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Archiv "Glukokinase-Defekte bei Patienten mit jugendlichem, nicht insulinabhängigem Diabetes mellitus (MODY)" (21.10.1994)

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Glukokinase-Defekte bei

Patienten mit jugendlichem, nicht insulinabhängigem

Diabetes mellitus (MODY)

Markus Stoffel Graeme I. Bell

Der klassische Diabetes mellitus (NIDDM) ist durch eine hyperglykämi- sche Stoffwechsellage gekennzeichnet, die häufig zusammen mit einer Adipo- sitas, Dyslipoproteinämien oder einer arteriellen Hypertonie auftritt. Der NIDDM manifestiert sich gewöhnlich ab dem 45. Lebensjahr und wird durch eine Insulinresistenz sowie einer Insu- linsekretionsstörung verursacht. Der Diabetes ist eine genetisch heterogene Erkrankung. Wahrscheinlich müssen mehrere Diabetes-Gene der Insulin- Zielorgane und der Insulin-produzie- renden (3-Zellen zusammenkommen, damit die genetische Anlage des Dia- betes gegeben ist. Eine Sonderform des NIDDM, der jugendliche, nicht in- sulinabhängige Diabetes, tritt im Kin- des- oder Jugendalter auf und ist durch Insulinsekretionsstörungen und fehlende Insulinresistenz charakteri- siert. Die Aufklärung der Gendefekte dieses Diabetestyps wird einen ent- scheidenden Beitrag für unser patho- physiologisches Verständnis der Insu- Iinsekretionsstörungen leisten.

Howard Hughes Medical Institute, Research Laboratories The University of Chicago

D

er Diabetes mellitus ist eine der häufigsten Stoffwechsel- erkrankungen. Etwa fünf bis zehn Prozent der Weltbevöl- kerung entwickelt einen nicht insu- linpflichtigen Typ-Il-Diabetes mel- litus (NIDDM). Auf Grund seiner Spätkomplikationen, der progressi- ven Mikro- und Makroangiopathien im kardialen, renalen, okulären und zentralnervösen Gefäßsystem trägt der NIDDM ab dem mittleren Le- bensalter erheblich zur Morbidität und Mortalität bei.

Das komplizierte Zusammen- spiel von Umwelteinflüssen und ge- netischen Faktoren sowie die ausge- prägte Heterogenität des Typ II Diabetes haben es in der Vergan- genheit fast unmöglich gemacht, primäre pathogenetische Defekte von Sekundärfolgen der diabeti- schen Erkrankung zu unterschei- den. Genetische Untersuchungen versprechen am ehesten, diese komplexen pathophysiologischen Zusammenhänge in den nächsten Jahren aufzudecken.

Obwohl der NIDDM keinem einfachen Mendelschen Verer- bungsmodus folgt, weisen hohe Konkordanzraten bei monozygoten Zwillingen (1), ein gehäuftes fami- liäres Vorkommen (10) sowie unter- schiedliche Prävalenzraten in ver- schiedenen ethnischen Bevölke- rungsgruppen auf einen starken ge- netischen Einfluß in der pathogene- tischen Kausalkette hin, die zur Entwicklung eines Diabetes melli- tus führt. Eine Untergruppe des NIDDM, der jugendliche, nicht in- sulinabhängige Diabetes mellitus oder MODY (maturity onset diabe- tes of the young), zeichnet sich durch einen streng autosomal-do-

minanten Erbgang aus und manife- stiert sich gewöhnlich vor dem 25.

Lebensjahr. Die Vererbung dieses Diabetes-Typs ist monogen und sie besitzt eine hohe Penetranz (5).

DNA-Proben von klinisch gut cha- rakterisierten Stammbäumen sind zugängig. Damit sind die Vorausset- zungen für die Erforschung der Pa- thogenese des jugendlichen, nicht insulinabhängigen Diabetes melli- tus als einer Form des NIDDM auf humangenetischer und molekular- biologischer Ebene gegeben.

Genetik des NIDDM

Klinische, genetische und Stoff- wechseluntersuchungen lassen beim MODY auf eine heterogene Er- krankung mit wenigen, verschieden wirksamen Gendefekten schließen.

