International Cooperation in Orientalist librarianship. Papers presented at the
Library Seminars 28 International Congress of Orientalists, Canberra,
6—12 January 1971. Ed. by Enid Bishop and Jean M. Walleb. Can¬
berra: National Library of Australia 1972. 284 S. 8« $ 5.75.
Beim 27. Internationalen Orientalistenkongreß, 1967 in Ann Arbor,
besehlossen einige orientahstische Bibliothekare aus Asien, Nordafrika,
Europa und Amerika die Gründung einer International Association of
Orientalist Librarians (I.A.O.L.), der sowohl Bibliotheken und Institutionen
mit bedeutenden Beständen an Büchern oder anderen Materialien mit
Bezug auf den Orient, als auch Einzelpersonen angehören sollten. Die
Satzung dieser Vereinigung wurde während einer Sitzung anläßlich des
28. Orientalistenkongresses in Canberra am 12. Januar 1971 verabschiedet.
Danach bat die Gesellschaft folgende Ziele: 1. weltweit eine engere Ver¬
bindung zwischen den orientalistisehen Bibliothekaren und Bibliotheken zu
ermöglichen, 2. ein Forum zu schaffen, wo im internationalen Rahmen
Fragen gemeinsamen Interesses behandelt werden können und 3. die inter¬
nationale Zusammenarbeit zwischen Institutionen zu verbessern, die für die
orientalistiscbe Forschung wichtige Quellen besitzen.
Der 28. Orientalistenkongreß, in dessen Rahmen erstmalig während
seiner gesamten Dauer ein von der I.A.O.L. veranstaltetes Bibliotheks¬
seminar stattfand, bot ein geeignetes Forum für die Realisierung der in der
Satzung genannten Ziele. Das Generalthema des Seminars entsprach dem
Titel des angezeigten Berichtbandes, der, sehr ansprechend aufgemacht, von
der National Library of Australia und dem Council on Library Resources,
Washington, D.C, finanziert wurde.
Im Plenum des Bibliotheksseminars diskutierten etwa 100 Teilnehmer
die Vorträge, welche unter folgenden Themengruppen zusammengefaßt
wurden :
1. Fachliche Kontakte imd Zusammenarbeit durch internationale und
regionale Bibliotheksgruppen (hierbei wurde insbesondere auf Verhältnisse in Südostasien eingegangen. Insgesamt gilt für den Ablauf des Seminars, daß die relative Nachbarschaft des Tagungsortes zu Südost- und Ostasien einen starken Akzent setzte.)
2. Internationale Regeln für die Katalogisierung von Orientalia. (Manchem
Seminarteilnehmer mochte an diesem Punkt — wie auch beim Thema
Nr. 4 — klar werden, daß für im Orient arbeitende Kollegen Fragen der
Namenansetzung oder Transkription gar keine spezifisch orientalistischen Probleme sind.)
3. Der Einfluß der gegenwärtigen Tendenzen orientalistischer Studien auf
die Bibliotheken. (Dargestellt am Beispiel der U.S.A., der Niederlande und Indiens.)
4. Ausbildung zum orientalistischen Bibliothekar.
5. Kooperative bibliographische Projekte.
6. Kooperative Erwerbung einschließlich Mikrofilm- und Reprint-Projekte.
Bücherbesprechungen 387
Neben diesen Vorträgen von allgemeinem Interesse für die Seminar¬
teilnehmer \vtu'den in sogenannten „Area meetings" (Westasien, Südasien,
Südostasien, China, Japan) Themen behandelt, bei denen besondere Ver¬
hältnisse einzelner Teile oder Länder Asiens stärker im Vordergrund standen.
So wurde über so versohiedenartige Gebiete wie beispielsweise bibliographi¬
sche Aktivitäten der UNESCO in der arabischen Welt, Automatisierung in
japanischen Bibliotheken oder geplante Gesamtkataloge alter chinesischer
Bücher und Zeitschriften gesprochen.
Die beiden Herausgeber, Miss Jean M. Walleb, imd Miss Enid Bishop,
beide Bibliothekarinnen der Australian National University, die den Band
mit dem Wortlaut der insgesamt 30 Vorträge genau ein Jahr nach Ende des
Kongresses erscheinen lassen konnten, seien zu dieser Leistung beglück¬
wünscht.
Nicht enthalten in dem Band sind die Resolutionen. Der Wiehtigkeit
halber seien zwei davon genannt. Vom Bibliotheksseminar wurden mehrere
Entschließungen gefaßt und in der Schlußsitzung des 28. Internationalen Orientalistenkongresses vorgelegt. Eine lautet :
"That this Congress welcomes UNESCO's initiative in producing a
survey of Oriental manuscript collections in the countries of Europe
and North America and calls upon that body to exercise similar initia¬
tive in respect of collections in Asian countries."
Dieser Besebluß wurde von der Vollversammlung übernommen.
Der International Association of Orientalist Librarians wurde vom
Plenum des Kongresses der Auftrag erteilt, Maßnahmen zu beraten, um
der auf R. Sellheim's Vortrag über die Katalogisierung arabischer Hand¬
schriften als literarisches Problem zurückgehenden Forderung zu entsprechen,
der 28. Orientalistenkongreß möge die Notwendigkeit anerkennen, alle
arabisoben Handschriften, die nocb nicht ausreichend verzeiehnet und
beschrieben sind, zu katalogisieren, daß er weiterhin die Tatsache anerkennen
möge, daß die erfolgreiche Beendigung dieser höchst bedeutsamen Aufgabe
an eine internationale Initiative geknüpft sein muß, die Arbeit an der Kata¬
logisierung dort, wo sie noch nicht in Angriff genommen wurde, zu beginnen, bereits laufende Anstrengungen, wenn nötig durch finanzielle Unterstützmig
zu stärken, und die Kooperation und Koordination der laufenden oder ins
Leben zu rufenden Katalogisierungsmaßnahmen zu gewährleisten.
Dieteb Geobge, Berlin
Jan Assmann: Der König als Sonnenpriester. Ein kosmographischer Begleit¬
text zur kultischen Sonnenhymnik in thebanischen Tempeln und Oräbem.
Glückstadt: Augustin 1970. X, 70 S. 40 (Abhandlungen des Deutschen
Archäologischen Instituts, Kairo. Ägyptologische Reihe. Bd. 7.)
Wie im Untertitel der Untersuchung angegeben wird, behandelt die
vorgelegte Arbeit nicht die verschiedenen Funktionen des Königs bei der
Ausübung des Sonnenkultes, sondern ganz speziell einen einzelnen religiösen Text, der als ,, kosmographischer Begleittext zur kultischen Sonnenliymnik"
sich auf die Legitimation des Königs zur Ausübung des Sonnenkultes
bezieht.
Der in Rede stehende Text ist aus sieben, zum Teil bebilderten Aufzeich¬
nungen aus der Zeit des Neuen Reiches und der Spätzeit bekannt. Die mit
Bildern versehenen Aufzeichnungen stammen aus mehreren königlichen
Bücherbesprechungen
Bauten, die alle mit dem Sonnenkult in Verbindung stehen. Sie sind belegt
im Sonnenheiligtum des Totentempels der Hatschepsut in Deir el Bahari, in
Raum 17 des Tempels von Luxor (Amenophis III.), in der Re-Kapelle des
Totentempels Ramses III. in Medinet Habu und in Raum ,,D" des Taharka-
Gebäudes am Heiligen See in Karnak. Aber auch im privaten Bereich ist
der Text bezeugt. Er erscheint als Präskript zu den Sonnenhymnen im
Totenbuch des Chai (pBM 9953 B) aus der 20. Dynastie und im Grab des
Petamenophis aus der 26. Dynastie. In ähnlichem Zusammenhang ist er im
Grab des Tjanefer in Theben (20. Dyn.) belegt.
Die Restitution des Textes stellte einige Probleme (S. 1—19). Die meisten
Aufzeichnungen sind nur in sehr fragmentarischem Zustand erhalten. Wegen
fehlender Anschlußstellen ermöglichen die Varianten nicht die Erstellung
eines durchlaufenden Textes. Der einzige annähernd vollständig erhaltene
Text stammt aus dem Tempel von Luxor. Seine Aufzeichnung ist aber
infolge eines Versehens bei der rückläufigen Abschrift des Textes von einer
rückläufig eingerichteten Vorlage wahrscheinlich des Mittleren Reiches
(S. 5 Anm. 1) nur in einer durcheinander geratenen Textanordnung erhalten.
Erst nach Feststellung der Fehlerquelle und nach Klärung des Durchein¬
anders der einzelnen Satzteile war die Rekonstruktion der ursprünglichen
Vorlage möglich. Es wurde ein Text restituiert, dessen nunmehr korrekte
Anordnung sich durch ein verwandtes Exemplar bestätigen ließ. Es konnte
nämlieh festgestellt werden, daß die wiedergewonnene Vorlage des Textes
aus Luxer derjenigen der Aufzeichnung aus dem Sonnenheiligtum des
Tempels von Deir el Bahari sehr ähnlich gewesen ist. Beide Vorlagen besaßen eine rückläufig eingerichtete gleiche Zeilengliederung.
Der von Assmaistn restituierte Text besteht aus drei großen Abschnitten,
die metrisch in drei Großstrophen unterteilt werden können (S. 20—22).
Die erste Strophe behandelt das Thema des Sonnenzyklus und kann all¬
gemein als eine mythologische Beschreibung der mit dem Sonnenlauf zu¬
sammenhängenden Vorgänge am Himmel aufgefaßt werden. Die zweite
Strophe des Textes befaßt sich mit der Frage der Legitimation des Königs
zur Ausübung des Sonnenkultes. Der König wird dabei als ein in alle geheime
Dinge eingeweihter Priester geschildert. Er kennt die Worte und Hand¬
lungen der verschiedenen Gottesgestalten in der Umgebung des Sonnen¬
gottes und vermag auf Grund seines Wissens sich selbst in den Kreis der
himmlischen Götter einzureihen. Doch nicht nur das geheime Wesen des
Hofstaates des Gottes, auch die ,, arcana" des Sonnenlaufes, der Geburt
und der Verwandlungen des Sonnengottes sind ihm bekannt. ,,Er kennt das
Geborenwerden des Re und seine Verwandlungen in der Flut; er kennt
jenes geheime Tor, durch das der Große Gott herauskommt". Auf Grund
seines Wissens ist es daher dem König möglioh, in der Barke des Sonnen¬
gottes am Sonnenlauf teilzunehmen. Als engster Vertrauter des Gottes ist
er, wie es in der dritten Strophe des Textes heißt, dazu berufen, den Sonnen¬
gott auf Erden zu vertreten. ,,Re hat den König eingesetzt auf der Erde der
Lebenden für immer und ewig".
