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Ergebnisse chirurgischer Klumpfußversorgung: unter Berücksichtigung von 3-D-Ganganalyse, Pedobarographie, Röntgen und klinischer Untersuchung

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der Medizinischen Hochschule Hannover (Leitung: Prof. Dr. med. C. J. Wirth)

Ergebnisse chirurgischer Klumpfußversorgung – unter Berücksichtigung von 3-D-Ganganalyse,

Pedobarographie, Röntgen und Klinischer Untersuchung

Dissertation

Zur

Erlangung des Doktorgrades der Medizin an der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Enno Wrage-Brors aus Kaltenkirchen

Hannover im Jahre 2006

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Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 10.10.2006

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover Präsident: Prof. Dr. Dieter Bitter-Suermann

Betreuer der Arbeit: PD Dr. H. Windhagen

Referent: Prof. Dr. med. Christoph Gutenbrunner Korreferent: Prof. Dr. med. Burkhard Wippermann Tag der mündlichen Prüfung: 10.10.2006

Promotionsausschussmitglieder: Prof. Dr. med. Christian Krettek

Prof. Dr. Raab

Prof. Dr. Berens v. Rautenfeld

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung _______________________________________3

1.1 Definition ____________________________________________________________ 3 1.2 Ätiologie _____________________________________________________________ 3 1.3 Epidemiologie ________________________________________________________ 5 1.4 Pathoanatomie bzw. Morphologie des Klumpfußes _________________________ 5 1.5 Klassifikation des Klumpfußes __________________________________________ 7 1.6 Geschichte der Klumpfußtherapie _______________________________________ 8 1.7 Zur Therapie des Klumpfußes heute_____________________________________ 10 1.8 Therapieschema der hier nachuntersuchten Patienten ______________________ 13

2. Fragestellung ___________________________________16 3. Patienten und Methoden__________________________17

3.1 Auswahl der Probanden _______________________________________________ 17 3.2 Anamnese und Klinische Untersuchung __________________________________ 18 3.3 Klinische Ganganalyse ________________________________________________ 21 3.3.1 Geschichte der instrumentellen Ganganalyse__________________________21 3.3.2 Beschreibung des menschlichen Ganges, Einteilung und Begriffserklärung _ 23 3.3.3 Gangzyklus ______________________________________________________ 26 3.3.4 Zusätzliche Ereignisse beim Gangzyklus ______________________________ 34 3.3.5 Voraussetzungen für ein physiologisches Gangbild _____________________ 35 3.3.6 Verwendete Geräte________________________________________________ 36 3.4 Ablauf einer Ganganalyse _____________________________________________ 38 3.4.1 Statische Aufnahme (= Standaufnahme) _____________________________ 38 3.4.2 Dynamische Aufnahme (= Gangaufnahme) ___________________________ 39 3.4.3 Definition der Winkel______________________________________________ 40 3.4.4 Datenermittlung __________________________________________________ 41 3.4.5 Beschreibung eines Graphen________________________________________ 42 3.4.6 Statistische Methoden _____________________________________________ 42 3.4.7 Beschreibung der Kinematik________________________________________ 44 3.4.8 Beschreibung der Kinetik __________________________________________ 49 3.5 Pedobarographie _____________________________________________________ 53 3.6 Röntgen ____________________________________________________________ 54

4. Ergebnisse _____________________________________56

4.1 Zwei Fallbeispiele von Nachuntersuchungen bei Kindern mit operiertem

Klumpfuß __________________________________________________________ 56

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4.2 Ergebnisse der Anamnese und der Klinischen Untersuchung ________________ 63 4.3 Ergebnisse der Röntgenuntersuchung ___________________________________ 68 4.4 Ergebnisse der 3-D-Ganganalyse________________________________________ 70 4.5 Ergebnisse der Pedobarographie________________________________________ 73

6. Diskussion _____________________________________76 7. Zusammenfassung ______________________________94 8. Literaturverzeichnis _____________________________96 9. Lebenslauf ____________________________________109 10. Erklärung nach § 2 Abs.2 Nr.5 und 6 der

Promotionsordnung ___________________________111

11. Dank ________________________________________112

12. Anhang _____________________________________113

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1. Einleitung

1.1 Definition

Mit dem Begriff Klumpfuß (lat.: Talipes equinovarus) wird eine aus verschiedenen charakteristischen Komponenten bestehende Fußdeformität bezeichnet. Talipes (griech.:

Talus: Knöchel; lat.: pes: Fuß) beschreibt das Gehen auf dem Außenknöchel. Equinus (lat.:Pferdefuß) steht für die Spitzfußkomponente. Varus (lat.: nach innen gekrümmt) steht für die invertierte Ferse. Außerdem befindet sich der Fuß in einer Supinationsstellung. Ein

Vorfußadduktus, sowie eine Hohlfußkomponente sind ebenfalls erkennbar [16, Abb. 1. 1].

Es wird zwischen dem häufigeren primären bzw. idiopathischen

Klumpfuß und dem sekundären Klumpfuß unterschieden [30]. Neben den primären Klumpfüßen gibt es eine Vielzahl angeborener oder erworbener Klumpfüße, deren Ursachen in der jeweiligen Grundkrankheit zu suchen sind, auf die in dieser Einleitung nur kurz eingegangen werden kann. Dies sind vor allem neuromuskuläre Erkrankungen, die mit einem erhöhten Muskeltonus einhergehen,

wie z. B. die infantile Zerebralparese (IZP), Poliomyelitis, Spina bifida oder Multiple Sklerose (MS) [16]. Aber auch posttraumatisch, z. B. bei Zustand nach Kompartmentsyndrom (Volkmannsche Kontraktur) oder nach in Fehlstellung abgeheilten Frakturen sind Klumpfüße beobachtet worden [30, 39].

Abb. 1. 1: Idiopathischer Klumpfuß rechts bei einem männlichen Neugeborenen. Quelle: Orthopädisches Spital Speising

1.2 Ätiologie

Die Ursachen des idiopathischen Klumpfußes sind immer noch weitgehend unbekannt. In der Embryonalentwicklung werden die Extremitätenknospen in der 5. Schwangerschaftswoche sichtbar. Der Defekt entsteht innerhalb der ersten sechs Embryonalwochen, in denen das Bein- und Fußgelenk als Knorpelmodell angelegt wird [65]. Es werden exogene und endogene Faktoren vermutet. Diskutiert wurde die einleuchtende Hypothese vom

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Oligohydramnion [113], das durch Kompression von außen die Füße des Feten in eine Klumpfußstellung zwingt. Im Tiermodell konnten zwar durch Ablassen der Amnionflüssigkeit bei der schwangeren Ratte Klumpfüße erzeugt werden, die Einführung der Sonographie in der Pränataldiagnostik jedoch widerlegte die Oligohydramnionhypothese:

Einige Studien konnten zeigen, dass Feten ab der 14. Schwangerschaftswoche Klumpfüße entwickelten, obgleich ausreichend Fruchtwasser vorhanden war [69]. Mit der Einwirkung bekannter und unbekannter antimitotischer Stoffe begründet Victoria-Diaz et al. [116] ihre ontogenetische Hypothese der Hemmungsmissbildung durch einen kurzfristigen Wachstumsstillstand der Fußwurzelknochen in der 7. bis 9. Schwangerschaftswoche. Auch Kawashima et al. vermuten eine Unterbrechung in der normalen embryonalen Fußentwicklung [60]. Die signifikant erhöhte Inzidenz der Erkrankung in den Wintermonaten lässt in neuerer Zeit unbekannte Umwelteinflüsse wie Temperatur, Lebensmitteltoxine oder jahreszeitlich gehäufte Virusinfektionen (z. B. Herpes-simplex-Infektion in utero) zur kritischen Zeit der Embryogenese ätiologisch in Betracht kommen [89, 92]. Ein klarer Erbgang ist für den Klumpfuß nicht nachweisbar, dennoch ist eine familiäre Häufung in einigen Fällen erkennbar. Lochmiller et al. erkannte, das bei 24,4 % der betroffenen Personen in der Familienanamnese ein idiopathischer Klumpfuß eruierbar ist [69]. Eine HLA- Assoziation konnte für den primären Klumpfuß nicht nachgewiesen werden [57].

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine multifaktorielle Genese von den meisten Autoren angenommen wird [5]. Ob eine pathologische Gefäßversorgung die Ursache darstellt, wird kontrovers diskutiert. Sowohl Atlas et al. [4] als auch Hootnick [48] entwickelten eine Theorie, nach der eine Gefäßdysplasie der Arteria tibialis anterior zur Ischämie im medialen Sinus-tarsi-Bereich führt, die eine Schädigung des Talusknochenkerns mit sich bringt und somit zur Deformierung des Talus selbst und folglich der gesamten Fußwurzelknochen führt.

Sowohl Fukuhara et al. [36] als auch Zimny et al. [129] konnten histologisch und histochemisch nachweisen, dass die Kontrakturen des Kapsel-Band-Apparates an der Medial- und Dorsalseite des Klumpfußes myofibroblastenartige Zellen enthalten, im Sinne einer Fibromatose [36]. Der Klumpfuß ist nach Fukuhara keine primäre Skelettdeformität, sondern resultiert aus einer durch Myofibroblasten induzierten Kontraktion und vermehrten Bindegewebsproliferation, die über eine Weichteilkontraktur die Knochen der Fußwurzel sekundär deformiert. Verstärkt werden kann die Klumpfußstellung noch durch Muskelanomalien, wie z.B. ein akzessorischer M. soleus oder ein akzessorischer M. flexor digitorum, die die Inversion des Fußes begünstigen [113].