Die große Zahl von inzwischen be- kannten polymorphen Markern im humanen Genom haben es in letz- ter Zeit möglich gemacht, die Loka- lisation zweier verschiedener MO- DY-verursachender Gene aufzu- decken. Genetische Untersuchun- gen einer großen amerikanischen MODY-Familie deutscher Her- kunft deckten eine Kopplung der Erkrankung mit einem Mikrosatel- litenmarker in der Nachbarschaft des ADA (Adenosin-Deaminase Gen) auf dem Chromosom 20q auf (2). Trotz einer groben chromoso- malen Lokalisierung ist das verant- wortliche Gen bislang noch nicht identifiziert worden. Ein weiterer MODY-Locus wurde mit DNA Po- lymorphismen im Glukokinase-Gen auf dem Chromosom 7p aufge- deckt. Diese polymorphen Marker zeigten eine genetische Kopplung

(2)

Aktivität

Mutation Vil,. (U/mg) Kn, (mM)-Glukose Km (mM)-ATP

Natives Enzym G175R

V182M V203A T228M E256K G261R G299R E300K E3000 L309P

100 ± 8 51 ± 51 49 ± 61 0.5 ± 0.41 0.4 ± 0.031 0.25 ± 0.021 5- 0.51

0.31 33 ± 31 100 ± 8 0.98t

8 ± 2 39 ± 121 70 ± 100 ± 201 10 ± 2 2.4 ± 2.0 2.5 ± 2.1 3.1 ± 2.1 25 ± 41 20 ± 1.2 2.2 ± 1.9

0.15 ± 0.18 0.10 ± 0.03 0.20 ± 0.15 0.20 ± 0.05 0.20 ± 0.17 0.20 ± 0.13 0.20 ± 0.10 0.15 ± 0.10 0.14 ± 0.03 0.19 ± 0.04 0.13 ± 0.10 Tabelle: Enzymatische Eigenschaften von Mutationen im menschlichen Glukokinase-Gen

t zeigt Vmax und Km Werte, die sich signifikant von der nativen 13-Zell-Glukokinase unter- scheiden.

MEDIZIN AKTUELL

Exon la 1b 1c 2 3 4

5 6 7 8 9

10

E7OK Q98X S131P G175R V203A K161+2 V182M

de115 A188T

T228M G299R E256K E3000 W257R E300K G261R L309P E265X

E279X E2790 G227-2A-›T

K414E S418-1G--•C

f3- Zell - Leber- Promotor Promotor

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Glukokinase-Gens und seiner Mutationen bei Patienten mit ju- gendlichem, nicht insulinabhängigem Diabetes mellitus. Spezifische ß-Zell- und Leber-Promotoren und die Vorgänge des mRNA-Splicing, die zur Synthese der ß-Zell- (rot) und Leber- (grün) spezifischen Transkripte führen. Die Exons 1 a, 1 b und 1 c kodieren für die 15, 16, oder 14 NH,-terminalen Aminosäuren der ver- schiedenen Glukokinase-Isoformen. Die ß-Zell- (1 a) und Leber- (1 b und 1 c) Isoformen haben daher eine entsprechend unterschiedliche Größe von 465, 466 und 464 Aminosäuren. Die Mutationsorte beziehen sich auf die Aminosäurensequenz der ß-Zell-lsoform. Die Aminosäuren sind in Einzelbuchstabenabkürzungen an- gegeben. Die Mutationen können folgendermaßen gelesen werden: E7OK bedeutet, daß die Aminosäure Glutaminsäure (E) an Position 70 zu Lysin (K) mutiert ist. Der Buchstabe X kennzeichnet ein Stop-Codon. Die mRNA-Splicing Mutation K161+2dell 5 ist eine 15 Basenpaare lange Deletion, die das T der GT Donor-Spli- cing-Konsensus-Sequenz sowie die folgenden zwölf Basenpaare des vierten Introns eliminiert und dadurch das Codon für Lysin an Position 161 unterbricht. Die Mutation 5418-1G->C betrifft die Splicing Akzeptor- Konsensus-Sequenz (AG-+AC) im Intron 9.

mit dem diabetischen Phänotyp in 16 von insgesamt 32 französischen MODY-Familien (6). Die besonde- ren biochemischen Eigenschaften des Glukokinase-Enzyms im Glu- kosestoffwechsel der Langerhans- schen ß-Zellen und der Leber wa- ren ein Indiz, daß dieses Gen direkt für die Entwicklung des jugendli- chen NIDDM verantwortlich ist.

