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Bestehen Aufsichtsdefizite im Bankensektor?

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zbw

Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft Leibniz Information Centre for Economics

Hartmann-Wendels, Thomas

Article

Bestehen Aufsichtsdefizite im Bankensektor?

Wirtschaftsdienst

Suggested citation: Hartmann-Wendels, Thomas (2007) : Bestehen Aufsichtsdefizite im Bankensektor?, Wirtschaftsdienst, ISSN 0043-6275, Vol. 87, Iss. 10, pp. 640-643, doi:10.1007/

s10273-007-0710-5 , http://hdl.handle.net/10419/42889

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ZEITGESPRÄCH

Sollte der Bankensektor stärker reguliert werden?

Nachdem die Immobilienkrise in den USA auch Deutschland erreicht und die IKB Deutsche Industriebank AG sowie die sächsische Landesbank Sachsen LB in Schwierigkeiten gebracht hat, werden Forderungen laut, die Banken stärker zu regulieren.

Was sind die Ursachen für die Schwierigkeiten der deutschen Banken? Hat die Bankenaufsicht Fehler gemacht? Sollte sie reformiert werden? Ist eine Vereinheitlichung

der Bankenaufsicht auf der EU-Ebene erforderlich?

Andreas Pfi ngsten

Wider den Regulierungsrefl ex

A

usgangspunkt dieses Beitra- ges ist die Frage: Sollte der Bankensektor stärker reguliert wer- den? Um diese Frage sachgerecht beantworten zu können, werden zunächst die Ziele dargestellt, die mit der Bankenregulierung erreicht werden sollen. Vor diesem Hinter- grund sowie anhand von histori- schen und theoretischen Beobach- tungen werden anschließend zen- trale Merkmale der gegenwärtigen Situation herausgearbeitet und mit Blick auf die Zielsetzungen beur- teilt.

Ziele der Bankenregulierung

Dem Bank- und Finanzsektor einer modernen Ökonomie wird gemeinhin eine herausragende Be- deutung für das Wohlergehen einer Volkswirtschaft insgesamt zuge- schrieben. Begründet wird dies unter anderem damit, dass Banken einen wesentlichen Einfl uss auf die Geldversorgung einer Volks- wirtschaft und damit auch auf die Preisstabilität haben. Außerdem beeinfl ussen schlecht funktionie- rende Bank- und Finanzsysteme die Wirtschaftsentwicklung nega- tiv. Eine Zielsetzung der Bankenre-

gulierung ist daher die Gewährleis- tung der Systemstabilität.1

Weiterhin wird angestrebt, Bank- gläubiger, vor allem die so genann- ten „Kleinsparer“, vor Vermögens- verlusten zu schützen. Dies ist ein eigenständiges Ziel und zusätzlich instrumentell zur Gewährleistung der Systemstabilität;1 denn Ver- luste von Einlegern gefährden das Vertrauen in die Banken und damit eine effi ziente Koordination bzw.

Intermediation zwischen Kapital- gebern und -nehmern. Der Gläubi- gerschutz hat in der Vergangenheit auch den teils zwangsweisen, teils freiwilligen Aufbau von Einlagensi- cherungssystemen motiviert. Diese werden dann aktiv, wenn Kreditins- titute in fi nanzielle Schwierigkeiten geraten sind und daraus Gefahr für die Einlagen ihrer Kunden droht.2

1 Vgl. unter anderem T. H a r t m a n n - W e n - d e l s , A. P f i n g s t e n , M. W e b e r : Bankbe- triebslehre, 4. Aufl age, Berlin u.a.O. 2007, S. 355-410, und D. V a n H o o s e: Theories of bank behavior under capital regulation, in: Journal of Banking & Finance, im Erschei- nen.

2 Vgl. für einen internationalen Vergleich von Einlagensicherungssystemen A. D e m i r - g u c - K u n t, E. K a n e : Deposit Insurance around the World: Where Does it Work?, in:

Journal of Economic Perspectives, Frühjahr 2002, S. 175-195.

Deutsche Banken in Not In Deutschland hat es in den ver- gangenen Jahrzehnten nicht be- sonders viele Fälle von öffentlich- keitswirksamen Bankinsolvenzen gegeben. Das liegt nicht zwingend daran, dass die deutschen Banken besonders vorsichtige Geschäfts- politiken betrieben haben, son- dern wurde auch dadurch erreicht, dass, vor allem im Sparkassen- und im Genossenschaftssektor, in Schwierigkeiten geratene Institute einigermaßen geräuschlos saniert bzw. einfach wegfusioniert wurden.

Gleichwohl sind einige spektaku- läre Fälle von Schiefl agen in den Köpfen der Menschen präsent;

Beispiele sind etwa aus jüngerer Zeit die Schmidt-Bank und vor allem die kürzlich erfolgten Ret- tungsaktionen zu Gunsten von IKB und Sachsen LB.

Deutlich länger zurück liegt die Krise der Herstatt-Bank, die 1974 in Folge von Verlusten durch De- visenspekulationen geschlossen wurde. Als Reaktion darauf ergänz- te die Bankenaufsicht die seiner- zeitigen Präventionsvorschriften um einen Grundsatz Ia. Der limi- tierte zunächst nur die Risiken aus

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Devisen- und Edelmetallpositionen und wurde später um vergleichba- re Vorschriften für andere Preis- risiken ergänzt. Dies ist ein ursa- chenbezogener Umgang mit dem Insolvenzrisiko einer Bank (prä- ventive Regulierung), während die Einlagensicherung eher für einen wirkungsbezogenen Umgang steht (protektive Regulierung).

Krisen als Regulierungsimpulse Die Fortentwicklung von Regu- lierungsvorschriften war nicht nur im Herstatt-Fall mit dem Auftreten spezieller Krisensituationen ver- bunden. Ein weiteres prominentes Beispiel ist der Zusammenbruch der Barings-Bank in Folge von Fehlspekulationen ihres Händlers Nick Leeson.3 Dieses Ereignis war ganz wesentlich für die seinerzei- tige Einführung der Mindestanfor- derungen an das Betreiben von Handelsgeschäften (MaH), die in- zwischen in den Mindestanforde- rungen an das Risikomanagement (MaRisk) aufgegangen sind und unter anderem eine konsequente Trennung von Handel und Kontrolle verlangen.4

Vor diesem Hintergrund ist es zwar vielleicht nicht richtig, aber zumindest völlig verständlich, dass als Folge der Auswirkungen der US- Immobilienkrise auf den deutschen Bankenmarkt eine Ausweitung der Regulierung der Banken gefordert wird. Selbst der Würzburger Öko- nom und Wirtschaftsweise Peter Bofi nger hat sich Medienberichten zufolge für eine stärkere Bankenre- gulierung ausgesprochen.5

3 Vgl. hierzu das von ihm selbst verfasste Buch N. L e e s o n : High Speed Money. Das Milliarden-Spiel – Wie ich die Barings Bank ruinierte, München 1999.

4 Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleis- tungsaufsicht: Mindestanforderungen an das Risikomanagement – Rundschreiben 18/2005.

5 Vgl. o.V.: Politik sieht KfW auf Abwegen, Handelsblatt vom 6.8.2007, S. 4.

Rettung einzelner Unternehmen Einigkeit dürfte darüber beste- hen, dass die Stabilität des Bank- und Finanzsystems insgesamt ge- sichert werden soll. Unterschied- licher Ansicht kann man darüber sein, ob dies zwingend bedeutet,

dass einzelne Institute, die in eine Schiefl age geraten sind, gerettet werden müssen. In anderen Bran- chen gibt es zwar gelegentlich publikumswirksame – und ökono- misch höchst fragwürdige – Ret- tungsaktionen für Unternehmen mit einer größeren Anzahl von Ar- beitsplätzen, aber grundsätzlich wird eine Unternehmensinsolvenz nicht als eingriffswürdiges ökono- misches Phänomen gesehen. Ein Kollege hat gar einmal sinngemäß so formuliert: Konkurse gehören zur Marktwirtschaft wie das Fege- feuer zum Christentum.

Allerdings ist einzuräumen, dass die Situation im Bankwesen anders gelagert ist. Wird eine Bank insol- vent, so haben auch die Einleger bei anderen Kreditinstituten Sorge um die Sicherheit ihrer Einlagen, wenn sie die Bankportfolios für sehr ähnlich halten (Homogenitäts- annahme) oder an die vielfältigen Beziehungen zwischen den Kre- ditinstituten denken (Interbanken- markt). Zeitungsbilder wie die der Schlangen vor den Geschäftsstel- len des britischen Immobilien-Fi- nanzierers Northern Rock könnten dann andere Einleger dazu bewe- gen, vorsichtshalber ihre Einlagen ebenfalls abzuheben. In Deutsch- land ist die Auslösung eines sol- chen Schaltersturms (englisch:

Bank-Run) angesichts weitgehend gesicherter Einlagen der „Klein- sparer“ tendenziell nicht rational zu begründen.6

In der Theorie werden dem- entsprechend fundamentale von panikbasierten Bank-Runs unter- schieden. Bei ersteren ist aufgrund von (Informationen über) Ausfall- gefahren der Bank tatsächlich ein Abheben der Einlagen individuell rational. Letztere ergeben sich aus

6 Vgl. M. R i c k e , K. R u d o l p h : Stichwort Einlagensicherung, in: Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht, Jg. 2 (2002), Nr. 20, S. 899-902.

Die Autoren

unseres Zeitgesprächs:

Prof. Dr. Andreas Pfi ngsten, 49, Finance Center Münster, lehrt Betriebswirtschaftslehre und insbesondere Bankbe- triebslehre und ist Direktor des Instituts für Kreditwesen an der Westfälischen Wil- helms-Universität Münster.