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Noch immer ist also das „Henne-Ei-Problem“ beim Klumpfuß ungelöst: Sind es primär Veränderungen des Muskel- und Bindegewebes, die sekundär zu Knochenfehlwachstum und Fehlstellungen führen, oder sind die knöchernen Veränderungen primär und die Weichteilveränderungen sekundär [40]?

1.3 Epidemiologie

Der primäre idiopathische Klumpfuß tritt in Mitteleuropa durchschnittlich bei zwei von 1000 Lebendgeborenen auf [122] und ist damit noch vor der Hypospadie und der Lippenkiefergaumenspalte die häufigste angeborene Fehlbildung [62]. In den USA wird von einer Inzidenz von 2.57 auf 1000 Geburten berichtet [55]. Das Verhältnis männlich – weiblich wurde von Lochmiller et al. auf 2,5 : 1 ermittelt [69]. In 50 % der Fälle tritt der Klumpfuß beidseitig auf [115].

1.4 Pathoanatomie bzw. Morphologie des Klumpfußes Was die Analyse der Pathomorphologie betrifft,

so gibt es umfangreiche Literatur. Es ist der Verdienst von J. Bösch die Pathomorpholgie des Klumpfußes erkannt zu haben [11-13]. Seine Überlegungen sind auch heute noch gültig und werden durch neuere Studien von McKay [72], Simons [100, 101], Ponseti [84-87] und Herzenberg [46] gestützt. Durch den Einsatz neuer diagnostischer Verfahren wie Magnetresonanz- und Computertomographie und der Herstellung von dreidimensionalen Computermodellen [104] gibt es, was die Pathomorphologie betrifft, heute keine Diskussion

mehr. Die Pathoanatomie dieser Fehlstellung setzt sich zusammen aus Gelenkveränderungen, knöchernen Deformierungen und pathologischen Weichteilveränderungen. Die Innenrotation des gesamten subtalaren Gelenkkomplexes (bestehend aus Articulatio talonavicularis, Articulatio talocalcanea und Articulatio calcaneocuboidea) [35] im Verhältnis zum Talus gilt

Abb. 1. 2: Die relative Innenrotation der subtalaren Fußplatte b beim Klumpfuss mit Annäherung des Os naviculare an den Innenknöchel und des Kalkaneus an den Aussenknochel im Vergleich zum Normalfuß a. Quelle: Der Klumpfuß, Springer

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als entscheidendes und therapierelevantes pathologisches Prinzip des Klumpfußes. Der deformierte Talus ist der Schlüssel zur Deformität. Jede Deformierung der Füße führt zwangsweise auch zu einer Deformierung des Talus, der als Schaltknochen zwischen Acetabulum pedis und Sprunggelenk „gequetscht“ wird [66, 67]. Das Acetabulum pedis wird nach Scarpa, Saraffian und Turco [98, 99, 113] von Os naviculare, Kalkaneus und dem diese beide Knochen verbindenden Kapselbandapparat gebildet. Der Talus ist kleiner und abgeflacht im Vergleich zur gesunden Seite [71]. Der Talushals zeigt keine Kontur und rotiert nach medioplantar [31, 40, 71]. Nach

Herzenberg [46] zeigt der Taluskörper beim Klumpfuß eine Außenrotation von 14°, der Talushals eine Innenrotation von 45° (normal 5°

Innenrotation des Taluskörpers und 25°

Innenrotation des Talushalses). Im oberen Sprunggelenk steht der Talus in Bezug auf die Bimalleolarachse in Spitzfußstellung. Die anderen Fußwurzelknochen folgen der Fehlstellung des Talus. Die für den Klumpfuß typische Innenrotationsfehlstellung, bestehend aus Vorfußadduktion und Supination, kann also

ausreichend durch die subtalare Fehlstellung erklärt werden [40]. Im unteren Sprunggelenk ist der Calcaneus in seiner Längsachse in bezug auf den Talus varisch rotiert. Die Längsachsen von Calcaneus und Talus stehen parallel zueinander und sind nicht wie beim normalen Fuß divergierend. Das Os naviculare nähert sich dem Malleolus medialis und das Os calcaneare dem Malleolus lateralis an [Abb. 1. 2]. Auffällig ist auch die Adduktionsfehlstellung der Vorfußknochen. Folglich sind die Weichteilstrukturen an der Fußinnenseite verkürzt, an der Außenseite dagegen verlängert. Während bei einem normalen Fuß das Verhältnis von Supinatoren und Pronatoren ausgewogen ist, kann beim Klumpfuß von einer muskulären Imbalance gesprochen werden [34]. Der dabei führende M. tibialis posterior übt eine dreidimensionale Wirkung auf die Klumpfußstellung aus. Er unterstützt die Spitzfußstellung, die Supination und die horizontale Innenrotation [Abb. 1. 3]. Die Muskelbäuche von M.

soleus und M. gastrocnemius sind atrophiert, im sehnigen Anteil und im Ansatzbereich konnte auch Fibrosierung nachgewiesen werden [53, 54]. Die Achillessehne ist meist verkürzt [17].

Abb. 1. 3: Funktion des M.tibialis posterior.

Quelle: Grill F. Der Klumpfuß, 1996.

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1.5 Klassifikation des Klumpfußes

Eine Klassifikation des Klumpfußes ist aus mehreren Gründen sinnvoll. Zum einen können die Füße vor der Behandlung genau differenziert werden, so muss z. B. die sog.

Klumpfußhaltung von einem „echten“ Klumpfuß unterschieden werden. Zum anderen kann im Laufe der Behandlung Erfolg oder Misserfolg beurteilt bzw. „gemessen“ und verglichen werden. Nicht zuletzt erleichtert die standardisierte und einheitliche Erfassung der Klumpfüße einen leichten Informationsaustausch zwischen den Behandlern. Als besonders wertvoll hat sich Dimeglios 20-Punkte-Klassifikation erwiesen, da sie ein quantitatives und leicht durchführbares System mit hoher Reliabilität darstellt [28]. Diese Typisierung hat sich heute an den meisten Behandlungszentren durchgesetzt. Es wird jeweils das Ausmaß der Redressierbarkeit mittels Fingergoniometer ermittelt. Gemessen werden die Spitzfußstellung in der Sagittalebene, die Varuskomponente in der Frontalebene, die Derotation des Calcaneus in der Horizontalebene, sowie die Adduktionsstellung des Vorfußes in der Horizontalebene. Das Winkelmaß der redressierten Fußstellung wird in Punkte von 0 bis 4 übertragen [28]:

• Redressionsstellung zwischen 90° und 45°: 4 Punkte

• Redressionsstellung zwischen 45° und 20°: 3 Punkte

• Redressionsstellung zwischen 20° und 0° : 2 Punkte

• Redressionsstellung zwischen 0° und –20°: 1 Punkt

• Redressionsstellung unter –20° : 0 Punkte

Mit diesen vier Parametern können maximal 16 Punkte erzielt werden. Dazu werden noch vier Einzelparameter mit je einem Punkt addiert:

• Posteriore Hautfalte (quer über der Ferse): 1 Punkt

• Mediale Hautfalte: 1 Punkt

• Hohlfußstellung: 1 Punkt

• Beteiligung der Muskulatur: 1 Punkt

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Jetzt kann zwischen vier Klumpfußtypen unterschieden werden:

Grad I (soft-soft-foot): unter 5 Punkte; Der Fuß lässt sich passiv bis zur Neutralstellung redressieren. Die Achillessehne ist gering verkürzt. Es kann auch von einer „Klumphaltung“

des Fußes gesprochen werden. Eine konservative Behandlung ist bei dieser Fehlhaltung ausreichend.

Grad II (soft-stiff-foot): 5 bis 10 Punkte; Der Fuß ist redressierbar, teilweise resistent. Die Spitzfußstellung lässt sich nicht ganz korrigieren. Die Vorfußadduktion und eine Supinationsstellung von etwa 20° sind meist passiv korrigierbar. Eine quere Hautfalte ist nicht sehr ausgeprägt. Auch hier sind die Chancen einer konservativen Therapie noch sehr gut.

Nicht immer lässt sich eine Operation vermeiden.

Grad III (stiff-soft-foot): 10 bis 15 Punkte; schwere Kontrakturen mit geringer Redressierbarkeit. Es besteht ein fixierter Spitzfuß und die subtalare Rotation lässt sich nur gering korrigieren. Es besteht eine deutliche Vorfußadduktion und eine Supinationsstellung von ca. 40°. Eine operative Behandlung ist nicht vermeidbar.

Grad IV (stiff-stiff-foot): über 15 Punkte; schwerste Form des Klumpfußes, die sich nicht redressieren lässt und subtalar oft komplett disloziert ist. Es handelt sich um einen sehr rigiden und kontrakten Fuß mit ausgeprägter Spitzfußstellung und einem Rückfußvarus von meist über 45°. Die typischen Hautfalten des Klumpfußes sind gut erkennbar. Hier sind konservative Maßnahmen nicht ausreichend, die Füße benötigen ausnahmslos zusätzliche chirurgische Intervention [28].

1.6 Geschichte der Klumpfußtherapie

Im Kapitel „Über die Einrichtung der Gelenke“ der hippokratischen Schriften wird erstmals erstaunlich detailliert die konservative Therapie des primären Klumpfußes beschrieben [29, 121]. Diese von Hippokrates (460 - 370 v. Chr.) angegebenen Prinzipien haben auch heute noch Gültigkeit. Schon damals wurde der frühe Therapiebeginn betont. Es wird eine Redressionsbehandlung und Fixierung mit gepolsterten Verbänden geschildert. Außerdem wurde empfohlen, den Verband mit einer Leder- oder Bleisohle zu versehen oder

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Schnürstiefel im kretischen Stil zu verwenden [121]. Operative Eingriffe wurden abgelehnt.

