Berufspolitik
Ärzteblatt Sachsen 4/2003 125
Das Redaktionskollegium „Ärzteblatt Sachsen“ hat in den Heften September bis November 2002 an die sächsische Ärzteschaft drei Fragen gestellt:
1. Wie sehen die sächsischen Ärzte diese Situation?
2. Gibt es einen spürbaren Ärztemangel in Ihrem Facharztbereich, in Ihrer Klinik?
3. Wie könnte dem Ärztemangel abgeholfen werden?
Weitere Antwortschreiben veröffentlichen wir in diesem Heft. Wir hoffen, dadurch die öffentliche Diskussion zu diesem brennenden gesamtdeutschen Thema „Ärztemangel“ zu aktivieren.
Dr. Hans Langer Augenarzt
John-Schehr-Straße 13
01587 Riesa 11. 10. 2002
Zukünftige augenärztliche Versorgung im Kreis Riesa Sehr geehrte Damen und Herren,
im „Ärzteblatt Sachsen“ im Oktoberheft, Seite 490 – Ihre Meinung zum Ärztemangel – möchte ich Ihnen eine Kopie des Briefes an die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen, Herrn Dr. Baumann, zur Kennt- nisnahme übermitteln.
Die „Aussteiger“ sind Kollegen am oder im Rentenalter, Namen und Ort ersehen Sie aus der Aufstellung. Wenn man davon ausgeht, dass ein Augenarzt ca. 20.000 Einwohner versorgt, entsteht dadurch eine Versorgungslücke für ca. 80 bis 100.000 Einwohner. Diese Lücke zu schließen, dürfte unter den derzeitigen und künftigen Bedingungen kaum möglich sein.
Uns Niedergelassenen ist diese Situation bekannt. Wir werden eines Tages wehmütig unsere Praxen schließen, auf den Ertrag für die Al- tersversorgung verzichten müssen und die Patienten müssen sehen wo sie bleiben – armes Deutschland!
Nur der Politik scheint dieses noch nicht bewusst zu sein.
Mit freundlichen Grüßen Dr. Langer
Dr. med. Hanno Grethe Bärensteiner Straße 21,
09465 Sehmatal-Sehma 10. 12. 2002
Sächsische Landesärztekammer Herrn Prof. Dr. med. habil. Klug Schützenhöhe 16, 01099 Dresden
Ärztemangel in Sachsen Sehr geehrter Herr Prof. Klug,
entsprechend der Aufforderung im „Ärzteblatt“ gebe ich Ihnen heute eine persönliche Stellungnahme zum Thema „Hausärztemangel in Sachsen“.
„Es ist richtig, dass der Nachwuchs für die Fachrichtung Allgemein- medizin derzeit noch unzureichend ist und eine kräftige Förderung dieser Weiterbildung notwendig ist. Probleme bestehen jedoch auch
Ihre Meinung
zum Ärztemangel
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in schweren territorialen Disproportionen.
Während in ländlichen Bereichen zum Teil mehrere Dörfer „arztfrei“ sind, sammelt sich die heranwachsende Generation in Großstäd- ten und Kreisstädten und deren Umgebung. So kamen zum Beispiel in meinem Notdienst- bereich bis 1999 fünf Hausärzte auf ca. 8000 Bürger, seit 1999 sind es sechs und in Kürze werden es sieben sein – obwohl in 15 km Entfernung dramatischer Mangel herrscht.
Diese Disproportionen sind möglich, weil sich in einem Planungsbereich jeder an beliebiger Stelle niederlassen darf und als Planungsbe- reich das Gesamtterritorium eines Landkrei- ses gilt. Das für die Bevölkerung, besonders die älteren Bürger, sehr wichtige Anliegen einer proportionalen Betreuung könnte durch eine Verkleinerung der Planungsbereiche im hausärztlichen Sektor erreicht werden.“
Mit freundlichen kollegialen Grüßen bin ich Ihr Dr. Hanno Grethe
Zum Thema Ärztemangel möchte ich mich heute melden.
Ich bin Augenärztin im mittleren Erzgebirgs- kreis. Bei uns herrscht Ärztemangel. Insge- samt funktioniert es gerade noch so. Das ist aber nicht das Hauptproblem. Es fehlt zurzeit völlig die Motivation, noch mehr Patienten zu behandeln. Noch mehr arbeiten bedeutet weniger Geld und mehr gesundheitlichen Stress bis burnout. Die kranken Patienten belasten uns, mehrmals kommen bedeutet Nulltarif und auch höhere Medikamentenkosten.
Wirtschaftlich sind Patienten, die nichts wei- ter haben und einmal im Quartal kommen.
Die Situation ist unbefriedigend und absolut frustrierend.
Abhilfevorschläge:
1. Abschaffung der KV.
2. Sicherstellungsauftrag über Amtsarzt ev.
mehrere Kreise einbezogen.