Prof. Dr. Thomas Hartmann- Wendels, 50, ist Direktor des Seminars für Allgemei- ne Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre, Ge- schäftsführender Direktor des Instituts für Bankwirtschaft und Bankrecht sowie Direk- tor des Forschungsinstituts für Leasing an der Universität zu Köln.

Prof. Dr. Stephan Paul, 44, ist Geschäftsführender Vorstand des Instituts für Kredit- und Finanzwirtschaft und Inhaber des Lehrstuhls für Finanzie- rung und Kreditwirtschaft an der Ruhr-Universität Bo- chum.

Prof. Dr. Paul J.J. Welfens, 50, ist Präsident des Europä- ischen Instituts für Internatio- nale Wirtschaftsbeziehungen (EIIW) und Inhaber des Lehr- stuhls für Volkswirtschafts- lehre, Makroökonomische Theorie und Politik, an der Bergischen Universität Wup- pertal, und Alfred Grossier Professor am Sciences Po, Paris, sowie Research Fellow am IZA in Bonn.

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völlig unbegründeten Befürchtun- gen, z.B. aufgrund von vermehrten Sonnenfl ecken.7

Bank-Run und Dominoeffekt Heben besonders viele Einleger ihre Gelder ab, so können die Kre- ditinstitute die benötigte Liquidität nur durch den kurzfristigen Verkauf von Finanztiteln beschaffen. Der ist gegebenenfalls nur mit Preis- abschlägen möglich, zumal wenn nahezu alle Institute in der gleichen Situation sind. Gewinneinbrüche oder gar Verluste sind die Folge.

Ein solcher Ansteckungsvorgang, der von kranken auf gesunde Ins- titute hinüberschwappt und damit Folgekonkurse auslösen kann, wird anschaulich auch als Dominoeffekt bezeichnet. Die Anstrengungen von Banken und Regulatoren, jede einzelne Schiefl age aufzufangen, beruhen nicht zuletzt auf der Angst vor derartigen Systemkrisen. Die Bereitstellung von Liquidität durch

7 Vgl. D. W. D i a m o n d , P. H. D y b v i g : Bank Runs, Deposit Insurance, and Liqui- dity, in: Journal of Political Economy, Jg. 91 (1983), S. 401-419.

Zentralbanken ist ein aktuelles Bei- spiel.

Kreditausfälle in den USA

Für eine Beurteilung, ob und gegebenenfalls welche zusätz- liche Regulierung hilfreich wäre, ist nun die gegenwärtige Lage an den Finanzmärkten etwas genau- er zu betrachten. Für einen Nicht- Insider stellt sie sich so dar, dass voraussichtlich mehr amerikani- sche Immobilienkäufer als bisher vermutet ihre eingegangenen Fi- nanzierungsverpfl ichtungen nicht werden erfüllen können. Kreditaus- fälle in „üblicher“ Höhe sind dabei gar nicht schlimm, weil sie im Re- gelfall schon bei der Bepreisung der Kredite durch Zinsaufschläge berücksichtigt worden sind. Da in den USA regelmäßig in großem Stil Immobilienkredit-Forderungen ver- brieft werden – und zwar auch die- jenigen nicht erstklassiger Schuld- ner – treffen diese Ausfälle in vielen Fällen allerdings nicht diejenigen Kreditinstitute, die ursprünglich die Kredite vergeben haben.

Verbriefungstransaktionen Sehen wir, um dieses Phänomen und seine Konsequenzen zu ver- stehen, Verbriefungstransaktionen etwas genauer an. Der Einfachheit halber wird in der Folge nur von der Verbriefung von Krediten die Rede sein. Ungeachtet aller Unterschie- de im Detail funktionieren sie wie folgt:8

Zentrales Element ist die Grün- dung einer Einzweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle). Sie kauft ein Portfolio von Forderungen der kreditvergebenden Bank auf und refi nanziert sich selbst durch die Emission von Wertpapieren. Die- se Asset Backed Securities sind durch den Forderungspool unter- legt und werden in mehrere Tran- chen mit unterschiedlichen Ausfall- risiken strukturiert. Die Zins- und Tilgungszahlungen der Kreditneh- mer an die Bank fl ießen über das Special Purpose Vehicle letztlich den Investoren zu. Die Gelder ge- hen zunächst an die Inhaber der obersten Tranche, die deswegen nur Ausfälle erleiden, wenn alle niedrigeren Klassen bereits erheb- liche Verluste zu tragen hatten.

Die Rückzahlungen der einzelnen Tranchen hängen von den Rück- zahlungen der Forderungen, nicht aber von der Bonität der kreditver- gebenden Bank ab.

Bei der Platzierung der Asset Backed Securities bei Investoren kann die Zweckgesellschaft durch ein Bankenkonsortium unterstützt werden, das möglicherweise auch Liquiditätsgarantien gibt. Die Wert- papiere selbst können durch Ga- rantien anderer Sicherungsgeber zusätzlich abgesichert werden.

Die beteiligten Rating-Agenturen bewerten nicht nur die Qualität der Kreditpools, sondern die Güte der gesamten Transaktion, einschließ-

8 Vgl. T. H a r t m a n n - W e n d e l s , A.

P f i n g s t e n , M. W e b e r, a.a.O., S. 301-312.

Assets

(Kredite) Zweckgesellschaft

Investoren Wertpapiere Originator

(Kreditgeber/

Bank)

Verkauf Ankauf

Banken konsortium Emission

Platzierung Besicherung

Sicherungsgeber

Gesamt bewertung

RatingAgentur

Grundstruktur einer Finanzierung mit Asset Backed Securities

Q u e l l e : In Anlehnung an T. H a r t m a n n - W e n d e l s, A. P f i n g s t e n, M. W e b e r: Bankbe- triebslehre, 4. Aufl age, Berlin u.a.O. 2007, S. 304.

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lich der Qualität der Liquiditäts- und Ausfallgarantien.

Ausfallrisiken

Beim Ankauf von Krediten durch die Zweckgesellschaft werden an das vermutete Ausfallrisiko ange- passte Preise und zusätzliche Si- cherungsmaßnahmen vereinbart.

Insofern stellen die „normalen“

Kreditausfälle weder für das Spe- cial Purpose Vehicle noch für die Investoren in Asset Backed Secu- rities ein Risiko dar. Sind die Kre- ditausfälle jedoch deutlich höher als erwartet, so erhält das Special Purpose Vehicle weniger als die ursprünglich vereinbarten Rück- zahlungen. Da es seine Zahlungs- verpfl ichtungen hauptsächlich aus den Kreditrückfl üssen zu beglei- chen hat, können einige Tranchen nicht mehr vollständig bedient wer- den.

Dieses Risiko tragen die Inves- toren in Asset Backed Securities, unter denen ganz unterschiedli- che institutionelle Investoren, aber üblicherweise keine „Kleinsparer“

sind. Größere Ausfälle aus Kredit- fi nanzierungen verteilen sich auf dem beschriebenen Wege also ir- gendwie im Finanzsystem, d.h. sie werden vermutlich auf Investoren gestreut, denen bis zum Beweis des Gegenteils grundsätzlich ein hinreichendes Anlage-Know-how unterstellt werden sollte. Ob im Übrigen das Tragen der Kreditaus- fälle durch die ursprünglichen Kre- ditgeber oder durch die Investoren in Asset Backed Securities für das Bank- und Finanzsystem proble- matischer ist, kann wohl nicht all- gemein gesagt werden.

Im konkreten Fall ist inzwischen bekannt, dass aus amerikanischen Immobilienkrediten vermutlich hö- here Ausfälle zu erwarten sein wer- den als ursprünglich prognostiziert.

Von daher stecken in einigen Asset Backed Securities unerwartete

Verlustpotenziale. Diese Situation eines Asset Backed Securities- Investors ist recht ähnlich der Lage eines Kreditinstituts, das in seinem Kreditportfolio höhere Wertbe- richtigungen zu verkraften hat als geplant: unangenehm, aber bei vernünftigem Risikomanagement nicht unbedingt gleich bedrohlich.

Die aktuellen Probleme an den Märkten jedoch sind weitergehend und haben zwei wesentliche Ursa- chen: mangelnde Transparenz und Fristentransformation.

Mangelnde Transparenz Wie Akerlof in seinem mit dem Nobelpreis gewürdigten Aufsatz

„The Market for Lemons“ gezeigt hat, kann es bei asymmetrischer Informationsverteilung über die Qualität eines Gutes zu einem Marktzusammenbruch kommen.9 Für Asset Backed Securities auf Basis ausfallgefährdeter Kredite bedeutet dies, dass sich unter Um- ständen für sie kein Käufer fi ndet.

Allerdings wissen die Emittenten der Asset Backed Securities und (hoffentlich) die Rating-Agenturen noch relativ gut über die Qualität der zugrunde liegenden Forderun- gen Bescheid. Da auch die Asset Backed Securities mit niedrigerer Bonität (Sub-Prime ABS) platziert wurden, sollte das für viele Inves- toren in Asset Backed Securities ebenfalls gelten.

Unter den Investoren in Asset Backed Securities sind im Übri- gen nicht nur Banken, die mit den Papieren ihre Portfoliostruktur ver- bessern wollen. Gekauft werden Asset Backed Securities z.B. auch von Zweckgesellschaften, die sich mit Asset Backed Commercial Pa- pers refi nanzieren (Conduits). Ein Beispiel hierfür ist das von der IKB

9 Vgl. G. A. A k e r l o f : Market for Lemons:

Quality Uncertainty and the Market Mecha- nism, in: Quarterly Journal of Economics, Jg.

