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1895 hatte Adolf Ebman in seiner Antrittsrede in der Akademie ein „genügendes Wörterbuch&#34

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Adolf Ebsl^-N f, Hebmann Gbapow: Wörterbuch der Ägyptischen Sprache;

die Belegstellen, IV. Band (1953) 85 + 112 S. DM 28.—; V. Band (1953)

95—110 S. DM 29.40.

Mit dem Erscheinen der Belegstellen zum IV. und V. Band des Wörter¬

buches der Ägyptischen Sprache ist ein vor rund 60 Jahren begonnenes

Unternehmen zum Abschluß gekommen. 1895 hatte Adolf Ebman in seiner

Antrittsrede in der Akademie ein „genügendes Wörterbuch" (S. 15) ge¬

fordert. Hebmann Grapow, „seit 1907 imunterbrochen für das Unternehmen

tätig" (S. 22), nach Ebmans Tod (1937) der verbleibende Herausgeber, hat

in einer Schrift der Berliner Akademie nach Fertigstellung der Manuskripte

für die BelegsteUen ausführlich über das Wörterbuch der ägyptischen Spra¬

che und seine Geschichte^ berichtet. Aus Akten, den alljährlich der Aka¬

demie erstatteten Berichten Ebmans imd Gbapows Erinnerungen aus „fünf-

imdvierzigjähriger persönlicher Erfahrung" (S. 12) entsteht die fesselnde

„Geschichte eines großen wissenschaftlichen Unternehmens". Die älteren

Mitarbeiter am Wörterbuch, Ermans Freunde und Schüler mit ehrwürdigen

Namen sind fast sämtlich verstorben. Viele der heute tätigen Ägyptologen

haben die bis in den zweiten Weltkrieg unter dem Dach des Berliner Muse¬

ums mitergebrachten Zettelkästen benutzt und das Erscheinen der fünf

Bände des Werkes erlebt, die 1931 vorlagen. Erman konnte so diesen Haupt¬

teil seines Werkes noch in den Händen halten. Die Belegstellen zum ersten

Bande waren als schmale Beilage in Typendruck dem Bande selbst beige¬

geben. Da ein großer Teil der Belege unveröffentlichtem Material entstammt, wurden die BelegsteUen zum zweiten Band mit dem vollen hieroglyphiscben Wortlaut der zitierten Stellen gegeben. Das erste Heft dieser wie die Bände

des Wörterbuches von W. Erichsen autographierten erweiterten Belegstel¬

len erschien im Todesjahr Ermans. Die Veröffentlichung der Belegstellen

zum zweiten Band des Wörterbuches konnte im Kriege beendet werden. Mit

767 Seiten überschreiten die Belegstellen den Umfang dieses Bandes (506 S.)

um die Hälfte. Die Nachkriegsverhältnisse machten eine Weiterführung der

Belegstellen in dem gleichen Umfang unmöglich. Grapow suchte — mit

neuen Mitarbeitern — nach einer vereinfachten Form. Als erste neue Ver¬

öffenthchung konnte 1950 ein sechster Band des Wörterbuches mit einem

,, Deutsch-Ägyptischen Wörterverzeichnis in alphabetischer und sachlicher

Ordnung, nebst Verzeichnissen der koptischen, semitischen und griechischen Wörter" erscheinen. Im folgenden Jahr (1951) folgten die Belegstellen zum

3. Band. Herbst 1953 lagen auch die Belegstellen der beiden letzten Bände

vor. Für diese drei Belegstellenbände wurde eine „gemischte Form" (S. 77)

^ Adolf Erman f und Herman Grapow, Das Wörterbuch der Ägyptischen

Sprache. Zur Oeschichte eines großen wissenschaftlichen Unternehmens der

Akademie (Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Vorträge und

Schriften, Heft 51 (1953)). Auf diese Schrift verweisen die Seitenangaben der Besprechung.

31 ZDMQ 104/2

(2)

478 Bücherbesprechungen

gefunden, „dergestalt, daß die Zitate zwar zimächst sämtlich in" einer

„kurzen Fassung als bloße Verweise auf die Veröffentlichungen oder auf

unsere Verzettelung im Typendruck gegeben werden, daß dabei aber die

unseren Zetteln entnommenen und als solche durch Winkelklammem keimt¬

lich gemachten in einem autographisch hergestellten Anhang soweit im

hieroglyphiscben Wortlaut mitgeteilt werden, als ihr Verständnis und ihre

Benützbarkeit es erforderlich machen". Dieser Kompromiß zwischen der

ersten Form der Belegstellen zum 1. Bande und der mit den Belegstellen zum

2. Bande gegebenen Form ermöglichte den schnellen Abschluß des Werkes.

Die Belegstellen zum 3. Bande des Wörterbuches sind in einem früheren

Band dieser Zeitschrift ^ besprochen worden. Den Belegstellen zum 5.

