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Vogel, T. (2015). Instrumente zur Eingrenzung der Zersiedelung im Kanton Aargau. Erfahrungen im Rahmen der Umsetzung der ersten Teilrevision des Raumplanungsgesetzes. In Eidgenössische Forschungsanstalt WSL (Ed.), WSL Berichte. Von der Siedlungsentwicklu

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WSL Berichte, Heft 33, 2015

Forum für Wissen 2015: 65–68 65

Instrumente zur Eingrenzung der Zersiedelung im Kanton Aargau

Erfahrungen im Rahmen der Umsetzung der ersten Teilrevision des Raumplanungsgesetzes

Tobias Vogel

Kanton Aargau, Raumentwicklung, Grundlagen und Kantonalplanung, Entfelderstrasse 22, CH-5001 Aarau, tobias.vogel@ag.ch

Am 23. März 2015 hat der Grosse Rat des Kantons Aargau das Richtplan-Anpas- sungspaket «Siedlungsgebiet» zur Umsetzung der ersten Teilrevision des Raum- planungsgesetzes (RPG 1) beschlossen. Damit wurde der rund vierjährige Prozess zu einer neuen Gesamtlösung des Siedlungsgebietes in der Aargauer Richtpla- nung abgeschlossen. Auf die wesentlichsten Inhalte von RPG 1, deren Auswirkun- gen auf die Aargauer Raumplanung und auf die Erfolgsfaktoren zur Umsetzung wird im vorliegenden Artikel näher eingegangen.

1 Ausgangslage

1.1 Erste Teilrevision des

Raumplanungsgesetzes (RPG 1) Am 3. März 2013 hat das Schweizer Stimmvolk der ersten Teilrevision des Raumplanungsgesetztes (RPG 1) mit einem gesamtschweizerischen Ja- Stimmen-Anteil von 64 Prozent zuge- stimmt.

Aus einer Reihe von neuen Bestim- mungen des revidierten Raumpla- nungsgesetzes stechen aus Sicht der kantonalen Richtplanung zwei Artikel besonders heraus:

– Artikel 8a (Richtplaninhalt im Bereich Siedlung) schreibt unter anderem vor, dass der Richtplan neu Festlegungen (verbindliche Aussagen) zur Gesamtgrösse und Verteilung der Siedlungsfläche ent- halten muss.

– Artikel 38a (Übergangsbestim- mungen) erlässt in einem Kanton einen faktischen Einzonungsstopp, bis zum Zeitpunkt, zu dem er sei- nen Richtplan im Sinne von RPG 1 angepasst hat.

1.2 Handlungsbedarf für den Kanton Aargau

In den bisherigen Aargauer Richtplä- nen entsprach das Siedlungsgebiet den auf kommunaler Stufe ausgeschiede- nen Bauzonen. Festlegungen wo und in welchem Ausmass das Siedlungs- gebiet erweitert wird, fehlten. Anpas-

sungen am Siedlungsgebiet im kanto- nalen Richtplan erfolgten durch Fort- schreiben der auf kommunaler Stufe beschlossenen Einzonungen. Die Rolle des Kantons beschränkte sich dadurch weitgehend auf das einzelfallweise Nachvollziehen der kommunalen Pla- nungen.

Aussagen zur Gesamtfläche des Sied- lungsgebiets im Richtplanhorizont (ex ante), wie sie nach RPG  1 Artikel 8a verlangt werden, waren nicht mög- lich. Die Gesamtfläche ergab sich erst im Nachhinein aus der Summe aller Einzelanpassungen. Ebenso fehlten in der alten Systematik Vorgaben, wo die Siedlungsentwicklung erfolgen soll.

Sie erfolgte schlicht dort, wo dies die Gemeinden wünschten.

Diese einzelfallweisen Siedlungsge- bietserweiterungen im Richtplan ohne Gesamtsicht stand nach RPG  1 im Widerspruch zu den Bundesvorgaben von Artikel 8a RPG, und es gilt in allen Gemeinden des Kantons Aargau der faktische Einzonungsstopp gemäss den Übergangsbestimmungen von Artikel 38a RPG.