AssMANN läßt der Übersetzung des Textes einen ausführlichen Kommen¬
tar folgen (S. 22—39). In ihm wird auf die spezielle Phraseologie des Textes
eingegangen und dessen Verbindung zu anderen religiösen Texten heraus¬
gearbeitet. Es zeigt sich, daß der Text innerhalb der religiösen Literatur
Ägjrptens nicht isoliert dasteht. Er besitzt Elemente, durch die er in den
größeren Rahmen der sog. ,, Weltbeschreibungen" (Kosmographien) ein¬
geordnet werden kann. Dadurch aber gelangt der Text nach Äuffassung des
Bücherbesprechungen 389
Verfassers in enge Nachbarschaft zum sog. „Nutbuch" und zum „Tag- und
Naohtbuch", aber auch zu Texten, die in einer ,, funerären Adaption" für
den Gebrauch des verstorbenen Königs in den Jenseitsführern des Neuen
Reiches (Amduat, Pfortenbuoh, Höhlenbuch, usw.) erhalten sind.
Auf der Suche nach den übergeordneten Zusammenhängen, denen der
Verfasser im dritten Abschnitt seiner Arbeit nachgeht (S. 40—70), wird die
Gestalt des Königs zur zentralen Figur. Dieser tritt in eine Wesensgemein -
Schaft mit dem Sonnengott ein und feiert in dieser Form seinen Einzug in
die Sonnenbarke. Für Assmann gibt der Text daher Antwort auf die Fragen,
\mter welchen Bedingungen und in welcher Weise es dem König gelingt,
trotz seines Wirkens ,, auf der Erde der Lebenden" in die unmittelbare Nähe
des Sonnengottes zu gelangen, in die Sonnenbarke einzutreten und den
Sonnengott anzubeten.
Der von Assmann herausgearbeitete Bezug des Textes zum königlichen
Sonnenkult ist gewiß richtig und auch überzeugend dargestellt. Seine Arbeit leistet daher einen sehr wertvollen Beitrag für die Beurteilung des Verhält¬
nisses von Gott und Mensch. Strittig, so erscheint es dem Rezensenten,
bleibt allerdings die Frage, ob der Text zu einem „liturgisch-kosmogra-
phischen Zyklus von Texten und Szenen" gehört, durch den der ,, Kosmos
des Sonnengottes weltkammerhaft im Tempel vergegenwärtigt" wird
(S. 70), oder ob er nicht vielmehr ein Text für den irdischen Ritualgebrauch
ist und während bestimmter Handlungen des Gottesdienstes für den Sonnen¬
gott im Tempel rezitiert worden ist. Assmann soheint diese Möglichkeit zu
verneinen. Für ihn ,, bezieht sich (der Text) nicht auf die aktuelle Ausübung der kultischen Handlung, sondern auf die generelle Situation und Verfassimg, die den kultischen Akt ermöglicht" (S. 69).
Der Text steht im Zusammenhang mit Bildern, welche den König bei
Riten vor der Sonnenbarke zeigen. Wo eine reine, d.h. bilderlose Text¬
fassung erhalten ist, dient der Text, mit einer Ausnahme, jeweils als Ein¬
leitung zu einem Sonnenhyxnnus. Wird nun aber der Text vorwiegend als
rezitierter Text des Rituals und nicht als kosmographischer Buchtext
aufgefaßt, ist es schwierig, die vom Verfasser zu Recht betonte Ebene der
„himmlischen und irdischen „Akzeption" des Königs als Sonnenpriester"
allein unter ihrem liturgisch-kosmographischen Emgkeitsgehalt zu betrach¬
ten. Ein Realbezug würde sichtbar. Dieser müßte dann in der praktischen
Kulthandlung gesehen werden, die die Riten, die während der Rezitation
des auf den in Rede stehenden Text folgenden Sonnenhymnus durchgeführt
werden, vorbereitet und die dann vor allem aus der rituellen Annäherung
des Priesters an das Kultbild des Sonnengottes besteht. Das Preislied wäre
an das Bild des Gottes gerichtet, das in der Statue auf der Kultbarke gegen¬
wärtig ist (vgl. PT 273—274) und das im Falle des Sonnengottes eventuell
auch in dem Gestirn der Sonne gesehen werden könnte. Der den Akt der
Gottesanbetung vorbereitende Ritus, der mit dem in Rede stehenden Text
zu verbinden wäre, würde unter diesen Umständen als eine Handlung auf¬
zufassen sein, die den Einleitungsriten des Kultbildrituals entspricht (z.B.
,, Spruch für das Betreten der Kammer" o.a.). Um sich dem Gottesbild zu
nähern, bedarf es in jedem Falle einer Legitimation. Diese wird im Kult¬
bildritual gleieh zu Beginn der verschiedenen Handlungen ausgesprochen, wo sich der Offiziant des Rituals als reiner und in den Kult eingeweihter Priester zu erkennen gibt. Die zur Legitimation verwendeten P'ormulierungen
kommen denen der zweiten Strophe des von Assmann bearbeiteten Textes
durchaus nahe (vgl. PT 262, 301).
Bücherbesprechungen
Wird daher nach dem „Sitz im Leben" des Textes gefragt, scheint dem
Problem des Ritualbezuges durchaus ein wichtiger Stellenwert zuzukommen.
In welcher Weise die ritualbezogenen Teile des Textes von den kosmo¬
graphischen Elementen abzugrenzen sind, bleibt aber vorerst noch offen.
Daß Möglichkeiten einer Interpretation im Sinne einer Ritualbezogenheit
bestehen, hat Assmantst im Verlauf seiner Untersuchungen mehrfach selbst
gezeigt. Hat er doch diese als Beitrag zur ,, kultischen Sonnenhymnik"
verstanden wissen wollen. Seine außergewöhnliche Kenntnis der liturgischen
Texte des Sonnenkultes und seine exakte und scharfsinnige Bearbeitung des
vorliegenden Textes haben das Buch daher zu einem methodisch beispiel¬
haften Werk für die Untersuehung von in sich zusammenhängenden ägyp¬
tischen religiösen Texten werden lassen.
Hartwig Altenmüller, Hamburg
William A. Ward: Egypt and the East Mediterranean World 2200 — 1900
B. C. Beirut: American Univ. 1971. 145 S., 31 Abb. US $ 10.00.
Der Verf. wendet sich mit dieser Publikation einer Frage zu, zu deren
Lösung die üblichen Hilfsmittel nicht zur Verfügung stehen, denn über die
Beziehungen zwisohen Ägypten und Vorderasien und dem Ostmittelmeer¬
raum besitzen wir aus der sog. 1. Z^vischenzeit Ägyptens kaum irgendwelche
textlichen Hinweise. Versuche, archäologische Indizien heranzuziehen, sind
unternommen worden, doch die Ergebnisse solcher Untersuchungen sind mit
Recht nicht akzeptiert worden. Ward wendet sich hierbei besonders (und
mit Recht) gegen alte Behauptungen von Frankfort und Scharff von sy¬
rischer Einwanderung und Machtergreifung in Ägypten naoh dem Alten Reich
und die Horanziehimg der Knopfsiegel für diese Theorie. Wie er jedoch
diese These als ,, firmly-fixed theory among historians" (S. XXII) und ,,now almost universally accepted" bezeichnen kann, überrascht, da doch diese
Theorie einer asiatischen Herrschaft mindestens unter den Ägyptologen
lange tot ist. Wards Vorstellung, daß die asiatische Einwanderung nach
dem Ostdelta nur schwach und auf Beduinengruppen beschränkt war, daß
keine ,, Besetzung" des Deltas vorgelegen hat und das die Handelsbeziehun¬
gen zwischen Ägypten und Vorderasien auch in der 1. Zwischenzeit weiter¬
bestanden, ist unbedingt richtig — nur entspricht sie der gängigen Lehr¬
meinung der Ägyptologie schon seit langem. Trotzdem ist es zu begrüßen,
daß Verf. diese Meinung, die anscheinend mehr in der ,, Lehre" als in Publi¬
kationen ausdrücklich dargelegt worden ist und höchstens durch Verschwei¬
gen abgelehnt wurde, nun einmal ausdrücklich widerlegen will.
Dabei beginnt er mit einer Chronologie der 1. Zwischenzeit. Bekannt¬
lich besteht das Problem dabei darin, daß wir nicht wissen, wie die 9. und
10. Dynastie Manethos und die 11. (thebanische) Dynastie nebeneinander
regiert haben. Für die Frage der Beziehimgen nach Vorderasien hat das
Problem der rechten Clironologie eigentlich keine Bedeutung, da ja jede
zeitliche Festlegung in Vorderasien in dieser Zeit weitgehend von der ägyp¬
tischen Chronologie abhängt. Jedooh besteht auffallenderweise im Bereich
der Archäologen des Ostmittelmeerraumes ein starker Drang nach Fest¬
legung absoluter Zahlen. Ward referiert zunächst einige rezente Versuche, die Angaben" des'Turiner" Königspapyrus und Manethos für die Frage der
Chronologie dieser'Epoche auszuwerten und zitiert Schenkel, Goedicke
Bücherbesprechungen 391
(ZDMG 112 (1962), S. 139ff.); Haybs in: Cambridge Ancient History.
Cambridge 1961ff., I, VI, S. 3fF., v. Beckerath (JNES 21 (1962), S. 140ff.;
ZÄS 93 (1966), S. 13ff.) und Helck: Oeschichte des alten Ägypten. Leiden
1968. {Handbuch der Orientalistik. 1, 1, 3.), S. 78. Er entscheidet sieh für die
Meinung von Hayes, daß die 11. Dynastie gleiehzeitig mit der 10. Dynastie
(2133 V. Chr.) begonnen habe. Rez. ist hier Partei und möchte an seiner (von
V. Beckbrath geteilten) Meinung festhalten, daß die 11. Dynastie gleich¬
zeitig mit der 9. begann, bzw. etwas später, aber noch während der Re¬
gierung Achthoes' I., da man einmal in der ,, Lehre für Merikare" hört, daß
Achthoes I. Thinis nicht einnehmen konnte, dort also bereits die 11. Dyna¬
stie herrschte, andererseits aber diese 11. Dynastie im Königspapyrus duroh einen nichtkönigliohen ,, Gottesvater" eingeleitet wird, der annalistisch
notwendig ist, um die kurze Spanne vom Ende der 8. Dynastie (an welcher
Stelle der Königspapyrus eine Zwisohensumme hat) bis zum Beginn der 11.
