht berücksichtigt, welche für die Kaiser des 2. Jhs. aber nur für die wenigsten Kaiser des 3. Jhs. zu erwarten sind. D i e außerordentlich hohe Zahl an Porträts pro Regierungsjahr des Caracalla bezieht sich den epi- graphischen Zeugnissen nach jedoch auf Ehrungen zu seinen Lebzeiten (Fejfer 1992), und für Gordian III. sind postume Ehrungen ohnehin nicht zu erwarten. Gerade dieses letzte Beispiel macht zudem deutlich, dass auch Wiederverwendungen und damnatio memoriae keine hinreichenden G r ü n d e für den zahlenmäßigen Rückgang sind, auch wenn sie ihren Beitrag geleistet haben dürften.

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Z u m zweiten kann das o b e n skizzierte A r g u m e n t für R o m schon aus chronologischen Gründen nur sehr eingeschränkt gelten, d e n n bereits seit der frühen Kaiserzeit war dort die Errichtung öffentlicher Bauten d e m Kaiser b z w . seiner Familie oder, in seltenen Fällen, einer in seinem N a m e n agierenden Person vorbehalten,44 so dass hier keine direkte V e r b i n d u n g zwischen der A u s f ü h r u n g v o n öffentlichen B a u m a ß n a h m e n u n d d e m Rückgang der Porträtrepräsentation bestehen kann.

Z u m dritten scheint der Ehrgeiz, Ä m t e r z u bekleiden, während der gesamten Kaiserzeit k a u m nachgelassen z u haben. Z w a r verloren die senatorischen Eliten unter Gallienus endgültig das Recht auf ein L e g i o n s k o m m a n d o (und damit auf reale Machtpositionen), welches n u n ganz auf die Ritter übertragen wurde. D o c h scheint damit nur die K o n s e q u e n z aus einer bereits seit längerem bestehenden T e n d e n z innerhalb der Senatorenschaft gezogen w o r d e n z u sein, deren Angehörige freiwillig auf die Ü b e r n a h m e militärischer Ä m t e r verzichtet hatten, sofern ihre Karriere dies erlaubte.45 I m G e g e n z u g w u r d e n die zivilen Ä m t e r für die senatorische Oberschicht z u n e h m e n d wichtiger, u n d es wurde sogar vermutet, die Senatoren in der M e t t o p o l e selbst hätten zumindest während der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts an M a c h t g e w o n n e n , da eine unmittelbare K o n t r o l l e durch die Kaiser wegen deren langer Abwesenheiten v o n R o m fehlte.46 A u c h blieben diese Eliten in jedem Fall u n d auf lange Sicht ein entscheidender Faktor a u f der E b e n e der

nichtinstitutionalisierten Machtstrukturen - oder besser gesagt, der nicht an Ä m t e r gebundenen Macht.47 U n d schließlich waren die Eliten i m m e r n o c h stark - u n d wie sich zeigen wird sogar eher z u n e h m e n d - daran interessiert, ihren Status z u wahren u n d sich nach unten abzugrenzen - möglicherweise gerade weil sich Status nicht mehr i m selben M a ß e u n d so offensichtlich in institutionalisierter, unmittelbar an ein A m t gebundener M a c h t manifestierte wie zuvor.48

D a s s auch i m dritten Jahrhundert weiterhin ein Interesse der Eliten an Prestige und öffentlicher A n e r k e n n u n g bestand, belegt u. a. dass das freiwillige Engagement v o n Senatoren u n d deren Familien für die Ü b e r n a h m e magistratischer u n d priesterlicher Ä m t e r , v o r allem aber außermagistratischer Tätigkeiten außerhalb R o m s , insbesondere in den Heimatstädten ihrer Familie, auch i m dritten Jahrhundert anhält.49 Dieses Engagement und insbesondere der damit verbundene Euergetismus verschafften ihnen nicht nur entschei- denden Einfiuss a u f die lokale Politik, sondern v o r allem öffentliche A n e r k e n n u n g u n d E h r u n g in einem M a ß , wie es in R o m bereits seit Augustus u n d später z u n e h m e n d

44 E c k 1984,136-142.

45 A l f ö l d y 1977; D i e t z 1980,275-300.

46 Dietz 1980, bes. 275-300, der die Kontinuitäten in Laufbahnen und Verwaltung bis u m die Mitte des 3.

J h . (und in mancher Hinsicht darüber hinaus) betont; vgl. auch L ö h k e n 1982; Leunissen 1989; Leunissen 1992; Wrede 2001, 60f. D i e Frage, o b bzw. in wie weit mit der skizzierten Entwicklung ein faktischer Machtverlust einherging, lässt sich keineswegs pauschal beantworten und ist in unserem Zusammenhang v o n sekundärer Bedeutung. Entscheidend ist, dass die noch zur Verfügung stehenden Ä m t e r erstrebens- wert waren.