Die Widersprüche zum Bundesrecht waren derart grundlegend, dass eine umfangreiche Anpassung am Richt- plan vorgenommen werden musste: das Richtplankapitel S 1.2 Siedlungsgebiet wurde vollständig überarbeitet und das Richtplankapitel S 1.9 Wohnschwer- punkte wurde neu erstellt. Weiter gab es punktuelle Anpassungen an den Kapiteln G 4 Anpassungen des Richt- plan und R 1 Raumkonzept Aargau.

2 Bedeutung der Umsetzung RPG 1 auf die Planungs- ebenen

2.1 Kantonale Richtplanung

Der kantonale Richtplan legt neu im Sinne von Artikel 8a RPG fest, wo und in welchem Ausmass die weitere Sied- lungsentwicklung erfolgen soll. Durch diese räumliche und quantitative Fest- legung des Siedlungsgebiets wird ein integraler Teil des kantonalen Raum- konzepts umgesetzt, und der Richt- plan kann seine Funktion als zentra- les Führungsinstrument zur Steue- rung der räumlichen Entwicklung und zur Abstimmung der raumwirksamen Tätigkeiten besser entfalten. Der Stel- lenwert der kantonalen (Richt-)Pla- nung ist dadurch im Zuge der Umset- zung von RPG  1 wesentlich angestie- gen.

2.2 Kommunale Nutzungsplanung Durch die neuen Festlegungen im kantonalen Richtplan werden den Gemeinden nun klare Rahmenbedin- gungen und Vorgaben gesetzt, die sie in der Nutzungsplanung berücksichtigen müssen: Die meisten Gemeinden (180) verfügen über beträchtliche Innenent- wicklungsreserven und genügend gros- se Bauzonen, so dass Neueinzonungen in den nächsten 25 Jahren kein Thema sein werden. Lediglich in 28 Gemein- den wurde das bestehende Siedlungs- gebiet erweitert (Abb. 1). Diese 28 Gemeinden können bei nachgewiese- nem Bedarf Einzonungen vornehmen, allerdings ausschliesslich in den in der Richtplangesamtkarte bezeichneten Gebieten (vgl. Abb. 2).

Für die Gemeinden ging die Umset- zung von RPG 1 einher mit der Abkehr von einer langjährigen Praxis des ein-

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WSL Berichte, Heft 33, 2015 als ein entscheidender Erfolgsfaktor im Rahmen der Umsetzung von RPG 1 dar. Die Richtplanvorlage wurde von allen relevanten Akteuren (Gemein- den, Parteien, Verbände) mitgetragen und vom Grossen Rat am 24. März 2015 einstimmig (115:0) beschlossen.

Auf den breiten Einbezug der Betrof- fenen sowie auf weitere Erfolgsfak- toren wird im Folgenden etwas näher eingegangen.

ver in den Prozess einzubeziehen sind, als das üblicherweise bei Richtplanan- passungen der Fall ist. Der Verfahrens- schritt Vernehmlassung und Anhörung/

Mitwirkung fand in zwei Durchgängen statt: einer informellen Zusammenar- beitsphase und einer offiziellen Ver- nehmlassung. Der ganze Verfahrens- schritt dauerte insgesamt über ein Jahr.

Der Entscheid zu diesem aufwändi- gen Schritt stellte sich im Nachhinein zelfallweisen Vollzugs der kommuna-

len Bedürfnisse. Das entspricht einem beträchtlichen Kompetenz- und Auto- nomieverlust.

3 Prozess der Umsetzung von RPG 1 im Aargau

3.1 Das ordentliche Richtplan- verfahren

Anpassungen des Richtplans erfol- gen gemäss einem geregelten Verfah- rensablauf (Abb. 3). Im Verfahrens- schritt Vernehmlassung und Anhö- rung/Mitwirkung ist der Einbezug der Bevölkerung und weiterer Betroffener vorgesehen. Abgeschlossen wird das Verfahren durch einen Beschluss des Grossen Rats (Legislative).