Dynastie zu überbrücken. Letzteres beruht auf den Untersuchungen Labib
Habachis in ASAE 55 (1958), S. 184f., der Gardiners Lesung der Spuren
des Namens des ersten Königs der 11. Dynastie im Tur. Königspap. (V 12)
als wih (oder h') ablehnt und mn erkennt und darin den Beginn des Namens
des Mntw-htp ,,des Ahnen" sieht, der in der Königsliste von Karnak am
Beginn der 11. Dynastie genannt wird und den er mit dem ,, Vater der
Götter" Menthuhotep ,,dem Großen" einer Statue aus dem Heqa-ib-Heilig¬
tum in Elephantine verbindet. Endlieh spricht auch das Auftreten eines
Graflito des Achthoes I. bei Assuan dafür, daß dieser König einmal das
ganze Reich beansprucht haben muß. Daher erscheint mir eine Abfolge in
dieser Art immer nocb am wahrscheinlichsten:
Theben Norden
rp'.t Jntf letzte Könige der 8. Dyn.
„Vater der Götter" Mntw-htp 2133 v. Chr. Achthoes I.
Horns Shrr-t/.wj ca. 2126 v. Chr.
Horus W /h- 'nh 2118 v. Chr.
Als rechnerischer Ausgangspunkt für die Festlegung des Alten Reiches ist
die Anordnung dieser Dynastien wiehtig: Wabds Benutzung der Anordnung
von Hayes schiebt den Beginn des Alten Reiches um 30 Jahre hinauf gegen¬
über dem Ansatz von v. Beckebath und mir. Die ,, Sequence-Dates"
Bbuntons nach seinen Ausgrabungen von Qau el-Kebir mit hier heranzu¬
ziehen und zu meinen, es müsse eine längere ,, Zwischenzeit" bestanden
haben, da sonst die von Bbunton festgestellten archäologischen Verän¬
derungen keinen Platz hätten, scheint mir die Aussagekraft archäologischer Fakten zu überfordern.
Am Ende des 1. Kapitels stellt Wabd die archäologischen Fakten aus
Syrien und Palästina zusammen, die in die hier besprochene Epoche fallen.
Das 2. Kapitel bebandelt den Einfluß der Asiaten im Delta während der
1. Zwischenzeit. Dabei erhebt sich ein methodisches Problem: Wabd be¬
gründet das Bild, das er von der 1. Zwischenzeit gibt, besonders auch im
Hinblick auf die Beziehungen zu Vorderasien, durch die Angaben der Lite¬
ratur, d.h. der ,, Lehre des Merikare", des Neferti und durch die ,, Admoni¬
tions" (Lehre des Ipuwer). Nicht nur lehnt er die Späterdatierung der
Admonitions durch van Seters (JEA 50 (1965), S. 13ff.) strikt ab als hervor¬
gerufen "either in error or the result of his own misunderstanding of this document" (S. 21) und benutzt die Admonitions ausdrücklich als "a do¬
cmnent of the late Old Kingdom", sondern er hält auch den Merikare für
Bücherbesprechungen
zeitgenössisch, ohne auf die Einwände Gun Bjökkmans (OS 13 (1964.'65),
S. 9ff.) ausführlicher einzugehen. Für Waed sind alle diese Literaturwerke ausdrücklich ,, historische Dokumente". Es muß aber die Frage aufgeworfen werden •— nicht nur, ob diese Texte, die erst durch spätere NR-Abschriften
bekannt sind, im Laufe der Überlieferung verändert worden sind, wie es bei
den Admonitions eindeutig ist, sondern auch, ob nioht diese Literaturwerke in Wirklichkeit zurückdatierte Produkte etwa des Beginns der 12. Dynastie sind, die bestimmte politische Zwecke verfolgten, wie es Poseneb für andere
Werke (etwa Sinuhe) wahrscheinlich gemaoht hat. Sind doch auoh die
berühmten ,, Weisheitslehren" eindeutig auf berühmte ,, Heilige" der Ver¬
gangenheit zurückdatiert und nicht von Ptahhotep, Hordedef oder dem
,, Vater des Kagemni" verfaßt worden. Dabei weist Wabd selbst auf Gab¬
dinebs Bemerkung bin, daß diese Texte (wie aber auch der Sinuhe) dort, wo
es sich um konkrete Fakten handelt, auffallend vage gehalten sind. Dies ist
doch ein deutliches Zeichen dafür, daß hier nicht historisehe Fakten geschildert werden sollen, sondern nur ,, rituell-theoretische" Bilder, die bestimmte
Situationen charakterisieren sollen. Zur Schilderung einer Chaos-Zeit, die
ein neuer König als ,, Retter" beendet, —• und eine solche liegt sicher bei
Neferti und wahrsoheinlioh auch bei den Admonitions vor — gehören ein¬
fallende asiatische Nomaden ebenso wie innere Unruhen. Der Text der
,, Lehre für Merikare" mag rückdatiertes Propaganda-Material sein, um den
Sturz der legalen Dynastie duroh die Thebaner hinterher zu legalisieren
(religiöser Verstoß des Vaters; „Weissagung der Residenz" über den Sieg der
Thebaner; Forderung nach Friedenspolitik). Was dann über die Asiaten im
Delta gesagt wird, kann nur eine Sammlung von Standard-Schilderungen
sein, ohne unmittelbaren historischen Bezug. Alles was diese Texte also,
einschließlich des Sinuhe, über Asien und die Asiaten aussagen, kann höch¬
stens als Hinweis auf das Bild genommen werden, das sich die damaligen
Ägjrpter von diesen Ländern und Leuten gemaoht haben, aber nicht als
historische Dokumente. Wabd jedoch begründet seine Vorstellung von den
damaligen Beziehungen zwischen Ägyptern und Asiaten im Delta gerade
auf diese Literaturwerke. Das einzige unverdächtige und sicher zeitgenös¬
sische Denkmal jedoch, daß das Vorhandensein eines Gutes eines Königs
Achthoes der Herakleopolitenzeit im Ostdelta beweist (Kees in: MDAIK 18
(1962), S. 2ff.), wird nun gerade von Wabd als ,,too obscure" beiseitegescho¬
ben (S. 35 n. 140). Es liegt hier also eindeutig ein Methoden-Problem zu¬
grunde: Dürfen literarische Texte in der eingehenden Weise historisch
ausgeschöpft werden, wie es Wabd mit der Lehre für Merikare und den
Admonitions tut, oder sind diese Texte gerade besonders mit Vorsicht zu
gebrauchen, da sie eben gerade nioht historisch sind ? Eine Klärung dieses
Problems müßte im Anfang jeder Untersuchung über die 1. Zwischenzeit
stehen, da danach ja das Bild der Zeit ein ganz anderes werden müßte. Darf
man denn, wie es Verf. tut (S. 63) den Sinuhe als eine ,, reliable source" für
die Zustände in Palästina zu Beginn der 12. Djmastie halten oder spiegelt
sich dort nur das Bild wider, das ein ägjrptisoher Schreiber von asiatischen Zuständen hatte, als er den Auftrag erhielt, einen ägjrptischen Emigranten
in Asien zu schildern ? Welche Topoi und welche festen Bilder (Kampf mit
dem Helden von Retenu !) und Motive wurden da benutzt, die schon längst
der Vergangenheit angehörten ?
Am Ende des Kapitels verweist Wabd mit Recht darauf, daß wir archäo¬
logisch nichts über historische Beziehungen zwischen Ägypten und Asien in
dieser Zeit wissen — daß wir aber aucb nicht wissen, welcher Gruppe et-
Bücherbesprechungen 393
waige im Ostdelta nomadisierende Asiatengruppen angehört haben könnten,
da sie außerhalb der Literatur keine Spuren hinterlassen haben. Bedeutsam ist, daß der Handel mit Phiops II. abbricht : der letzte zweihenldige ÖUirug
findet sich in der Mastaba G 2381A vom Anfang Phiops' II. (St. Smith:
History of Oiza Necropolis II 76; Datierung naoh Babb) ; Ägyptische Gegen¬
stände enden in Palästina mit der 5. Dynastie (nach John van Setebs : The
Hyksos. New Haven 1966, S. 17); die letzte AR-Sinai-Inschrift stammt aus
dem 4. Jahr Phiops II.
Trotzdem beginnt Wabd sein 3. Kapitel mit der Feststellung, daß ein
völliger Bruch nicht anzunehmen sei, womit er sicherlich Recht hat. Nur
sind in der Tat die wenigen Hinweise auf s/i-öl und Koniferenholz {'&) nioht
gerade sehr beweiskräftig, da die Herkunft nioht ausdrücklich erwähnt
wird. Auch die eine in Ägypten gefundene „Anker-Axt", die des längeren
besproohen und in die Entwieklung dieser asiatischen Waffenart gestellt
wird (S. 51—54), bleibt ein vereinzeltes Stück.
Hingegen legt Verf. großen Wert auf den Inhalt des in Bybios gefun¬
denen sog. ,,Montet-Kruges", der eine große Zahl ägyptischer Amulette und
Skarabäen enthielt und den Wabd selbst Syria 43 (1966), S. 165ff. einge¬
hend besproohen hat. Ward datiert ihn in die 11. Dynastie und zwar weit¬
gehend auf Grund von Skarabäen. Ob allerdings die von ihm festgestellte enge
Beziehung ausgerechnet mit Kom el-Hisn wirklich so eindeutig ist, wie es
einige wenige dort gefundene ähnliche Stücke ihm nahe legen, erscheint
Rez. fraglich. Wichtig ist, daß die Fundumstände des Montet-Kruges eine
Datierung nioht zulassen, sondern diese allein aus den Stilentwicklungs¬
kriterien der Amulette und Skarabäen gefunden werden mußte. Daß mit
der Reichseinigung der asiatische Handel wieder erkennbar wird, zeigt Verf.
ab S. 58. Hier eine kleine Einzelheit: S. 59 n. 224 wird für das Tfrr.t als
Herkmiftsort des Lapislazuli die alte Gleichsetzung Tiflis oder Täbris zitiert
als Zwischenhandelstation. Es soU noclimals darauf hingewiesen werden,
daß es sich hier um den in einer akkadischen Bergliste JNES 15 (1956),
S. 132 als Nr. 26 genannten „Berg des Stiergottes" KUR <1GUD handelt, in
einheimischer Aussprache Dapara, da dieser als Sad uqni ,,Berg des Lapis¬
lazuli" bezeichnet wird; es dürfte der Berg in Badachschan gewesen sein,
wo der kostbare Stein gebrochen wurde. Es ist immerhin bemerkenswert,
daß der Ägypter diesen weit entfernten Fundort Dapara: Tfrr.t kannte.