Molekulargenetische Suche nach Glukokinase- Mutationen

Die Klonierung, Charakterisie- rung und partielle Sequenzierung des humanen Glukokinase-Gens schufen die Grundlagen für die Su- che nach Mutationen in Familien, in denen Glukokinase-Genmarker und Diabetes gekoppelt vererbt werden. Das Gen besitzt zwölf

quenz erlaubte die Synthese von spezifischen Oligonukleotiden zur Amplifikation der einzelnen Exons mittels der Polymerase Kettenreak- tion (PCR). Diese Exons wurden anschließend durch SSCP (single strand conformational polymor- phism) auf Mutationen in verschie- denen frühdiabetischen NIDDM- Familien untersucht. Bei der Tech- nik des SSCP handelt es sich um ei- ne sensitive Methode zur Identifi- zierung von Nukleotidmutationen, die nur im Austausch eines einzel- nen Basenpaares bestehen können.

Dazu werden DNA-Fragmente von 100 bis 300 Basenpaaren durch PCR amplifiziert, hitzedenaturiert und in einem hochauflösenden, nicht denaturierenden Polyacryl- amidgel elektrophoretisch aufge- trennt. Unter bestimmten Bedin- gungen nimmt die denaturierte Ein- zelstrang-DNA, bestimmt durch ih- re Nukleotidsequenz, eine definier- te Sekundärstruktur an, was sich in einem unterschiedlichen Laufver- halten der normalen und mutierten Fragmente auswirkt (Abbildung 2 a). Heterozygote Träger von Muta- tionen zeigen daher normale und abnorme Konformere, entspre- chend dem normalen und mutierten Exons und erstreckt sich über mehr

als 25 Kilobasenpaare. Exons 1 a und 2 bis 10 kodieren für das ß-Zell spezifische Isoenzym, Exons 1 b be- ziehungsweise 1 c und 2 bis 10 ko- dieren für die Leber spezifischen Isoenzyme der Glukokinase (7).

Die Genregulation der beiden zell- spezifischen Isoformen wird von unterschiedlichen Promotoren de- terminiert (Abbildung 1). Die Kenntnis der partiellen Gense-

(3)

A C GT

Normales Allel

y

C

C (G)ly227 G

T

G -->A1 Th r228 ---> Met

N C Gly229

A C

Mutiertes Allel

Allel. Abnorme Konformere, die in Familien mit dem diabetischen Phä- notyp gemeinsam vererbt werden, können sequenziert und Mutatio- nen so identifiziert werden (Abbil- dung 2 b).

Insgesamt sind bis heute 22 ver- schiedene Mutationen des Gluko- kinase-Gens in europäischen, afro- amerikanischen und asiatischen Fa- milien beschrieben worden (6, 7, 8, 9). Die Mutationen (6, 14, 15, 16) befinden sich in Exons 2 bis 9 mit Häufungen in Exons 5, 7 und 8 (Ab- bildung 1). Viele Mutationen erfol- gen an CdG-Dinukleotidsequenzen, die bekannt sind für hohe Spontan- mutationsraten. „Hot spots" für Mutationen analog den Mutationen bei der zystischen Fibrose sind nicht erkennbar. Alle Mutationen befinden sich in den für Leber- und ß-Zell-Transkripte gemeinsamen Exons. Drei Mutationen in Exons 3 und 7 führten zur Entstehung eines Stopcodons und damit zu einem Abbruch der Proteinbiosynthese und der Synthese eines inaktiven Rest-Enzymproteins. Es wurden insgesamt 16 „missense" Mutatio- nen (Mutationen, die zu einem Aminosäureaustausch führen) in sechs verschiedenen Exons identifi- ziert. Diese Mutationen wurden zu- meist in funktional bedeutenden Strukturdomänen gefunden; die starke Übereinstimmung der Ami- nosäuresequenzen in diesen Domä- nen der Hexokinasefamilie bei ver- schiedenen eukaryotischen Spezies erlaubt diesen Schluß. Drei Muta- tionen wurden an Exon-Intron- Übergängen innerhalb der Akzep- tor- oder D onor-Konsensus-Se- quenzen entdeckt. Als Folge davon

bleibt das reguläre RNA-Splicing aus (Abbildung 1).

