Curriculum Ernährungsmedizin
Bisher kaum Veranstaltungen an medizinischen Fakultäten
• 111 ■■■ 111111111MiL
THEMEN DER ZEIT
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Morbidität und Mortalität der Bevölkerung sind wesentlich von Er- krankungen abhängig, zu deren Pro- phylaxe und/oder Therapie ernäh- rungsmedizinische Strategien einen erheblichen Beitrag leisten können (1). Als Beispiel seien Herzkreislauf- erkrankungen sowie Tumorleiden genannt. Der Einsatz ernährungsme- dizinischer Maßnahmen zur Prophy- laxe und Therapie dieser Erkrankun- gen ist deswegen eine wichtige ärztli- che Aufgabe. Da ernährungsmedizi- nische Inhalte in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung kaum eine Rolle spielen (2, 3), ist die Ärzteschaft zur Wahrnehmung dieser Aufgabe nicht optimal vorbereitet.
Die Bundesärztekammer hat verschiedene Initiativen zur Verbes- serung der Situation ergriffen und die Deutsche Gesellschaft für Er- nährungsmedizin (DGEM) gebeten, daran mitzuwirken. Als erstes Ergeb- nis dieser Mitarbeit wurde Ende 1991 der Bundesärztekammer von der DGEM das „Curriculum Ernäh- rungsmedizin" übergeben. Ihre Empfehlung dazu lautete, Ernäh- rungsmedizin als Lehr- und Prü- fungsfach in das Medizinstudium zu integrieren.
Lehrangebot der Fakultäten
An acht von 24 Medizinischen Fakultäten der Altländer der Bun- desrepublik wurden 1990 keine er- nährungsmedizinischen Veranstal- tungen angeboten. Soweit Vorlesun- gen im Vorlesungsverzeichnis aufge- führt waren, handelte es sich nur um Themen zu ernährungsmedizini- schen Teilaspekten im Rahmen frei- williger Veranstaltungen von Abtei- lungen für Anästhesie, Chirurgie, In- nere Medizin oder Pädiatrie. Die ge-
Peter Schauder
Günter 011enschläger Gunther Wolfram
ringe Akzeptanz freiwilliger Veran- staltungen bei den durch Pflichtver- anstaltungen stark beanspruchten Studenten ist bekannt. Gemessen am publizierten Vorlesungsangebot sind die Medizinischen Fakultäten nicht in der Lage, einen grundlegenden Beitrag zur flächendeckenden Ver- sorgung mit ernährungsmedizinisch qualifizierten Ärzten zu leisten.
Definition des Begriffs
„Ernährungsmedizin"
Um ein praxisorientiertes Lehr- angebot zu strukturieren, ist es not- wendig, den Begriff „Ernährungsme- dizin" zu charakterisieren. Ernäh- rungsmedizin beinhaltet:
• die Aufklärung von Zusam- menhängen zwischen Ernährung und Krankheit,
• die Anwendung wissenschaft- lich abgesicherter Ernährungsmaß- nahmen zur Prophylaxe ernährungs- bedingter Erkrankungen oder zur Therapie krankheitsbedingter Er- nährungsstörungen,
• die Verbesserung bestehen- der und die Entwicklung neuer ernährungsmedizinischer Behand- lungsstrategien.
Die wissenschaftlich abgesicher- ten ernährungsmedizinischen Strate- gien reichen von der Ernährungsbe- ratung über den Einsatz von Diäten bis hin zur künstlichen enteralen oder parenteralen Ernährung. Er- nährungsmedizin ist ein interdiszipli- näres, medizinisches Fachgebiet,
welches nicht identisch mit Ernäh- rungsphysiologie oder allgemeiner Ernährungswissenschaft ist.
über die Bedeutung des Begriffs
„Ernährungsmedizin" bestehen Un- klarheiten. Sie äußern sich am häu- figsten darin, daß Teilaspekte, zum Beispiel die Diätetik, mit dem Ge- samtgebiet gleichgesetzt werden.