3.2 Das Richtplanverfahren zur Umsetzung von RPG 1

Wie oben ausgeführt, stellten die nöti- gen Anpassungen am Richtplan für den Kanton Aargau einen Paradigmen- wechsel in der Raumplanung dar. Die Tragweite dieser Änderungen und die damit verbundene Verschiebung von Kompetenzen auf die kantonale Ebene stellte eine grosse Herausforderung für den Umsetzungsprozess dar.

Aus diesem Grund hat sich der Kan- ton Aargau entschlossen, dass die betroffenen Gemeinden und Regional- planungsverbände enger und intensi-

Abb. 1. Festlegungen von Siedlungsgebiet und Wohnschwerpunk- ten (WSP) im Richtplan.

Abb. 2. räumliche Festlegung von Siedlungsgebiet in der Richtplan- karte (rot umrandetes Gebiet Nr. 29).

Abb. 3. Verfahrensschritte einer ordentlichen Richtplananpassung.

Rechtliche Grundlage Verfahrensschritte

(für Festsetzungen und Zwischenergebnisse)

Begehren um Anpassung des Richtplans durch Gemeinde, Replas, Grossen Rat usw.

Genehmigung durch Bund oder Mitteilung an Bund Beschluss durch Grossen Rat Botschaft des Regierungsrats

an den Grossen Rat Bereinigung

Vernehmlassung, Anhörung / Mitwirkung Erstellung Entwürfe durch Regierungsrat Art. 9 Abs. 2 und 3 RPG

Art. 12 Abs. 1 RPG

Art. 11 Abs. 1 RPG Art. 11 RPV

§ 9 Abs. 4 BauG Art. 4 RPG

§ 66 KV, § 3 BauG

§ 9 Abs. 1 BauG

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WSL Berichte, Heft 33, 2015

onalplanungsbüros und mit Begleitung der ARE zwei bis drei Informations- veranstaltungen und Workshops statt.

Aufgrund der über 400 Anträge auf Anpassungen konnten bereits in die- ser frühen Phase grundsätzliche und grosse Stolpersteine der Vorlage eru- iert, in vertraulichem Rahmen fachlich ausdiskutiert und bereinigt werden. So wurde zum Beispiel erkannt, dass sich in den ländlichen Räumen eine brei- te Opposition gegen die Mindestdich- ten und gegen die relativ restriktiven Regelungen zu den Arbeitsplatzge- bieten bildete. Diese Opposition hät- te die gesamte Vorlage zum Scheitern bringen können. Ein frühzeitiges gerin- ges Anpassen führte dazu, dass die Bedürfnisse der ländlichen Gemein- den berücksichtigt werden konnten.

Im Rahmen des offiziellen und öffent- lichen Vernehmlassungsverfahrens und auch später in der Debatte im Grossen Rat bestand zu diesen beiden Kern- punkten der Vorlage breite Akzeptanz.

verbände delegiert. Die Begleitgrup- pe setzte sich zusammen aus wichtigen Persönlichkeiten aus der Politik, den Regionalplanungsverbänden und den Gemeinden. Neben inhaltlichen Fra- gen wurde die Begleitgruppe auch kon- sultiert, um Fragen zur Zusammenar- beit mit den Planungsverbänden und Gemeinden zu klären.

Zusammenarbeit statt «nur» Mitwir- kung

Gegenüber dem ordentlichen Verfah- rensablauf bei Richtplananpassungen wurde dem Verfahrensschritt Vernehm- lassungen und Anhörung/Mitwirkung eine informelle Zusammenarbeits- phase vorgeschaltet: Die Regionalpla- nungsverbände und deren Gemeinden hatten während rund eines halben Jah- res die Möglichkeit, erste Grobentwür- fe der Abteilung Raumentwicklung (ARE) zu beurteilen und weiterzuent- wickeln. In dieser Zeitspanne fanden in allen Regionen unter Leitung der Regi-

4 Erfolgsfaktoren für die

Umsetzung

Zur erfolgreichen Umsetzung von RPG 1 im kantonalen Richtplan waren verschiedene Faktoren ausschlagge- bend.