Bande ist ein Vorwort vorangestellt, in dem unter anderem die Herausgabe des „ersten Bandes der Belegstellen im Neudruck" angezeigt wird, ,, ver¬

mehrt um die autographische Wiedergabe der seinerzeit unveröffentlichten Belegstellen, in derselben Weise, wie es bei den Bänden 3—5 geschehen ist."

Dem 79. Band der Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde

(1953) ist ein ,, Aufruf zur Mitarbeit an der Weiterführung des Wörterbuches

der ägyptischen Sprache" beigelegt. Die an gelehrte Gesellschaften, Mu¬

seumsverwaltungen und Fachgenossen im Jahre 1897 gerichtete Bitte

Ebmans, neu entdeckte oder sonst unbekannte Texte mitzuteüen, wird von

neuem gestellt und dahin erweitert, ,,die Facbgenossen in aller Welt möchten

durch Mitteilung von Berichtigungen und Hinweisen und im Besonderen

durch Hergabe ihrer Textbearbeitungen und Einzeluntersuchungen mit¬

helfen, eine notwendige künftige vermehrte und verbesserte Neubearbeitung des Wörterbuches vorzubereiten". Das Wörterbuch selbst hat diese Vervoll¬

ständigung des dort verfügbaren Materials schon mit der Verzettelung neu

bekannt gewordener Texte begonnen. Gelegentlich geäußerter Kritik und

eigener Erfahrung entspringt der Plan, eine Sammlung von „Literaturhin¬

weisen auf Stellen in Textausgaben und Aufsätzen" anzulegen, ,,in denen

Wörter oder Wort gruppen ausführlicher untersucht sind". Auch sollen

„Spezialwörterbücher bestimmter in sich geschlossener Textgruppen und

Sprachstufen" hergestellt werden. Ein solches Spezialwörterbuch für den

Wortbestand der ägyptischen medizinischen Texte ist schon begonnen- Ob

dies — wie der Aufruf erwägt — als die „neue Form" empfohlen werden

kann, ,,in der die Neubearbeitung einmal vorzunehmen sein wird", sei dahin¬

gestellt. Ein zusammenfassendes Wörterbuch kann durch Spezialwörter¬

bücher ergänzt, jedoch kaum ersetzt werden, wie auch willkommene Spezial-

grammatiken eine allgemeine Grammatik für die ägyptische Sprache nicht

entbehrlich machen. Nur in einem Wörterbuch in der vorliegenden Form

läßt sich die Geschichte des Wortbestandes und der Zeichenformen über¬

blicken. Schon der weiterhin erwogene anastatische Neudruck der durch

Kriegseinwirkung vemichteten Hauptbände wird überall begrüßt werden.

Diese Bände sollen durch weitere Nebenbände ergänzt werden. So ist beab¬

sichtigt, die „Schreibung der Wörter in größerer Ausführlichkeit" mitzu¬

teilen und ,, wichtige Texte, die seinerzeit von der Kommission auf eigene

Kosten in Ägypten gewonnen wurden", zu veröffentlichen.

Ebman und Gbapows Wörterbuch der ägyptischen Sprache bleibt so,

wie es mit seinen Belegstellen abgeschlossen vorliegt, einzigartig und unent¬

behrlich. Ein solches Unternehmen bedarf einer Anlaufzeit von vielen Jah¬

ren. Belege und Zettel lassen sich nur zum Teil mechanisch ordnen und aus-

1 ZDMG Bd. 102 (1952) S. 343 f.

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werten. Das Berhner Wörterbuch verdankt seme Grundlage Mitarbeitern