Auch Bezeichnungen wie „Natur- heilverfahren" belegen diese Unklar- heiten. In Deutschland werden jähr- lich hunderttausende Patienten in Kliniken, zunehmend aber auch zu Hause, künstlich enteral oder paren- teral ernährt. Künstliche Ernährung ist kein Naturheilverfahren.
„Curriculum Ernährungs- medizin" der DGEM
Unter dem Gesichtspunkt, einen praxisorientierten Unterricht anzu- bieten, ist es sinnvoll, die Vorlesun- gen auf die beiden ersten Bereiche zu konzentrieren, die bei der Defini- tion des Begriffs „Ernährungsmedi- zin" aufgeführt sind. Hier sollte der Schwerpunkt bei der Anwendung wissenschaftlich abgesicherter Maß- nahmen zur Prophylaxe und Thera- pie liegen. Dies ist auch angesichts der Stoffülle angemessen, mit der Medizinstudenten während ihres Studiums konfrontiert sind.Das Curriculum enthält eine de- taillierte Auflistung praxisorientier- ter Lehrinhalte zu folgenden Berei- chen:
• Pathobiochemie der Ernäh- rung;
• Pathogenese ernährungsmit- bedingter Erkrankungen und krank- heitsbedingter Fehlernährung;
Prinzipien und Durchführung der Prophylaxe ernährungsmitbe- dingter Erkrankungen;
Prinzipien und Durchführung der Therapie krankheitsbedingter Ernährungsstörungen.
Allerdings ist es wünschenswert, auch die zum Beispiel mit Tracer- techniken oder molekularbiologi- schen Strategien erarbeiteten Grundlagen insoweit zu behandeln, als sie zum besseren Verständnis der empfohlenen Maßnahmen beitra- gen. Auch solche Inhalte sind im Curriculum aufgeführt.
A1 -3134 (52) Dt. Ärztebl. 89, Heft 39, 25. September 1992
Medizin im Bild der Medien
Winfried Göpfert Einfache Medienvvirkungsmodelle haben heute keine Gültigkeit mehr: Modelle, die davon ausgehen, daß einer gegebenen Infor- mation eine entsprechende Einstellungsveränderung folgt und daß diese sogar zu einer entsprechenden Verhaltensänderung beim Rezipienten führt. Meinungsbildung, soziale Lernprozesse und die Herausbildung eines stabilen Verhaltens sind hochkomplexe Vor- gänge, die vielfachen Einflüssen unterliegen. Dabei sind die medial vermittelten Informationen oder Anregungen nur ein Mosaikstein- chen unter vielen anderen. Thesen und Postulate eines Medizin- und Wissenschaftsjournalisten, die beim 40. Internationalen Fortbil- dungskongreß der Bundesärztekammer und der Österreichischen Ärztekammer in Davos/Schweiz zur Diskussion gestellt wurden.
Die Initiative der Bundesärzte- kammer hat dazu geführt, daß nun intensiv darüber nachgedacht wird, wie die ernährungsmedizinische Ausbildung der Medizinstudenten verbessert werden kann. Im Som- mersemester 1992 wurden an der Freien Universität Berlin sowie an der Georg-August-Universität Göt- tingen erstmals interdisziplinäre Vorlesungen in Ernährungsmedizin stattfinden, die auf den Inhalten des Curriculums basieren. An den Vor- lesungen beteiligen sich Internisten, Chirurgen, Anästhesisten, Pädiater und Biochemiker Die DGEM be- müht sich, ähnliche Vorlesungen für das Wintersemester 1992/93 an allen Medizinischen Fakultäten in Deutschland zu organisieren.