47 Vgl. schon A l f ö l d y 1977, 8: „ D i e JHerrschaft' einer Klasse oder Schicht ergibt sich nicht notwendiger- weise aus unmittelbarer Machtausübung, sondern eher aus wirtschaftlicher Potenz mit entsprechenden Konsequenzen für indirekte politische Einflußnahme und für A n s e h e n . " Z u r Rolle politischer Freund- schaften vgl. Meyer-Zwiffelhoffer 2002, bes. 117-132. 253-267.

48 B r o w n 1978 spricht daher m . E . z u Recht v o n einem Übergang in ein „Zeitalter der A m b i t i o n " schon seit der spätantoninischen Zeit.

49 E c k 1980.

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unmöglich geworden war.50 K ö n n e n wir demnach festhalten, dass K o n k u r r e n z u m Ä m t e r u n d Prestige für die stadtrömischen Eliten weiterhin h o h e Bedeutung besaß, so darf m a n auch d a v o n ausgehen, dass sich dies in entsprechendem Repräsentationsverhalten nieder- schlug. A n zwei zentralen Bereichen, d e m Sepulkral- u n d d e m W o h n k o n t e x t , soll dies i m folgenden näher untersucht werden.

D e r funeräre Bereich

I n der materiellen K u l t u r lässt sich dieses auch i m dritten Jahrhundert anhaltende Interesse an Selbstdarstellung u n d Prestige zurzeit vielleicht a m besten i m funerären Bereich demonstrieren. A n den stadtrömischen Gräbern dieser E p o c h e sind zwei miteinander verbundene Aspekte besonders auffällig Zunächst eine wachsende B e t o n u n g sozialer Distanz, u n d sodann besonders seit d e m dritten Jahrhundert eine zunehmende Fokussie- rung auf statusrelevante Elemente in der Ausstattung. S c h o n die i m zweiten Jahrhundert in R o m üblich gewordenen geschlossenen Grabgebäude stellten gegenüber den Gräbern der späten Republik eine charakteristische Veränderung dar. Letztere lagen - soweit dies die Möglichkeiten ihrer Besitzer erlaubten - direkt an d e n Hauptausfallstraßen der Stadt. Sie waren in erster Linie M o n u m e n t e , m i t Inschriften u n d Bildschmuck, u n d wandten sich an die Passanten, u m deren A u f m e r k s a m k e i t sie warben. D i e Gräber des zweiten Jahrhunderts befanden sich hingegen o f t m e h r oder weniger weit v o n den Sttaßenrändern entfernt, waren nach außen hin geschlossen, oftmals zusätzlich v o n einer Mauer umgeben, u n d entfalteten ihre ganze Pracht i m Inneren des Grabbaues.51 M a n hat auch diese Veränderun- gen mit einem weitgehenden Desinteresse an der A n e r k e n n u n g des V o l k s auf der Straße, dessen Unterstützung in der K o n k u r r e n z u m A n s e h e n u n d Ä m t e r m a n n u n nicht m e h r nötig gehabt habe, und mit einem ^Rückzug ins Private' z u begründen gesucht. M a n habe sich n u n m e h r auf Persönliches konzentriert, auf die eigene Familie und die private Gefühlswelt, insbesondere auf die Aspekte v o n ehelicher Liebe und familiärer Zuneigung b z w . Trauer u m die verstorbenen Angehörigen, sowie v o n imaginären Glückswelten, i n die m a n sich hineinträumen konnte.52 D a s s diese Aspekte in der T a t eine große Rolle spielten, zeigen unmissverständlich die Ausstattung der Grabinnenräume5 3 sowie die Darstellungen a u f den seit der Mitte des zweiten Jahrhunderts zahlenmäßig z u n e h m e n d e n Sarkophagen, deren D e u t u n g i m Sinne der genannten Inhalte durch entsprechende Grabinschriften und die Trauerliteratur bestätigt wird.54

50 D a z u s. u. bei A n m . 126.

51 Vgl. Hesbeig - Zanker 1987; Hesberg 1992; Heinzelmann 2001, der jedoch gegen ältere Meinungen zu Recht betont, dass der entscheidende Wandel nicht erst i m 2. J h . erfolgte, sondern bereits in der frühen Kaiserzeit; ebenso Feraudi-Gruenais 2001, 209-216.