Galen (210 v. Chr.), der berühmte Arzt in Rom zu Zeiten Marc Aurels, unterstützte in seinem Kommentar zu den Schriften des Hippokrates dessen Praxis. Die griechische Lehre überdauerte das römische Altertum und das Mittelalter. Im 16. Jahrhundert schilderte Ambroise Pare (1510 - 1590) ein Redressionsverfahren, das ähnlich wie das des Hippokrates, Schuhe und Stiefel zur Fixierung der Korrektur einsetzte. Auch er versuchte die Klumpfüße seiner Patienten, mit früh beginnender und langsamer Stellungskorrektur zu korrigieren. In den folgenden Jahrzehnten wurden mehrere mechanische Vorrichtungen zur Fixierung des Fußes beschrieben, z. B. von Franciscus Arcaeus (1493 - 1573) oder von Fabricius Hildanus (1537 - 1619), der erstmals das Kniegelenk in die Fixierung mit einbezog. Zwei Neuerungen revolutionierten die Medizin und veränderten die Klumpfußbehandlung nachhaltig: Die Einführung der Narkose im Jahre 1846 durch den Bostoner Zahnarzt William Morton und die gebrauchsfertige Gipsbinde im Jahre 1852 durch den holländischen Militärarzt Antonius Mathysen führten dazu, dass der Klumpfuß meist nach gewaltsamer Korrektur in Narkose fixiert werden konnte. Nicht die Gipsbehandlung an sich war neu, diese wurde zur Behandlung der Klumpfüße von Dieffenbach bereits 1834 in Deutschland eingeführt, sondern die billige und einfach zu handhabende Gipsbinde. Als Meilenstein in der operativen Therapie des Klumpfußes ist die subkutane Tenotomie der Achillessehne hervorzuheben, mit der Georg Friedrich Ludwig Stromeyer (1804 - 1876) bekannt wurde. Ein entscheidendes Ereignis war im Jahre 1836 die Überweisung des berühmten Londoner Arztes William John Little (1810- 1894), der selbst an einem Lähmungsklumpfuß nach Poliomyelitis litt und am Royal Orthopaedic Hospital wirkte, durch Dieffenbach (1792 - 1847) zu Strohmeyer nach Hannover (!). Nach geglückter Therapie stellte sich Little wieder bei Dieffenbach vor. Sichtlich begeistert verhalf der damals schon berühmte Dieffenbach der Methode zu noch größerer Popularität. Adolf Lorenz aus Bremen, Vertreter einer kombinierten operativen und forciert redressierenden Behandlung, entwickelte 1854 einen Klumpfußredressionsapparat. Durch diese gewaltsamen Redressionsmanöver kam es jedoch häufig zu Frakturen, die Füße blieben schmerzhaft deformiert und sogar Todesfälle durch Fettembolien wurden bekannt [29, 30].

Eine Vielzahl operativer Behandlungsmöglichkeiten ist zwischenzeitlich hinzugekommen. Sie erlaubt eine effektive, differenzierte stadien- und altersgerechte Therapiestrategie in Kombination mit konservativen Verfahren.

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1.7 Zur Therapie des Klumpfußes heute

Die Betroffenen bzw. die Eltern der Betroffenen wünschen sich die Wiederherstellung eines

„normalen“ Fußes zum Stehen, Gehen und zum „Anschauen“, wie Krauspe treffend formulierte [Kongress: „Kleiner Fuß ganz groß“, Münster 2001]. Mit der Behandlung soll ein mobiler, schmerzfreier Fuß mit normaler Funktion, Belastbarkeit und kosmetisch gutem Ergebnis geschaffen werden. Auch das Tragen normaler Schuhe ist ein anzustrebendes Ziel.

Das grundsätzliche Behandlungsziel ist die Wiederherstellung der Rückfußanatomie (subtalare Derotation) und damit die Herstellung anatomisch korrekter Achsenverhältnisse zwischen Fußwurzelknochen und oberem Sprunggelenk. Außerdem sollte eine muskuläre Balance geschaffen werden, die zur Erhaltung der Korrektur wesentlich beiträgt. Problem der Behandlung ist, die Korrekturstellung während des Wachstums zu erhalten [40, 49]. Ein völlig normaler Fuß ist nicht erreichbar und kann deshalb auch nicht gefordert werden. Je nach Ausgangslage, müssen realistische Ziele gesteckt werden, wie es Goldner treffend formulierte: „A true clubfoot will never be a normal foot“ [37]. Die konservative Therapie beginnt, und darüber herrscht Einigkeit (im Gegensatz zur operativen Therapie), so schnell wie möglich, nämlich am Tag der Geburt. Die Behandlung muss also in den ersten Lebenstagen begonnen werden [26] und ist primär konservativ. In den USA, England, Australien, Skandinavien, Kanada war bis vor einigen Jahren der Therapieansatz zur Behandlung des Klumpfußes ein rein operativer. Die konservative Therapie hatte keinen hohen Stellenwert. An vielen Kliniken wurde sie nicht einmal vom Arzt, sondern lediglich vom Gipser durchgeführt. Unter dem Aspekt, dass jeder Klumpfuß ohnehin einer Operation zugeführt werden musste, wurde die konservative Therapie ohne besonderes Engagement betrieben. Im gleichen Maß wie die Pathomorphologie des Klumpfußes durch MRT und CT analytisch erfasst und verstanden wurde, hat man operative Verfahren entwickelt, bei denen durch ein komplexes Weichteilrelease des gesamten Fußwurzelbereiches alle Gelenke, die das sogenannte Acetabulum pedis (s. o.) bilden, wie bei einem Puzzle zerlegt und dann wieder zusammengesetzt wurden. Das übergeordnete Therapieziel war die Wiederherstellung einer anatomischen Fußform, die röntgenologisch intra- und postoperativ streng kontrolliert wurde.

In der Folge zeigte sich, dass die Ergebnisse bei einem relativ hohen Prozentsatz der Füße nicht zufriedenstellend waren. Funktionell waren viele dieser Füße rigide, steif und neigten zu Überkorrekturen, besonders dann, wenn das Ligamentum talocalcaneum interosseum in all seinen drei Anteilen im Zuge des Release des unteren Sprunggelenkes durchtrennt worden

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war. Diese Erfahrungen führten in den USA und auch in Europa zu einem Umdenken. Die konservative Therapie bekam einen neuen Stellenwert [84 - 86]. Ziel der konservativen Therapie ist es, die Weichteilkontrakturen zu lockern, ein dynamisches Muskelgleichgewicht herzustellen und das Talonavikulargelenk zu reponieren [40].

Dimeglio aus Montpellier, Besahel aus Paris und Ponseti aus Iowa / USA entwickelten konservative Behandlungsverfahren, die rasch von vielen Kliniken in den USA und Europa übernommen wurden. Die französische von Dimeglio und Bensahel propagierte Behandlungsmethode ist u. a. ein heilgymnastisches Behandlungskonzept. Die Neugeborenen werden für mehrere Wochen (bis zu drei Monaten) stationär aufgenommen. Im Rahmen der stationären Behandlung erfolgen täglich eine intensive, mindestens 30 minütige heilgymnastische Behandlungen. Eine Therapeutin betreut jeweils nur zwei Klumpfußsäuglinge.

Die Behandlung verfolgt fünf Ziele:

1.) Korrektur der Deformität des Mittelfußes und Verbesserung der Subluxation des Talonavikulargelenkes sowie Korrektur der Vorfußadduktion.

2.) Korrektur von Rückfußvarus und teilweise auch der Spitzfußstellung.

3.) vorsichtiges Zurückdrängen des Talus in das tibiotalare Gelenk, sobald die kontrakten Weichteile des Rückfußes eine gewisse Flexibilität erfahren.

4.) Derotation der Einheit von Kalkaneus und Vorfuß.

5.) Endgültige Korrektur der Spitzfußstellung, die vom Rückfuß ausgeht.

Zwischen den Behandlungen wird der Fuß mittels eines flexiblen Taping-Verbandes in der maximalen Korrekturstellung gehalten. Bensahel et al. berichten über ausgezeichnete bzw.

gute Behandlungsergebnisse bei 48 % bzw. 77 % seiner Patienten [6 - 9]. Die bei einer manipulativen Therapie gefürchteten

„Schaukelfüße“ bzw. „Tintenlöscherfüße“

wurden nicht beobachtet. Für die Fälle, in denen nicht alle Aspekte der Klumpfußdeformität behoben wurden, schlägt Bensahel eine „a la carte“ Operation vor, d. h. ein chirurgischer Eingriff, so klein wie möglich, aber so groß wie nötig. Ausgedehnte Entflechtungen hält er für die

Abb. 1. 4: Prinzip der dreidimensionalen

Bewegungschienenbehandlung beim angeborenen Klumpfuß. Quelle: Der Klumpfuss, Springer, 1999

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meisten Klumpfüße umgänglich. Dimeglio verwendet zusätzlich zum Taping und der intensiven Physiotherapie eine passive Bewegungsschiene („continuous passive motion“ = CPM) [27]. Die Behandlung mit der Schiene beginnt zwei Wochen nach der Geburt. Die Bewegung kann individuell ein- bis dreidimensional in den gewünschten funktionellen Achsen (Dorsalflexion-Eversion, Plantarflexion-Inversion) eingestellt werden. Die Behandlungsdauer pro Tag beträgt mindestens acht Stunden. Nach jeder Behandlungseinheit wird der Fuß in maximaler Korrekturstellung mittels einer Schiene gehalten. Unabdingbare Voraussetzung für dieses Behandlungskonzept sind engmaschige ärztliche Kontrollen und eine hervorragende Compliance der Eltern [Abb. 1. 4]. Außerdem muss eine sehr gute Kooperation zwischen Säugling, Eltern, Physiotherapeut und Kinderorthopäde bestehen [7].