84 (1970), S. 488-500.

unterstützte Special Purpose Ve- hicle „Rhineland Funding“.10

Während die Ausfallrisiken der originären Asset Backed Securities vielleicht noch einigermaßen trans- parent sind, herrscht am Markt eher keine ausreichende Transparenz darüber, wer welche Asset Backed Securities aktuell besitzt. Deshalb ist nicht klar, wer in welchem Aus- maß von höheren Kreditausfällen betroffen wäre.

Fristentransformation Auch Special Purpose Vehicles, die längerfristige Sub-Prime ABS gekauft haben, refi nanzieren sich meist durch relativ kurzfristige Pa- piere, z.B. Asset Backed Commer- cial Papers, die maximal ein Jahr (und häufi g nur drei Monate) laufen.

Deswegen können die Gesellschaf- ten nicht einfach abwarten, wie das zukünftige Zahlungsverhalten (und somit die Wertentwicklung) bei den angekauften Immobilienkrediten ist. Sie müssen immer wieder die auslaufenden Asset Backed Com- mercial Papers tilgen und sich das dafür nötige Geld durch die Ausga- be neuer Asset Backed Commer- cial Papers beschaffen.

Die revolvierende Refi nanzierung ist schwierig, ja manchmal fast un- möglich, wenn die Investoren keine hinreichende Transparenz über das Vermögen, d.h. die von Conduits gekauften Asset Backed Securiti- es, und damit – gerechtfertigt oder nicht – kein Vertrauen in die Qua- lität der darauf basierenden Asset Backed Commercial Papers ha- ben. Die Conduits geraten in eine Liquiditätskrise, die prototypisch den bekannten Satz „die Liquidität folgt der (hier: vermuteten) Renta- bilität“ widerspiegelt.

Das Risiko, dass Commercial Papers nicht ohne weiteres zu plat- zieren sind, ist selbstverständlich

10 Vgl. o.V.: Die Krise der IKB, in: FAZ vom 31.7.2007, S. 14.

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auch den Rating-Agenturen be- kannt. Deswegen werden bei Ver- briefungen typischerweise Liqui- ditätsgarantien verlangt, die eine Zweckgesellschaft vor den Folgen eines Austrocknens der Marktliqui- dität schützen sollen. Besonders problematisch wird die Situation allerdings dann, wenn potenzielle Investoren nicht genügend sicher sind, dass die Garantiegeber die benötigte Liquidität jederzeit be- reitstellen können.

Derartige Liquiditätsgarantien, z.B. der IKB für „Rhineland Fun- ding“, wurden in der Vergangen- heit von Kreditinstituten mögli- cherweise in zu großen Volumina und für eine zu geringe Vergütung übernommen. So sind offenbar die Probleme für die IKB zunächst gar nicht unbedingt durch die schlech- te Bonität der Forderungen von

„Rhineland Funding“ hervorgerufen worden, sondern durch den Rück- zug von deren Investoren in Asset Backed Commercial Papers, der zu einer erheblichen Inanspruch- nahme der außerordentlich großen Liquiditätslinie der IKB durch „Rhi- neland Funding“ führte.

Vertrauenskrise

Die fehlende Liquidität auf dem Markt für Asset Backed Commer- cial Papers ist Folge der fehlenden Transparenz über und Ausdruck des fehlenden Vertrauens in die Qualität der Conduits und der von ihnen angebotenen Asset Backed Commercial Papers. Angesichts der geschilderten Informations- asymmetrie werden von diesem Lemon-Problem auch erstklassige Papiere und Emittenten getroffen.

Durch die massive Ziehung von Li- quiditätslinien ist der Marktzusam- menbruch zudem übergeschwappt auf andere Märkte, z.B. den der In- terbankenforderungen.

Vertrauen lässt sich – aus Po- litikersicht vielleicht leider – nicht

befehlen. Die Bewältigung der jet- zigen und die Vermeidung zukünfti- ger Krisen, die durch ein mangeln- des Vertrauen in die Werthaltigkeit von Vermögensgegenständen oder Finanzkonstruktionen hervorgeru- fen werden, verlangt dementspre- chend Maßnahmen, die zu mehr Vertrauen beitragen. Wer mehr Regulierung fordert, muss also der Meinung sein, dass diese zusätzli- che Regulierung zu mehr Vertrauen führt. Selbst zusätzliche Vorschrif- ten, die eine Beschränkung der Risikoübernahme durch Banken bewirken, können sich als wir- kungslos herausstellen, wenn der beabsichtigte Risikoreduktionsef- fekt nicht geglaubt wird oder die Marktteilnehmer eine Verschiebung der von Kreditinstituten gewünsch- ten Risikoübernahme auf andere Bereiche befürchten. Im Übrigen lösen neue Regulierungsmaßnah- men regelmäßig die Suche nach Umgehungsmaßnahmen durch neue Finanzprodukte aus und för- dern Offshore-Lösungen. So könn- te es wieder einmal heißen: Außer Spesen (gleich Regulierungskos- ten) nichts gewesen.

Institutionelle versus funktionale Regulierung Aus guten Gründen hat man sich in Deutschland für eine ins- titutionelle Regulierung entschie- den. Sie verlangt von denjenigen Unternehmen, die große Teile der Ersparnisse der Bevölkerung hal- ten und durch die Gefahr eines Bank-Run latent bedroht sind, nämlich den Kreditinstituten, eine größere Vorsicht als von ande- ren Unternehmen. Wer z.B. keine Spareinlagen hat, dem muss man nicht die Fesseln anlegen, die für eine Einlagensammelstelle aus Vorsichtsgründen vielleicht ge- rechtfertigt sind.

Eine funktionale Regulierung würde demgegenüber einzelne Geschäftsaktivitäten unabhängig

davon regulieren, wer die Trans- aktionen durchführt. Der Wettbe- werb zwischen Kreditinstituten und anderen Akteuren auf den Finanz- märkten würde dadurch weniger verzerrt als durch die institutionelle Regulierung, würde aber tendenzi- ell zu wenig Regulierung auf Seiten der Kreditsinstitute oder zu viel Re- gulierung auf der Seite der ande- ren Marktteilnehmer bedeuten. Ob andere Marktteilnehmer zukünftig stärker reguliert werden sollten, ist also unklar. Ein Argument dafür wäre die von ihnen möglicherweise ausgehende Störung des Finanz- systems, die das Banksystem an- stecken könnte.

Mangelnde Transparenz wurde als eine wesentliche Ursache der Vertrauenskrise identifi ziert. Mehr Transparenz kann Glauben durch Wissen ersetzen und Vertrauen steigern. Deshalb ist angesichts der gegenwärtigen Krise eine Steigerung der Transparenz von Finanz institutionen und Finanzins- trumenten zumindest auf den ers- ten Blick wünschenswert. Aller- dings bewirkt auch die Verordnung von mehr Transparenz nicht zwin- gend die gewünschten Verbesse- rungen. An dieser Stelle möge der Hinweis, dass ein Mehr an Infor- mation durchaus schädlich wirken kann, genügen.11

Markt versus Staat Fraglich ist auch bei einer positiv zu bewertenden Transparenz, ob es zu deren Erreichung neuer Vor- schriften bedarf oder ob der Markt das selbst regeln wird. Vorsichtige- res Verhalten von Investoren, die sich jetzt eine blutige Nase geholt haben, die Etablierung von Selbst- beschränkungen im Geschäft mit intransparenten Vertragspartnern oder Produkten und nicht zuletzt

11 Vgl. S. H o m ö l l e : Risikoberichterstattung und Bank Runs – Eine modelltheoretische Wirkungsanalyse, Habilitationsschrift, Müns- ter 2004.

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I

n den letzten Monaten haben wir Schiefl agen und Beinahe- Pleiten von Banken in einer in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie dagewe- senen Häufi gkeit und Massivität erlebt. Jochen Sanio, der Präsi- dent der Bundesanstalt für Finanz- dienstleistungsaufsicht (BaFin) sprach sogar von der Gefahr einer Bankenkrise, wie sie seit 1931 nicht mehr vorgekommen sei. Die Sum- men, die an Zahlungsverpfl ichtun- gen oder an drohenden Verlusten auf die betroffenen Banken zuka- men, steigerten sich von Fall zu Fall. War bei der WestLB noch die Rede von Verlusten in dreistelliger Millionenhöhe, die die Bank aus eigener Kraft auffangen kann, so ging es bei der IKB um einen Be- trag von rund 8 Mrd. Euro, den es kurzfristig aufzutreiben galt, die SachsenLB stand bei ihrer irischen Tochter sogar mit 17,5 Mrd. Euro in der Verpfl ichtung.

Unzweifelhaft ist, dass in allen Fällen das Risikomanagement der Banken versagt hat. Inwieweit Auf- sichts- und Verwaltungsräte nicht informiert wurden oder aber be- wusst weggeschaut haben, wird noch zu klären sein, daneben stellt sich aber insbesondere auch die Frage, ob die bankenaufsichts- rechtlichen Vorschriften unzurei-

Thomas Hartmann-Wendels

Bestehen Aufsichtsdefi zite im Bankensektor?

chend sind. Wenn man sich die Er- fahrungen aus vergangenen Ban- kenpleiten ansieht, ist zu erwarten, dass auch in diesem Fall wieder nachgebessert wird, um Vorfälle dieser Art für die Zukunft auszu- schließen. Doch auch dies wird nicht sicherstellen können, dass sich Ähnliches nicht irgendwann wiederholt.

Haben die neuen Aufsichtsregeln versagt?

Es klingt geradezu paradox: Ein Hauptmotiv für die Entwicklung von Basel II war die unzureichen- de Erfassung von Asset-Backed- Transaktionen in den bestehenden aufsichtsrechtlichen Bestimmun- gen. Bereits ein halbes Jahr nach Umsetzung der Basler Eigenmit- telvorschriften in deutsches Auf- sichtsrecht erleben wir, dass aus- gerechnet solche Asset-Backed- Transaktionen dafür verantwortlich sind, dass die amerikanische Hy- pothekenkrise deutsche Kreditin- stitute in die Knie zwingt. Haben die neuen aufsichtsrechtlichen Vor- schriften damit bereits nach einem halben Jahr ihre Untauglichkeit be- wiesen?