Erste genetische Untersuchun- gen bei Patienten mit Schwanger- schaftsdiabetes und bei klassischen Typ-Il-Diabetikern zeigen, daß auch in diesen Patientengruppen Glukokinase-Mutationen gefunden werden, wenn auch seltener. Weite- re Studien sind erforderlich um her-

Abbildung 2: a) oben, Stammbaum einer MODY-Fa- milie und SSCP-Analyse von Exon 7 des Glukokina- se-Gens. Kreise definieren weibliche, Vierecke männliche Probanden. Ausgefüllte Symbole zeigen diabetische Patienten, offene Symbole gesunde Fa- milienmitglieder. Abnorme Banden im SSCP-Gel zei- gen das mutierte Allel, daß gemeinsam mit dem dia- betischen Phänotyp vererbt wird.

b) unten, Nukleotidsequenz-Analyse eines gesun- den und diabetischen Probanden. Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt der Sequenz von Exon 7 des Glukokinase-Gens mit einer Punktmutation im Co- don 228, die eine Substitution von Threonin zu Me- thionin verursacht.

auszufinden, ob es sich hierbei um klassische Typ-II oder spät diagno- stizierte MODY-Patienten handelt (6, 13).

Biochemische Eigenschaften der normalen und mutierten Formen der Glukokinase

Die Glukokinase (auch Hexo- kinase IV genannt) ist eine Phos- photransferase und Mitglied der Fa- milie der Hexokinasen. Das Gluko- kinase-Gen wird ausschließlich in den insulin-produzierenden 13-Zel- len der Langerhansschen Inseln und in den Hepatozyten der Leber ex- primiert. Das Enzym zeichnet sich im Gegensatz zu den anderen Hexokinasen durch seine hohe Km und Spezifität für Glukose sowie ei- ne relativ niedrige Endprodukt- hemmung durch Glukose-6-Phos- phat aus.

Im Gegensatz zur Hexokinase- B der Hefe ist die Struktur des menschlichen Glukokinase-Enzyms bislang noch nicht röntgenkristallo- graphisch untersucht worden. Als dreidimensionales Modell kann man auf Grund hinreichender Ho- mologien der beiden Enzyme die kristallographischen Koordinaten der Hefe-Hexokinase-B als Matrix benutzen und die Mutationsorte der Glukokinase auf das a-Kohlenwas- serstoffgerüst der Hexokinase-B projizieren (8, 14). Abbildung 3 zeigt die geöffnete Form der Hexo- kinase. Diese besteht aus einer großen und kleinen Domäne, die

(4)

Abbildung 3: Modell des humanen Glukokinase-Enzyms. a-Kohlenwasserstoffgerüst des Glukokinase-Enzyms in seiner offenen Konformation, das Glukosemolekül im Enzymspalt ist blau dargestellt, die Aminosäurereste einiger Punktmutationen sind rot und grün gekennzeichnet. Das aminoterminale Ende des Enzyms ist mit das carboxyterminale Ende mit C beschriftet.

MEDIZIN

durch einen Spalt getrennt sind, in dem die Bindungsstelle der Gluko- se liegt. Bei der katalytischen Reak- tion der Glukokinase kommt es durch Glukosebindung in der Basis des Spaltes zu einer Konformati- onsänderung mit einer Rotation der kleineren Domäne, die zum Ver- schluß des Spaltes führt. Dieser Vorgang schafft ein hydrophobes Milieu im Inneren des Proteins mit einer räumlichen Ausrichtung der a-Phosphatgruppe des Adenosintri- phosphats und der C 6-Hydroxyl- gruppe der Glukose und anschlie- ßendem Phosphattransfer.

Die bis heute identifizierten Punktmutationen können in zwei Gruppen unterteilt werden. Den größten Einfluß auf die Enzymakti- vität haben Mutationen, die Ami- nosäurenreste der aktiven Bin- dungsstelle im Spalt des Enzyms verändern (V203, T228, G261) oder weitreichende Verzerrungen der Se- kundärstruktur in diesem Bereich hervorrufen (L309, G299). Diese Mutationen reduzieren die Enzym- aktivität um mehr als 90 Prozent (Abbildung 3). Mutationen, die ent- fernt von der Glukose-Bindungs- stelle liegen (G175, V182) haben vermutlich einen geringeren Ein- fluß auf die Enzymstruktur und zei- gen häufig nur minimale (null bis dreifache) Erniedrigungen in V.;

sie können allerdings den Km-Wert für Glukose ändern. Diese Mutatio- nen ändern außerdem am ehesten die Proteinstabilität oder verhin- dern den Substrat-induzierten Ver- schluß des Enzymspalts durch die zwei Proteindomänen (8).

