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Wenn der Körper schreit

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Academic year: 2022

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PRAXIS

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elbst das Einkaufen oder einfache Tätig- keiten im Haushalt kosten Betroffene viel Kraft. Sie leiden unter chro- nischen Schmerzen in mehreren Körperregionen – man spricht deshalb von chronic widespread pain (CWP). Übersetzt bedeu- tet der Begriff Fibromyalgie Faser-Muskel-Schmerz. Meist nehmen die Patienten diesen

Schmerz im tiefliegenden Mus- kelgewebe wahr, oft auch auf der Haut oder im Bereich der Gelenke, auch wenn diese selbst nicht betroffen sind. Fast immer treten Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule auf und brei- ten sich in die Extremitäten aus.

Doch können mit bildgebenden Verfahren und Labordiagnos- tik keine organischen Ursachen für die Empfindung festgestellt

werden. Das lässt die Patienten oft als Hypochonder dastehen.

Der Schmerz wird meist beglei- tet von Schlafstörungen. Die Betroffenen finden durch häufi- ges Erwachen nicht in die Tief- schlafphasen und fühlen sich deshalb erschöpft. Hinzu kom- men Konzentrationsprobleme, die kaum einen klaren Gedan- ken zulassen. Man spricht vom

„Fibro-Nebel“ (fibro-fog). –

„Ich fühle mich oft wie ein Wrack in meinem angeblich ge- sunden Körper“, so beschreibt es eine 55-jährige Patientin.

Somatisch funktionelles Syndrom Die Erkrankung ent- wickelt sich meist über einen größeren Zeitraum und die Symptome können monatelang anhalten. Bis die Fibromyalgie als Diagnose im Raum steht, vergehen oft viele Jahre, denn die Ursache lässt sich schwer finden. Und obgleich die Fi- bromyalgie inzwischen seit mehr als drei Jahrzehnten als Krankheit anerkannt ist und dem nichtentzündlichen nicht- degenerativen Formenkreis zu- geordnet wird, weiß man im Grunde noch wenig über die Ursachen der chronischen Schmerzen. Es werden sowohl genetische als auch somatische oder psychische Belastung dis- kutiert. Medizinische Fachge- sellschaften sprechen von soma- tischem funktionellem Syn- drom, das bedeutet, dass zwar körperliche Beschwerden im Vordergrund stehen, die Ursa- chen aber nicht durch Schädi- gung des Gewebes hervorgeru- fen wird.

„Vielmehr wird die Symptoma- tik durch Störungen in der Schmerzwahrnehmung im Ge-

Wenn der

Körper schreit

Alle Organe sind gesund und doch schmerzen Muskeln und Gelenke. Die Symptome der

Fibromyalgie sind weder eingebildet, noch müssen die Betroffenen sie hinnehmen. Rheumatologische

und schmerzmedizinische Therapien können nicht heilen, aber helfen.

FIBROMYALGIE

© batuhan toker / iStock / Getty Images

122 DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2021 | www.diepta.de

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hirn verursacht“, verdeutlicht Dr. Ulrich Pfeiffer, leitender Oberarzt einer rheumatologi- schen Klinik in Wuppertal.

Durch Störungen im Schmerz- filter interpretiert das Gehirn bereits schwache Reize als Schmerz. „Man kann das so verständlich machen“, erklärt der Rheumatologe: Wenn man Kleidung auf der Haut trägt, ist das ein starker Reiz, den das Gehirn aber normalerweise he- rausgefiltert, wir nehmen ihn also gar nicht wahr. Ein eher schwacher Reiz einer Ameise hingegen, die auf dem Arm krabbelt, wird vom Gehirn an- ders bewertet und als sehr stö- rend empfunden.“

Oftmals lange Vorge- schichte Zu den Faktoren, die das Risiko der Erkrankung er- höhen, gehören nach Meinung des Mediziners übermäßiges Stresserleben am Arbeitsplatz und in der Familie sowie psy- chische Traumen wie Miss- handlung im Kindes- und Er- wachsenenalter oder das Er- leben der Erkrankung bei den Eltern. Das Fibromyalgiesyn- drom kann auch als Sekundär- erkrankung beispielsweise einer rheumatoiden Arthritis auftre- ten. Geringe körperliche Aktivi- tät, Rauchen oder Übergewicht begünstigen die Symptomatik.