Banken haben Verbriefungs- transaktionen in den letzten Jahren verstärkt dazu genutzt, um haften- des Eigenkapital, mit dem Kredit- risiken aufgrund bankaufsichts-

rechtlicher Vorschriften unterlegt werden müssen, einzusparen. Das Grundprinzip ist einfach: Da die Eigenmittelunterlegung fast aus- schließlich an das Kreditvolumen gekoppelt war, konnten durch den Verkauf ganzer Kreditportfolien ho- he Summen an regulatorischem Ei- genkapital eingespart werden. Da- gegen wäre aus Sicht der Banken- aufsicht nichts einzuwenden, wenn mit den Krediten auch gleichzeitig die damit verbundenen Ausfallrisi- ken mitveräußert worden wären.

Doch genau dies war in der Re- gel nicht der Fall: Die verkauften Kreditportfolien wurden in Tran- chen eingeteilt, die festlegen, in welcher Reihenfolge die Erwerber der Asset-Backed-Securities an Verlusten partizipieren. Gemäß die- sem als Wasserfall bezeichneten Prinzip trägt die Equity-Tranche zunächst alle Verluste bis zu einer Höhe von meist 2% bis 3% des verbrieften Portfolios. Verluste, die darüber hinausgehen, werden von einer nachrangigen Tranche – auch Mezzanine-Tranche genannt – oder mehreren solcher Mezzaninen- Tranchen getragen, sollten die Ver- luste noch stärker durchschlagen, was extrem unwahrscheinlich ist, müssen auch die höherrangigen Tranchen, die stets ein Rating im Investment-Grade-Bereich auf- die „Bestrafung“ von Intransparenz

über Preisauf- oder -abschläge sind Mechanismen, die bereits wirken.

Nicht auszuschließen ist, dass sich nach sorgfältigen wissen- schaftlichen Analysen die Vorteil- haftigkeit einzelner zusätzlicher

Regulierungsmaßnahmen den- noch herausstellen wird. Sie wä- ren angesichts des schon bislang recht weitgehenden Schutzes der

„Kleinsparer“ wohl nicht mit dem Argument des Gläubigerschutzes, sondern höchstens mit einer ver- besserungswürdigen Stabilität des

Finanzsystems zu begründen und müssten nicht zwingend Kreditins- titute betreffen. Keinesfalls aber sollten refl exartig immer neue Kri- sen mit immer neuen Regulierungs- maßnahmen beantwortet werden, nur um auf diese Weise Entschlos- senheit zu demonstrieren.

(8)

weisen, Verluste hinnehmen. Typi- scherweise behält der Originator, d.h. die Bank, die ihre Forderungen zu Verbriefungszwecken verkauft, die Equity-Tranche, so dass der ganz überwiegende Teil der Kredit- risiken bei der Bank verbleibt.

Da unter Basel I die Eigenmittel- unterlegung von Krediten weitge- hend unabhängig von dem damit verbundenen Ausfallrisiko war und vorrangig von dem Kreditvolumen abhing – in der Regel betrug der Unterlegungssatz 8% des Kredit- betrages –, ließen sich auf diese Weise erhebliche regulatorische Eigenmittel einsparen, ohne dass dem eine entsprechende Reduzie- rung der von der Bank zu tragen- den Risiken gegenüberstand. Die- ser Effekt wird auch als Regulatory capital arbitrage bezeichnet.

Der Vollständigkeit halber sei al- lerdings erwähnt, dass der Zweck von Asset-Backed-Transaktionen nicht nur in der Regulatory capital arbitrage liegt, sondern dass sol- che Transaktionen auch unabhän- gig davon Sinn machen. Kreditaus- fallrisiken sind wenig transparent, zudem kann der Käufer die Höhe des Ausfallrisikos schlechter ein- schätzen als der Risikoverkäufer.

Diese ungleiche Informationsver- teilung setzt den Käufer der Gefahr aus, vor allem schlechte Risiken angeboten zu bekommen. Daher ist es sinnvoll, wenn die Kreditaus- fallrisiken überwiegend bei demje- nigen verbleiben, der sie am besten einschätzen kann und die Bank nur die Gefahr extrem hoher Kreditaus- fälle, die mit dem Hineinfressen der Ausfälle in höherrangige Tranchen gleichzusetzen sind, absichert.

Genau dies wird durch Asset-Ba- cked-Transaktionen in der oben beschriebenen Form erreicht.

Es ist offensichtlich, dass die Bankenaufsicht nicht tatenlos zu- sehen konnte, dass die Vorschrif-

ten zur Eigenmittelunterlegung von Kreditrisiken durch Asset-Backed- Transaktionen umgangen wurden.

Daher enthält die Solvabilitätsver- ordnung, mit der Basel II mit Be- ginn dieses Jahres in deutsches Aufsichtsrecht transformiert wurde, umfangreiche Vorschriften, die vor allem dem Zweck dienen, sicher- zustellen, dass eine Reduzierung der Eigenmittelunterlegung nur dann und nur in dem Maße mög- lich ist, wie mit der Verbriefung von Forderungen auch Ausfallrisiken mitveräußert werden. Dass zwei namhafte deutsche Kreditinstitute dennoch ausgerechnet durch ih- re Verwicklung in Asset-Backed- Transaktionen in die Beinahepleite getrieben wurden, liegt nicht daran, dass diese Vorschriften fehlerhaft oder unzureichend sind. Es liegt auch nicht daran, dass bis Ende 2007 noch Übergangsvorschriften genutzt werden können, es liegt vielmehr vor allem daran, dass die Gefahr an einer Stelle lauerte, wo man sie nicht vermutet hatte.

Um den Gewinn aus derarti- gen Verbriefungsgeschäften zu steigern, wurden die angekauften Kredite nicht fristengleich, son- dern asynchron refi nanziert. Da der Zinssatz für kurzfristige Kredite und Geldanlagen meist niedriger ist als der für langfristige, wollte man ein zusätzliches Ertragspo- tenzial dadurch abschöpfen, dass die langfristig ausgereichten Kredi- te durch die Ausgabe kurzfristiger Wertpapiere refi nanziert wurden.

Diese zusätzlichen Ertragschancen müssen aber mit zusätzlichen Risi- ken erkauft werden. Zum einen ist es möglich, dass das Zinsniveau steigt und die Refi nanzierung nur unter Inkaufnahme eines höheren Zinssatzes möglich ist, zum an- deren kann es passieren, dass die Refi nanzierung auf Schwierigkeiten stößt, weil der Markt ausgetrock- net ist. Auf diesen Fall bezogen

sich die Verpfl ichtungen, die der IKB und der SachsenLB nun zum Verhängnis wurden. Beide Banken hatten sich gegenüber den von ih- nen initiierten Zweckgesellschaften (Conduits), die die Verbriefungs- transaktionen durchführen, ver- pfl ichtet, für den Fall, dass die Refi - nanzierung nicht gelingt, Liquidität bereitzustellen, und zwar in einem Umfang, der die Möglichkeiten der jeweiligen Bank bei weitem über- steigt.

Kreditverbriefungen nach Basel II

Grundsätzlich werden Kreditli- nien, die Kunden eingeräumt wer- den, sowie Refi nanzierungszusa- gen von den aufsichtsrechtlichen Vorschriften erfasst, und zwar zum einen in der Solvabilitätsver- ordnung und zum anderen in den Großkreditvorschriften. Allerdings gibt es Ausnahmen: So bedürfen gemäß § 239 Solvabilitätsverord- nung Liquiditätsfazilitäten, die nur im Fall einer allgemeinen Marktstö- rung in Anspruch genommen wer- den können, keiner Eigenmittelun- terlegung, für Liquiditätsfazilitäten mit einer Ursprungslaufzeit bis zu einem Jahr beträgt die Eigenmit- telunterlegung 1,6% und für länger laufende Zusagen beträgt der Un- terlegungssatz 4%. Bei einem Be- trag von 17,5 Mrd. Euro, der bei der SachsenLB im Raume stand, sind dies 280 Mio. Euro bzw. 700 Mio.

Euro. Ohne genaue Kenntnis der Refi nanzierungszusagen kann hier nicht beurteilt werden, welcher An- rechnungssatz zum Tragen kommt.

Bekannt ist nur, dass die Zusagen eine Laufzeit von weniger als ein Jahr haben, da in diesem Fall eine Eigenmittelunterlegung nach dem bis Ende 2006 geltenden und bis Ende 2007 noch anwendbaren Auf- sichtsrecht nicht notwendig war.

Noch entscheidender als das Volumen der Kreditzusagen ist aber

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der Umstand, dass dieses Volumen durch die Zusagen an eine einzige Adresse erzeugt wurde. Es leuch- tet unmittelbar ein, dass bei einer Risikoposition, die sich aus vielen Einzelpositionen mit unterschied- lichen Adressen zusammensetzt, die Gefahr einer Totalinanspruch- nahme weit geringer ist, als bei ei- ner Risikoposition, die sich nur auf einen einzigen Vertragspartner be- zieht. Diesem Umstand tragen die Großkreditvorschriften Rechnung.