Das 4. Kapitel behandelt die Beziehungen von Ägypten und der Ägäis in
der 1. Zwisohenzeit. Bemerkens- und beherzigenswert ist der Hinweis von
Wabd auf die Komplexität der archäologischen Fundumstände der wich¬
tigsten Beweise, auf denen die chronologische Interrelation aufgebaut
worden ist. Wenn Keramik der MM II Periode in Bybios und Ugarit in
Schichten gefunden wurde, in denen auoh Statuen Amenemhets II. und
Sesostris' II. aufgetaucht sind, so muß man allerdings zuerst fragen, ob
diese Statuen zu Lebzeiten dieser Könige nach den syrischen Orten gekom¬
men sind oder Objekte eines viel späteren Antikenhandels sind. Ebenso wie
Jübgen von Beckebath (Untersiichungen zur politischen Geschichte der
Zweiten Zwischenzeit in Ägypten. Glückstadt 1965, S. 106 wenigstens für die
Privatstatuen dieser Zeit) ist Rez. der Meinung, daß alle Statuen, königliche wde private,dieser Zeit, durch späteren Antikenhandel naoh Syrien gekommen
sind — aber auoh nach Anatolien und Kreta — wie dies für Nubien (Kerma)
beweisbar ist. Damit wird aber der Synchronismus unsicher, da wir nioht
wissen, wie viel später diese Statuen verhandelt worden sind. Bei den könig¬
lichen Statuen ist das Ende der 12. Dynastie wohl der Terminus post quem.
Bücherbesprechungen
Ebenso unsicher sind aber die drei Fundgruppen von MM II Keramik in
Ägypten: Abydos, Harageh und Kahun. Ward versucht hier Klarheit zu
schaffen ; es zeigt sich aber deutlieh, daß leider in allen drei Fällen die Fund¬
umstände nicht eindeutig sind. Mit Recht schließt Ward Kahun für die
Datierung aus, da es ein Abfallhaufen ist; aber auch Harageh war ein sol¬
cher — nur Engelbachs Bemerkung 1923, daß dort nichts Späteres als
Mittleres Reich gefunden worden sei, läßt Ward damit auch MM II
Fragmente ins Mittlere Reich datieren. Und die Unberührtheit des Abydos-
grabes wird nicht von allen Interpreten geteilt. Möglicherweise könnten
hier die Untersuchungen von Merrillbes: The Cypriote Bronze Age Pot¬
tery found in Egypt. Lund 1968 mit ihren zeitlichen Festlegungen der ein¬
zelnen Gräber weiterführen. Auf alle Fälle dürfte eine Klärung der Fund¬
umstände dieser MM Ii-Keramik in Ägypten ein Ausgangspunkt aller
chronologischen Festlegungen sein. Ebenso sind die in et-Tod gefundenen
Silbergefäße, verwahrt in Kästen mit den Namensaufsohriften Amenemhets
IL, noch nicht mit Sicherheit ihrer Herkunft nach identifiziert. Während
Kantor sio als Vorbilder der MM II-Keramik bezeichnet, sprieht Fbitz
Schachermayr: Ägäis und Orient. Wien 1967, von anatolischem Import.
Auch hier sind die chronologischen Schwierigkeiten bisher noch nicht gelöst,
besonders wenn man an Äströms Kurzchronologie denkt, die Ward ablehnt,
allerdings auf Grund seiner Annahme einer mittleren Chronologie für Meso¬
potamien und Anatolien im allgemeinen.
Nachdem Ward mit Recht die Theorie des Einflusses ägyptischer Siegel
auf minoische abgelehnt imd ausführlich die Möglichkeit der Beeinflussung
kretischer Steingefäße durch ägyptische untersucht hat, wendet er sich ab
S. 106 der Frage der Spirale zu. Dabei lehnt er die Ableitung der Spirale in
Ägypten aus dem minoischen Bereich ab und denkt an eine selbständige
ägyptische Entwicklung. Rez. muß bekennen, daß ihn die beigebrachten
Beispiele und Entwicklungsketten nicht voll überzeugt haben, und ihm
immer noch eine Beeinflussung von Kreta her wahrscheinlicher erscheint,
wobei allerdings eher Teppiche (man denke an die Nachahmungen von
Teppichzelten in den ägyptischen Felsgräbern) oder Kleider die Motivträger gewesen sind als allein nur Gefäße.
Abgesohlossen wird die Untersuchung duroh einen sehr wichtigen Exkurs,
in dem die Beweisfälligkeit angeblicher Sesostris-I-Skarabäen mit guten
Gründen für Datierungen abgelehnt wird. Sind doch eine große Anzahl
reiner Amulett-Skarabäen mit den Zeichen (nfr)-hpr-ki ihm zugerechnet
worden und sind zudem unter Amenophis II. Skarabäen mit dem Namen
Sesostris' I. neu ausgegeben worden.
Vorliegende Publikation hat bei dem Versuch, eine bestimmte Periode der
Beziehungen zwisohen Ägypten und Vorderasien neu zu behandeln, manche
Frage gelöst, manches Problem von verschiedenen Seiten her beleuchtet
und dem Leser Wege zum Verständnis eröffnet, sie hat aber aucb manches
neue Problem erkennbar gemacht, das in seiner grundsätzlichen Bedeutung
über den Rahmen dieser Abhandlung hinausgreift — ich erinnere nur an die
Frage der historischen Beweiskraft ägyptischer Literaturwerke. In Einzel¬
heiten kann man anderer Meinung als der Verfasser sein (etwa in der Frage
der Chronologie), jedoch kann vorliegendes Werk nur als eine grundlegende Arbeit bezeichnet werden, die bisherige Ergebnisse sichtet, zusammenfaßt, z.T. neu interpretiert und damit die Basis abgibt für weitere Forschung.
W. Helck, Hamburg
Bücherbesprechungen 395
Mabiano San Nicolö : Ägyptisches Vereinswesen zur Zeit der Ptolemäer und
Bonner. T. 1: Bie Vereinsarten. T. 2: Vereinswesen und Vereinsrecht. 2.,
durehges. Aufl. mit Nachträgen von .Johannes Hebbmann. München:
Beck 1972. X, 246 S. u. IX, 222 S. (Münchener Beiträge zur Papyrusfor¬
sohung und antiken Rechtsgeschichte. H. 2, T. 1. 2.), DM 68,— u. DM48, —.
In seinem Nachruf auf den Italienisohtiroler M. San Nicolö (1887—1955)
hat E. Seidl in: ZDMG 106 (1956), S. 10 ihn mit den folgenden Worten
wissenschaftsgeschichtlieh treffend eingeordnet: ,,Mit Paul Koschaker
zusammen .. . stellte er die erste Generation altorientalistisch ausgebildeter
Rechtshistoriker dar". Das hier anzuzeigende Werk des bedeutenden Ju¬
risten, Altorientalisten und Papyrologen, der den Münohener Lehrstuhl
seines Leiirers L. Wengeb innehatte, ist ein Torso geblieben. Bd. 1, der die
einzelnen Vereine — in fünf Kapiteln und einem Exkurs — behandelt, war
1913 selbständig erschienen. Bd. 2, in dem Vereiiiswesen und Vereinsrecht in drei Kapiteln dargelegt sind, ist 1915 als 2. Heft der Münchener Beiträge
herausgekommen. Der vom Verf. im Vorwort zum jetzigen Bd. 2,2 ange¬
kündigte Fortsetzungsteil, in dem die Kapitel IV — -VII vorgelegt werden
sollten, ist nie erschienen; in ihm wollte S. N. das innere Vereinsreoht und die Stellung der ägyptischen Vereine untersuchen, Teilresultate zusammen¬
fassen, den Begriff der griechischen Körperschaft behandeln, die Termino¬
logie beleuchten und Register vorlegen (S. V. f.).
Die naheliegende Frage, ob ein solcher Torso einen Neudruck lohne,
möchte ioh aus zwei Gründen bejahen. Einmal wegen der Reihe der ,, Mün¬
chener Beiträge", die weiterhin in ihrem Gesamtbestand greifbar bleiben
soUte — und nunmehr duroh die Hinzufügung des Teiles 2,1 sogar eine
beachtliche Bereioherung erfahren hat. Zum anderen aber auch wegen der —
wenn auoh nur als Fragment vorliegenden — Monographie als solcher, und
dies insbesondere in der Form, in der sie jetzt zugänglioh gemaoht ist.