Bei über der Hälfte der behandelten Kinder konnte durch dieses Behandlungsschema eine Operation vermieden werden [6].

Die Ponseti-Methode ist keine funktionelle Behandlung, sondern nutzt die Möglichkeiten der Gipsredression [84 - 86]. Dabei werden die einzelnen Komponenten des Klumpfußes nacheinander korrigiert. Zuerst wird im Gips das Metatarsale I gehoben und darauf geachtet, den Vorfuß nicht zu pronieren, sondern in Supinationsstellung zu halten. Im weiteren Verlauf erfolgt eine Abduktion der Metatarsalia, wobei ein Gegendruck auf den Talus ausgeübt wird.

Lässt sich der Fuß nicht aus dem Spitzfuß bringen, erfolgt etwa im Alter von sechs Wochen bei über 70 % seiner Patienten eine perkutane Tenotomie der Achillessehne in Lokalanästhesie. Nach der Gipsbehandlung werden beide Füße in einer Denis-Browne- Schiene gelagert [14], mit dem Ziel der Innentorsion entgegenzuwirken. Ponseti berichtet in 89 % der Füße über gute bis ausgezeichnete Behandlungsergebnisse [86]. Er betont, dass mit dieser Methode komplexe Operationen vermieden werden können und dass bei einer Unterkorrektur oder Auftreten von Rezidiven mit einem M. tibialis anterior-Transfer ein gutes Korrekturergebnis erreicht werden kann.

Von beiden Autoren wird auf Röntgendokumentation kein besonderer Wert gelegt. Dies wird damit begründet, dass das Ziel der Klumpfußbehandlung nicht die Wiederherstellung perfekter anatomischer Verhältnisse ist, sondern das Erreichen eines guten funktionellen Ergebnisses.

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1.8 Therapieschema der hier nachuntersuchten Patienten An der Kinderabteilung des Orthopädischen

Spitals Wien-Speising besteht eine lange Tradition der konservativen Therapie, die von Bösch im Jahre 1950 begründet wurde [11].

Von ihm wurden mehr als 1000 Klumpfüße konservativ behandelt und es war auch sein Anliegen einen operativen Eingriff aus den schon erwähnten Gründen möglichst zu vermeiden [12, 13]. An Hand des großen Patientenkollektivs von Bösch wurde die Erfahrung gemacht, dass das Beharren auf nur einer Behandlungsmethode mittel- und

langfristig ein gutes funktionelles Ergebnis in vielen Fällen in Frage stellt. Es hat sich bewährt, auf starre Konzepte zu verzichten und „a la carte“ auf die besondere individuelle Situation, die Rigidität und den Schweregrad des Klumpfußes individuell einzugehen [7].

Abb. 1 .5: Gipsbehandlung.

Quelle:Orthopädisches Spital Speising

Am Orthopädischen Spital Wien - Speising wird derzeit konsequent eine primär konservative Therapie durchgeführt. Dabei wird von der ersten Lebenswoche an zweimal in der Woche ein geschlossener Ober- und Unterschenkelgips angelegt [Abb. 1. 5]. Die Gipsbehandlung wird nur von erfahrenen Orthopäden in der Technik nach Bösch durchgeführt. Bei der redressierenden Gipstechnik nach Bösch wird die

Fehlstellung vom Rückfuß aus korrigiert. Durch diese Rückfußtherapie wird der vordere (distale) Anteil des Kalkaneus angehoben, die Varusstellung korrigiert, eine Korrektur der subtalaren Innenrotation durchgeführt und auch die Spitzfußstellung reduziert. Der Korrekturdruck wird an drei Stellen des Klumpfußes simultan ausgeübt:

von plantar erfolgt Druck auf das Kalkaneo-Kuboidgelenk, von lateral erfolgt Druck auf den craniolateralen Anteil des Tuber kalkanei, der von der Fibula weggezogen wird,

wodurch der Rückfuß gegen die Varus- und Spitzfußstellung korrigiert wird; der dritte Druckpunkt liegt im Bereich des Taluskopfes [Abb. 1. 6]. Eine Pronation des Vorfußes wird genauso wie in der Ponseti-Technik vermieden, um dadurch nicht eine Steilstellung des I.

Abb. 1. 6: Konservative Therapie: Korrekturdruckpunkte.

Quelle:Grill F, Der Klumpfuss in Der Orthopaede,1996

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Strahls und damit eine Kavusfehlstellung zu begünstigen. Die Vorfußadduktion wird durch eine Traktionsbehandlung korrigiert, ohne dabei die Vorfuß-Rückfuß-Beziehung in Bezug auf Inversion und Eversion zu ändern. Behandlungsziel ist die Reposition des Talonavikulargelenkes, die Herstellung anatomisch korrekter Achsenverhältnisse zwischen Fußwurzel und oberen Sprunggelenk [Abb.1.7]. Die Herstellung eines Muskelgleichgewichtes zwischen Pro- und Supinatoren und eine Verbesserung der Mobilität des Fußes wird durch eine heilgymnastische Behandlung, die zwischen jedem Gipswechsel durch die Physiotherapeuten durchgeführt wird, erreicht.

Abb.1.7: Conservative treatment of clubfoot by exertion of pressure. (A: Correct) Bösch`s method: exertion of pressure on the posterior tuberosity of the calcaneus from laterally “away from the fibula” and plantar-lateral at the processus anterior of calcaneus, thus correcting varus, equinus, and medial rotation. (B: Incorrect) Classical method is counteractive to correction; the calcaneus is pressed even more into its pathologic position below the talus.

Quelle: Grill F: Congenital Talipes Equinovarus. Principles and Practise of Podiatric Medicine; 613-638

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In den meisten Fällen gelingt es nicht, eine vollständige Korrektur auf konservativem Wege herbeizuführen. Konnte nach einer dreimonatigen Gipsbehandlung eine Reposition des

Talonavikulargelenkes und des Kalkaneokuboidgelenkes erreicht werden (Röntgennachweis), wird in der kinderorthopädischen Abteilung, falls es nicht gelungen ist, konservativ die Spitzfußkomponente zu korrigieren, die Indikation zu einem dorsalen Release mit Achillessehenverlängerung, dorsaler Kapsulotomie des oberen und unteren Sprunggelenks mit subtalarer Derotierung gestellt (sog. Minicincinnati). Dabei ist es wichtig, das Lig. fibulocalcaneare und die Sehnenscheiden der beiden Peronealmuskeln zu durchtrennen. Gelingt es bis Ende des dritten Lebensmonats nicht, den Fuß ausreichend zu korrigieren, das heißt eine Reposition des Talonavikulargelenks konservativ durchzuführen, so wird bis zum 6. Lebensmonat weiter konservativ behandelt und dann ein komplettes subtalares Release in der Technik nach McKay und Simons [72 - 74, 102, 103] durchgeführt.

Bei beiden Verfahren ist der Zugang nach Cincinnati die Methode der Wahl [23]. Das Operationsergebnis wird in beiden Fällen durch Bohrdrähte und eine sechswöchige Gipsbehandlung gesichert. Nach der Gipsabnahme und Bohrdrahtentfernung wird der Fuß auf der Bewegungsschiene mobilisiert und durch intensive Physiotherapie und Schienenbehandlung (Nachtschiene für mindestens ein Jahr) nachbehandelt [Abb.1.8]. Beide Operationen werden im Anhang genau erläutert und anhand von Bildern beschrieben. Ab Gehbeginn erfolgt zusätzlich eine Versorgung mit Antivarus-Schuhen bzw. Sandalen mit Klumpfußzurichtung. Nachuntersuchungen bzw. Verlaufskontrollen sind in 6-monatigen Abständen, bei gutem Verlauf auch in jährlichem Turnus bis zum Wachstumsabschluss indiziert.

Abb.1.8: Nachtschiene.

Quelle: Orthopädisches Spital Speising

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2. Fragestellung

Die endgültige Evaluierung in der Klumpfußchirurgie erweist sich als nicht unproblematisch, da diverse Klassifikationen und Outcome Scores in der veröffentlichen Literatur objektive Kriterien vermissen lassen. Was die Bewertung der Behandlungsergebnisse betrifft, so ist es heute möglich geworden, gerade unter Einbeziehung der computergestützten dreidimensionalen Ganganalyse und der Pedobarographie standardisiert und objektiv Ergebnisse unterschiedlicher Behandlungsmethoden und Klumpfußschweregrade zu erfassen, zu dokumentieren und zu vergleichen. Ziel unserer Evaluierung war, neben der Objektivierung und Standardisierung der Nachuntersuchung, das Ergebnis auch im Sinne der Qualitätssicherung zu beurteilen. Nicht zuletzt sollen auch Unterschiede im mittel- bzw.

langfristigen Outcome zwischen den beiden Operationskollektiven (OP nach McKay/Simons oder Achillessehnenverlängerung mit dorsalem Release), abhängig von der primär vorliegenden Rigidität ermittelt werden. Es stellt sich die Frage, ob die Kinder bzw. die Eltern mit dem Operationsergebnis zufrieden sind und wie der funktionelle und morphologische Aspekt des erkrankten Fußes einige Jahre postoperativ zu beurteilen ist. Die Auswertung stützt sich dabei auf die drei Säulen der funktionellen (dreidimensionale Ganganalyse und dynamische Pedobarographie), der morphologischen (Röntgen) und der subjektiven (Fragebogen) Beurteilung. Auch vor dem Hintergrund der aufgetretenen Renaissance der konservativen Klumpfußtherapie gilt es, die Ergebnisse der operativen Therapie der letzten Jahre zu beurteilen, und das so objektiv wie irgend möglich. Daran wird sich dann auch die konservative Therapie messen können.