Diese sollen eine übermäßige Kon- zentration von Risiken auf einzelne Adressen verhindern, indem ein einzelner Großkredit (Summe der Kredite an einen einzelnen Kredit- nehmer, sofern diese 10% des haf- tenden Eigenkapitals einer Bank überschreiten) nicht mehr als 25%

des haftenden Eigenkapitals ei- ner Bank ausmachen darf und die Summe aller Großkredite das Acht- fache des haftenden Eigenkapitals einer Bank nicht übersteigen darf (§ 13 KWG). Auch Kreditzusagen gehen in die Großkreditvorschriften mit ein, allerdings mit einem redu- zierten Anrechnungssatz, wenn deren Laufzeit ein Jahr nicht über- steigt (§ 27 Großkredit- und Millio- nenkreditverordnung).

Ob ein Verstoß gegen aufsichts- rechtliche Vorschriften vorlag oder ob die betroffenen Banken eine Lücke im Aufsichtsrecht für ihre waghalsigen Geschäfte nutzten, ist ohne Kenntnis der Details der Kreditzusagen nicht zu beurteilen.

Selbst wenn alle aufsichtsrechtli- chen Vorschriften eingehalten wur- den, stimmt jedoch nachdenklich, dass Banken keine Mühen scheu- en, Wege zu fi nden, um die Ban- kenaufsicht auszuhebeln. Hierzu werden komplexe Strukturen und Vertragsformen geschaffen, die ausschließlich dem Ziel dienen, bankaufsichtliche Vorschriften zu umgehen.

Dass dies ganz offen gesche- hen konnte und von niemandem im Aufsichtsrat bemängelt wurde, zeigt, wie sehr man sich daran ge- wöhnt hat, die Bankenaufsicht aus- zutricksen. Sicherlich gibt es Kons- tellationen, in denen bankaufsicht- liche Vorschriften hinderlich sind und ihnen offenkundig kein Nutzen zukommt. Völlig unverständlich ist jedoch, dass man nach Umgehung der bankaufsichtlichen Risikobe- grenzungen alle Hemmungen fallen ließ und Verpfl ichtungen in einem Umfang einging, bei dem jedem klar sein musste, dass bei einem Wirksamwerden der Verpfl ichtun- gen die Existenz der Bank bedroht ist.

Hätte die Bankenaufsicht früher eingreifen müssen?

Nehmen wir an, dass die Vor- schriften über die Eigenmittelun- terlegung von Risikopositionen formell eingehalten worden sind.

Musste die Bankenaufsicht dem Treiben der Kreditinstitute dann tatenlos zusehen? Keineswegs!

Ein wesentliches Element von Ba- sel II ist, dass die Bankenaufsicht anders als früher auch dann ein- greifen kann, wenn die Eigenmit- telunterlegung zwar den quantita- tiven Eigenkapitalanforderungen entspricht, die Bankenaufsicht aber auf der Basis einer ganzheit- lichen Risikobetrachtung dennoch zu dem Ergebnis kommt, dass die Eigenkapitaldecke im Hinblick auf die eingegangenen Risiken nicht ausreicht. Dieser in der so genann- ten zweiten Säule von Basel II ent- haltene qualitative Aufsichtsaspekt wurde mit den Mindestanforde- rungen an das Risikomanagement (MaRisk) Ende 2005 in deutsches Aufsichtsrecht transformiert.

Die MaRisk enthalten neben einer Fülle von Detailregelungen auch einige grundsätzliche Anfor- derungen. So müssen die Kredit-

institute für angemessene Stra- tegien und Prozesse sorgen, „die gewährleisten, dass genügend in- ternes Kapital zur Abdeckung aller wesentlichen Risiken vorhanden ist“ (Internal Capital Adequacy As- sessment Process)1. Ferner ist ein Gesamtrisikoprofi l unter Berück- sichtigung der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Risikoar- ten zu erstellen. Risiken, die nicht quantifi ziert werden, müssen iden- tifi ziert und im Rahmen des Risiko- controllings berücksichtigt werden.

Explizit werden in den MaRisk an dieser Stelle die Liquiditätsrisi- ken angeführt. Der Bankenaufsicht obliegt es, die Einhaltung dieser qualitativen Anforderungen an das Risikomanagement laufend zu überwachen („Supervisory Review and Evaluation Process“). Bereits im Jahre 2005, also vor dem In- krafttreten der MaRisk wurden in einem von einer Wirtschaftsprü- fungsgesellschaft erstellten Son- dergutachten schwerwiegende Mängel im Risikomanagement der SachsenLB festgestellt. Darauf- hin wurde die SachsenLB von der BaFin angemahnt, die Missstände abzustellen. Ob hierzu auch die Li- quiditätszusagen, die die Bank an den Rand des Ruins geführt haben, gehören, ist nicht bekannt.

Auf jeden Fall bleibt die Frage, ob die BaFin nicht rechtzeitiger und massiver hätte eingreifen müs- sen. Der mit Beginn dieses Jahres neu in das Kreditwesengesetz ein- gefügte § 45 b gibt der BaFin weit reichende Möglichkeiten hierzu.

Stellt die BaFin fest, dass die Risi- ken einer Bank nicht ausreichend im Sinne der MaRisk in deren Ri- sikosteuerung berücksichtigt wer- den, so kann sie verlangen, dass zusätzliche Eigenmittel vorgehal- ten werden müssen, dass Risiko-

1 Vgl. Rundschreiben 18/2005 der BaFin über Mindestanforderungen an das Risiko- management, AT 1, Nr. 2.

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positionen abgebaut werden müs- sen und/oder dass bestimmte Ge- schäftsarten nur in beschränktem Umfang betrieben werden dürfen.2

Warum hat die Bankenaufsicht von ihren Befugnissen keinen Ge- brauch gemacht und von der IKB und der SachsenLB keine zusätz- lichen Eigenmittel oder einen Ab- bau ihrer Verpfl ichtungen verlangt?

Möglich ist, dass sie von dem Um- fang der Risiken, die diese Banken eingegangen sind, nichts gewusst hat. Schließlich sind die Wege, über die Verbriefungstransaktio- nen dieser Art abgewickelt werden, alles andere als transparent und insbesondere für Außenstehende schwer durchschaubar. Möglicher- weise hat man den Berichten der SachsenLB, dass die beanstande- ten Mängel im Risikomanagement behoben worden seien, zu leicht- fertig geglaubt und diese nicht hin- reichend überprüft.

Eine Verschlankung der Aufsichtsregeln tut not!

Möglich ist aber auch, dass die bankaufsichtlichen Vorschriften Mängel aufweisen. Das Problem scheint nicht darin zu liegen, dass die Regelungen nicht detailliert ge- nug sind, sondern dass eher das Gegenteil zutrifft: Der Umfang an bankaufsichtlichen Vorschriften hat in den letzten Jahren enorm zuge- nommen. Kam der bis Ende 2006 geltende Grundsatz I noch mit 37 Paragraphen aus, um die Eigenmit- telunterlegung von Kreditausfall- und Marktpreisrisiken zu regeln, so benötigt die seit Anfang dieses Jahres geltende Solvabilitätsver- ordnung bereits 340 Paragraphen, zwei Anlagen, die zahlreiche Tabel- len und Formeln samt Erläuterun- gen enthalten, nicht mitgerechnet.

Allein 44 Paragraphen beschäf- tigen sich mit der Eigenmittelun- terlegung von Verbriefungspositi-

2 Vgl. § 45 b, 1 KWG.

onen. Hinzu kommen die ein Jahr vorher erlassenen MaRisk mit einer Fülle von aufbau- und ablauforga- nisatorischen Vorschriften, die das Risikomanagement der Banken betreffen. Und diese beiden Re- gelungswerke sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der Gesamtheit der bankaufsichtlichen Vorschriften, die ständig reformiert und dabei meist erheblich erweitert werden.

Es ist nicht zu bestreiten, dass jede dieser Vorschriften Sinn macht, ebenso wenig steht au- ßer Zweifel, dass der Übergang von Basel I nach Basel II nicht nur quantitativ, sondern auch qualita- tiv einem Quantensprung gleich- kommt. Auch muss konzediert werden, dass die umfangreicheren aufsichtsrechtlichen Vorschriften zu einem guten Teil ein Refl ex auf die zunehmende Komplexität der Bankgeschäfte sind. Dennoch darf darüber nicht vergessen werden, dass die Umsetzung dieser Viel- falt an Regelungen enorme Res- sourcen bindet, und zwar sowohl bei den Kreditinstituten, die diese Regelungen anwenden müssen, als auch bei der Bankenaufsicht, die die Einhaltung der Vorschriften überwachen muss. Komplexe Re- gelungen bergen die Gefahr, dass die Akteure, die diese Regelungen anwenden und deren Einhaltung überprüfen müssen, überfordert werden und sich die Bankenauf- sicht auf ein stures Abarbeiten for- maler Vorgaben beschränkt. Dabei besteht dann die Gefahr, dass vor lauter Detailversessenheit man- cher bankaufsichtlichen Regelung der Blick für einzelne existenzbe- drohende Risiken verloren geht.

Eine bessere Regulierung ist nicht gleichbedeutend mit einer umfang- reicheren Regulierung, vielmehr scheint es so zu sein, dass die Auf- merksamkeit und die Sorgfalt, mit der die Überwachung der Banken durchgeführt wird, knappe Res-

sourcen sind, die nicht beliebig vermehrt werden können, sondern die es sorgfältig zu nutzen gilt. Die Konsequenz aus den Beinahe- Pleiten der jüngsten Vergangenheit sollte daher nicht darin bestehen, das existierende Regelwerk ein- fach um zusätzliche Vorschriften zu ergänzen, sondern es sollten statt dessen einerseits Lücken in der Bankenaufsicht geschlossen wer- den, gleichzeitig sollte aber auch andererseits über eine Verschlan- kung der Vorschriften nachgedacht werden.