52 Hesberg 1987; Hesberg 1992,42-45. 206f. 214-221. 229£; sowie die Arbeiten hier A n m . 51.

53 Z u den immobilen Ausstattungen s. Feraudi-Gruenais 2001 passim, bes. 2 0 9 - 2 1 6 mit berechtigten Einwänden gegen die These einer zunehmenden .Verinneriichung'. Heinzelmann 2001, 189 spricht v o n einer „schrittweisen A b w e n d u n g aus der Öffentlichkeit und der Entwicklung intimerer Sozial- und Kommunikationsstmkturen". Neuerdings bestätigt auch die Untersuchung der Grabinschriften und ihres Kontextes durch Feraudi-Gruenais 2003 die starke Familienbezogenheit der Ausstattung; die Autorin plädiert überzeugend dafür, hier eher v o n .Selbstzeugnissen' zu sprechen als v o n einer an die Außenwelt gerichteten ,Selbstdarste]lung'.

54 Zanker 1992; Wrede 2001,43; Zanker 2003; Zanker - Ewald 2004, bes. 181-185.

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D o c h ist dies einerseits nicht der einzige E f f e k t der Grabgestaltungen des zweiten J a h r - hunderts u n d andererseits ein zeitlich, sozial u n d topographisch begrenztes Phänomen.5 5

Z w a r richteten sich die G r a b m o n u m e n t e nicht m e h r in derselben W e i s e an die Passanten wie früher, d o c h wurde mit der neuen F o r m des Grabtempels auf einem P o d i u m nicht nur eine sehr repräsentative architektonische F o r m gewählt, sondern ein zuvor den G ö t t e r n vorbehaltener G e b ä u d e t y p auf menschliche Verstorbene übertragen.56 D i e aufwändigeren unter diesen G r a b t e m p e l n waren z u d e m mehrstöckig, so dass sie auch dann n o c h gut erkennbar waren, w e n n sie nicht direkt an der Straße standen.57 Z u m i n d e s t die Grabmäler der Oberschicht lagen darüber hinaus oftmals auf d e m Gelände ihrer horti oder Villen, waren also T e i l eines größeren A n w e s e n s , m i t d e m sie daher auch gedanklich assoziiert wurden.5 8 D u r c h d e n .Rückzug' v o n der vordersten Straßenfront rückte m a n d e m n a c h v o m gemeinen V o l k auf der Straße ab u n d fügte sich in den gehobenen K o n t e x t der eigenen sozialen Kreise ein, o h n e dass m a n auf Signale an die A u ß e n w e l t gänzlich verzichtet hätte.

So liegen die Tempelgräber eben nicht i m Kernbereich der Villen oder weit v o n den Straßen entfernt, sondern gerade so, dass sie auf Bedeutung und Reichtum ihrer Besitzer n o c h verweisen konnten. O f t m a l s wiesen z u d e m ausführliche Tituli auf den Status des Grabherrn u n d / o d e r die G r ö ß e des Grabareals hin, das gewaltige A u s m a ß e erreichen konnte.59 Leider sind die Gräber des späteren zweiten u n d des dritten Jahrhunderts n o c h w e n i g erforscht,60 aber einige aussagekräftige Beispiele lassen sich d e n n o c h anführen.

A l l e genannten E l e m e n t e finden sich etwa i m Bereich der Villa des Herodes Atticus, welcher seiner Frau R e g i l k nach deren T o d 160 n. Chr. ein H e r o o n errichten ließ. W i e wir aus Inschriften61 wissen, legte Herodes das sog. T r i o p i o n in der A r t eines ländlichen Heiligtums i m Bereich seiner Villa (ev TOL "EQOöO ä y o o i : I G X T V 1390 B w . 1 0 - 1 1 ) beim dritten Meilenstein an der V i a A p p i a an u n d u m g a b es m i t einer Mauer ( I G X T V 1389 I I v.