Pathogenese des Diabetes mellitus durch Glukokinase-Defekte Eine Erklärung des molekula- ren Mechanismus, die lückenlos die Kausalkette zwischen Mutationen im Glukokinase-Enzym und der Entwicklung eines dominant ver- erbten NIDDM aufzeigt, ist noch nicht möglich. Die Pathogenese läßt sich am besten durch einen Gen- Dosiseffekt erklären, bei dem eine maximal 50prozentige Reduzierung der Glukokinaseaktivität durch die

AKTUELL

Mutationsinaktivierung eines Allels eintritt. Die Glukokinase besitzt als ein erstes geschwindigkeitsbestim- mendes Enzym der Glykolyse eine wichtige Schlüsselposition im Glu- kosestoffwechsel der 13-Zelle. Sie reguliert den Substratfluß durch die Glykolyse, der der Hauptdetermi- nator für die Insulinsekretion der 13- Zelle ist. Glukose wird über den sehr effizienten Glukosetransporter GLUT2 in die I3-Zelle aufgenom- men und von der Glukokinase phosphoryliert. Die Phosphorylie- rung der Glukose erfolgt auf Grund der biochemischen Eigenschaften der Glukokinase, ihrer äußerst ho- hen Spezifität für Glukose und feh- lenden Endprodukthemmung, pro- portional der zirkulierenden Gluko- sekonzentrationen im Blut. Diese Eigenschaften machen die Gluko- kinase zum Glukoserezeptor oder Glukosesensor der 13-Zelle. Ihre Aktivität bestimmt die Schwelle der Blutzucker-induzierten Insulinse- kretion.

In der Tat läßt sich durch in- vitro-Versuche zeigen, daß eine Ak- tivitätsminderung der Glukokinase von nur 15 Prozent die Schwelle für die durch glukoseinduzierte Insulin- sekretion von normalerweise 5mM auf 6mM heraufsetzt (11). Umge- kehrt ist gezeigt worden, daß trans- gene Mäuse mit verdoppelter 13- Zellen-Hexokinaseaktivität eine er- niedrigte Schwelle für die gluko- seinduzierte Insulinfreisetzung ha- ben, sowohl mit erhöhtem C-Pept- id- und Insulinspiegeln als auch er- niedrigtem Blutzuckerspiegel unter Nüchterbedingungen (4).

Klinische Untersuchungen ha- ben gezeigt, daß nach steigenden in- travenösen Glukoseinfusionen die Insulinsekretionsraten bei Patien- ten mit Glukokinasemutationen niedriger sind als bei Kontrollpro- banden. Zudem scheint der Grad der reduzierten Insulinsekretion von der Schwere der Glukokinase- Enzymaktivitätsminderung abzu- hängen. Der Blutzuckerbereich, bei

(5)

dem die Insulinsekretion am emp- findlichsten reguliert wird, ist bei Glukokinase-defizienten Patienten gegenüber Kontrollpersonen er- höht. Die Ergebnisse dieser Studien sprechen für erhöhte Blutzucker- Schwellenwerte für die Insulinfrei- setzung bei Patienten mit Gluko- kinasemangel (3).

In der Leber ist die Glukokina- se wesentlich für die Aufrechterhal- tung des Glukosegradienten beid- seits der Hepatozytenmembran ver- antwortlich, der für die Aufnahme der Glukose aus dem Portalblut wichtig ist. Eine verminderte Enzym- aktivität wird daher am ehesten in verminderter Aufnahme bezie- hungsweise verstärkter Abgabe von Glukose in der Leber führen und so zur Hyperglykämie beitragen.

Klinische Beobachtungen

Eine neue sich abzeichnende genetische Klassifikation ermög- licht es erstmals, verschiedene NIDDM-Formen auf klinische Un- terschiede hin zu untersuchen. Ob- wohl die Fallzahlen im Augenblick noch klein sind, so ist dennoch er- kennbar, daß Patienten mit Gluko- kinase-Defekten bei der Erstdia- gnose ein insgesamt niedrigeres Durchschnittsalter haben als Pati- enten frühdiabetischer Familien, die keine Kopplung mit dem Glu- kokinase-Genlocus auf dem Chro- mosom 7 aufweisen. Gleichzeitig zeigt diese Form eine mildere Glu- koseintoleranz. Die BMI (body mass index)-Werte liegen zudem weitaus niedriger als in der Ver- gleichsgruppe (6).