Eine weitere Lektion, die wir aus der Hypothekenkrise lernen sollten, ist, dass Liquiditäts-, Marktpreis- und Ausfallrisiken eng zusammen- hängen. Ausgangspunkt der Krise sind vermehrte Forderungsausfälle von Hypothekarkrediten in Ame- rika, die wiederum die Folge von steigenden Zinsen und sinken- den Immobilienpreisen – also von Marktpreisrisiken – sind. Die Folge des gestiegenen Ausfallrisikos ist, dass Schuldverschreibungen, die durch die Hypothekarkredite ge- deckt sind, kaum noch handelbar sind und damit ihre Liquidität ein- büßen. Eine Konsequenz hieraus wird sein, dass die Banken, die die Refi nanzierungszusagen gegeben haben, zumindest einen Teil dieser Kredite und der damit verbunde- nen Ausfallrisiken selbst in die Bü- cher nehmen müssen, und so wird aus dem Liquiditätsrisiko wieder ein Ausfallrisiko. Angesichts dieser engen Verzahnung von Liquiditäts-, Marktpreis- und Ausfallrisiken stellt sich die Frage, ob es zweckmäßig ist, die verschiedenen Risikokate- gorien in zwei unterschiedlichen Verordnungen – der Solvabilitäts- verordnung und der Liquiditätsver- ordnung – zu regeln. Stattdessen sollte über ein einheitliches Rah- menwerk für alle Risikokategorien nachgedacht werden.

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K

ein anderes Thema hat die Wirtschaftsteile der Zeitungen im Sommer 2007 mehr gefüllt als die unter der Bezeichnung „Sub- prime-Krise“ beobachteten Tur- bulenzen auf den Finanzmärkten.

Dabei kann die Höhe der Verluste, die Banken, Fondsgesellschaften und Versicherungen möglicher- weise werden hinnehmen müssen, Anfang Oktober noch immer nicht genau beziffert werden. Selbst bei dem Institut, das als Auslöser der Krise in Deutschland gilt, der IKB Deutsche Industriebank AG, wurde der Ende September für das erste Quartal des im April begonnenen Geschäftsjahres 2007/08 vorgeleg- te Quartalsabschluss von Seiten des Managements mit sehr großen Vorbehalten versehen. Angesichts der noch bis Dezember andauern- den Sonderprüfung von Pricewa- terhouseCoopers erscheint es völ- lig offen, ob die Verlustschätzung für das laufende Geschäftsjahr von insgesamt 700 Mio. Euro zuverläs- sig ist.

Aber nicht nur das Ausmaß der Krise ist unklar; mindestens eben- so harren die Ursachen für die kri- senhafte Zuspitzung in einzelnen Häusern der Aufklärung. Wie konn- te es passieren, dass (wie im Falle der IKB) eine Bank am 20. Juli eine Steigerung des Gewinns im ersten Quartal um 15% auf 63 Mio. Euro bekannt gibt und zehn Tage spä- ter in einer Ad-hoc-Mitteilung über eine bonitätsgefährdende Krise informieren muss? Verständlicher- weise stellt die Öffentlichkeit mit Nachdruck die Frage, warum die Bankenaufsicht diese Entwicklung nicht verhindern konnte (zumal wenn – wie bei der IKB – staatliche

Organe sogar im Aufsichtsrat ver- treten sind) bzw. was sich in der Überwachung der Kreditinstitute ändern muss, damit es möglichst nicht zu einer Wiederholung dieses Szenarios kommt.

Steinbrück-Plan

In dieser Situation neigt die Poli- tik dazu, auch ohne eine sorgfältige Krisenanalyse Reformvorschläge für die Bankenaufsicht in die Öf- fentlichkeit zu tragen. So konnte man Ende September Medienbe- richten entnehmen, dass Bundes- fi nanzminister Steinbrück darüber nachdenke, die Eigenkapitalvor- schriften für Banken zu verschär- fen. Demnach sollen die Institute

„risikoreiche Produkte“ mit einem höheren Anteil an Eigenkapital un- terlegen als bislang vorgeschrie- ben. Nach Ansicht Steinbrücks belegten die jüngsten Turbulenzen, dass die derzeitigen Normen zu weich seien. Im Rahmen der zu- vor schon (allerdings mit anderen Inhalten) geplanten Weiterentwick- lung des (auch erst in Teilen) seit Jahresbeginn 2007 geltenden Ak- kordes solle ein deutlich restrikti- veres Regelwerk entstehen („Basel III“).

Erstaunlicherweise sucht die Po- litik ihr Heil damit ausgerechnet bei einem Aufsichtsinstrument, des- sen Eignung zur Krisenprävention sowohl theoretisch als auch empi- risch schon lange bezweifelt wird.

Gerade deshalb wurde diese erste Säule im Basel II-Paket gegenüber der 6. Novelle des Kreditwesen- gesetzes modifi ziert. Dementspre- chend richtet sich die Eigenkapi- talunterlegung entweder nach dem Urteil von Rating-Agenturen, deren

Leistungsfähigkeit aber speziell mit Blick auf die Beurteilung der Sub- prime-Risiken gerade von der Poli- tik sehr kritisch gesehen wird. Oder aber das interne Rating der Banken selbst bestimmt über die Höhe des Eigenkapitalpuffers; hier zeigen sich bei den bislang bekannt ge- wordenen Fällen IKB, Sachsen LB usw. indes augenscheinlich ähn- liche Fehleinschätzungen wie auf Seiten der Rating-Agenturen. Diese könnten auch künftig nicht vermie- den werden, wenn auf den bisheri- gen Eigenkapitalunterlegungssatz von durchschnittlich 8% bei Asset- Backed-Securities (allen?) einfach ein Aufschlag (in welcher Höhe?) erhoben würde.

„Mehr Eigenkapital“ zu schlicht Insofern käme der Steinbrück- Plan einer „Rolle rückwärts“ in der Bankenaufsicht gleich, da man sich im langen Basler Diskussi- onsprozess vor dem Hintergrund dieser bekannten Mängel geeinigt hatte, das Schwergewicht der Re- gulierung mittelfristig auf die Säu- len 2 und 3 zu verlagern1, also eine qualitative Prüfung des Risiko- managements der Banken sowie eine deutlich erweiterte Pfl icht zur Veröffentlichung von Informationen über die Risikolage der Institute (als Grundlage für Disziplinierungen durch die Kapitalmarktteilnehmer) zu forcieren. Die jüngste Finanz- marktkrise zeigt, dass dieser Weg richtig ist: Zwar liegt die Ursache der Störungen in der leichtfertigen Vergabe von Hypothekarkrediten

1 Die Basler Eigenkapitalvereinbarung von 2004 (Basel II) beinhaltet als Säule 1 die Min- destkapitalanforderungen, als Säule 2 den Bankaufsichtsrechtlichen Überprüfungspro- zess und als Säule 3 die Erweiterte Offenle- gung.

Stephan Paul

Keine Rolle rückwärts in der Bankenaufsicht!

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in den USA; offenbar wurden aber bereits bis heute bei nicht wenigen deutschen Banken erschreckende Mängel im Risikomanagement. Und gerade die Unkenntnis über das genaue Ausmaß der Risiken, die Andeutung und Vermutung mög- licherweise noch weitaus höherer Belastungen (so bei der Deutschen Bank AG durch ein Interview ihres Vorstandsvorsitzenden geschürt) haben die Märkte bis in diese Tage hinein so stark verunsichert, dass die Einzelbank(en)krise Systemge- fahren birgt.

Deshalb ist nicht ein irgendwie verordnetes „Mehr“ an Eigenkapi- tal erforderlich. Überarbeitungen der quantitativen Normen mögen im Detail sinnvoll sein – so mit Blick auf eine Konsolidierung von Ver- briefungsvehikeln, eine veränderte Quantifi zierung des Risikos aus bestimmten Asset-Backed-Securi- ties-Konstruktionen, eine präzise- re Fassung des Liquiditätsrisikos usw.

Das schon bei den zurücklie- genden Novellen des Kreditwe- sengesetzes deutlich gewordene Regulierungsdilemma können diese Anpassungen aber nicht be- seitigen: Die auch dem Zweck der Normenarbitrage dienenden Pro- duktinnovationen erzwingen eine permanente Modifi kation der Be- grenzungsvorschriften; je schneller die Innovationsgeschwindigkeit in den Kreditinstituten, desto kürzer werden die Rhythmen, in denen Änderungen der Bankaufsichtsge- setze in ganz Europa (level playing fi eld) notwendig werden. Daher darf der eingeschlagene Weg nicht ver- lassen, er muss konsequent durch eine Aufwertung der Säulen 2 und 3 weiter gegangen werden. Dabei zeigen sich jedoch anders gelager- te Probleme als in der ersten Säule, die noch ungelöst sind.

Prüfungen nach Säule 2 zu intransparent

Die Säule 2 wurde bereits Ende 2005 mit den „Mindestanforderun- gen an das Risikomanagement“

in Deutschland verankert, die Vor- gaben für die Risikostrategie einer Bank, die von ihr gesetzten Rah- menbedingungen des Risikoma- nagements (Aufbau- und Ablaufor- ganisation), die Beurteilung der Ri- sikotragfähigkeit sowie die Risiko- kommunikation und -überwachung formulieren. Im Mittelpunkt steht das Risikotragfähigkeitskalkül, also die Gegenüberstellung von Risiken und Risikodeckungsmasse. Hierfür gilt der Grundsatz der „doppelten Proportionalität“: Die internen Pro- zesse der Identifi kation, Beurtei- lung, Steuerung und Kontrolle der Risiken müssen der Bedeutung der jeweiligen Verlustgefahren entspre- chen; extern muss die Bankenauf- sicht ihre Prüfungsintensität des Risikomanagements an der Sys- temrelevanz der Institute orientie- ren.