55 I n diesem Sinne korrigierend s c h o n Feraudi-Gruenais 2001 passim (s. zusammenfassend ebd. 25); wichtig für die R e k t i v i e r u n g der fraglichen T h e s e n sind insbesondere a u c h ihre Beobachtungen zur nichtmobilen Innendekoration der Gräber, die i m folgenden unberücksichtigt bleibt (ebd. 209-216). H e i n z e l m a n n 2 0 0 1 , 1 8 9 - 1 9 0 erkennt in den Veränderungen des 2. J h s . - m . E . überzeugend - gerade eine „rückläufige T e n d e n z hinsichtlich der Bedeutung der famBa a m G r a b " . Z u beachten ist ferner, dass sich alle genann- ten Untersuchungen fast ausschließlich a u f G r ä b e r u n d N e k r o p o l e n der unteren Mittel- u n d der Freige- kssenenschichten beziehen.

56 Heinzelmann 2000, 7 6 - 8 5 , der hierin einen entscheidenden Unterschied z u den ebenfalls sakral konnotierten Altargräbern erkennt. Aufschlussreich die ebd. 82 zitierte Stelle aus Tertullian, Ad nat.

1.10.26-27. D i e ebd. 83f. i m Anschluss an W r e d e 1981 geäußerte These, Porträts in formam dsorum kämen üblicherweise aus solchen G r a b t e m p e l n u n d hätten die F o r m möglicherweise erst angeregt, stößt, wie Fejfer 1997, 50 gezeigt hat, a u f die Schwierigkeit, dass v o n W r e d e s 103 rundplastischen Bildnissen nur für 29 ein F u n d o r t überliefert ist, v o n denen w i e d e r u m die Mehrzahl, nämlich 17, aus nichtfunerären K o n t e x t e n stammen.

57 A n d e r s Hesberg 1992, 4 2 - 4 4 , dessen Beispiele für seine T h e s e jedoch nicht überzeugen: Z u Lage u n d Sichtbarkeit des sog. D e u s Rediculus s. u. mit A n m . 71. Will m a n ernsthaft a n n e h m e n , die das Pancra- tiergrab an der V i a Latina umgebende Mauer sei s o h o c h gewesen, dass das G r a b hinter ihr „verschwun- d e n " sei? Z u d e m k ö n n e n auch M a u e r n repräsentativen Charakter besitzen, u m s o mehr, w e n n ihr E i n - gang aufwändiger gestaltet war.

58 B o d e l 1997; Hesberg 1992, 4 2 - 4 4 mit anderer Interpretation. Z u r Bedeutung der Villa, die eben nicht nur für Privatheit stand, s. auch unten i m letzten Teil des Beitrags.

59 E c k 1987, 63f.

60 K a m m e r e r - G r o t h a u s 1974; einige Bsp. in Feraudi-Gruenais 2001 sowie in Heinzelmann 2000 für Ostia.

61 Bes. I G X T V 1389 I u n d II; d a z u Peek 1979 u n d A m e l i n g 1 9 8 3 , 1 5 3 - 1 6 0 .

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13).6 2 W e i t e r h i n g e h t a u s d e n I n s c h r i f t e n h e r v o r , d a s s s i c h i n d e m B e z i r k ä l t e r e G r ä b e r b e f a n d e n ( d e n n d i e s e s o l l e n n i c h t a n g e t a s t e t w e r d e n ) , d a r ü b e r h i n a u s e i n T e m p e l f ü r D e m e t e r u n d d i e v e r g ö t t l i c h t e F a u s t i n a M a i o r ( d i e , n e u e D e m e t e r ' ) , d e n e n a u c h e i n S i t z b i l d d e r R e g i l l a g e w e i h t w a r ( I G X I V 1 3 8 9 , I w . 1 - 2 . 5 - 8 ) . O b d i e s e S t a t u e d e r R e g i l l a i m T e m p e l d e r G ö t t i n n e n s t a n d o d e r d a v o r , s c h e i n t m i r a u s d e m T e x t n i c h t s o e i n d e u t i g h e r v o r z u g e h e n , w i e i m m e r g e m e i n t w i r d . A r t u n d G r ö ß e6 3 d e r I n s c h r i f t s t e i n e s p r e c h e n e h e r f ü r e i n e A u f s t e l l u n g o d e r A n b r i n g u n g d e r I n s c h r i f t e n a u ß e r h a l b d e s T e m p e l s , u n d m a n h a t f ü r d e n h i e r e n t s c h e i d e n d e n e r s t e n S t e i n z u m e i s t d e n E i n g a n g z u m