3. Abrechnung in der Praxis direkt mit dem Patienten oder auch mit der Kranken- kasse.
4. Angemessene Vergütung des Bereitschafts- dienstes direkt mit den Kassen.
Konsequenzen:
1. Die Arbeit würde wieder Freude machen.
2. Nur die Patienten kommen, die wirklich müssen und wollen.
3. Weniger Patienten für den Arzt, höhere und gerechtere Vergütung des Einzelfalls.
4. Das Gefühl, Freiberufler zu sein, würde wieder aufkommen.
5. Innovation und technischer Fortschritt kämen wieder in die Praxen.
6. Ärzte würden sich wieder niederlassen.
Ich halte eine solche Organisationsform für den einzigen Ausweg.
Mit freundlichen Grüßen DM Karin Fischer
Sehr geehrte Damen und Herren,
im letzten Ärzteblatt wird ganz vorsichtig nach unserer Meinung gefragt, ob es einen Ärztemangel gibt. Die Frage war wohl etwas unglücklich gestellt, denn die Existenz dieses Mangels dürfte unserer Standesvertretung hoffentlich doch bekannt sein. Wie wird man zum Beispiel als Allgemeinärztin in Riesa damit fertig? Nun, man mobilisiert alle Re- serven, die körperlichen und die geistigen, strukturiert den Praxisablauf um und, wenn man gar nicht mehr kann, sieht man auf seine Kontoauszüge, auf die mit dem großen „S“
dahinter. Wenn man dann, wie zum Beispiel meine Praxis, vier Schließungen in der un- mittelbaren Umgebung abgearbeitet hat, kön- nen halt keine neuen Patienten mehr ange- nommen werden.
Doch woher neue Kollegen in unsere Region bekommen? Die fertigen Ärzte werden so schnell nicht hierher kommen, denn der Ärz- temangel macht sich in der gesamten Bun- desrepublik breit. Unsere Hauptaufgabe dürfte wohl darin bestehen, derzeitige Medizinstuden- ten für den ärztlichen Beruf zu interessieren.
Man hört oft: „Die jungen Kollegen wollen nicht arbeiten und nur schnell viel Geld ver- dienen!“. Ich kann mir das nicht vorstellen.
Eher denke ich, dass die Studenten gar kei- nen Bezug zum Arztberuf haben. Wenn sich ein Student guter Gesundheit erfreut, hatte er möglicherweise im ca. 16. Lebensjahr zur letzten Impfung Kontakt mit dem Gesund- heitswesen. Den Rest kennt er nur vom Hören- sagen und Fernsehserien. Deshalb sehe ich in der Information der Studenten einen ganz wichtigen Faktor. Auch wenn sie nicht Mit- glieder der Ärztekammer sind, müsste jeder Student über das Ärzteblatt verfügen. So hät- te er Einblick in konkrete Probleme, bekäme die aktuellen Weiterbildungsbestimmungen, könnte sich am Stellenmarkt schon vororien-
tieren und die wissenschaftliche Information käme auch nicht zu kurz. Es ist wichtig, dass die Ärztekammer als unsere Standesorgani- sation auf die Studenten zugeht. Wir dürfen nicht warten, bis die Studenten sich mal von selbst melden. Wie auch, die Existenz der Ärz- tekammer wird zurzeit für den angehenden Arzt ja erst nach der Approbation präsent.
Was mich auch verwundert: Warum muss das praktische Jahr in einer Universitätseinrich- tung erfolgen? Dort treten sich die Studenten gegenseitig auf die Füße, während in zum Beispiel Kreiskrankenhäusern oder gar Arzt- praxen eine individuelle Betreuung möglich wäre.
Ambulante Praktika während des Studiums werden ja erfreulicherweise derzeit in das Studium integriert. Auch ich habe mich zur Praktikumsbetreuung bereiterklärt.
Mit freundlichen Grüßen Dr. Karsta Weller Magdeburger Str. 3 01587 Riesa
Sächsische Landesärztekammer Schützenhöhe 16
01099 Dresden 14. 10. 2002
Betr.: Meinung zum Ärztemangel
Aus Gesprächen mit niedergelassenen Kolle- gen, die sich im Rentenalter oder kurz davor befinden, weiß ich, dass nicht in erster Linie finanzielle Fragen, sondern die Bürokratie im weitesten Sinne belastet und zu großer Unzu- friedenheit führt. Wenn in dieser Hinsicht bald befristete Erleichterungen oder zumindest keine weiteren Belastungen für Rentner und Vorruhe- ständler (zum Beispiel DMP, „Patientenquit- tungen“, die nicht der Bezahlung dienen) durch- setzbar wären, würden manche noch einige Jahre weiter arbeiten.
Dies könnte insbesondere den verantwortlichen Politikern Gelegenheit geben, kurzfristig das Tempo des personellen Aderlasses zum Bei- spiel im hausärztlichen Bereich zu bremsen.
Mittelfristig sind natürlich grundsätzliche Ver- besserungen für alle Ärzte erforderlich, um Abwanderung der Jüngeren und frühestmög- lichen Ausstieg der Älteren aus dem Berufsle- ben entgegenzuwirken.
Mit freundlichem Gruß Dr. med. Roland Schmerler Lindenstraße 12, 04435 Schkeuditz