einer einmaligen Zeit, als Ebman rmd die von ihm angezogenen Gelehrten

für imd durch das Wörterbuch Texte gewannen vmd erschlossen. Sie sind mit

ihrer Arbeit am Wörterbuch gewachsen. J. Bbeasteds Ancient Records of

Egypt (S. 10), Sethes Ausgabe der Pyramidentexte (S. 9), die Bände der

Urkunden des Ägyptischen Altertums, Rankes Namenbuch (S. 11) und weitere

zum Teil noch unveröffentlichte Textsammlungen, sind im Zusammenhang

mit dem Wörterbuch entstanden. So bleibt es das Dokument einer Zeit,

die nicht wiederkehren kann. Neben die damals bearbeiteten Texte sind neue

Sammlungen, so die von A. de Buck herausgegebenen Coffin Texts, die In¬

schriften der Tempel Ramses III. (Oriental Institute), die Inschriften der

Tempel von Edfu und Dendera (£. Chassinat), hieratische Texte, die Sir

AiAN Gabdiner, J. Cebny und G. Posbneb bearbeitet haben, und viele

verstreute Texte und Textsanunlvmgen getreten. In dieser steten Entwick¬

lung steht das Wörterbuch als ein selbständiges Unternehmen, dessen Ver¬

lauf H. Gbapow in gewinnender Weise gewürdigt hat. Während der Material¬

sammlung waren die Bearbeiter in der aUgemeüien Textgewinnung führend.

Mit dem Beginn der Materialauswertung mußte das Sammeln von Texten

in den Hintergrund treten und das Ausschreiben neuer Zettel „versickern"

(S. 38). Neu erschlossene Texte können erst jetzt nach Abschluß der Beleg¬

bände wieder berücksichtigt werden. Während seiner Fertigstellung mußte

sich das Wörterbuch von neuem Material überholen lassen. Mit dem Ab¬

schluß der Belegstellen sind seuie Bearbeiter für neue Aufgaben frei gewor¬

den. Sie können das nie abgeschlossene Wörterbuch ergänzen und auf sei¬

nem führenden Stand halten. Das, was hmzukommt, dürfte für lange Zeit

ein Bruchteil des in üim erschlossenen bleiben, da der Grundbestand an

Wörtern in neuen Texten wiederkehrt. Die dem Wörterbuch zugrundeliegen¬

de altägyptische Literatur umfaßt eine stattliche Summe von Texten. Nun

können neue Wörter emgefügt, andere ausführlicher belegt vmd Belegstellen

neuartig zitiert werden. Hinter der Durchführung des Unternehmens stand

imd steht die Energie A. Ermans vmd H. Grabows. Ihrem unermüdlichen

und erfolgreichen Dienst sind die heutige Form und das Programm für die

Zukunft zu verdanken. Mit dieser selbstlosen, vor allem Geduld vmd Zeit be¬

anspruchenden Leistung läßt sich kein persönliches Lebenswerk vergleichen.

Siegfried Schott, Göttingen

Adriaan de Buck: The Egyptian Coffin Texts. V. Texts of Spells 355—471.

(The University of Chicago, Oriental Institute Pubhcations, Vol. LXXIII) The University of Chicago Press 1954. XVI -1- 400 Seiten.

Von der großen Publikation der ägyptischen Sargtexte durch das Oriental

Institute Chicago (vgl. ZDMG 102, 1952, S. 187 ff.) liegt nun der 5. Band vor, der in der gleichen sorgfältigen und übersichtlichen Art die Texte zu weiteren

116 Sprüchen bringt. Damit ist die in dieser endgültigen Form veröffent¬

lichte Textmenge auf etwa 2000 Seiten angewachsen, vmd ihre inhaltliche,

textkritische und überlieferungsgeschichthche Durchdringung stellt eine Auf¬

gabe dar, deren Lösvmg geraume Zeit in Anspruch nehmen wird, die aber

manchem Zweig unserer Wissenschaft grundsätzlich neue Erkenntnisse zu

vermitteln vermag. Man könnte meinen, daß eine so ausführliche Text¬

wiedergabe (aUe Paralleltexte sind vollständig wiedergegeben, nicht nur

Angabe von Varianten) vielleicht eher einen BaUast als eine Fördervmg be¬

deute. Aber dagegen muß eingewendet werden, daß nach der Art der Text-

31«

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480 Bücherbesprechungen

überheferung nur diese Form allen Ansprüchen gerecht werden karm rmd daß

nur sie eine genügend breite und sichere Basis für Spezialuntersuchungen ab¬

gibt. Müssen sich diese doch nicht nur auf den Inhalt imd allfallsige Sinn¬

varianten erstrecken, sondem ebenso auf grammatische und orthographische

Eigenheiten, ja auf offensichtliche oder vermutliche Schreibfehler. Da ein

großer Teil des hier vereinigten Textgutes aus der Herakleopolitenzeit stammt und vielleicht in verschiedenen Landesteilen erstmalig fixiert worden ist, kann von hier zur Lösung sprachgeschichtlicher Fragen ein entscheiden¬

der Beitrag erwartet werden.