T r i o p i o n s b e z i r k v o r g e s c h l a g e n .6 4 A n d e r e r s e i t s b e z i e h t s i c h d i e s e I n s c h r i f t - i m G e g e n s a t z z u d e r z w e i t e n - i n s e h r a u s s c h l i e ß l i c h e r W e i s e a u f R e g i l l a : E s h a n d e l t s i c h u m e i n e n l a n g e n P a n e g y r i c u s a u f d i e V e r s t o r b e n e ( u n d i h r e w i e d e s H e r o d e s F a m i l i e ) , i n d e m a u s s c h l i e ß l i c h v o n i h r e r V e r e h r u n g ( n i c h t d e r d e r G ö t t i n n e n ) u n d i h r e m S t a n d b i l d d i e R e d e ist. A u f l e t z t e r e s w i r d z u d e m m i t F o r m u l i e r u n g e n h i n g e w i e s e n , d i e v e r m u t e n l a s s e n , d a s s m a n d a s S t a n d b i l d b e i m L e s e n d e r I n s c h r i f t s e h e n k o n n t e (s. b e s o n d e r s d a s tmto i n v . 4 8 ) . D a h e r k ö n n t e d u r c h a u s a u c h d i e P ö r t r ä t s t a t u e u n t e r f r e i e m H i m m e l v o r d e m T e m p e l g e s t a n d e n h a b e n .6 5 M ö g l i c h e r w e i s e i s t I n s c h r i f t I s o g a r a n d e r B a s i s d e r S t a t u e a n g e b r a c h t g e w e s e n .6 6

D a r ü b e r h i n a u s g a b es e i n H e r o o n f ü r R e g i l l a , z u w e l c h e m e i n e w e i t e r e I n s c h r i f t g e h ö r t e ( I G X T V 1 3 9 2 ) , d i e a u s d r ü c k l i c h b e m e r k t , e s h a n d l e s i c h n i c h t u m e i n G r a b , d a R e g i l l a i n G r i e c h e n l a n d b e s t a t t e t sei.

U m s t r i t t e n i s t , o b u n d w i e d i e R e s t e e r h a l t e n e r G e b ä u d e m i t d e m T r i o p i o n z u v e r b i n d e n s i n d . Z u d e m T e m p e l k ö n n t e n f ü n f K a r y a t i d e n g e h ö r t h a b e n , w e l c h e u n w e i t d e s F u n d o r t e s d e r b e i d e n G e d i c h t e d e s M a r c e l l u s ( v o n S i d e ? ; s. I G X T V 1 3 9 1 ) g e b o r g e n w u r d e n u n d m i t

62 D a z u zuletzt ausführlich Galli 2002, 110-144. Dass es sich u m ein ländliches Heiligtum mit W e i n - stöcken, Obstbäumen usw. handelt, geht aus dem T e x t ebenfalls hervor, und wir dürfen wohl annehmen, dass der Bezirk nicht ganz klein gewesen ist. Nirgends ist jedoch gesagt, dass das Triopion mit der Villa des Herodes identisch sei, wie Galli meint (ausdrücklich z.B. 127). Vielmehr steht es in der Tradition der Cepotaphien, welche zwar gelegentlich sogar bewirtschaftet werden konnten, in ihrer Größe jedoch klar begrenzt waren; vgl. Gregori 1987/88; Hesberg 1992, 6.

63 I G X I V 1389 I: H. 122 cm, Br. 54 cm; I G X I V 1389 II: H . 117 cm, Br. 37 cm, die ursprüngliche Tiefe der Steine ist wegen moderner Bearbeitung ihrer Rückseiten nicht mehr rekonstruierbar: Peek 1979, 77.

64 Peek 1979, 79 und Ameling 1983, 156 lokalisieren Stele I am Eingang z u m T e m e n o s ; Stele I I hält Ameling 1983,159 für eine A r t Grenzstein.

65 D i e Statue wird allgemein i m Tempel lokalisiert Dies ist in der Inschrift allerdings nicht ausdrücklich .. gesagt, und die Aufforderung in Zeile 1 - 2 , (nicht in den) mos der Göttinnen zu k o m m e n und heilige

Gaben z u m Sitzbild der Regilla zu bringen würde durchaus auch Sinn machen, w e n n die Statue in un- mittelbarer Nähe außerhalb des Tempels aufgestellt war.