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3. Patienten und Methoden

3.1 Auswahl der Probanden

Für diese umfangreiche, retrospektive Beobachtungsstudie wurden aus einem Kollektiv von über 300 operierten Klumpfuß-Patienten ca. 100 nach unilateralen, kongenitalen, idiopathischen Auftreten des Klumpfußes aus dem Archiv des Orthopädischen Spitals Wien - Speising ausgewählt. Es durfte keine neuromuskuläre Ätiologie (sekundärer Klumpfuß) vorliegen und sich nicht um einen schweren Rezidiv-Klumpfuß handeln. Außerdem wurden geographische Gesichtspunkte berücksichtigt, da Familien aus anderen Bundesländern die teilweise sehr weite Reise nach Wien nicht zugemutet werden konnte. Die Kinder sollten im Alter zwischen 8 und 14 Jahren sein. Diese Kriterien wurden anhand der archivierten Krankengeschichten des Orthopädischen Spitals Wien-Speising ermittelt. Den Eltern wurde in einem Einladungsschreiben [s. Anhang] eine gründliche, teilweise außerplanmäßige und zeitaufwendige Untersuchung u. a. zum Zwecke der Qualitätssicherung angeboten.

Schließlich konnten 38 Kinder untersucht werden. Alle Kinder wurden nach dem oben beschriebenen Behandlungsschema mindestens bis zum Alter von drei Monaten mit Gips vorbehandelt. Anschließend wurde abhängig von der dann noch vorliegenden Deformität und Rigidität ein chirurgisches Vorgehen geplant. Sehr rigide Klumpfüße wurden nach der Technik von McKay/Simons operiert, mildere Formen lediglich mit einem dorsalen Release mit Achillessehnenverlängerung (sog. Minicincinnati) versorgt.

Gruppe A (McKay) setzt sich zusammen aus 11 Jungen und 4 Mädchen mit einem Durchschnittsalter von 1,8 Jahren zum Zeitpunkt der Operation. Bei vier Patienten dieser Gruppe ging eine Minicincinnati-OP als Ersteingriff voraus. Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung waren diese Kinder im Durchschnitt 10,9 Jahre alt.

16 Jungen und 7 Mädchen bilden die Gruppe B (Minicincinnati) mit einem Durchschnittsalter von 4,7 Monaten zum Zeitpunkt des chirurgischen Eingriffs. Hierbei handelte es sich ausschließlich um Primäreingriffe, d. h. es gingen keine weiteren Operationen voraus. Das Alter bei der Kontrolle war hier durchschnittlich 10,2 Jahre.

Bei allen Kindern wurde nach ausführlichem Aufklärungsgespräch und Einwilligung der Eltern eine umfassende Anamnese erhoben, eine Röntgenuntersuchung (anteriorer-posteriorer

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und seitlicher Strahlengang sowie Funktionsaufnahmen) des Fußes vorgenommen und eine komplette klinisch - orthopädische Untersuchung, sowie eine 3-D-Ganganalyse (Motion Analysis Corporation) mit zwei Kraftmessplatten (AMTI) und eine Pedobarographie (Druckmessplattform mit 4 Sensoren pro cm² ; EMED SF, Novel, München) durchgeführt.

Als Vergleich wurde der gesunde, nicht betroffene Fuß hinzugezogen.

3.2 Anamnese und Klinische Untersuchung

Für diese Nachuntersuchung wurde ein eigens entwickelter Anamnese- und Untersuchungsbogen verwendet (s. Anhang). Nach Fragen zu Name, Alter, Geschlecht und betroffener Seite, wurde anhand der Krankenakte und mit Hilfe der Eltern das präoperative Vorgehen ermittelt bzw. rekonstruiert: Wurde eine Gipsbehandlung durchgeführt? Wenn ja, wie lange dauerte diese? Bekam das Kind regelmäßig Physiotherapie? Nach Dokumentation des OP-Datums und der Methode (McKay/Simons oder Minicincinnati) wurden die Art und Dauer der Nachbehandlung ermittelt. Wie lange bekam das Kind einen Gips nach der Operation? Ist es einer intensiven Physiotherapie zugeführt worden? Hat es eine Nachtlagerungsschiene getragen? Wenn ja, wie lange? Trägt es Antivarusschuhe oder Klumpfußeinlagen? Blieb es bei einem einmaligen Eingriff, oder war eine zweite Operation nötig? Sind andere Gelenke, insbesondere Knie oder Hüfte, beeinträchtigt? Wichtig erscheinen auch die Fragen nach der Funktionalität des Fußes. Geht das Kind in die Schule?

Nimmt es am Sportunterricht teil? Geht es außerschulischen sportlichen Aktivitäten nach?

Wenn ja, wie oft in der Woche? Gibt es Einschränkungen beim Sport oder im Alltag? Wie ist die eigene subjektive Beurteilung des Patienten? Ist er zufrieden oder unzufrieden mit seinen Füssen? Kann der Patient normales Schuhwerk tragen? Wie ist der Schuhverbrauch? Normal oder exzessiv? Gibt es Unterschiede in der Schuhgröße zwischen betroffener und nicht betroffener Seite?

Die körperliche klinische Untersuchung beginnt nach der Ermittlung von Körpergewicht und Größe mit dem Messen der Fußlänge und Fußbreite mit Hilfe einer Schieblehre. Die Beinlänge wird von der Spina iliaca anterior superior bis zum lateralen Malleolus mit Hilfe eines Maßbandes gemessen. Wadenumfang und Oberschenkelumfang werden ebenfalls mit Hilfe eines Maßbandes ermittelt. Nach Beurteilung der Narbenverhältnisse (Inspektion) wird auf einen Druckschmerz im Narbengebiet getestet. Durch genaue Inspektion ermitteln wir die

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jetzt bestehende Fußform, achten dabei besonders auf einen Rückfußvarus- oder valgus und die Stellung des Vorfußes. Eine mögliche pathologische Rotation des Unterschenkels wird in Bauchlage des Patienten erfasst. Die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk (Dorsalextension und Plantarflexion) wird in 90° Kniebeugung und Streckung goniometrisch gemessen. Der Untersuchungsbogen (s. Anhang) enthält ebenfalls einen eigens entwickelten Score, in den Angaben zu Schmerz, Zehenspitzengang, Fersengang, Gehen und Schuhart einfließen.

Insgesamt können bei diesem Score bis zu 18 Punkte erreicht werden. 17 - 18 Punkte sind ein exzellentes Ergebnis, 14 - 16 Punkte ein gutes Ergebnis, 12 - 13 Punkte ein befriedigendes Ergebnis und unter 12 Punkten kann von einem schlechten Ergebnis gesprochen werden.

Ein weiteres wichtiges und bekanntes postoperatives Bewertungsschema ist das 100- Punktesystem von Magone et al. [70], welches ebenfalls in dieser Studie zur Anwendung kam [Tabelle 1]. 100 erreichte Punkte entsprechen einem Normalfuß. So gelten 90 - 100 Punkte als exzellentes postoperatives Ergebnis, 80 - 89 Punkte als gut, 70 - 79 Punkte als befriedigend und unter 70 Punkte gelten als schlechtes Resultat.

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Parameter Punktzahl 1. Rückfuß

Neutral bis 5° Valgus 5° Valgus

Varus

5 3 0 2. Vorfuß

Neutral bis 5° Adduktion

>5° Adduktion

3 0 3. Equinus

Dorsalflexion bis 90°

>90°

5 0 4. Exkavatus

Nicht vorhanden vorhanden

5 0 5. Supination

Nicht vorhanden vorhanden

3 0 6. OSG-Beweglichkeit mittels Röntgen (aus lateralen Aufnahmen in maximaler Dorsal- und Plantarflexion)

>40°

31-40°

21-30°

11-20°

<11°

25 20 15 8 0 7. Flexion Großzehe

Vorhanden Nicht vorhanden

5 0 8. Bimalleolar-Achse

75-85°

70-74°, 86-90°

65-69°, >90°

>65°

10 8 4 2 9. Fersengang

Möglich Nicht möglich

5 0 10. Zehengang

Möglich Nicht möglich

5 0 11. Schmerzen

Nie

Bei großer Aktivität Bei normaler Aktivität Beim Gehen

12 8 6 3 12. Funktion

Nie eingeschränkt

Schränkt große Aktivität ein Schränkt normale Aktivität ein Schränkt Gehen ein

12 8 6 3

Tabelle 1: Postoperatives Bewertungsschema von Magone et al. [67]

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3.3 Klinische Ganganalyse

Der menschliche Gang ist eine komplexe, zyklische Bewegung. Mit dem Begriff der klinischen Ganganalyse wird eine Vielzahl an Methoden zur Evaluation des Gangmusters einer Person in Verbindung gebracht. Die Analyse von komplexen, zyklischen Bewegungen wie dem Gehen reicht von der Beobachtung des menschlichen Ganges bis zum Einsatz von komplizierten und teuren Ausrüstungen. Um eine vollständige Analyse des Ganges zu erhalten, werden in der modernen Ganganalyse mehrere Komponenten integriert.

Eine komplexe Beschreibung des menschlichen Ganges beinhaltet die reine Beobachtung,

eine Videoaufzeichnung,

computergestützte Bewegungsanalysen, Messen von Bodenreaktionskräften, Elektromyographie und

die Messung des Energieverbrauchs.

Die Ergebnisse dieser modernen Untersuchungen werden herangezogen, um das weitere Behandlungskonzept eines Patienten mit einer komplexen Gangstörung festzulegen, den IST - Zustand zu evaluieren, oder Therapieeffekte zu dokumentieren.