Die Mehrzahl der Patienten mit Glukokinasemutationen sind durch eine relativ milde, über Jahre nur langsam sich verschlechternde Glukosetoleranz gekennzeichnet, die in der Regel diätetisch oder mit oralen Antidiabetika gut kontrol- liert werden kann. Die Prävalenz von Risikofaktoren für die korona- re Herzerkrankung (arterielle Hy- pertonie, Dyslipoproteinämien) ist niedrig. Mikro- und makrovaskulä- re Komplikationen sind selbst bei älteren Patienten relativ selten. Die Langzeitprognose dieser Patienten

ist daher als gut zu beurteilen. Da- durch unterscheidet sich der Gluko- kinase-defiziente MODY von ande- ren MODY-Formen, bei denen schon im sehr frühen Erwachsenen- alter Spätkomplikationen auftreten können.

Schlußfolgerungen

Jüngste Erfolge der Humange- netik und Molekularbiologie auf den Gebieten der Hypertonie und Diabetesforschung berechtigen zu der optimistischen Annahme, daß wir bald weitere wichtige Risikoge- ne auch anderer häufiger multifak- torieller Erkrankungen wie der koronaren Herzerkrankung, des Asthma bronchiale oder der Mali- gnome identifizieren werden.

Bei vielen dieser Erkrankun- gen ist ein grundlegender Fort- schritt unseres pathophysiologi- schen Wissens in den letzten Jahren ausgeblieben. Die Charakterisie- rung wichtiger Gene durch ihre Lo- kalisierung im Genom, die Analyse ihrer DNA-Sequenz („positional cloning") und ihrer Funktion sozu- sagen „von unten her", bei der mR- NA angefangen über das Protein bis zu seiner Rolle im Stoffwechsel („reverse genetics"), wird neue Er- kenntnisse für Pathophysiologie, Biochemie und Pharmakologie bringen. Mit den Glukokinase-Gen- defekten wurde erstmals eine kau- sale Beziehung zwischen Mutatio- nen eines glykolytischen Enzyms und der Entwicklung eines NIDDM gezeigt.

Diese Erkenntnisse können helfen, in Zukunft weitere Diabe- tes-verursachende Gene von Enzy- men des Glukosestoffwechsels oder ihrer regulatorischen Faktoren auf- zudecken, die die Pathogenese an- derer Diabetesformen erklären. Es darf vermutet werden, daß wir bald Mutationen in anderen Genen fin- den, die die Insulinsekretion der 13-Zelle oder die Insulinwirkung an den Zielorganen des Insulins verän- dern können (9, 12). Ein umfassen- des Verständnis dieser Gene wird unserem Ziel dienen, neue rationa- le therapeutische Strategien zu ent- wickeln, die gezielt an diesen ab-

normen physiologischen Regelkrei- sen angreifen.

Deutsches Arzteblatt

91 (1994) A-2853-2857 [Heft 42]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Markus Stoffel (Assistant Professor)

Howard Hughes Medical Institute Research Laboratories

The University of Chicago 5841 S. Maryland Avenue MC 1028

USA-Chicago, Illinois 60637

Sjögren-Syndrom und Helicobacter pylori-Infektion

Dem Sjögren-Syndrom liegt ei- ne Autoimmunerkrankung, ge- kennzeichnet durch Xerophthalmie und Xerostomie zugrunde. Histolo- gisch findet sich eine charakteristi- sche Infiltration unter Beteiligung von Lymphozyten und Plasmazellen mit progressiver Abnahme der Se- kretion aller exokrinen Drüsen.

Vier Patienten mit Sjögren- Syndrom, wurden endoskopiert.

Bei drei Patienten wies man Helico- bacter pylori nach. Im Rahmen ei- ner Triple-Therapie mit erfolgrei- cher Keimeradikation kam es zu ei- ner deutlichen Besserung von Xerophthalmie und Xerostomie.

Diese war im Shirmertest (Tränen- test) verifizierbar. Die Autoren ver- muten, daß durch Helicobacter py- lori stimulierte Antikörper für die Erkrankung eine Rolle spielen könnten.

N. Figura, N. Giordano, D. Burroni et al.:

Sjögren's syndrome and Helicobacter py- lori infection. Europ. J. Gastroenterol. &

Hepatol. 1994; 6: 321-322

Institute of Medical Pathology, Le Scotte Hospital, Institute of Immunobiological Research, and the Institute of Pathologi- cal Anatomy, University of Siena, 1-53100 Siena

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