66 A u f diese Möglichkeit macht mich Jane Fejfer aufmerksam. D a f ü r könnte auch sprechen, dass die Stelen keinerlei randliche Profilierung aufweisen. Allerdings müssen beide Inschriftentafeln sekundär beschnit- ten worden sein, wie aus der unregelmäßigen und merkwürdigen F o r m ihrer oberen Abschlüsse ersicht- lich ist, welche im Fall der ersten Inschrift sogar den ersten Buchstaben des Namens des Dichters ver- letzt; s. die Umzeichnung bei Gaffi 2002, 114-115, der diese Abschlüsse aber offenbar für antik hält. - Eine relativ gut dokumentierte Parallele für diese A r t der Aufstellung n o c h i m 2. J h . , auf die mich eben- falls J a n e Fejfer aufmerksam macht, bieten zwei - leider kopflose - Sitzstatuen der trajanischen Zeit, welche einen Magistraten auf der seUa mruüs und eine Frau im Typus einer Tyche oder Muse darstellen und vor ihrem Grabbau aufgestellt waren. Z u Fundumstanden und Aufstellung s. Fellera Maj 1948;

allgemein: Giuliano 1981, 2 0 - 2 3 Kat. 16 = Inv. 124540 (L. de lachenal). 26f. K a t 18 = Inv. 124539 (L.

Nista); zur Datierung Goette 1989, 7 7 - 7 8 Nr. M 56. O b eine nachseverische Sitzstatue eines patrizischen Magistraten tatsächlich v o n einem G r a b stammt, wie Goette 1989, 78 zu Nr. M 72 in Anlehnung an Leunissen 1985, 68-69, vermutet, und o b , falls dies der Fall sein sollte, die Statue v o r dem G r a b gestan- den hat, lässt sich wegen fehlender Fundberichte nicht mehr feststellen.

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einer sechsten, heute verlorenen möglicherweise die Vorhalle des T e m p e l s bildeten.67 E i n weiterer auffälliger B a u des T r i o p i o n stand in der unmittelbaren U m g e b u n g des Grabes der Caecilia Metella. N a c h den Zeichnungen Pirro Ligorios ( A b b . 1) u n d zwei erhaltenen korinthischen Säulen mit Inschriften handelte es sich w o h l u m einen in der F o r m d e m Pantheon ähnlichen, überkuppelten R u n d b a u v o n vielleicht etwa 6 m Durchmesser mit Vorhalle.68 Hierbei k ö n n t e es sich u m das H e r o o n der Regilla gehandelt haben, z u d e m dann die o b e n genannte Inschrift I G X I V 1392 gehörte. Bemerkenswert ist der B a u unter anderem deshalb, weil es sich dabei, w e n n d e n n die Rekonstruktion annähernd zutreffen sollte, u m einen - freilich deutlich kleineren - frühen Vorläufer jener Rund-Mausoleen des dritten u n d vierten Jahrhunderts handeln würde, v o n denen wenige Meter entfernt auch Maxentius eines i m Bereich der später in seinen Besitz gelangten Villa errichtete.

Z w e i weitere relativ gut erhaltene G e b ä u d e auf d e m G r u n d s t ü c k der Villa des Herodes sind eindeutig als Grabbauten erkennbar, d o c h scheint mir ihre Zugehörigkeit z u m T r i o p i o n zweifelhaft. D e r sog. T e m p e l des D e u s Rediculus, ein rechteckiger Grabtempel aus p o l y c h r o m e n Ziegeln a u f einem P o d i u m , dürfte u m die Mitte des zweiten Jahrhunderts oder in den 160er J a h r e n erbaut w o r d e n sein u n d wird in aller Regel für das H e r o o n der Regilla gehalten.69 D i e s ist jedoch schon wegen der weiten Entfernung v o n der Villa und den Fundorten der sicheren Reste des T r i o p i o n w e n i g wahrscheinlich, so dass der Bau vermutlich für eine andere Bestattung diente.70 W i c h t i g ist i n unserem Z u s a m m e n h a n g die Lage des Grabbaues, nämlich relativ weit v o n d e n Hauptgebäuden der Villa entfernt und in einem Tal, d o c h gut sichtbar für jeden, der sich der Villa v o n der V i a Latina her näherte.71