3.3.1 Geschichte der instrumentellen Ganganalyse

Mit dem Beginn des Sezierens menschlicher Leichen erfolgte die systematische Identifizierung der Beinmuskulatur als Gehwerkzeuge. Hieronymus FABRICIUS AQUAPENDENTE beschreibt in seiner Opera omnia anatomica et physiologica (1738), einem Lehrbuch für funktionelle Anatomie, die Aufgabe der Muskulatur während des menschlichen Gangzyklus und stellt diese anderen Lebewesen gegenüber. Die Beobachtung des Gangbildes blieb der visuellen Wahrnehmung des Auges vorbehalten.

Möglichkeiten und Hilfsmittel zur Beobachtung und Beschreibung des Ganges

1. Menschliches Auge:

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Das menschliche Auge erlaubt die Aufnahme von etwa 16 Bildern in der Sekunde.

Phänomene während des Gangzyklus, die in weniger als 1/16 Sekunde auftreten, können nicht beobachtet werden.

Die selektive Wahrnehmung und das Erinnerungsvermögen des menschlichen Gehirns sind weitere limitierende Faktoren in der beobachtenden Ganganalyse, so dass für die Analyse des Ganges sehr früh nach technischen Hilfen gesucht wurde.

2. Fotografie:

Nach der Entwicklung der Fotografie war erstmals eine Dokumentation möglich. Edward MUYBRIDGE führte in den Jahren um 1880 Bewegungsstudien mit Serien von 12 bis 24 Kameras und einer Belichtungszeit von 1/500 Sekunde durch [Abb. 2. 1].

Abb.2.1: Edward Muybridge, Quelle: http://www.univie.ac.at/cga

3. Film:

Mitte des 20. Jahrhunderts führte die Verbesserung der Kameratechnik zur Entwicklung von

"slow motion"-Studien. Erste klinische Ganglaboratorien wurden von ILLMAN und seinen Schülern PERRY in Los Angeles und SUTHERLAND in San Diego betrieben; sie verfassten grundlegende Arbeiten zur Methodik der Quantifizierung des menschlichen Ganges.

Das erste Ganganalyselabor im deutschen Sprachraum errichtete BAUMANN in den 60er Jahren in Basel. Aufgrund der kinematischen Aufnahmetechnik waren für die Bewegung der Kamerawagen großdimensionierte Hallen erforderlich. Reflektierende Marker wurden zur Visualisierung der Gelenkwinkel eingesetzt. Erste Kraftmessplatten ermöglichten bereits die Messung der Bodenreaktionskraft und die Beurteilung der Gelenkkinetik.

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4. Zweidimensionale Videoanalyse:

Durch die Entwicklung elektronischer Aufnahmeverfahren wurde Ganganalyse auch in größeren Klinikräumen möglich. Videokameras waren wesentlich handlicher, das Filmmaterial kostengünstiger, und Analysen des Gangbildes konnten zumindest mit der "slow motion"-Technik universell eingesetzt werden. Bewegungsanalysen im Sport bedienten sich ebenfalls der Videotechnik.

In besser ausgestatteten Labors konnten durch Digitalisierung und durch Mithilfe reflektierender Marker die Gelenkwinkel errechnet und mit verbesserten Kraftmessplatten die Drehmomente beurteilt werden.

5. Dreidimensionale Ganganalyse:

Höhere Leistungsfähigkeit der Rechner und einfachere Digitalisierungsverfahren ermöglichen eine Darstellung des Gangbildes in jeder beliebigen Ebene des Raumes. Verbesserte Software-Programme erlauben heute trotz einer größeren Anzahl erhobener Rohdaten eine anwenderfreundlichere Auswertung des Datenmaterials.

3.3.2 Beschreibung des menschlichen Ganges, Einteilung und Begriffserklärung

Begriffsbestimmungen sind nötig, um eine bessere Beschreibung der Ereignisse im Gangzyklus zu ermöglichen. Diese einheitliche Sprache ist aus der internationalen Literatur übernommen [83]:

KADENZ: Anzahl der Schritte pro Minute.

GANGGESCHWINDIGKEIT: Zurückgelegte Wegstrecke in einer bestimmten Zeit.

SCHRITTBREITE: Der Abstand zwischen den Fortbewegungslinien beider Füße.

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Schritt- breite

Abb.2.2: Schrittbreite, Quelle: Bildmaterial Ganglabor Speising

EINZELSCHRITT:

Initialer Bodenkontakt der einen Extremität bis zum initialen Bodenkontakt der anderen Extremität.

Einzelschritt R-L Einzelschritt L-R

Abb.2.3: Einzelschritt, Quelle: Bildmaterial Ganglabor Speising

DOPPELSCHRITT:

Initialer Bodenkontakt der einen Extremität bis zum initialen Bodenkontakt derselben Extremität.

Abb.2.4: Doppelschritt, Quelle: Bildmaterial Ganglabor Speising

Doppelschritt R-L (Gangzyklus)

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KRAFTMESSPLATTE:

Elektronische Platte, die Kraftanteile in ihren einzelnen Ebenen messen kann.

KINEMATIK:

Quantitative Beschreibung von Gelenkwinkeln oder von Bewegungen von Körpersegmenten.

Es wird keine Auskunft über auftretende Kräfte gegeben. Die Ursachen einer Bewegung bleiben unbeschrieben.

KINETIK:

Quantitative Beschreibung der Kräfte, die auf ein Gelenk oder einen Körperteil wirken.

Momente am Gelenk = Kraft x Bodenreaktionskraft Leistung am Gelenk = Moment x Winkelbeschleunigung Bestimmung von Bodenreaktionskräften.

FUSSÖFFNUNGSWINKEL (foot progression):

Der Winkel zwischen der Laborachse (= Gangrichtung) und der Verlängerung der Fußlängsachse.

Fußöffnungswinkel

Abb.2.5: Fußöffnungswinkel, Quelle: Bildmaterial Ganglabor Speising

NETTODREHMOMENT:

Summe aller Kräfte, die über ein Gelenk wirken.

ZEIT-WEG-PARAMETER:

Geschwindigkeit (Mittelwert: 82 Meter pro Minute) Kadenz (113 Schritte pro Minute)

Schrittbreite (ca. 10 cm) Einzelschrittlänge (1,41 Meter)

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Doppelschrittlänge Schrittzyklusdauer 3.3.3 Gangzyklus

Diese zyklische Bewegung lässt sich in mehrere Phasen einteilen und beschreiben. Der Begriff Gangzyklus beschreibt die gesamte Aktivität, die zwischen dem ersten initialen Bodenkontakt und dem darauf folgenden Bodenkontakt des gleichen Fußes stattfindet. Ein vollständiger Gangzyklus umfasst eine Standphase und eine Schwungphase. Der gesamte Gangzyklus wird aufgrund der zeitlich unterschiedlichen Schrittfolgendauer auf 100 % normiert. Das Verhältnis zwischen Stand- und Schwungphase liegt dabei bei ca.

60 % : 40 %.

Um den Gangzyklus noch genauer definieren zu können, wird jeweils die Stand- und Schwungphase in weitere einzelne Phasen unterteilt.

Gangzyklus Doppel Einzelunterstützung Doppel

0 %

50 % 60 % 10 %

100 %

Abb.2.6:: Gangzyklus, Quelle: Bildmaterial Ganglabor Speising

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Standphase (Stance Phase)

Die Standphase beginnt mit dem Bodenkontakt und endet in dem Moment, indem die Zehen desselben Fußes den Boden verlassen (Zehenablösung).

Die Standphase wird in mehrere Phasen eingeteilt:

1. Initialer Kontakt (Initial Contact, IC): von 0 bis 2 %

2. Gewichtsübernahme (Loading Response, LR): von 0 bis 10 % 3. Mittlere Standphase (Mid Stance, MST): von 10 bis 30 % 4. Ende der Standphase (Terminal Stance, TST): von 30 bis 50 % 5. Vorbereitung zur Schwungphase (Pre-Swing, PS): von 50 bis 60 %

1. Initialer Kontakt (Initial Contact, IC):

Beide Beine berühren den Boden. Zu diesem Zeitpunkt kippt das Becken leicht nach ventral.

Die Hüfte ist ca. 30° flektiert, das Knie ist in einer stabilen Position. Es ist zwischen 5° und 10° gebeugt. Das Sprunggelenk befindet sich in annähernder Neutralstellung.

In dieser Phase sind die aktiven Muskeln die Hüftstrecker, die Knieflexoren, die Knieextensoren und die Dorsalextensoren des Fußes.

Die Hüftstrecker werden zur Abbremsung der Schwungphase eingesetzt. Dabei arbeiten der M. semimembranosus und der M. biceps femoris.

Für die Stabilisation des Kniegelenks sind besonders die Kniestrecker (M. quadriceps femoris) und die Kniebeuger (M. biceps femoris, der M. semimembranosus und der M.

semitendinosus) verantwortlich.

In weiterer Folge unterstützen die Kniebeuger die folgende Knieflexion in der Phase der Gewichtsübernahme.

Der M. tibialis anterior, der M. extensor hallucis longus und der M. extensor digitorum longus bewirken ein kontrolliertes Aufsetzen des Fußes und sind besonders aktiv in dieser Phase.

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Abb.2.7: Initialer Kontakt

Quelle: Perry. Gait Analysis, S. 151

2. Gewichtsübernahme (Loading Response, LR):

In dieser Phase empfängt das Standbein das Körpergewicht. Der Körper bewegt sich über den Fuß nach vorne. Die Gelenke sind flektiert, um die nach oben gerichtete Bewegung des Beckens klein zu halten. Das Knie hat eine Flexionsstellung von 15° bis 18°, während das Sprunggelenk 10° bis 15° plantarflektiert ist, um Bodenkontakt zu gewinnen. Das Becken bleibt weiterhin leicht nach vorn gekippt.

Aktive Muskeln in dieser Phase sind die Extensoren der Hüfte (unterer Teil des M. gluteus maximus) und des Knies (M. quadriceps) sowie die Dorsalextensoren (M. tibialis anterior, M. extensor hallucis longus und M. extensor digitorum longus) des Fußes.