Die Prävalenz der Erkrankun- gen wird in bevölkerungsba-

sierten Studien zwischen zwei und elf Prozent angegeben.

Frauen erkranken deutlich häu- figer als Männer, insbesondere in den Wechseljahren treten die Symptome auf. Trotz der recht hohen Prävalenz ist sie den meisten Menschen unbekannt.

Die Diagnose der Fibromyalgie erfolgt anhand eines bestimm- ten Beschwerdemuster allein über den Ausschluss von Stoff- wechsel- und entzündlichen Er- krankungen mit ähnlicher Symp tomatik – auch das ist für die Patienten oft unbefriedi- gend. Denn da sie organisch nicht begründbar ist, wird sie oft als eingebildet abgetan. Das führt zu einer zusätzlichen Be- lastung bei den Betroffenen, die nicht selten das Gefühl haben, der Arzt nehme sie nicht ernst.

Oft haben sie eine lange Arzt-Odyssee hinter sich, bevor die Erkrankung von Rheumato- logen und Schmerzmediziner erkannt und den Patienten ge- holfen wird.

Multimodale Behandlung So vielseitig das Beschwerdebild der Erkrankten ist, so unter- schiedlich und individuell sind auch die therapeutischen An- sätze, die meist nicht nur in einer Behandlungsform, son- dern einer Kombination aus medikamentöser, psychologi- scher und physiologischer The- rapie besteht. Das erfordert viel Geduld von Seiten des Arztes und des Patienten.

Da die Schmerzen keine ent- zündliche Ursache haben, hel- fen nichtsteroidale Antirheu- matika den Betroffenen in der Regel wenig. Zur Behandlung der Symptomatik ist bei vielen jedoch der niedrig dosierte Ein- satz von Antidepressiva wie Amitriptylin (10 Milligramm), Duloxetin, und Pregabalin zur Nacht erfolgreich, erklärt Pfeif- fer. Dadurch verbessert sich die Schlafqualität und die Entspan-

nung des Körpers vermindert den Schmerz.

Hilfe bekommen Betroffene aufgrund des psychosomati- schen Hintergrundes oft auch von Psychologen und Psychia- tern, erklärt der Rheumatologe:

In der kognitive Verhaltensthe- rapie, beispielsweise der Schmerzbewältigungstherapie, erlernen Patienten Wege aus der Katastrophisierung der Erkran- kung, die die Ängste vor dem Schmerz nehmen. Je nach Ursa- che werden tiefenpsychologi- sche und analytische Psycho- therapie eingesetzt.

Ein weiterer Baustein in der Therapie ist es die Betroffenen wieder zu körperlichem Trai- ning zu motivieren: Viele scheuen sportliche Aktivität, weil sie Angst davor haben, dass

diese Schmerzen auslösen könnten. Doch ist genau das Gegenteil ist der Fall: Der Weg aus der Passivität hin zu einem bewegungsaktiven Leben mit leichtem aerobem Ausdauer- training wie Gehen, Walking, Radfahren, Tanzen oder Schwimmen, bevorzugt in war- mem Wasser, aber auch Muskel- aufbautraining verbessert das Wohlbefinden vieler Patienten.

Auch Entspannungsmethoden, wie Autogenes Training und Progressive Muskelrelaxation sowie Methoden zur Stressbe- wältigung helfen den Patienten, den Teufelskreis aus Schmerz- empfinden und Schlafstörung zu durchbrechen.  n

Dr. Susanne Poth, Apothekerin / Redaktion

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Infos, die weiterhelfen:

+Patientenversion der Leitlinie Fibromyal- giesyndrom

+„Fibromyalgie – mit der Krankheit leben lernen“; Poster „Be- wegungsübungen bei Fibromyalgie“ (Deut- sche Rheuma-Liga)

Referenzen

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