Zukunftsperspektiven
Das Curriculum wurde den De- kanen aller Medizinischen Fakultä- ten mit der Bitte um konstruktive Kritik zur Verfügung gestellt. Eine substantielle Verbesserung des er- nährungsmedizinischen Wissens der Medizinstudenten ist nur dann zu er- warten, wenn Ernährungsmedizin obligates Lehr- und Prüfungsfach wird. Wann sich die Universitäten zu einem derartigen Schritt durchrin- gen, ist schwer voraussehbar.In Fortführung ihrer Bemühun- gen, die ernährungsmedizinische Versorgung der Bevölkerung zu ver- bessern, werden Bundesärztekam- mer und DGEM deswegen ein ge- meinsames Konzept zur ernährungs- medizinischen Fortbildung bereits praktizierender Ärzte entwickeln.
Literatur
1. Häußler, A.; Rehm, J.; Naß, E.; Kohlmeier, L.: Ernährung, Krankheit, Gesundheit — Wechselwirkungen. Bundesgesundhbl. 33 (1990) 94-96
2. 011enschläger, G.: Ernährungsverhalten und ernährungsbedingte Erkrankungen. Akt Er- nähr Med. 16 (1991) 314 —315
3. Schauder, P. Ernährungsmedizin: Herausfor- derung und Chance. Deutsches Ärzteblatt 88 (1991) A 3300-3302 (Heft 40)
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Peter Schauder Medizinische Klinik der
Georg-August-Universität Göttingen Robert-Koch-Straße 40
W-3400 Göttingen
Die Zeiten, in denen die Fern- seh-Gesundheitsmagazine Einschalt- quoten erzielten, die sich mit denen von großen Unterhaltungssendungen messen konnten, sind vorbei. Das Medienangebot ist schier unüber- schaubar geworden. Großangelegte Kampagnen oder Illustriertenserien unterliegen dem Wettkampf mit ei- ner vielfältigen Konkurrenz.
Das Wort hat keine lange Halb- wertzeit mehr, es geht unter im Wortgeklingel. Die Qualität des Wortes ist mit der zunehmenden Konkurrenz nicht gestiegen, sondern eher abgefallen.
Die (seriösen) Medizinpublizisten
Gute Medizinberichterstattung muß drei Bedingungen erfüllen: 1.
Der Nachrichtenwert muß stimmen.
Neuigkeitswert und Nutzwert müs- sen erkennbar sein. 2. Die Botschaft muß glaubwürdig sein, das heißt sie muß überprüfbar und haltbar sein, sie darf, wie es der Pressekodex vor- schreibt, nicht Angst machen oder fal- sche Hoffnungen wecken, und sie muß
drittens verständlich sein, das heißt, sie muß auch komplexe Dinge in ei- ner den Menschen angemessenen Sprache vermitteln. Die Fachverbän- de der Medizinjournalisten bemühen sich durch Diskussion in den eigenen
Reihen, derartige Standards zu for- mulieren und einzuhalten.
Die (seriösen) Ärzte
Ärzte haben es zunächst einfa- cher. Die Ausbildung ist einheitlich geregelt, für die Fortentwicklung der Disziplin gelten die Regeln der„scientific community". Neue Er- kenntnisse müssen in Fachzeitschrif- ten publiziert und von anderen Gruppen reproduziert werden kön- nen, bevor eine neue These als wis- senschaftlich gesichert gelten kann.
Aber wir alle wissen, ärztliche Heil- kunst beruht nicht nur auf gesicher- ten Erkenntnissen, viele Wege füh- ren zum Heil, die Meinungen gehen oft weit auseinander. Auch hierfür wurden Berufsverbände und Fachge- sellschaften geschaffen, die Stan- dards definieren und versuchen, sie für alle festzulegen.
Ärzte und
Medizinjournalisten
■IMMII■16
Dort, wo sich Interessen treffen, ist Zusammenarbeit möglich. Wo sich gemeinsame Ziele definieren lassen, ist Interessenbündelung ge- fordert. Ärzte und Medizinjournali- sten sind an ähnlichen Zielen inter- essiert, ihre Interessen berühren Dt. Ärztebl. 89, Heft 39, 25. September 1992 (55) A1-3137