Später, gegen E n d e des zweiten Jahrhunderts, wurde auf d e m G e b i e t der Villa, nun wiederum näher an der V i a A p p i a , ein weiterer, m o n o c h r o m e r G r a b b a u ähnlicher F o r m errichtet.72 D a s s wir in G r ö ß e u n d A u f w a n d ähnliche Sepulkralkomplexe wie das T r i o p i o n in größerer Z a h l z u erwarten haben, legen nicht nur die epigraphischen Zeugnisse,73

67 Kammerer-Grothaus 1974,140-149; Galli 2 0 0 2 , 1 2 3 - 1 2 7 . D a wir jedoch über die Gebäudereste, welche sich in der Nachbarschaft des Fundortes befanden, keine weiteren Informationen haben, kann letztlich die Verwendung der Karyatiden in einem Propylon nicht ausgeschlossen werden (Kammerer-Grothaus 1974, 146). A u f welche Weise die v o n Piranesi gesehenen u n d in seine fantasievolle Rekonstruktion eingegangenen Bauteile die Entscheidung zugunsten eines Tempdgrab-ähnlichen Heroons ausfallen lassen, wie Galli 2002,126 suggeriert, wird leider nicht ausgeführt.

68 Galäi 2 0 0 2 , 1 2 7 - 1 3 3 , der damit die communis opimo vertritt.

69 Galli 2002, bes. 121-133 spricht ausdrücklich v o n drei Heroa für RegBla (Karyatidenbau, Rundbau mit den Inschriftensäulen u n d sog. D e u s Rediculus). Kammerer-Grothaus 1 9 7 4 , 1 9 4 - 1 9 9 hält diese Identi6- zierung ebenfalls für möglich, allerdings aufgrund der Beobachtung, dass der Unterbau nur Substruktion und als Grabkammer ungeeignet gewesen sei. Vorerst sind jedoch zu wenige Bauten dieser A r t ausrei- chend gut untersucht, als dass dieses Argument zwingend wäre; vielmehr könnte(n) eine oder mehrere Bestattungen) auch in der Hauptkammer v o r g e n o m m e n worden sein.

70 S o auch G r o s 1969,166f.; Coarelli 1981, 42f.

71 Galli 2002,132.

72 Kammerer-Grothaus 1974, 154-161 zu S. U r b a n o della Caffareüa. Nach ihren Untersuchungen ist das innere Tonnengewölbe gemeinsam mit der Vorhalle in einer späteren Bauphase entstanden; damit ent- fällt die alte, scheinbar sichere Datierung aufgrund v o n Dachziegeln mit Stempeln aus der Zeit des Marc Aurel, die wohl zweitverwendet sein müssen. - D i e Datierung impliziert, dass in dem Bau entweder ein Familienmitglied bestattet worden ist, oder dass das Bestattungsverbot i m Bereich des Triopion bereits i m späteren 2. J h . übertreten wurde, oder aber dass sich das G r a b außerhalb der Grenzen des Triopion befand. G r o s 1969 halt das G e b ä u d e unter anderem aufgrund der alten Chronologie und in Unkenntnis der verschiedenen Bauphasen für den in den Inschriften genannten Tempel.

73 Gregori 1987/88.

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sondern auch einige weitere archäologisch belegte stadttömische Beispiele74 sowie die jüngst v o n Michael HEINZELMANN publizierten Gräber in Ostia nahe, die allerdings etwas bescheidener u n d nicht m i t Villen verbunden sind. I m m e r h i n gab es auch dort Grabtempel m i t Freitreppe und H o f , der gelegentlich porticusartige Flügelbauten besaß. Auffällig breite T ü r ö f f n u n g e n sowie Fenster in der Umfassungsmauer machen z u d e m deutlich, dass sich diese Ausstattung durchaus auch an d e n Passanten auf der Straße richtete.75 A u c h belegen die B e f u n d e in Ostia, dass solche K o m p l e x e nicht nur i m zweiten, sondern auch i m dritten Jahrhundert gebräuchlich waren. Für R o m selbst darf m a n daher trotz der bisher geringen Z a h l datierter Oberbauten sicherlich dasselbe vermuten, zumal auch die Fundberichte über Sarkophage des dritten Jahrhunderts hierauf schließen lassen.76 D a s s dieser G r a b t y p auch i m beginnenden vierten Jahrhundert n o c h attraktiv erschien, zeigt z u d e m ein zur Villa Ad duas lauros gehöriges Tempelgrab, das i m frühen vierten Jahrhundert mit einem aufwändig gestalteten H o f ähnlich d e m des R o m u l u s m a u s o l e u m s an der V i a A p p i a umgeben wurde.77

D e r U m b a u des Grabes v o n S. U r b a n o , bei d e m d e m schlichten, kubischen B a u des späten zweiten Jahrhunderts eine Säulenhalle vorgelagert u n d ein Attikageschoss aufgesetzt wurde, ist o h n e genaue Bauaufnahme nicht datierbar, aber m a n k ö n n t e überlegen, o b er nicht mit einer ähnlichen antiken ,Mcdernisierungsmaßnahme£ zusammenhängt.

