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Archiv "Wartburgtagung: Vom Umgang mit der Menschenwürde" (02.08.2004)

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A2168 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 31–322. August 2004

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chon der gewählte Tagungsort war durchaus symbolträchtig. Die Ver- anstalter – das thüringische For- schungsministerium und die Friedrich- Schiller-Universität Jena – der Wart- burgtagung hatten sich ein hohes Ziel gesteckt. Ähnlich wie Luther, der dort die Bibel ins Deutsche übersetzt hatte, wollten auch sie „Übersetzungsarbeit“

leisten. „Die Tagung will die Grundlage dafür schaffen, dass in der Öffentlich- keit über bioethische Fragen informiert nachgedacht werden kann“, schrieb Prof. Dr. phil. Nikolaus Knoepffler, Je- na, in der Ankündigung.

Nicht erwähnt wurde, dass die Wart- burg auch der Ort eines mittelalterli- chen Sängerstreits war. Und gestritten wurde tatsächlich eher wenig. Die Klonexperimente der südkoreanischen Forscher, denen es Mitte Februar erst- mals gelungen war, durch Kerntransfer 30 menschliche Blastozysten herzustel- len und daraus eine Linie embryonaler Stammzellen zu gewinnen, ging den meisten Referenten und Tagungsteil- nehmern zu weit. So warf der Präsident der Deutschen Forschungsgemein- schaft, Prof. Dr. rer. nat. Ernst-Ludwig Winnacker, den Forschern vor, sie hät- ten den hippokratischen Eid für ihren

„Irrweg“ gebrochen. Die Reprogram- mierung hoch spezialisierter Erbinfor-

mation beim Klonen verlaufe unvoll- ständig und fehlerhaft; so entstandene Fehler seien im frühesten Stadium in den Zellen angelegt. „Kann man den Einsatz solcher Zellen zur Therapie am Menschen wollen?“ fragte Winnacker (dazu auch DÄ, Heft 17/2004). Nobel- preisträgerin Prof. Dr. rer. nat. Christia- ne Nüsslein-Volhard, Tübingen, beton- te zudem die „engen natürlichen Gren- zen“, die den Visionen Schranken set- zen würden.

Doch trotz dieser Bedenken forder- ten die meisten Referenten, das deut- sche Stammzellgesetz zu novellieren.

Das Gesetz sieht vor, dass nur embryo- nale Stammzellen eingeführt werden dürfen, die bereits am 1. Januar 2002 vor- handen waren und die in Übereinstim- mung mit der Rechtslage im Herkunfts- land gewonnen wurden. „Als Erstes wird die Stichtagsregelung fallen“, prognosti- zierte die thüringische Wissenschaftsmi- nisterin Prof. Dr.-Ing. Dagmar Schipans- ki. Nüsslein-Volhard kritisiert vor allem die in Deutschland herrschende „Schein- heiligkeit“. Das Stammzellgesetz erlau- be deutschen Forschern nicht, bei der in- ternationalen Forschung auf diesem Ge- biet mitzuhalten.

Nur wenige Referenten lehnten die embryonale Stammzellforschung und die Präimplantationsdiagnostik grund-

sätzlich ab. Zu ihnen zählte der katholi- sche Bischof des Bistums Erfurt, Prof.

Dr. theol. Joachim Wanke. Er hielt diese gentechnischen Möglichkeiten für mit der Menschenwürde unvereinbar. „Eine an Differenzierungsgrade gebundene rechtliche Bewertung des Status des Embryos führt dazu, die Lebensphasen des Menschen prinzipiell schutzlos zu machen“, betonte Wanke. Nüsslein-Vol- hard hält dagegen die Würde der Frau für vorrangig und fordert die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik, weil es ihrer Ansicht nach mit der Menschen- würde nicht vereinbar sei, der Frau einen defekten Embryo zu implantieren. Erb- kranke Föten könnten durch Pränatal- diagnose bisher erst relativ spät während einer Schwangerschaft erkannt werden.

Eine Frühdiagnose vor der Implantation würde die Tötung solcher Embryonen im fortgeschrittenen Stadium vermeiden.

Ähnlich argumentiert auch Knoepff- ler in seinem anlässlich der Tagung er- schienenen Buch „Menschenwürde in der Bioethik“. Wer davon ausgehe, dass dem Embryo und Fötus Menschenwür- de und damit verbunden ein Recht auf Leben zukomme, werde diesem Lebens- recht Vorrang vor dem mütterlichen Selbstbestimmungsrecht geben, wenn die Mutter für die Schwangerschaft ver- antwortlich sei. Ausnahmen seien dann

Wartburgtagung

Vom Umgang mit der Menschenwürde

Über embryonale Stammzellforschung, Präimplantationsdiagnostik und

therapeutisches Klonen diskutierten Ärzte, Theologen und Wissenschaftler auf der Wartburg.

Foto:ddp

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nur bei einer Vergewaltigung möglich oder wenn im Rahmen einer medizini- schen Indikation ihr Leben bedroht ist.

Wer dagegen davon überzeugt sei, dass Embryonen und Föten bis zu einem be- stimmten Zeitpunkt keine Menschen- würde zukomme, werde die Annahme oder Nichtannahme des Kindes durch die Mutter anders gewichten.

Prof. Dr. theol. Reiner Anselm, Göt- tingen, warnt grundsätzlich vor einer Überbewertung des Menschenwür- debegriffes. In einer Stellungnahme evangelischer Theologen mit dem Titel

„Starre Fronten überwinden“, die von Anselm mitverfasst wurde, heißt es: „So wichtig die menschliches Handeln be- grenzende Funktion von Menschen- würde und Gottebenbildlichkeit ist, so bildet sie dennoch nur einen Aspekt ih- rer Bedeutung ab.“ Das Argument der Menschenwürde werde verkürzt, wenn nicht zugleich mit den Grenzen auch die Aufgaben des Menschen in den Blick genommen würden.