Abb.2.8: Gewichtsübernahme Quelle: Perry Gait Analysis, S. 151

3. Mittlere Standphase (Mid Stance, MST):

In dieser Phase trägt das Standbein das Gewicht und der Körper bewegt sich über den Fuß hinweg nach vorne. Die Hüfte erfährt zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Extension in Richtung neutral, wobei das Knie die geringfügige Flexionsstellung aus der Phase der Gewichtsübernahme wieder etwas reduziert und sich nun annähernd in Neutralstellung

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befindet. Dies ist wichtig für eine gute Stabilität im Stand. Das Sprunggelenk steht auch in Neutralstellung und der Fuß hat vollen Bodenkontakt.

Im Verlauf dieser Phase findet die Abrollbewegung des Fußes hauptsächlich im lateralen Fußbereich statt. Im Anschluss an die mittlere Standphase wird dann bis zum Ende der Standbeinphase der Vorfuß stärker belastet. In dieser Phase gibt es weniger aktive Muskelgruppen als in den anderen Phasen. Diese Aktivität bezieht sich mehr auf eine Muskelkontrolle.

Es arbeiten als Hüftabduktoren der M. tensor fasciae latae, M. gluteus maximus et medius, um in dieser Phase die Beckenkippung zu verhindern.

Das Knie wird lateral durch den Tractus iliotibialis stabilisiert. Der M. quadriceps ist in der frühen mittleren Standphase noch aktiv, wobei der Muskel entspannt wird, sobald sich der Körper über den Fuß hinweg nach vorne bewegt.

Die Plantarflexoren des Fußes wie M. gastrocnemius, M. soleus und M. flexor digitorum longus beginnen nun den Vorwärtsantrieb.

Abb.2.9: Mittlere Standphase Quelle: Perry. Gait Analysis, S. 153

4. Ende der Standphase (Terminal Stance, TST):

Diese Phase beginnt mit der Vorwärtsbewegung des Körpers relativ zum Fuß des Standbeines. Das Abheben der Ferse des Standbeines findet noch vor Beginn der doppelten Abstützung durch den Fersenkontakt des kontralateralen Fußes statt. Das Becken der anderen Seite rotiert nach vorne. Die Hüfte erfährt hier die größtmögliche Extension des gesamten Gangzyklus. Das Knie bleibt in Neutralstellung und beginnt allmählich mit der Flexion, die während der nächsten Phasen Voraussetzung ist.

Der Fuß ist 10° dorsalextendiert, die Ferse verliert jetzt den Bodenkontakt. Am Ende kommt es noch zu einer weiteren leichten Dorsalextension des Fußes, die in dieser Phase ihr Maximum erreicht.

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Die bisher aktiven Muskeln der mittleren Standphase (M. tensor fasciae latae, M. gluteus maximus et medius) beenden jetzt ihre Tätigkeit.

Der M. gastrocnemius liefert jetzt einen letzten Anstoß. Die Hüftadduktoren (M. adductor longus, M. gracilis) beginnen ebenfalls aktiv zu werden.

Abb.2.10: Ende der Standphase Quelle: Perry. Gait Analysis, S. 156

5. Vorbereitung zur Schwungphase (Pre-Swing, PS):

Das Bein wird für die Schwungphase vorbereitet, die kontralaterale Beckenhälfte setzt die Vorwärtsrotation fort und die Hüfte bleibt in der Neutralstellung eingestellt. Das gesamte Körpergewicht muss nun auf die kontralaterale Seite transferiert werden. Erst dann kann es zur Schrittauslösung kommen.

Die passive Kniebeugung beginnt sich rasch auf 35 bis 40° zu steigern. In dieser Phase findet im Sprunggelenk eine Bewegung in die Plantarflexion statt, die von einer Dorsalextension von 10° ausgeht und dann bis zu einer Plantarflexion von 20° reicht.

Die Hüftadduktoren, vor allem der M. adductor longus, sind noch aktiv.

In der Vorbereitung zur Schwungphase beginnt auch die Aktivität der Hüftbeuger (M. rectus femoris) und der Dorsalextensoren (M. tibialis anterior, M. extensor hallucis longus und M. extensor digitorum longus).

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Abb.2.11. Vorbereitung zur Schwungphase Quelle: Perry. Gait Analysis, S. 156

Schwungphase (Swing Phase)

Die Schwungphase beginnt in dem Moment, in dem die Standphase endet. Sie dauert von der Zehenablösung bis zum erneuten Bodenkontakt desselben Fußes.

Die Schwungphase wird in drei große unterschiedliche Phasen aufgeteilt:

1. Beginn der Schwungphase (Initial Swing, IS): von 60 bis 72 % 2. Mittlere Schwungphase (Mid Swing, MSW): von 73 bis 87 %

3. Terminale Schwungphase (Terminal Swing, TSW): von 87 bis 100 %

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1. Beginn der Schwungphase (Initial Swing, IS):

Während dieser Phase hebt sich das Bein vom Boden, und der Oberschenkel bewegt sich nach vorne. Die Hüfte beugt sich bis 20°. Das Knie erreicht seine Maximalflexion von 60 bis 70°, das Sprunggelenk erreicht die größte Plantarflexion von ca. 20°.

Primär ist während dieser Phase der M. adductor longus als Hüftbeuger und Adduktor aktiv, um das Bein nach vorne zu bringen und stabilisieren zu können.

Die Dorsalextensoren, vor allem M. tibialis anterior, M. extensor hallucis longus und M.

extensor digitorum longus, heben den Fuß an.

Die Knieflexion erfolgt passiv durch die Trägheit des Beines. Dies bedeutet eine geringe Aktivität von M. biceps femoris (Caput breve), M. sartorius und M. gracilis, die auch über das Kniegelenk ziehen.

Eine freie Beweglichkeit des Knies ist für den normalen Gang in dieser Phase wesentlich.

Abb.2.12. Beginn der Schwungphase Quelle: Perry. Gait Analysis, S. 158

2. Mittlere Schwungphase (Mid Swing, MSW):

Hier kommt es zu einer senkrechten Tibiastellung mit flektiertem Knie. Während die Hüftflexion allmählich 30° erreicht, findet eine passive Knieextension statt. Sie resultiert durch die Schwerkraft und die geringere Aktivität der Hüftbeuger. Die Kniebeugung der frühen Schwungphase (Initial Swing) wird von 60° bis 70° auf 30° reduziert. Das Sprunggelenk wird in eine annähernde Neutralstellung gebracht. Die wichtigste Muskelaktivität ist die fortschreitende Betätigung der Dorsalextensoren (M. tibialis anterior, M. extensor hallucis longus, M. extensor digitorum longus) des Fußes.

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Abb.2.13. Mittlere Schwungphase Quelle: Perry. Gait Analysis, S. 158

3. Terminale Schwungphase (Terminal Swing, TSW):

Sie bewirkt das Vorbringen des Unterschenkels bis zur Neutralstellung des Kniegelenkes. Das Becken tendiert dazu, leicht nach vorne zu rotieren, die Hüftflexion erreicht 30°. Das Sprunggelenk behält die Neutralstellung ein. Die Aktivität der Muskeln erhöht sich jetzt allgemein.

Die Hüftextensoren (M. adductor magnus und M. gluteus maximus) bremsen den Vorschwung.

Die Flexoren und Extensoren des Knies sorgen für die synergistische Extension und Stabilisierung, sowie für eine gute Vorbereitung auf die Standbeinphase. Verantwortlich hierfür sind der M. biceps femoris (Caput longum), der M. semimembranosus, der M.

quadriceps (ausgenommen M. rectus femoris) und zum geringeren Anteil der M.

semitendinosus und der M. popliteus.

Die starke Kontraktion der Dorsalextensoren (M. tibialis anterior, M. extensor hallucis longus, M. extensor digitorum longus) hält den Fuß weiterhin in neutraler Position.

Abb.2.14.: Terminale Schwungphase Quelle: Perry. Gait Analysis, S. 158

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3.3.4 Zusätzliche Ereignisse beim Gangzyklus

Doppelunterstützungsphase (double-limb support)

Der Begriff Doppelunterstützungsphase umschreibt die Phase, in der beide Füße gleichzeitig den Boden berühren. Der eine Fuß befindet sich in der Fersenablösung bzw. Zehenablösung und der andere in der Phase des initialen Bodenkontaktes bzw. Fußsohlen-Boden-Kontaktes.

In einem Gangzyklus finden zwei Doppelunterstützungsphasen statt. Die erste betrifft den initialen Bodenkontakt und die Gewichtsübernahme, die zweite passiert während der Vorbereitung zur Schwungphase.

Die Dauer dieser Phase ist direkt von der Gehgeschwindigkeit abhängig. Mit steigender Gehgeschwindigkeit verringert sich die Zeit des Doppelstandes und umgekehrt. Die normale Schrittfrequenz eines Erwachsenen (zwischen 20 und 50 Jahre) beträgt ungefähr 113 Schritte pro Minute.

Einzelunterstützungsphase (single-limb support)

Sie findet während der Schwungphase statt und betrifft die mittlere Standphase sowie die terminale Standphase. Hier schwingt das kontralaterale Bein am Standbein vorbei.

Bewegung des Körperschwerpunktes und Oberkörpers

Das rhythmische Hoch- und Herunterheben des Körpers ist ein wichtiges Merkmal der Fortbewegung, wobei diese Bewegungen zunächst nur die Verlagerung des Körperschwerpunktes in der Senkrechten zeigen, die normalerweise ungefähr 5 cm beträgt.

Der Körperschwerpunkt beschreibt bei der Fortbewegung eine leicht wellenförmige Linie.