I m dritten Jahrhundert führten einige Bauten, was die Grabgrößen und -typen anbelangt, über das i m zweiten Jahrhundert übliche wieder weit hinaus. Bemerkenswert ist schon das 1 9 3 / 9 4 fertig gestellte monumentale Marmorgrabmal des designierten K o n s u l n M . A n t o n i u s A n t i u s L u p u s an der V i a Ostiense m i t über sechs Metern H ö h e , das seine Amtsinsignien und i m Titulus seinen ausführlichen cursus bonorum darstellt.79 Über die A r t des G r a b m o n u m e n t s des P o m p o n i u s Bassus Terentianus aus der Zeit des Septimius Severus lässt sich nichts m e h r sagen; die zugehörige Inschrift maß jedoch ursprünglich 7 m in der Länge u n d besaß 21 c m h o h e Buchstaben, so dass es gewaltige A u s m a ß e besessen haben muss.80 M i t d e m sog. M o n t e del G r a n o ( A b b . 4), einem Grabtumulus v o n 45 m D u r c h m e s s e r u n d ttavertinverkleidetem T a m b o u r an der V i a Latina aus d e n Jahren u m 230

74 VgL Feraudi-Gruenais 2001 (bes. 23 mit A n m . 110 und Kat. K 2 8 , K 3 3 , K 4 6 - 4 8 ) , die 24f. zu Recht die Ansichten v o n Hesbergs (1987; 1992, 26-^-5) korrigiert.

75 Vgl. Heinzelmann 2000, 79 und bei den ebd. genannten Katalognummern; s. auch die bei Alföldy 2001, 34 erwähnten Grabinschriften des 2. Jhs., welche w o h l ebenfalls zu imposanten Monumenten gehörten.

76 ~s. auch die Zusammenstellung in Feraudi-Gruenais 2001, die zu Recht zwischen den serienmäßig und weniger auf Sichtbarkeit angelegten Gräbern und den aufwändigen Beispielen in sorgfältig gewählter Position unterscheidet (ebd. 22-25). A u c h außerhalb R o m s finden sich ähnliche Beispiele: D i e Eigentü- mer einer Villa in Puteoli etwa erbauten ihr Grab u m die Mitte des 3. Jhs. oder etwas später unmittelbar v o r dem monumentalen Eingang der Villa an der Via Domitia. I m Grabbau selbst wurde der Sarkophag mit den (bossierten) Porträts eines Ehepaars gefunden, dessen Datierung u m die Mitte oder in die zweite Hälfte des 3. Jhs. mit d e m Mauerwerk gut überemstimmt (Gianella 2003, 56-59).

77 V o l p e 2000,163.

78 Z u m U m b a u s. Kammerer-Grothaus 1974,154-161, die wegen der zurückhaltenden Spolienverwendung Zweifel a m Zusammenhang des Umbaues mit der Umwandlung in eine Kirche im 9. J h . äußert 79 Schäfer 1989, 272-280 N r . 19 Taf. 4 0 - 4 3 . Z u r Inschrift s. C I L V I S. 4683 ( G . Alföldy).

80 Alföldy 2001, 34. Z u r G r ö ß e v o n Grabbezirken und -bauten vgl, auch E c k 1987, 63f.; dens. 2001, bes.

200f. mit A n m . 28, der jedoch auf größere Grabbauten für die beiden oberen oränes nur aufgrund der Titulus-Größen schließt, da Inschriften mit ausdrücklichen Maßangaben für diese nicht belegt sind. D i e v o n ihm genannten dokumentierten Gräber v o n Senatoren bewegen sich größenmäßig i m Rahmen des- sen, was auch bei den Freigelassenen üblich war. D a s egalitäre M o m e n t , das man darin erkennen mag (Eck 2001,201), könnte jedoch durch die Ausstattung der Grabbezirke leicht relativiert worden sein.

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