Doch so einleuchtend dieser Grundsatz klingt, wie können die qualitativen Kriterien nicht nur behördlich prüfbar, sondern so- gar justiziabel gemacht werden?

Nimmt man nur die Anforderung, Kreditinstitute hätten ein „aussa- gefähiges“ Risikoklassifi zierungs- verfahren vorzuhalten, dann wird daran exemplarisch das Grundpro- blem der qualitativen Aufsicht vor dem Hintergrund des letztlich noch nicht abgesicherten bzw. allgemein anerkannten theoretischen und empirischen Fundaments des Ri- sikomanagements deutlich: Bleibt die Formulierung der Regeln in einem Bereich, in dem „wenig mit dem Zollstock nachgemessen wer- den kann“ vergleichsweise allge- mein (z.B. „angemessen“, „gege- benenfalls“, „wesentliche Risiken“,

„nachvollziehbare Begründung“

etc.), besitzen die Beaufsichtigten weite Handlungs-, die Aufseher spiegelbildlich weite diskretionäre Beurteilungsspielräume, was die Gefahr verborgener Handlungen einerseits, die ungleicher Behand- lung andererseits nach sich zieht.

Damit wird aber auch die viel pos- tulierte Wettbewerbsgleichheit der Normen beeinträchtigt, etwa wenn unterschiedliche Prüfungsteams divergierende Anforderungen an die Risikomanagement-Systeme stellen. Wird umgekehrt eine star- re, stark detaillierte Regelbindung (dann fast schon wieder im Sinne quantitativer Normen) verankert, so wird das Risikomanagement aufsichtsseitig stark vorgeprägt/

normiert, Anreize zur Weiterent- wicklung in den Banken werden abgeschwächt.

Von Bedeutung wäre daher von Seiten der Aufsicht eine größere Transparenz über ihre Prüfungs- maßstäbe und bisherigen Prüf- ergebnisse, um extern beurteilen zu können, an welchen Stellen ei- nerseits zu stark schablonenhaft vorgegangen, wo andererseits zu großer „regulatorischer Pragma- tismus“ an den Tag gelegt wird.

Erste empirische Ergebnisse der Einschätzung der Aufsichtsquali- tät durch die Banken selbst stellen BaFin und insbesondere der Bun- desbank zwar insgesamt ein gu- tes Zeugnis aus, zeigen allerdings auch, dass bestimmte Risikokom- plexe (z.B. operationelle und Liqui- ditätsrisiken) in den Prüfungen bis- lang vergleichsweise unterbelichtet sind.

Mehr publizieren – aber was?

Mit den Regelungen der dritten Säule wird angestrebt, den Finanz- marktteilnehmern ein genaueres Bild der tatsächlichen Rendite- Risiko-Positionierung der Kredit- institute zu vermitteln. Im Fokus

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steht wiederum der Aspekt der Ka- pitaladäquanz, also der wagnisge- rechten Abstimmung zwischen den eingegangenen Risiken und dem Risikoträger Eigenkapital. Durch diese Publizitätsregulierung soll gerade (potenziellen) Investoren die sachgerechte(re) Anpassung ihrer risikoorientierten Renditeforderun- gen ermöglicht werden. Da diese spiegelbildlich die Kapitalkosten der Banken bestimmen, verspricht sich Basel hiervon einen disziplinie- renden Einfl uss auf den „Risikoap- petit“ der Bankleitungen.

Mit Verweis auf die vermeintliche

„Intransparenz“ speziell der Ver- briefungsrisiken wird aktuell eine Ausweitung dieser – zum Teil jetzt schon sehr detaillierten, weit ge- henden – Vorschriften gefordert.

Dabei hätten z.B. die von der IKB zu diesem Komplex publizierten Angaben bereits Warnsignale für die Märkte sein müssen. Der er- hebliche Umfang der Verbriefungs- aktivitäten und die entsprechende Abhängigkeit des Jahresergebnis- ses hiervon wird im Geschäftsbe- richt 2006/072 so beschrieben: „Ei- ne erfreuliche Erhöhung um 19,2%

auf 108 Mio. Euro ergibt sich auch für den Provisionsüberschuss. Die eine Hälfte dieses Überschusses stammt aus Strukturierungsge- bühren sowie Provisionen der Ge- schäftsfelder Firmenkunden, Im- mobilienkunden und Strukturierte Finanzierung, die andere Hälfte resultiert im Segment Verbriefun- gen aus Beratungsgebühren des Conduits Rhineland Funding ... Für das Conduit Rhineland Funding er- warten wir innerhalb von drei Jah- ren ein Investmentvolumen von 20 Mrd. Euro (derzeit 12,7 Mrd. Euro), für Rhinebridge ein Volumen von 10 Mrd. Euro.“

2 IKB: Geschäftsbericht 2006/07, Düsseldorf 2007, S. 66, S. 93.

Auch wurde über die fristenin- kongruente Finanzierung und da- mit eingegangene Liquiditätsrisi- ken des erstgenannten Vehikels informiert3 (bereits Geschäftsbe- richt 2005/06): „Rhineland Funding fi nanziert seine Investments durch die Begebung von kurzfristigen Wertpapieren, so genannte Asset Backed Commercial Papers. In diesem Markt ist es üblich, dass Banken Sicherungslinien für den Fall zur Verfügung stellen, dass es kurzfristig zu Marktstörungen kommt.“

Und der Umfang dieser Linien geht ebenso aus dem Geschäfts- bericht4 hervor: „In dem Posten Andere Verpfl ichtungen sind Kre- ditzusagen über insgesamt 11,9 Mrd. Euro ... Gegenwert an Spezi- algesellschaften enthalten, die nur im Falle von kurzfristigen Liqui- ditätsengpässen bzw. vertraglich defi nierten Kredit ausfallereignissen von diesen in Anspruch genommen werden können.“ Der Umfang die- ser kurzfristigen Kreditzusagen von 11,9 Mrd. Euro (also über 93% der Investitionen des Vehikels in Höhe von 12,7 Mrd. Euro) entsprach ei- nem Viertel der Bilanzsumme!

Auch wenn man diese Informa- tionen in der Rückschau natürlich wesentlich sensibler aufnimmt, scheint doch weniger Intranspa- renz als vielmehr eine falsche Ein- schätzung der eingegangenen Ri- siken das Hauptproblem gewesen zu sein – eben nicht nur durch das Management dieser (und anderer) Bank(en), sondern auch der Ra- ting-Agenturen, Wirtschaftsprüfer, Prüfer der Einlagensicherung, Auf- sichtsbehörden usw., obwohl sich die Anzeichen für die Krise des US-

3 IKB: Geschäftsbericht 2005/06, Düsseldorf 2006, S. 119.

4 IKB: Geschäftsbericht 2006/07, Düsseldorf 2007, S. 198.

Hypothekenmarktes spätestens ab Ende 2006 mehrten.

Solchen kollektiven Fehlurteilen kann durch Staatseingriff in Form erweiterter Publizitätsregeln aber ebenso wenig vorgebeugt werden wie dem gegenseitigen Aufeinan- der-Verlassen der beteiligten Ins- titutionen. Aufgeworfen wird somit vielmehr die Frage nach der Quali- tät der internen Governance in den Banken.

Mehr Professionalität der internen Governance Wenig beachtet im Diskussions- prozess um Basel II und Mindest- anforderungen an das Risikoma- nagement (MaRisk) blieb bisher, dass sich sämtliche Anforderungen an das Risikomanagement auf den so genannten „management body“

beziehen, unter dem sowohl die Geschäftsleitung der Bank als auch ihr Kontrollorgan (Aufsichts- bzw.

Verwaltungsrat) verstanden wird.

Von der Plausibilitätsprüfung der Risikostrategie über die Diskussion der Risikosteuerung bis hin zur Risi- koüberwachung müssen die (inter- nen) Aufsichtsgremien eingebunden werden. Eine „neue“ Herausforde- rung ergibt sich hieraus insofern, als die mehr oder weniger regelmäßige Befassung der Aufsichtsorgane mit den angeschnittenen Themen nun (noch) stärker zu formalisieren ist, was wiederum durch die Banken- aufsicht überprüft werden muss.

Doch mit dieser prozessbezogenen Vorschrift wird nur dann ein mate- rieller Fortschritt erzielt, wenn die Kontrollorgane über ein hinreichen- des Know-how zur Auswertung der vom Management übermittelten In- formationen verfügen.

Die Vermutung liegt nahe, dass in diesem Punkt großer Nachhol- bedarf besteht – zwei Beispiele:

Betrachtet man die durchschnittli- che Struktur der Verwaltungsräte

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öffentlich-rechtlicher Kreditinsti- tute, so fällt der immer noch hohe Anteil von Vertretern der Politik auf;

bei zahlreichen genossenschaftli- chen, häufi g berufsständisch ge- prägten Banken dominieren bran- chenfremde Mitglieder. Nun soll an dieser Stelle nicht für eine staatlich festgelegte „Expertenquote“ in den Gremien plädiert werden. Vielmehr müssten neben den Anteilseignern vor allem die Vorstände ein Eigen- interesse an der Weiterqualifi zie- rung der bisherigen „Kontrolleure“

bzw. stärkeren Einbindung von externen Sachverständigen in die Kontrollorgane besitzen, denn da- durch erhielten sie einen deutlich fundierteren Rückhalt bei den ge- troffenen Entscheidungen.

Aber auch die kreditwirtschaft- lichen Verbände sind hier in der Pfl icht. Gerade wer häufi g und hef- tig nach staatlicher Deregulierung ruft, hätte hier einen sinnvollen Ansatzpunkt zur Selbstregulierung der Branche, etwa indem die an die jeweiligen Einrichtungen der Ein- lagensicherung zu entrichtenden Prämien auch von der Einschät- zung der Qualität des Kontrollor- gans abhängig gemacht würden.