Die Entscheidung über die Art der Neuausgabe des bewährten Werkes
ist in einer meines Eraehtens sehr besonnenen Weise von den Herausgebern
und dem Bearbeiter gefällt worden. Eine Einarbeitung der inzwischen be¬
kannt gewordenen einschlägigen Papyrustexte und anderer Forschungs¬
ergebnisse hätte unweigerlich zu Änderungen des ursprünglichen Textes
führen müssen und erhebliche Schwierigkeiten aufgeworfen. Man hat daher
die Originalfassung — von Druckfehlerberichtigungen abgesehen — wieder
abgedruckt, wobei jeweils noch ein kurzes Vorwort von J. Hebbmann ein¬
geschaltet worden ist (2,1, S. VI, 2,2, S. VII). Dagegen enthalten die er¬
gänzenden Anhänge des Bearbeiters alle nötigen Angaben über das im zu¬
rückliegenden halben Jahrhundert erschienene neue Quellenmaterial und
über neuere Untersuchungen (2,1, S.227 —232; 2,2, S. 205—211). Dort
erfährt man auch 2,2, S. 210, daß San Nicolö 1927 im Epitymhion Swoboda
eine DarsteUung des ägyptischen Vereinswesens unter dem Titel Zur Ver¬
einsgerichtsbarkeit im heUenistischen Ägypten vorgelegt hat, in der ein ge¬
wisser Ersatz für einige Partien des nicht erschienenen Teiles gesehen werden kann. Dabei stellt sich die Frage, ob dieser Aufsatz als Anhang des jetzigen
Neudruckes nicht hätte aufgenommen werden sollen — schon um das Werk
des Verf. weitgehend beisammen zu haben und es wissenschaftsgeschicht¬
lieh zugleich neueren Darstellungen wie etwa den einschlägigen Partien bei
E. Seidl oder M. RosTOvrzEry zur Seite stellen zu können.
Die vorliegenden Bände bieten aber gegenüber der ursprünglichen Ver¬
öffentlichung noch eine weitere, für die wissenschaftliche Arbeit sogar sehr
Bücherbesprechungen
wichtige Bereicherung. Denn sie enthalten ausführliche Quellenregister,
nicht nur zu den Anhängen (2,1, S. 233; 2,2 S. 212), sondern vor allem zu
der Darstellung San Nicolös (2,1 S. 233—246; 2,2, S. 213—222). Mit der
vorliegenden Neuausgabe ist zugleich diesem ergebnisreichen Teilgebiet aus
dem Lebenswerk des Gelehrten — von Nekrologen sei hier nur noch ver¬
wiesen auf A. Steinwenteb — A. Falkenstein in Zeitschrift der Savigny-
Stiftung. R. A. 72 (1955), S. 493—503 — eine würdige Anerkennung gezollt.
Hans Geobg Gundel, Gießen
Semitics. Annual of the Department of Semitics, University of South Africa.
Hrsg. von I. H. Eybebs imd J. J. Glück. Vol. 1. 1970. 156 S.
Dies ist der erste Band einer neuen Zeitschrift, die in jährlicher Folge erscheinen soll. Das Sachgebiet, dem sie gilt, wird wie folgt beschrieben:
"the Semitic languages and literatures and the general background of tbe Semitic cultures". Das Schwergewicht soll jedooh auf der älteren Zeit liegen,
moderne semitische Spraohen und Dialekte sowie neuere Geschichte sind
von der Behandlung ausgeschlossen. Die einzelnen Bände der neuen Zeit¬
sclirift werden als Monographien geplant, d.h. sie sind jeweils einem bestim-
ten, eng umrissenen wissenschaftlichen Gegenstand gewidmet. Der bier
besprochene erste Band wie auch der für 1971 geplante zweite Band haben
als übergeordnetes Thema ,, Figures of Speech". In acht der zehn Beiträge
werden stilistische Probleme des Alten Testaments behandelt, nur ein
Beitrag befaßt sich mit dem Altsyrischen ( J. H. Chaeleswobth : Parono¬
masia and Assonance in the Syriac Text of the Odes of Solomon), ein weiterer mit dem Arabischen (G. R. Smith: Oaths in the Qur'än).
Otto Jastbow, Erlangen
Bb0nno, Einab: Die Aussprache der hebräischen Laryngale nach Zeugnissen
des Hieronymus. Aarhus: Universitetsforlaget 1970, 214, [1] S. 8° Diss.
Kebenhavn 1970.
Das vorliegende Buch ist eine Art Streitschrift gegen die Lehrmeinung
P. Kahles und A. Spebbebs, daß zur Zeit des Hieronymus die hebräischen
Laryngale von Christen griechisch-lateinischer Mutterspraohe nioht mehr
gesproohen wurden.
Es ist eine leider althergebrachte Nachlässigkeit, zu behaupten, daß
,,zur Zeit" des Hieronjrmus das Hebräische so und so gesproohen worden
wäre; vielmehr sind da die geographischen Gegebenheiten (fremde Bevöl¬
kerungssubstrate!, vgl. JSS 10 (1965), S. 48, z. 10 v. ob. ff.) ausschlag¬
gebend, sonst würde auch das Wortspiel BTalm. 'Iruh. Bl. 65 b (Zweistrom¬
land, ca. 100 n. Chr.) : .. . M-kösö u-bS-kisö u-bS-käso [sie I statt „ka'asö", da
unter spätbabylonisohem Spracheinfluß das 'Ain geschwunden war] syl¬
labisch hinken. Hieronymus hingegen hatte syrisch-jüdische Gewährs¬
leute; dies sollte Verf. hervorheben und nioht von Hieronymus* ,,Zeit"
sprechen. Diese nämlich sprachen die „Laryngale" korrekt, dank ihnen tat
Bücherbesprechungen 397
es auoh Hieronymus. Er war aber von der herkömmlichen Umschrift der
Laryngale" nicht gerade eingenommen imd führte eine modernisierende
ein, die Anlaß zu Mißverständnissen über seine Aussprache geben konnte.
Mit der (erfolgreichen) Widerlegung derKAHLB-SPEBBER'sche „Laryngal"-
Theorie betritt der Verf. keinesfalls Neuland; denn vor allem schon E.Y.
Kutscheb (vgl. ob. art. cit., S. 41, Z. 13ff. v. unt. bis Ende) leistet dies viel
kürzer, prägnanter, lesbarer. Verf. dagegen zergliedert den Stoff — je eine
hebräische geographische und Personen-Namensliste in Umschrift mit
zeitentsprechenden Erklärungen —, vergleicht Lesarten der HSS., stellt
Statistiken auf xmd wiederholt sich in ermüdender Weise, ohne zu wirklich
neuen Ergebnissen zu kommen. Es ist daher schade um die mühevolle —
und bezüglich Zitate verläßliche —, aber überflüssige Arbeit.
Im Literaturverzeichnis fehlt ein wichtiges Werk : F. Würz : Onomastica
sacra. Lpzg. 1914. Im übrigen ist die Brauchbarkeit der Arbeit durch das
Fehlen wünschenswerter Indiees stark herabgesetzt. Statt der beiden
Zusammenfassungen auf Deutscb und Dänisch wäre eine einzige englische
zweckdienlicher gewesen. Vereinzelte sprachliche Unebenheiten (ein Dani-
zismus wiederholt und ein Anglizismus) fallen auf.
Veba Quittnee, Köln
W^AXDEMAB Janzen: Mourning Cry and Woe Oracle. Berlin: de Gruyter
1972. 91 S. 8° (Beiheft zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissen¬
schaft. 125.) Ln. DM 42,—.
Zu dem noch immer schwierigen Problem der Herkunft und Funktion der
prophetischen Weherufe bringt dieser Teildruok einer Harvard-Disser¬
tation einen beachtenswerten Beitrag. Vor allem gegen die Ansetzung der
hoy -Worte in der Weisheit (Gerstenbebqeb, H. W. Wolfp u.a.) sieht der
Verf. den Ausgangspunkt auch für ihren übertragenen Gebrauch in der
Prophetie in ihrem ursprünglichen Ort in der Totenklage. In der Grund¬
form sind sie direkte Anrede (21ff.), mit der Möglichkeit, diese durch eine
partizipiale Charakteristik des Angeredeten auszuweiten. Der Übergang
vom Klagesohrei zur rächenden Anklage (Fluch) (27fr.), eröffnet den Schritt auoh zur prophetischen Anwendung, für die ,, Umkehr des Bildes" charak¬
teristisch ist: Tat und Folge sind reziprok („Talionsstil") (35ff.; vgl. 82).
Es folgt eine ausführliche Einzelexegese der Weherufe, bes. bei Amos und
Jesaja (40ff.). Adressaten sind bei diesen die, "who act in selfreliant inde¬
pendence of Yahweh" (61; 81 f.). Tag Jahwes imd Jahwekrieg gehören zum
Sitz im Leben (87 ff.).
Die Schwierigkeit bleibt: läßt sich der Bezug zur Totenklage auch auf
diesem erweiterten Anwendungsfeld durchhalten? Wenn bei Jesaja von
einem "de-emphasizing . . . of the funerary background of hoy" (85) ge¬
sprochen werden muß, werden die Grenzen jeder generalisierenden Anset¬
zung des disparaten Materials, auch dieser, sichtbar. In ihrer Grundlinie
gelingt es ihr jedooh ungezwungener als den bisherigen Versuchen, den
ursprünglichen und abgeleiteten Gebrauch der Formel miteinander zu
verbinden.
Henning Gbae Reventlow, Bochum
27 ZDMG 124/2
Bücherbesprechungen
HAmsTELis Sohultb: Die Entstehung der Geschichtsschreibung im Alten
Israel. Berhn: de Gruyter 1972. X, 232 S. 8» (Beiheft zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft. 128.) Ln. DM 74,—.
Trotz M. Noths weithin anerkannter These über das sog. deuteronomi¬
stische Geschichtswerk wird die Frage nach einer möglichen Fortsetzung der
alten Pentateuehquellen bis in die historischen Bücher hinein weiterhin
diskutiert. Die vorliegende Arbeit sucht eine Schicht erster schriftstelleri¬
scher Gestaltung, die auf die Sammlung mündlicher Erzählungsstücke folgt
und sich durch charakteristischen Wortschatz, Gedankenwelt und einen
auf das 10. Jh. v. Chr. datierbaren Sitz im Leben auszeichnet, herauszu¬
arbeiten und in ihm ein dem deuteronomistischen weit vorausgehendes, aus
der früheren Königszeit stammendes Geschichtswerk zu ermitteln, das von
Gen 12 (?) bis 1. Kön. 12 reicht. Sein Verfasser ist der Jahwist. Dieses
Ergebnis, das sich an die alte Auffassung Gustav Hölschers anschließt^,
obwohl es sich von dessen Vorgehen im einzelnen distanziert, wird mit einer
eigentümlich zwiespältigen Methodik erzielt. Auf der einen Seite stehen
Stiluntersuchungen, die von der modemen Stilistik im Sinne W. Richters
ausgehen; sie zeigen bei der Josephgeschichte einsetzend zunächst in Gen.
und Ex., dann in Ri., Sam. bis 1. Kön. den Übergang von der mündliehen
Erzählung zur schriftlichen Darstellungsform. Interessante Einzelergebnisse
sind die allmähliche Ausweitung von zunächst fünf bis zu zwölf Söhnen in
der Jakobsgeschichte (49ff.), die ursprüngliche Doppelung der Simson-
Sagen zwischen dem ,, starken" und dem ,, schlauen" Simson (83ff.), außer¬
dem die eigenständige Gruppierung der Überlieferungsblöcke in 1.—2. Sam.