4.1 Interne Erfolgsfaktoren

Als interne Erfolgsfaktoren gelten hier Faktoren, die der Kanton direkt beein- flussen konnte. Erwähnenswert sind insbesondere:

Früher und direkter Einbezug der Betroffenen

Um die Hauptstossrichtungen der neu- en Regelungen zum Siedlungsgebiet zu definieren, wurde zu einem frühen Zeitpunkt eine Begleitgruppe in den Prozess einbezogen. Die Mitglieder dieser Begleitgruppe wurden durch die Konferenz der Regionalplanungs-

Abb. 4. Auszug aus der Broschüre zur Illustration der Mindestdichten.

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WSL Berichte, Heft 33, 2015 Schlechte Ausgangslage als Chance Die bisherigen Regelungen im Richt- plan zum Siedlungsgebiet standen ein- deutig und grundsätzlich im Wider- spruch zum revidierten RPG. Ein punktuelles Anpassen der bestehenden Regelung stand als Option nicht zur Verfügung. Der grosse Handlungsbe- darf konnte dadurch als Chance wahr- genommen werden, grundsätzliche und planerisch sinnvolle Regelungen zu fin- den.

5 Weiterführende Informationen

Umfassende Unterlagen zum Anpas- sungspaket «Siedlungsgebiet» des Richtplans zur Umsetzung des Bun- desgesetzes über die Raumplanung (inklusive Berechnungen und Broschü- re zur Illustration der Mindestdichten) sind über die Geschäftsdatenbank des Grossen Rats öffentlich zugänglich:

www.ag.ch/grossrat/iga_grw_ges.Php?

GesNr=911144&Abf DetailNew=1 Komplexe Inhalte einfach vermitteln

In der Zusammenarbeitsphase wurde offensichtlich, dass die Mindestdich- ten (Anzahl Einwohnende pro Hekta- re) eine komplexe und wenig fassbare Grösse darstellen. Diskussionen über Mindestdichten waren deshalb nur schwer möglich. Um fundierte Diskus- sionen über die Mindestdichten, einer absolut zentralen Schlüsselgrösse für die Berechnung der Gesamtfläche des Siedlungsgebiets, zu ermöglichen, war das «Übersetzen» und Fassbarmachen dieser Grösse eine zwingende Voraus- setzung.

Mit einer grafisch ansprechend aufbe- reiteten und allgemein verständlichen Illustration der Mindestdichten (vgl.

Abb. 4) ist es gelungen, die komple- xe Grösse auf einfache und anschau- liche Art und Weise zu vermitteln.

In Zusammenarbeit mit (Miliz-)Poli- tikerinnen und Politikern und der breiten Öffentlichkeit hat sich diese Illustration als ein zentraler Erfolgs- faktor herausgestellt. Sie ist wohl des- wegen das einzige (Neben-)Produkt der gesamten Richtplanvorlage, das bis heute aktiv zur Kommunikation mit den Gemeinden eingesetzt wird.

4.2 Externe Erfolgsfaktoren

Als externe Erfolgsfaktoren gelten Faktoren, die vom Kanton Aargau nicht direkt beeinflusst werden konn- ten. Darunter fallen unter anderem:

Vorgaben des Bundes

Die Rahmenbedingungen zur Umset- zung wurden zu einem beträchtlichen Teil durch den Bund geprägt. Einer- seits wurde vorgegeben, in welchen Bandbreiten sich die Eingangsgrössen für die Berechnung der Siedlungsfläche zu bewegen haben (Technische Richtli- nien Bauzonen [TRB], Mindestdichten, Bevölkerungsprognosen). Andererseits schränkte beispielsweise der Sachplan Fruchtfolgeflächen des Bundes den Handlungsspielraum des Kantons ein.

Zudem hat sich herausgestellt, dass die Übergangsbestimmungen von Artikel 38a RPG und das damit verbundene Einzonungsmoratorium bewirkte, dass breites Interesse bestand, möglichst schnell über einen bundesrechtskon- formen Richtplan zu verfügen, um wie- der vom Bund unabhängig handlungs- fähig zu werden.

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