Angesichts der Rettungsaktion allein für die IKB, bei der sektorü- bergreifend 3,5 Mrd. Euro bereit- gestellt wurden, sollte hierfür eine hinreichende Motivation gegeben sein.

Anreize zur Selbstregulierung Die nach den drei Basler Säulen geordneten Überlegungen machen deutlich, dass eine wie auch im- mer geartete „Verschärfung“ der Regulierung des Bankensektors nicht zielführend wäre. Eine Aus- weitung und Intensivierung der staatlichen Kontrolle würde nur dem Sich-Verlassen auf die Auf- sicht und damit einem „kollektiven Outsourcing“ der Monitoringakti- vitäten (weiter) Vorschub leisten.

Statt wie im Steinbrück-Plan die Eigenkapitalvorschriften pauschal für bestimmte Transaktionen und damit die Komplexität der Regeln weiter zu erhöhen, sollte eher das Zusammenspiel der Aufsichtsinst- rumente in den drei Säulen schär- fer konturiert und dabei die Anreiz- kompatibilität verbessert werden.

So wären z.B. längere Pausen zwi- schen den Vor-Ort-Prüfungen oder sogar Eigenkapitalentlastungen für diejenigen Banken denkbar, die besonders eingehend über ihre Ri- sikoposition publizieren und eine überdurchschnittlich hohe Exper- tise in ihren Kontrollorganen nach- weisen (bei allen dann auftauchen- den Messproblemen).

Statt neue oder strengere Re- geln zu entwickeln, müsste in die- sem Sinne an einer Entschlackung des Normenpakets gearbeitet wer- den, zumal BaFin Präsident Sanio selbst von einem „bürokratischen Monster“, einem „Regelungsknäu- el“ spricht, das „kaum zu entwirren – geschweige denn zu begreifen“

sei. Wenn aber „Regulierungswut (als) höchst ansteckende Krank- heit“, Überregulierung gar als „Ter- rorismus des neuen Jahrhunderts“

(ebenfalls Sanio) bezeichnet wird, dann muss – um glaubwürdig zu bleiben – durch Abbau von Staats- kontrolle der Selbstregulierung und damit dem Markt eine größere Chance gegeben werden.

Strategie und Organisation der Aufsicht

Dieses müsste im Übrigen der Kern einer wirklichen, materiellen Reform der Bankenaufsicht sein, vor der sich die Politik bislang drückt. Nicht die Frage, ob die BaFin nun von einem „Präsidium“

oder „Vorstand“ geleitet wird, ist vorrangig. Vielmehr muss in der jetzt beginnenden Diskussion über Basel III gefragt werden, welche Aufsichtsinstrumente zukünftig

Systemkrisen verhindern können;

erst dann lässt sich das institutio- nelle Arrangement ausloten: Struc- ture follows strategy.

Mit Blick auf die Organisation der Aufsicht ist erstens die in der aktuellen Krise um verbriefte Pro- dukte noch einmal deutlich gewor- dene Verfl echtung zwischen unter- schiedlichen Märkten – so denen für Kredite und Wertpapiere – zu berücksichtigen. Insofern ist eine integrierte Finanzmarktaufsicht wichtiger denn je. Die von der Bun- desregierung vorgesehene, noch stärkere Separation von Banken-, Versicherungs- und Wertpapier- aufsicht unter dem Dach der BaFin ist daher kaum sachgerecht.

Zweitens darf die Organisations- diskussion angesichts der eben- falls offenbar gewordenen, schnel- len geographischen Übersprungs- wirkungen von Finanzmarktstö- rungen nicht allein national geführt werden. Die geplante Adjustierung des Zusammenwirkens von BaFin und Bundesbank muss sich ein- binden in den Gesamtkontext einer noch zu schaffenden europäischen Aufsichtsinstitution.

Hier sollte – drittens – an eine Ansiedelung bei der EZB gedacht werden, muss sie doch auch im Rahmen ihrer Lender-of-last-re- sort-Funktion in Krisensituationen die notwendigen Liquiditätssprit- zen zur Verfügung stellen (bislang rund 300 Mrd. Euro). Für die Prü- fungstätigkeiten vor Ort könnte die EZB dann auf den „Unterbau“ der nationalen Notenbanken bzw. Auf- sichtsbehörden zurückgreifen.

Wenn die Finanzmarktkrise überhaupt einen positiven Aspekt besitzt, dann den, Grundsatzfra- gen der Bankenaufsicht aufzuwer- fen. Diese fundiert zu klären, ist wichtiger als politischer Aktionis- mus.

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D

as Bankgeschäft hat sich im Zuge der EU-Integration bzw.

im Rahmen der Eurozone und der globalen Finanzmarktintegration seit den 90er Jahren nochmals deutlich internationalisiert, was auf eine Verschärfung des Wett- bewerbs und eine verstärkte inter- nationale Vernetzung hinausläuft.

Andererseits ist auch das Anlage- feld für viele Banken komplexer geworden, was nach Strategien verlangt, die durch Informationen besser abgesichert sein müssen.

Von daher sind die Anforderungen an das Risikomanagement gestie- gen. Viele deutsche Banken haben, unter anderem getrieben von den geringen Wachstumsperspektiven in Deutschland, in der Niedrigzins- phase der vergangenen Jahre massiv außerbilanziell im Ausland Projekte realisiert bzw. in Projekte investiert und dabei auch Regulie- rungslücken genutzt. Während die EU und die USA noch über die Ba- sel-II-Umsetzung streiten, sind die Basel-II-Regeln schon als Lücken- bau erkannt, wobei unregulierte Hedge-Fonds als Teil der Gesamt- problematik gelten.

Der lang anhaltende Wirtschafts- boom in den USA reizte offenbar viele europäische Banken dazu, dort massiv zu investieren. Das ist im Kern eine normale Entwicklung, und für international erfahrene Pri- vatbanken stellten die USA seit vielen Jahren rentable Märkte dar.

Mit der zunehmenden Neigung zur Verbriefung von Krediten in den USA und der EU ist aber die Trans- parenz gesunken. Es ist die Prob- lematik entstanden, dass eine Fi- nanzsystemkrise nicht wie in einer

„normalen Bankenkrise“ durch die von den Regierungen und Noten-

banken organisierte Zusammenar- beit der größten Banken überwun- den werden kann. Die drohende Krise ist zudem kein nationales, sondern letztlich ein transatlanti- sches Problem.

Bankgeschäfte im internationalisierten Umfeld Zeitweise war der Interbanken- markt in der EU bzw. in den USA zusammengebrochen. Dadurch entstand eine Vertrauenskrise, weil nicht bekannt war, welche Bank welche Risiken in den Büchern hat- te. Daraus ergeben sich wichtige Fragen nach den Bilanzstandards – sie sind offenbar schwach – und der Qualität der Bankenaufsicht.

Der normalerweise auf eine Laufzeit von zwei bis drei Monaten angelegte Markt der Commercial Papers, mit dem sich viele Ban- ken und Unternehmen über Jahre günstig refi nanziert haben, ist im September 2007 kollabiert: Mittler- weile liegen die Laufzeiten unter ei- ner Woche. Da viele Banken große Kreditlinien an manchen Conduit bzw. an Zweckgesellschaften ver- geben haben, die im Spätsommer wegen des Zusammenbruchs des Commercial-Paper-Marktes gezo- gen wurden, kommen nun Bank- anleihen mit hohen langfristigen Zinssätzen auf den Markt. Denn dort, wo die Banken selbst in die Finanzierung eintreten, müssen sie eine vernünftige Refi nanzie- rung suchen. Im Übrigen stieg der kurzfristige Geldmarktsatz, der vor der Krise bei 4,2% lag, bis Ende September auf 4,8%, was faktisch einer Zinserhöhung durch die EZB um über einen halben Prozent- punkt entspricht.

Viele Banken haben Papiere in der Bilanz, deren Bewertung unklar ist. Dies läuft auf eine Wertberich- tigung hinaus: Die meisten Banken wollen diese Papiere erst gar nicht verkaufen bzw. eine Marktpreis- bildung zulassen, da ein markt- mäßig sichtbarer Preisabschlag zu einer entsprechenden Bilanzie- rung zwänge: Damit bleiben viele Papiere illiquide bzw. müssen bis zur Endfälligkeit gehalten werden.

Der Anstieg des Geldmarktsatzes wird in der Eurozone binnen we- niger Monate in gut der Hälfte der Immobilienkredite Wirkung zeigen, wobei Spanien, Portugal und Grie- chenland an der Spitze stehen, wenn es um die Höhe des Anteils variabel verzinslicher Kredite geht;

Deutschland hat hier einen gerin- gen Anteil zu verzeichnen. Erhöhte Zinssätze werden mittelfristig zu einem Einbruch beim Konsumen- tenvertrauen bzw. der Konsum- nachfrage führen, zudem werden die Banken weniger Kredite an die Unternehmen vergeben. Mittelfris- tig droht ein Investitionseinbruch.

Die Zentralbanken werden noch über Jahre mit ungewohnt großen Kurzfristkrediten die Liquiditätsnö- te der Bankenwelt in den USA und der EU abfedern müssen, was als Sonderphase der Geldpolitik gel- ten muss.

Vielfach wurden langfristige Kredite für US-Projekte außerhalb der Bankbilanz über Zweckgesell- schaften im Ausland vergeben, wobei diese mittel- und langfristi- ge Verbriefungsprodukte aus dem US-Immobilien-Kreditmarkt kauf- ten und bei der Finanzierung häu- fi g auf kurzfristige Commercial Pa- pers setzten. Die oft mit wenigen 1000 Euro Eigenkapital unterlegten

Paul J. J. Welfens

Reform der Bankenaufsicht – ein internationales Politikthema

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