Verf. unterscheidet vier Gruppen: die Saul-Geschichten (1. Sam. 9—14.
28—31), die David-Saul-Geschichten (1. Sam. 16—20. 21—23. 27. 29—30;
2. Sam. 1—2,8. 5), I. Teil bis zur Flueht Davids von Sauls Hof, II. Teil bis
2. Sam. 5,10, die David-Geschichten (2. Sam. 2—4. 6. 21. 24. 9—20; 1. Kön.
1—2), wobei letztere nicht nur anders abgegrenzt werden als bei Rost^,
sondern auch ihre Tendenz grundsätzlich anders (als ,, Königsideologie")
bestimmt wird. Bemerkenswert ist auch die Zusammenstellung von Merk¬
malen der ,, Sprache des 10. Jh. v. Chr." (181ff.), für die Profanität, religiöse
und sexuelle Unbefangenheit im Gegensatz zur späteren Theologisierung
vieler Begriffe festgestellt werden. Altmodisch ist demgegenüber der wieder¬
holte Versuch, namentlich bekannte Personen zu Verfassern von Quellen
und Unterquellen zu ernennen: Abjathar (130); Abjathars Sohn Jonathan
(148. 172), Zadoks Sohn Ahimaaz (173); Abjathars Urenkel als den Jahwisten
(218); ebenso die Thesen über literarische Abhängigkeit der Quellen von¬
einander: der Elohist als eine Bearbeitung des Jahwisten (14fr., 73 u. ö.),
Ri. 19 von Gen. 19 (89fr.) usw. ! Vieles hiervon erscheint obsolet, so daß sich
die Verfasserin darin selbst im Lieht steht, ebenso mit der lästigen Ver¬
schlüsselung der Literaturhinweise*. Für die vielen ungelösten Probleme im
Bereich der Erzählquellen des Alten Testaments verdient das Buch trotz¬
dem aufmerksame Leser.
Henning Graf Reventlow, Bochum
1 Geschichtsschreibung in Israel. Lund 1952.
2 Die Überlieferung von der Thronnachfolge Davids (1926). In: Das kleine Credo, 1965, S. 119ff.
* Einige Chiffren fehlen sogar im Lit-Verz. : 44, A. 33; 70, A. 48.
Bücherbesprechungen 399
Weeisteb Fuss: Die deuteronomistische Pentateuchredaktion in Exodus 3 — 17.
Berhn, New York: de Gruyter 1972. XI, 406 S. 8» (Beiheft zur Zeit¬
schrift für die alttestamentliche Wissenschaft. 126.) Lw. DM 98,—•.
Die vorliegende Untersuchung stellt im wesentlichen eine literarkritische
Analyse der vorpriestersehrifthehen Teile von Ex 3—17 dar und hat in
einer 1968 publizierten Arbeit des Verf.s, ,,Die sogenannte Paradieserzäh¬
lung", einen methodischen Vorläufer. F. arbeitet nach dem von ihm sog.
Leitfossilienprinzip", d.h. er versucht, immer wiederkehrende Phänomene
innerhalb der Pentateucherzählungen — eigenartige Redewendungen,
Spezialausdrücke, Idiotismen (sie!), Saolmiotive und Requisiten szenischer
Gestaltung — zur Grundlage der Quellenscheidung zu machen. Im ersten
Abschnitt (S. 1—20) stellt er eine Reihe solcher Leitfossilien zusammen, mit
deren Hilfe er im zweiten Abschnitt (S. 21—362) an die Analyse der frag¬
lichen Kapitel geht. Die Ergebnisse werden im dritten Absolmitt ausfülu--
lich zusammenfassend beschrieben (S. 363—406).
Die Untersuchung vollzieht sich unter völliger Nichtbeachtung der wissen¬
schaftlichen Tradition und ihrer Ergebnisse und orientiert sieh bewußt aus¬
schließlich an den Beobachtungen am Bibeltext. Man ist leicht geneigt,
diese einseitige Beschränkung dem Verf. als Lapsus entgegenzuhalten.
Wenn man jedoch bedenkt, unter welchen Umständen das Buch enstanden
ist (neben pfarramtlicher Tätigkeit), kann man die Leistung des Verf.s nur
bewundern. Auoh wenn die bewußte Beschränkung auf den Bibeltext
sicherlich ihre guten Gründe hat, wäre die Einordnung der Ergebnisse der
Analyse in und eine Auseinandersetzung des Verf.s mit der wissenschaft¬
lichen Tradition der Arbeit nur zugute gekommen. Sie erschöpft sich jedoch
im wesentlichen in einer kurzen Beurteilung der Kritiker seines ersten
Werkes, denen er „rührende Beweise ihrer eigenen Befangenheit in Sohul-
meinungen" und „Geringschätzung des immerhin biblischen Textes" be¬
scheinigt, sowie in der Feststellung, daß sieh die Methode der Textbehand¬
lung mit den Ansätzen Früherer nur sehr bedingt vergleichen ließe, was ich
ernsthaft in Frage zu stellen wage.
Die sorgfältige, eine Unmenge Details berücksichtigende und ausschlie߬
lich am Bibeltext orientierte Analyse der fraglichen Kapitel läßt ,,zwei
scharf profilierte, einstmals miteinander rivalisierende Geschichtsdarstel¬
lungen aus der Königszeit" (,,J" und ,,E") hervortreten, die von einem Ver¬
treter der deuteronomistischen Schule zu einer Art ,, Harmonie" zusammen¬
gearbeitet worden seien. Das ,, jahwistische" Werk, in Juda entstanden, ist vor allem durch eine betont realistische, ja naturalistische Einschätzung
des göttlichen Handelns gekennzeichnet, während der Verfasser des ,, elo¬
histischen" Werkes, das im Nordreich entstanden ist, sich als Wortführer
eines Synkretismus entpuppt, der heidnisches Gedankengut und Brauchtum
planmäßig für den Jahweglauben vereinnahmt. Ist J stark den alten Davids¬
überlieferungen verwandt, so E den Elia- und Elisageschichten. Der deu¬
teronomistische Redaktor ist ein Repräsentant der nachjosianischen Epoche.
Elr wird von F. mit einem vernichtenden Urteil bedacht.
Ein abschließendes, ja selbst ein vorläufiges Urteil über F.s Analyse und
methodisches Vorgehen kann kaum gegeben werden. Es wäre bzw. es ist nur
denjenigen möglich, die Ex 3—17 einer ähnlich intensiven Analyse unter¬
zogen haben bzw. unterziehen werden. So wird erst die Zukunft zeigen, ob
sich Methode und Ergebnis an den Texten bewähren.
27»
Bücherbesprechungen
Es bleiben noch einige wenige Anmerkungen zur äußeren Gestalt des
Buches: Die Textanalyse ist so angelegt, daß sie zwar im wesentlichen der
Anordnung der biblischen Texte folgt, doch eine FüUe von Stellen werden
außerhalb der Reihe behandelt, so daß es nicht immer einfach ist, eine
bestimmte Stelle und ihre Analyse im Buch aufzufinden. Hier wären ein
Register oder entsprechende Verweise im Text sehr hilfreich gewesen.
Ebenso fehlt — und das ist bei einer Arbeit diesen Charakters doppelt
bedauerlich — eine tabellarische Übersicht über die Ergebnisse der QueUen-
scheidvmg. Eine Notiz am Rande : Das Rezensionsexemplar enthält Bogen 23
(S. 353—368) dreifach!
GuuTHER Wanke, Erlangen
Petee Diepold: Israels Land. Stuttgart: Kohlhammer 1972. IV, 236 S. 8"
(Beiträge zur Wiss. vom Alten und Neuen Testament. 95.) Kart. DM 37,—.
Die Göttinger theologische Dissertation ist durch ein doppeltes Interesse geleitet: die im Titel angedeutete Untersuchung der territorialen und theo¬
logischen Vorstellungen von Israels Land ist das eine •— die traditions-
kritisohe und literarkritische Prüfung der Quellen, denen diese Vorstellungen
entnommen werden, ist das andere. Letztlich geht es um die theologische
Charakterisierung dieser Quellen anhand ihrer Vorstellungen vom Land:
Deuteronomium, Jeremia, Deuteronomistisches Geschichtswerk, dessen
Sekundärschicht (DtrG^) und Deutero jeremia (Mowinckels Quelle C)
werden unterschieden. Das vielschichtige Ergebnis wird in sorgfältiger
Abwägung der Quellenlage erzielt, wobei der Verf. sich bestimmten ihm
vorliegenden Auffassungen anschließt: für das DtrG Noth, für Dtr Jer
W. Thiel, für die Theologie des Landes im DtrG Macholz (aber mit Kritik
seines H. W. Wolfe folgenden theologischen Urteils über das dtr Kerygma).
Dt kennt drei Landvorstellungen: die westjordanische, die das Ostjordan¬
land einschließende, schließlich die idealisierende, die einen Gebietsan¬
spruch bis zum Euphrat ausdehnt. Diese Großreichsidee weist auf Josias
Expansionspolitik und bestätigt die übliche Sicht, die das Dt mit diesem
König verbindet. DtrG erbt diese Idee vom Dt, läßt sie sich aber nur ge¬
brochen verwirldichen, worin sich das schuldbedingte letztliche Scheitern
der Heilsgesehichte Israels andeutet. Während Jeremia selbst keine pro¬
filierten territorialen Vorstellungen entwickelt, begrenzt Dt Jer aus seiner
exilischen Situation heraus seine erneuerten Heilserwartungen auf das
Restland Juda-Jerusalem. Hierin spiegelt sich auch eine theologische
Entwicldung wider: während für Dt das Land als höchstes Heilsgut dia¬
lektisch als Gabe Jahwes zugleich von der Erfüllung des Gebotes abhängig
ist und bei Jeremia eine starke Personalisierung des Landbegriffes und
Gottesverhältnisses festzustellen ist, die in der Situation des Ungehorsams
zu einer Eskalation des Gerichts führt, aber mit einer schmalen Hoffnung
für die Zeit nach dem Gericht verbunden, stellt DtrG das Scheitern Israels
am absolut verstandenen Gesetz als auswegloses Ergebnis der Geschichte
fest. DtrJer antwortet mit der Verheißung eines neuen Bundes, der von
Jahwe gewirkte Gesetzeserfüllung einschließt.