Die Verlagerung des Körperschwerpunktes steht in direktem Zusammenhang mit der Gehgeschwindigkeit. Je höher die Geschwindigkeit, desto größer die senkrechte Verlagerung, und desto höher der Energieverbrauch.

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Abb.2.15. Körperschwerpunktverlagerung Quelle: Perry. Gait Analysis, S. 158

Neben einer vertikalen kommt es beim Gehen auch zu einer lateralen Verlagerung des Körperschwerpunktes. Diese Schwerpunktverlagerung formt bei der graphischen Darstellung eine von links nach rechts verlaufende wellenförmige Linie, je nachdem, welches Bein belastet wird. Eine laterale Körperschwerpunktverlagerung hat die gleiche Form und Größe wie die Verlagerung in der Senkrechten.

Armbewegungen

Die Bewegungen der Arme verlaufen entgegengesetzt zu den Beinbewegungen, wodurch entgegengesetzte Reaktionskräfte entstehen. Zur Erhaltung der Balance und der Symmetrie werden während des Gehens sowohl angepasste Armbewegungen als auch Rumpfrotationsbewegungen eingesetzt.

3.3.5 Voraussetzungen für ein physiologisches Gangbild

1. Stabilität in der Standphase:

Dazu benötigt man vor allem die Stabilität des Fußes am Boden bzw. eine gute Stabilitätsfunktion der gesamten unteren Extremität. Um die korrekte Lage und Bewegung des Schwerpunkts zu sichern, ist die Rumpfstabilität und das Körpergleichgewicht von großer Bedeutung.

2. Mobilität in der Schwungphase:

Eine Stabilität des Schwungfußes ist nur dann optimal gegeben, wenn die entsprechenden Fußheber aktiv mitarbeiten. Ferner spielen die Knie- und Hüftbeuger der Schwungbeinseite und das Körpergleichgewicht eine wesentliche Rolle.

Außerdem ist die korrekte Position des Standbeines wichtig.

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3. Vorpositionierung des Fußes am Ende der Schwungphase:

Dabei muss eine gute Balance der Fußpronatoren und -supinatoren sowie eine gute Knie und Fußposition gegeben sein. Am wichtigsten in dieser Phase sind jedoch die Fußheber der Schwungbeinseite. Natürlich ist auch hier das Körpergleichgewicht notwendig.

4. Adäquate Schrittlänge:

Die durchschnittliche Doppelschrittlänge eines Erwachsenen beträgt 1,41 m. Gemessen wird von einer Ferse bis zur anderen Ferse.

Um dies zu ermöglichen, bedarf es einer guten Stabilität des Standbeines. Dieses wird durch eine optimale Koordination der gesamten Beinmuskulatur erreicht. Hierbei beteiligen sich die Fußheber, die Pro- und Supinatoren, die Hüftbeuger und es erfolgt eine fast vollständige Knieextension.

5. Adäquate Schrittbreite:

Die durchschnittliche Schrittbreite beträgt ca. 10 bis 12 cm. Gemessen wird von Ferse links bis Ferse rechts hinten.

Es bedarf hierbei eines optimal funktionierenden Gleichgewichtes, um eine adäquate Schrittbreite durchhalten zu können. Bei Gleichgewichtsstörungen kommt es zu einer Verbreiterung des Gangbildes.

6. Energieverbrauch:

Dieser ist gegeben durch die Vordehnung der Muskulatur, die Energiekonservierung der zweigelenkigen Muskeln, die Bandstabilität der Gelenke und die Minimierung der Veränderung des Schwerpunktes in 3 Ebenen.

3.3.6 Verwendete Geräte

Mittels eines optoelektronischen Bewegungsanalysesystems werden die Bewegungen beim Gehen aufgezeichnet.

Die Bewegungen werden von 6 elektronischen Kameras erfasst, die 60 Bilder pro Sekunde aufnehmen und synchron geschaltet sind.

Es kommen 2 Kraftmessplatten zum Einsatz, die mit einer Aufnahmefrequenz von 600 Hertz aufzeichnen und zu den Videokameras synchronisiert sind.

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Abb.2.16.: Ganglabor Speising (Bildmaterial Ganglabor)

Die Bestimmung der Körpersegmente und der Drehachsen erfolgt mit Kugeln, die mit einer retroreflektierten Folie überzogen sind.

Abb.2.17.: Marker

(Bildmaterial Ganglabor)

Die Anbringung dieser Kugeln (= passive Marker) erfolgt über anatomisch vorgegebene Referenzpunkte. Je nach Komplexität des verwendeten biomechanischen Modells lassen sich die Bewegungen darstellen.

(41)

Mit den 6 Kameras werden die zweidimensionalen Bilder erfasst und im Computer zu einem dreidimensionalen Bild verrechnet. Um diese Verrechnung zu ermöglichen, wurde der Aufnahmeraum vor der Aufnahme kalibriert.

Die im Boden eingelassenen Kraftmessplatten, die die gleiche farbliche Struktur aufweisen wie der restliche Boden, dienen zum Erfassen der Bodenreaktionskraft. Diese wird in den drei Komponenten (vertikal, medial-lateral, anterior-posterior) aufgenommen und zur Berechnung der Nettodrehmomente und Leistungen mit den kinematischen Parametern in Verbindung gebracht.

Aufgrund der Positionierung von mindestens drei Markern an einem Segment lässt sich dessen Bewegung im Raum beschreiben. Diese Bewegung wird in den drei Ebenen (frontal, sagittal und transversal) beschrieben.

Zur Erfassung eines Punktes im Raum sind mindestens 2 Kameras erforderlich. Da es aber beim Gehen zum teilweisen Abdecken von Markern in einer Kamera kommt, ist es notwendig, mit mehreren Kameras die Position des verdeckten Markers zu erfassen.

Zur Bestimmung eines Körpersegmentes im Raum ist die Anbringung von drei Markern wichtig, um alle räumlichen Bewegungen zu erfassen.

3.4 Ablauf einer Ganganalyse

Bei dem verwendeten biomechanischen Modell werden zuerst in einer statischen Aufnahme die Knie- und Sprunggelenkachsen definiert, die bei der eigentlichen Aufnahme dynamisch errechnet werden.

3.4.1 Statische Aufnahme (= Standaufnahme)

Mittels eines medialen und lateralen Markers wird die Kniegelenk- und die Sprunggelenk- achse definiert:

(42)

– Am Kniegelenk befindet sich jeweils ein Marker an der medialen und an der lateralen Kondylenspitze des Femurs.

– Am Sprunggelenk befindet sich jeweils ein Marker etwas ventral/kranial am medialen Malleolus und etwas dorsal/kaudal am lateralen Malleolus.

– Ferner werden mittels drei Markern die Oberschenkel- und Unterschenkelsegmente definiert.

Abb.2.18.: Standaufnahme Quelle: Ortho track reference

manual, chapter 7

3.4.2 Dynamische Aufnahme (= Gangaufnahme)

Dazu werden insgesamt 25 passive Marker benötigt. Die Kniegelenk- und Sprung- gelenkmarker werden bei dieser Aufnahme entfernt.

Anlage der 25 Marker:

– Auf der Mitte des dorsalen Fußes proximal der Metatarsalknochen.

– Dorsal am Calcaneus in Höhe der Vorfußmarker.

– Auf die Spitzen der beiden Spinae iliacae anteriora superiora:

Durch die Lokalisation dieser Marker erfolgt die Berechnung der Hüftgelenkszentren.

(43)

– In die Mitte der Articulatio manus auf der dorsalen Seite.

– Am Epicondylus humeri lateralis.

– In die Mitte der Verbindungslinie der beiden Spinae iliacae posteriora superiora.

– Am Acromion.

Abb.2.19. Gangaufnahme Quelle: Ortho track reference

manual, chapter 7

3.4.3 Definition der Winkel

Die Beckenbewegung wird relativ zum Raum gemessen. Die Hüftbewegung bezieht sich wiederum auf die Beckenebene.

Der Kniewinkel wird durch die Relativbewegung vom Unterschenkel zum Oberschenkel beschrieben.

Die Beschreibung der Fußbewegung erfolgt zum Segment davor.

Die Oberkörper- und Fußöffnungswinkel werden relativ zum Raum-Koordinationssystem angegeben.

Nach der Datenerfassung erfolgten in einem speziellen Softwareprogramm die dreidimensionale Rekonstruktion sowie die Zykluseinteilung zur Weiterverarbeitung der Daten.

(44)

3.4.4 Datenermittlung

Um eine repräsentative Aussage zu treffen, werden mindestens 5 Gangzyklen aufgenommen und ermittelt. Um eine qualitative Aussage über die Bodenreaktionskräfte treffen zu können, werden ebenfalls mindestens 5 Plattentreffer pro Seite benötigt. Ein Treffer definiert sich folgendermaßen:

Der gesamte Fuß muss eine Kraftmessplatte treffen.

Bei Berührung oder Übertretung der Plattenabgrenzung wird der Versuch nicht gezählt.

Abb.2.20.: Kraftmeßplattentreffer, Quelle: Perry. Gait Analysis, S. 415

Danach wird im Programm "EVA", einem speziellen Programm zur 3D- Rekonstruktion, die 2D-Information der 6 Kameras in ein 3D-Bild umgewandelt.

Abb.2.21. „Strichmännchen“ (Bildmaterial Ganglabor)

Um die zyklische Bewegung analysieren zu können, müssen die zeitliche Zuordnung der Phasen sowie die Kraftmessplattentreffer bestimmt werden. Dies erfolgt im "OT"-Programm (OrthoTrak 4.1, Gait Analysis Software, Motion Analysis Corporation).

Nach der Bearbeitung im "OT" können die Zeit-Weg-Parameter sowie die kinematischen und kinetischen Parameter graphisch und numerisch dargestellt werden.

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