Die Zuwendung zum Kranken gehö- re zu den Kernbeständen der christli- chen Ethik. Die therapeutisch begründe- te Embryonenforschung gewinne daher ihre moralische und religiöse Rechtferti- gung. Eine „therapeutische Überlegiti- mation“ sei jedoch ethisch problema- tisch, weil sie falsche Hoffnungen wecke.

Damit stehen die Verfasser der Stel- lungnahme allerdings in Widerspruch zum Ratsvorsitzenden der Evangeli- schen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, der für das Deutsche Ärzteblatt schrieb: „Die Forschung mit embryonalen Stammzellen wird mit- unter auch mit dem Argument befür- wortet, es sei ein Abwägungsprozess zwischen dem verfassungsrechtlichen Lebensschutz des Embryos einerseits und der ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Forschungsfreiheit ande- rerseits nötig. Soweit jedoch das wer- dende Leben in Achtung und Schutz der Menschenwürde einbezogen ist, kann es eine solche Abwägung nicht geben. Denn die Menschenwürde kann nicht Gegenstand einer solchen Abwä- gung sein.“ Gisela Klinkhammer

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 31–322. August 2004 AA2169

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ie Lage ist dramatisch: Als Folge von Diabetes mellitus ist alle 19 Minuten in Deutschland eine Am- putation erforderlich, und alle zwölf Minuten ereignet sich ein Schlaganfall.

Chronische Krankheiten, wie Herz- Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Adi- positas und Diabetes, nehmen weiter zu. Sie sind vor allem auf einen unge- sunden Lebensstil – falsche Ernährung und Bewegungsmangel – zurückzufüh- ren. Gleichzeitig wecken neue Entwick- lungen in der Medizin- und Gentechnik sowie in der Arzneimitteltechnologie große Erwartungen und Hoffnungen der Menschen, sie werden zu ungedul- digen Patienten. Unter dem Motto „Die Zukunft der Medizin – Das neue Bild des Menschen“ befasste sich eine von der Burda Akademie zum Dritten Jahr- tausend ausgerichtete Konferenz in Heidelberg mit der Frage: Wie lässt sich vermitteln zwischen dem, was die mo- derne Hightech-Medizin an „Repara- turmöglichkeiten“ verspricht, und dem, was ein Gesundheitssystem dauerhaft finanzieren kann? „Jeder dritte Euro im Gesundheitswesen fließt zurzeit in die Behandlung einer Krankheit, die durch Übergewicht verursacht wurde“, betonte die Präsidentin der Akademie, Dr. Christa Maar. Die Prävention chro- nischer Krankheiten sei daher ein wich- tiges Anliegen der Konferenz.

Bilder vom eigenen Körper

In den bildgebenden Verfahren, allen voran in der Radiologie, hat die Medi- zin in den letzten Jahren große Fort- schritte gemacht. Dies lässt sich für die Information und Aufklärung der Pati-

enten und für eine Verbesserung der Compliance nutzen. „Wir müssen den Patienten ihre eigenen Bilder zeigen“, empfiehlt der Neuroradiologe Prof. Dr.

med. Michael Forsting, Universitätskli- nikum Essen. So lassen sich mit dem Verfahren der MR(Magnetresonanzto- mographie)-Echtzeitbildgebung Kau- akt und Schluckvorgang sowie die Ma- gen-Motilität „live“ und ohne Röntgen darstellen und zum Beispiel für die Dia- gnose der Gastroparese bei Diabetes mellitus nutzen. Sehr genau sei die MR- Technik auch beim Nachweis von Blut- hochdruck und bei der Früherkennung von Polypen, die als Hauptursache für Dickdarmkrebs gelten. Mit circa 31 000 Todesfällen jährlich steht das kolorek- tale Karzinom an zweiter Stelle in der Todesursachenstatistik Deutschlands.

Würden bei einer Koloskopie vorhan- dene Dickdarmpolypen rechtzeitig er- kannt und entfernt, wäre der Kampf ge- gen diesen Tumor gewonnen. Zwar ha- ben Mitglieder der Gesetzlichen Kran- kenversicherung ab dem 55. Lebensjahr Anspruch auf eine Vorsorgekoloskopie, doch: „Keiner geht hin“, so Forsting, weil diese Untersuchung mit Unan- nehmlichkeiten verbunden sei. Die MR-Kolonographie bietet hierzu eine Alternative. Sie beruht auf der compu- tergestützten Nachverarbeitung dreidi- mensionaler MRT-Datensätze. Hierbei lässt sich auch die Darmschleimhaut darstellen und eine Koloskopie simulie- ren. „Der Patient, der seinen eigenen Polypen auf dem Bildschirm gesehen hat, geht anschließend zur Koloskopie“, ist der Arzt überzeugt. Das Verfahren der virtuellen Kolonographie ist einfach durchführbar, erfordert jedoch gut un- terwiesene und erfahrene Ärzte. Eine

Der involvierte Patient

„Screening ist wie eine Autoinspektion“

Aufklärung und ehrliche Kommunikation sind erforderlich, um den Patienten mehr Eigenverantwortung für ihre Gesundheit abzufordern.

Weitere Informationen zum Thema Stammzellforschung und Präimplantationsdiagnostik sind abrufbar unter www.aerzteblatt.de/dossiers/embryonenforschung. Infor- mationen zur Tagung: www.wartburgtagung.de

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