Ob das Ergebnis überzeugt, wird von der Stichhaltigkeit der quellen¬
kritischen Urteüe abhängen.
Henning Geaf Reventlow, Bochum
Bücherbesprechungen 401
^»X-^
Volker Wagner : Reehtssätze in gebundener Sprache und Rechtssatzreihen im
israelitischen Recht. Ein Beitrag zur Gattungs forschung. Berhn, New York :
de Gruyter 1972. VIII, 72 S. (Beiheft zur Zeitschrift für die alttesta- ' ,(*
menthehe Wissenschaft. 127.) Lw. DM 34,—.
Die aus einer Leipziger Dissertation (1968) hervorgegangene Untersuchung
stellt eine beachtenswerte kritische Auseinandersetzung mit der Gattxmgs-
forschung im Bereich des israelitischen Rechts dar. Auf dem Hintergrund
der seit A. Alt zum Thema erschienenen Arbeiten analysiert W. in vier
Kapiteln die Talionsformel (S. 3—15), die mot-jümai-Tieihe (S. 16—31), die
»orilr-Reihe (S. 32—39) und die lo'-t<'gallm-H,eihe (S. 40—46), die von A.
Alt als Prototypen des apodiktischen Rechts beschriebenen Texte, und
verendet sich der Frage der Reihenbildung (S. 47—50) und dem Problem der
literarischen Gattungen (S. 51—68) zu.
Als Ergebnis wird festgestellt, daß in der altorientalischen und damit
alttestamentlichen Literatur nur eine einzige Rechtssatzgattung festzu¬
stellen ist und damit von A. Alts Unterscheidung zwischen kasuistischem
und apodiktischem Recht Abstand genommen werden sollte. Ein Teil der
von Alt so bezeichneten apodiktischen Rechtssätze läßt keine gattungs-
konstitutiven Unterschiede zum kasuistischen Recht erkennen (Talions¬
formel, mot-jilmat-lReihe und 'orwr-Reihe), während der andere Teil päda¬
gogischen Charakter aufweist, also streng genommen keine Rechtssätze
darstellt {lo'-t'gallce-'Reihe, Dekalog). W. wehrt sich damit gegen eine zu
großzügige Einordnung aller normativen Sätze in den Bereich des Reehts,
indem er allein zwangsbewehrte Normen der Gerichtsbarkeit als ihrem Sitz
im Leben zugeordnet sehen möchte.
Diese terminologische Engführung reicht bei W. auch in die Gattungs-
forsohung zurück, die damit vor kurzschlüssigen Ergebnissen bewahrt werden
soll: ,, Nieht alles, was formal in Normen gefaßt ist, gehört deshalb schon
zum Recht beziehungsweise zur Gattung Rechtssatz". Erst die Überein¬
stimmung der logischen Stmktur sprachlicher Äußerungen und nicht nur
die Übereinstimmung ihrer äußeren Striüttur lassen gattungskonstitutive
Elemente erkennen. Für die alttestamentlichen Reehtssätze bedeutet das,
daß trotz der Vielfalt von Stilformen (Jussiv-, Konditionalsatz-, Partizi¬
pial-, Relativsatz- und anderer Formulierungen) eine gemeinsame Tiefen-
straktur der Rechtssätze festgestellt werden kann, die allein als ein Konsti-
tutivum der Gattung 'Rechtssatz' anerkannt werden darf. Die unterschied¬
lichen oberflächengrammatischen Stilisierungen sind auf der Satzebene als
natürliche Stilisierungen anzusehen, so daß man gerade bei Rechtssätzen
unterschiedlicher Gestalt mit einer gattungskritischen Differenzierimg
vorsichtig sein muß.
Was die im Alten Testament zu beobachtende Reihenbildung betrifft, so
weist W. darauf hin, daß Reihen nicbt nur als mnemotechnische Hilfe gebildet
worden seien, sondern aueh als gelesene Listen verstanden werden müßten.
Der Umfang der Reihen wird sieh am ehesten an der Fünf- oder Zehnzahl
orientiert haben, während die in der alttestamentliohen Wissenschaft be¬
liebte Zwölfzahl wahrscheinlich die Zahl der israelitischen Stämme als
Leitbild vor Augen hat.
Wenn W. auch in einer Reihe seiner Ergebnisse schon seine Vorläufer hat,
so sollte seine Untersuchung vor allem wegen der terminologisch und metho-
disoh'sauberen und folgerichtigen Vorgangsweise für die weitere Erforschung
der literarischen Gattungen des Alten Testaments unbedingt zu Rate ge¬
zogen werden. ^ „_ _ ,
" Gunther Wanke, Erlangen
Geoeges Vajda: Deux Commentaires Karaites sur l'EccUsiaste. Leiden:
Brill 197 L XII, 247 S. 8" (fitudes sur le Judaisme Mödiöval. T. 4). Lw.
Gld. 98.—.
Die Arbeit, die der als Hebraist wie als Arabist, als Philologe we als
Philosoph in gleichem Maß kompetente Autor hier übernommen hat, hätte —
nach seinen eigenen Worten (Vorwort S. IX) — schon längst durchgeführt
werden müssen. Denn wenn es auoh sohon bekannt war, daß es karäische
(also der jüdischen Sekte der Karäer angehörige) Gelehrte waren, die im 10.
Jahrhundert die alttestamentliche Exegese zu einem Fach sui generis ent¬
wickelten, fehlten doch ausreichende Belege hierfür, mangels genügender
Edition der einschlägigen Texte, vor allem der beiden wichtigsten karäi¬
schen Gelehrten des 10. Jahrhunderts: Salmon ben Jerucham und Jefet ben
Eli. Dafür, daß wir aufdie Edition der (arabisch gescliriebenen) Kommentare
dieser beiden Exegeten zu Kohelet so lange warten mußten, werden wir
dadurch entschädigt, daß hier nioht nur der Text ediert wird, sondern in
einer nach Themen geordneten französischen Übersetzung mit zahlreichen
bis ins letzte Detail exakten philosophisohen, linguistischen und lexikographi¬
sohen Exkursen, ein plastisches Bild von den Ansichten und Arbeitsmetho¬
den jener karäischen Exegeten vor uns entsteht, die, um wieder aus dem
Vorwort des Verf.'s zu zitieren (S. X), allzu lange im Schatten der ,, ecclesia triumphans", also des offiziellen Judentums unbeachtet geblieben waren.
Die Ansichten über Gott und die Welt, die hier im Anschluß an den oft
mehrdeutigen Kohelet-Text entwickelt werden, könnten ebenso gut von
einem nicht-karäischen, also rabbinischen Gelehrten stammen, wie sich ja
überhaupt die Karäer nicht so sehr in theologischer Hinsicht von den Rab-
baniten unterscheiden als vielmehr durch ihre Ablehnung des nachbiblischen Schrifttums, vor allem des Talmuds. Dies freilieh wirkt sich in ihrer Bibel¬
exegese insofern aus, als keine Belege aus der talmudisehen Literatur zitiert
werden. (Selbst nachbiblische Terminologie wird vermieden, vgl. S. 216,
Anm. 2; — ^jedoch gibt es Ausnahmen, vgl. S. 18, Anm. 1!). So hält sich z.B.
Jefet bei der Darstellung eschatologischer Lehren, in Ignorierung der vielen
diesbezüglichen Talmud-Stellen, an die wenigen eschatologischen Andeu¬
tungen der Schrift, — obwohl auoh hier in der Sache selbst (d.h. im Glauben
an den zu erwartenden Messias und an das Weiterleben der Seele naoh dem
Tod) die Karäer nieht von den Rabbaniten divergieren (vgl. S. 211, Anm. 3).
So sehr einerseits die Ausklammerung des Talmuds den Gesiehtskreis der
karäischen Exegeten verengte, zwang sie andrerseits der Wegfall der oft nur
homiletischen Bibelausdeutungen des Talmuds zur Konzentration auf den
eigentlichen Wortsinn (Pschat), wodurch sie zu Wegbereitern der wissen¬
schaftlichen Bibelexegese wurden.
Unter den rabbinischen Bibelexegeten des Mittelalters ist Abraham ibn
Esra (12. Jahrhundert) der hervorragendste Verfechter des Pschat. Es ist
deshalb kein Zufall, daß sich im Kohelet-Kommentar dieses Klassikers
auffällige Übereinstimmungen mit den Erklärungen Jefet ben Elis zu den
betreffenden Versen feststellen lassen. Auf einige dieser Übereinstimmungen weist der Verf. selbst hin (S. 10 zu Koh. VII,27; S. 74, Anm. 3 zu Koh. 11,12;
S. 123 zu Koh. XII,9; S. 158, Anm. 2 zu Koh. XI,8). Weitere Beispiele
mögen hier folgen :
S. 118 zu Koh. XII, 12: Hebr. lahag wird mit arab. lahj erklärt.
S. 127 zu Koh. VII,24: „fern ..." auf Vergangenheit bezogen, „tief ..."
auf Zukunft.
Bücherbosprechungen 403
S. 133 zu Koh. V,l Jefet ergänzt: „Gott umgibt den Himmel" zwecks
Betonung der Allgegenwart Gottes; ähnlich Ibn Esra zu Beginn seines
Exkurses z. St.
S. 135 zu Koh. VII, 10: Angeblich bessere „frühere Zeiten" für einzelne Individuen, nioht für die ganze Menschheit.
S. 140 zu Koh. IV,7: ,,Nahe zu hören" wird in Verbindung gebracht mit Psalm 145,18.
S. 151 zu Koh. 111,15: ,,Le pareil de oe qui doit etre a certainement dejä 6t6".
S. 152 zu Koh. 1,9: „Es gibt nichts Neues unter der Sonne" auf Sub-
.stanzen und Elemente bezogen.
S. 162f. zu Koh. V,8: „Erde" im Sinn von „Erdarbeit".
S. 175f. (vor allem S. 176, Z. 3) zu Koh. 111,11: die Begierde der
Welt hat er in ihr Herz gelegt".
S. 181 zu Koh. VII, 16: ,,Sei nicht übergereoht", indem du dir mehr
Erschwerungen auferlegst als dir duroh die Religion geboten sind.
Ob es sich dabei nun um bewußte Entlehimng seitens Abraham ibn
Esras oder um gleichartige exegetische Auffassungen Ibn Esras unabhängig
von seinem Vorgänger handelt, — auf jeden Fall zeigt eine solche Koinzi¬
denz, daß die Karäer nicht aus der Geschichte der ,, offiziellen" jüdischen
Bibelexegese wegzudenken sind. Ein Grund mehr, dem Verf. dafür dankbar
zu sein, daß er uns die beiden karäischen Kommentare in wissenschaftlich
exakter und dabei doch allgemeinverständlicher Form zugänglich gemacht
hat.
Leo Pbijs, München
D. Ben-Amotz and N. Ben-Yehudah: The World Dietionary of Hebrew
Slang. Jerusalem: Sivan Pr. 1972. III, 250 pp.
This is an important work and a meaningful contribution to modern
language study. It is the only lexicon that describes modern colloquial
Hebrew in a manner acceptable to the descriptive linguist.
The authors' approach is eclectic and judiciously non-normative. In their introduction, they describe the word bardaq (from Turkish) as no less "He¬
brew" than safsal (Greek), pardes (Persian), seren (Egyptian), saris (Akka¬
dian) or irgün (Latin). Indeed, the nearest synonyms in formal Hebrew,
namely andralamüsya, mehümah, and 'i-seder not only do not convey quite
the same connotations as bardaq, but they can in no way be assimilated into
the accepted Hebrew paradigms. The educated Israeli public has no qualms,
however, about using forms such as birdeq, birdüq, and hitbardeq.
In addition to painstakingly choosing only linguistically valid entries, the authors provide us with (1) clear and concise definitions, (2) indications
of stress, number and gender of nouns, (3) appropriate quotations and refe¬
rences (what are referred to as shawdhid in classical Arabic lexicography), (4) sources of foreign lexical items, (5) illustrations, (6) and a partial con¬
jugation of verbs. Thus, in the latter category we find the form mevardeq
(with a spirantized first radical) indicating the total assimilation of this etymon into the "classical" phonetic framework of Hebrew. This is certainly a meaningful phenomenon, and one that has yet to be described sufficiently
for modern Hebrew. For a doubly contrasting case the authors supply
lekachev, "to play the principal röle in a film, etc."
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In the realm of morphology, modern Hebrew has adapted the internal
passive of the eighth (or T) verbal conjugation in Classical Arabic as a living feature, e.g. the ubiquitous hitputar ,,he got himself resigned (from a job, etc.)"; hitnudav "he got himself volunteered (mil.)"; hitguyas "he got him¬
self drafted (quite involuntarily)", etc. It is remarkable that observers of the vox populi of the authors' caliber feel the need to plead for the "legitimi¬
zation" of this conjugation (cf. p. 250, line 10).
(Some entries are given their proper lexical value in the Israeli milieu for the first time. "Zionism" is defined as "foolishness, lofty words devoid of content, evangelizing.")
The Dictionary is an indispensible tool for the linguist concerned with
Israeli Hebrew. The popular sensation it caused upon its publication in
Israel in no wise detracts from its significant linguistic value to the scientific community.
Michael B. Schub, Berkeley, Cal.
Weeneb Weinbeeg: Tiqqün hak-k^tlb ha-Hbrl. Hab-b^'aya w^-han-nis-
yönöt l^-potrah [Die Reform der hebräischen Schrift. Das Problem und
die Versuohe, es zu lösen.] Jerusalem: Magnes 1972. 165 S.
Zwei Schwierigkeiten bereitet die hebräische Schrift dem Leser. Zuerst
sind die Formen vieler Konsonanten einander allzu ähnlioh. Die Hauptmüh¬
sal aber besteht bei unpunktierter Schrift (und punktiert werden im all¬
gemeinen nur die Bibel, Gedichte und Kinderbücher, ferner eine Zeitung
für Neueinwanderer nach Israel) im Fehlen der Vokale. Man muß sie sich
selbst ergänzen, m.a.W. man muß, um richtig lesen zu können, die Sprache
schon beherrschen. Sie bietet dadurch dem Lernenden eine geringere Hilfe
als das griechische und lateinische Alphabet, und auch der Kenner muß
immer wieder nachdenken und stößt auf Uneindeutigkeiten. Sie ist deshalb
oft mit einer Stenographie verglichen worden. Seit etwa 75 Jahren, also seit Hebräisch wieder zur gesprochenen Sprache wurde, häufen sich die Vorschlä¬
ge zur Schriftreform. Der zionistische Führer Jabotinski schreibt: ,,Die
absurde Orthographie, welche unsere Väter uns vererbten, verhindert die
Verbreitung unserer Sprache und hat sich zu einem der schwersten Hinder¬
nisse auf dem Weg zu unserer nationalen Renaissance ausgewachsen".
Jabotinski war deshalb ein Anhänger der sog. Romanisation, d.h. des Über¬
gangs zum lateinischen Alphabet. Andere, Konservativere suchen die Lösung
in der „aufgefüllten" Schrift, o und u können durch waw, i durch yöd wieder¬
gegeben werden. Aber für a und e (die 70% des Vokalbestands ausmachen)
haben sich bis heute keine Vollzeichen durchgesetzt. Gegen eine durch¬
greifende Reform sträubt sieh die Orthodoxie.
Webneb Weinbeeg, Professor am Hebrew Union College in Cincinnati,
USA (dessen Library inzwischen auch schon einen bibliographischen Nach¬
trag zu den graphischen — nicht orthographischen — Reformvorschlägen
veröffentlichte) schreibt sein Buch nicht als Reformer, sondern —• obgleich
mit dem Herzen auf seiten der Reformbestrebungen stehend — als deren
erschöpfender Historiker. Er will auf die Notwendigkeit einer Änderung
hinweisen, will verhüten, daß dieselben Vorschläge wiederholt werden.
(Eine Ergänzung bilden die Sitzungsberichte der Akademie für Hebräische
Sprache, Akademieverlag Jerusalem, insbesondere Heft 9 von 1962). Daß
mit der politischen Konsolidierung im Nahen Osten auch die Scliriftreform von Regierungsseite energisch in Angriff genommen wird, ist sehr zu wünschen.
Michael Landmann, Berlin
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Eknst Hammebschmidt : Äthiopien. Christliches Reich zwischen Gestern und
Morgen. Wiesbaden: Harrassowtz 1967. XII, 186 S. Brosch. DM 28,—.
Einem Autor, der so zahlreiche Detailstudien zu äthiopischen Themen
erarbeitet hatte wie Hammerschmidt (zum Sabbatismus, zur Ezanathese,
zur Portugiesenherrschaft, zu den Anaphoren, zu den Symbolen, zur Recht¬
sprechung), mußte es reizvoll erscheinen, unter Verwendung des bisher
Erarbeiteten ein Gesamtbild des Landes, dem er sich gewidmet hat, zu
schaffen. Da auf dem deutsohen Buohmarkt ein Titel fehlte, der das leistete,
was E. Ullendobffs The Ethiopians. 2. ed. London 1965 dem englisch
lesenden Publikum bot, konnte er hier eine Marktlücke füllen.
Diesem Bueh sind ausführliohe Besprechungen gewidmet worden, z.B.
von F. Altheim/R. Stiehl: Christentum am Roten Meer. 1. Berlin 1971,
S. 461ff. und P. Suttneb in: Ostkirohliche Studien 1969, S. 53ff. Im Ver¬
gleich dieser Rezensionen fällt ein ungewöhnliches Auseinanderklaffen des
Urteils auf. Altheim/Stiehl rügen, daß in einem Buch, das Erstinformation für jeden Äthiopienreisenden liefern will, Angaben über gesellschaftliche
Gliederung, Verfassung, Wirtschaft und Bodenschätze fehlen. Schlimmer
noch, sie rechnen philologische Schnitzer und ungenügende Verarbeitung
jüngster Fachliteratur zur Alten Geschichte auf, freilich immer zu Gunsten
ihrer These, daß Frumentius, in dem sowohl die äthiopische Tradition als
auch die meisten gegenwärtigen Forscher den Gründer der äthiopischen
Kirche sehen, nie in Aksum gewesen sei.
Wenn der Angriff Althbim/Stiehl treffen sollte — was ich im einzelnen
nioht beurteilen kann, so trifft er doch gewiß nicht das ganze Buch und seine
eigentliche Intention. Zwar hält auch Suttner an einzelnen Punkten
kritische Reserve für angebracht. Z.B. rügt er, daß Hammerschmidt den hl.
Yared, in dem man den Schöpfer des äthiopischen Kirohengesangs sehen
mioß, Gregor dem Großen vergleichbar, nur als Erfinder der Notenschrift
einführt — was Yared nun doch nicht war. Doch rühmt Suttner die Avif-
scblüsse, die Hammerschmidts 5. Kapitel über die äthiopische Kirche —
die ,, fremdartigste unter den christlichen Kirchen" — vermittelt.
Ein reizvolles Moment in Hammersohmidts Werk ist, daß es die Be¬
teiligung der deutschen äthiopistischen Forschung an der Entdeckung
dieses reichen Landes jeweils bewußt macht und — in Anlehnung an Tu¬
biana — die Geschichte Äthiopiens so sinnvoll gliedert.
Friedrich Heybr, Heidelberg
Medieval and Middle Eastern Studies in honor of Aziz Suryal Atiya. Ed. by
Sami A. Hanna. Leiden: Brill 1972. VI, 389 S. 8» 96 hfl.
Die vorliegende Festschrift ehrt den verdienten Kreuzzugshistoriker und
Erforscher des christlichen Orients Aziz Suryal Atiya, der am 5. Juli 1973
75 Jahre alt wurde. Der auf den Orient bezügliche Inhalt soll im folgenden
kurz angegeben werden. S. 3—19: Biobibliographische Beiträge überÄnYA;
23—37: Boulos Ayad Ayad : The Topography of Elephantine according to
the Aramaic papyri (Neue Argumente dafür, daß im Ägypt. -Aram. ,,oben" =
„Süden" und „unten" = „Norden" ist [Mit Sayce, Cowley und van Hoo¬
nacker gegen Kraeling, Ginsberg und Pobten].); 38—49: John S. Ba-
dbau : They lived once thus in Baghdad (Übersetzte Auszüge aus al-öazzälis al-
Adab f, 'd-dln.); 50—61: Wilson B. Bishai: Negotiations and peace agree¬
ments between Muslims and Non-Muslims in Islamic history (Drei Fälle aus