Der Inhalt dieses Bandes bietet wiederum eine Fülle heterogener Ele¬

mente, Bekarmtes und Unbekanntes, und bringt den Eeichtum an Varianten,

Textkombinationen, Verstümmelungen eindrucksvoll zum Ausdruck. Mit

dem Titel Gewalt haben über Wasser in der Unterwelt steht eine Gruppe von

Sprüchen (Spr. 359 ff.) am Anfang, die diesem Wunsch dadurch Verwirk¬

lichung erhofft, daß der Tote sich in das Steuerruder der Sonnenbarke ver¬

wandele. Bild und Gedanke, aber in tiefsinnigerer Auslegung, begegnete

schon in Sprach 92 des 2. Bandes. Schlangenzauber (Spr. 369 f.) erinnern an

ähnliche Texte der Pyramiden ; die Ablehnung des Tieres, denn du hast Mäuse gefressen, das ist dem Osiris ein Greuel ; und du hast die Knochen einer verwesen¬

den Katze zerkaut wirkt überzeugend und kennzeichnet die Unmittelbarkeit vieler dieser Texte. Deutlicher auf die Tradition entsprechender Pyramiden¬

texte weist Spr. 433 mit der ^Ajn-Zi^-Schlange und den Wortspielen mit ikn

und tkn (vgl. Pyr. § 433. 502 und Sethes Kommentar). Auch Sprach 374

(Verwandlung in eine männliche n'w-Schlange) setzt einen Pyramidenspruch

(Spr. 318) fort, wobei das Verhältnis der verschiedenen Fassungen in den

Pyramiden zu denen der Sargtexte (zwei Texte aus Bersche, ein Text aus

Saqqara) für die Sprachüberlieferung aufschlußreich ist. Andere kurze

Sprüche weisen vorwärts zu Vorstellungskomplexen, die im Totenbuch ihre

endgültige Fassung erfahren haben. Der kurze Sprach 459 beschwört das

Herz des Toten, ihn nicht im Stich zu lassen, und gehört gedanklich (nicht

wörtlich) zu dem TB Kap. 30 (Spruch der Herzskarabäen; vgl. Sethe, Zur

Vorgeschichte der Herzskarabäen, M61. Masp. I, 1934, S. 113ff. zu Pyr. Spr.

512). In Spr. 415 wird der Gott Hemen angerafen; er soll dem Toten bei

,, dieser Arbeit" helfen. Man darf hier wohl an den späteren Uschebti-Spruch

(= TB Kap. 6) denken, wiederum im Sinne einer gedanklichen Vorausset¬

zung, nicht eines formalen Vorläufers. Einen großen Teil des vorliegenden

Bandes nimmt die Sprachgruppe ein, die unter dem Titel Spruch zum Brin¬

gen der Fähre bekaimt ist (Spr. 395—401). Den Kem bildet em bekanntes

Frage- und Antwortspiel mit dem Fährmann und die Liste der Schiffsteile.

Die Sprachgrappe ist um ihrer Geschichte willen bekannt. Findet sich doch

ein Teil des Fährmannsgespräches bereits in der jüngsten Pyramide, der des

Königs Ibi (vgl. Rees, Göttinger Totenbuchstudien, Mise. Academica Beroli- nensia, 1950, S. 77 ff.), kehrt in vollständigerer Form auf 10 Särgen wieder, von denen der älteste der von Kees herangezogene des Harhotep sein dürfte, und bildet schließlich wesentlich umgestaltet mit der Liste der Schiffsteile

zusammen das TB Kap. 99 (vgl. Grapow, Religiöse Urkunden, 3. Heft =

Urkunden des ägyptischen Altertums V, 1917). Ein solcher Sprachkomplex

läßt die Problematik der Herkunft und Überlieferang recht deutlich werden.

Der Sprach in der Ibi-Pyramide setzt Vorstellungen fort, die schon in den

älteren Pyramiden (§ 594. 946) anklingen. Doch möchte man ihn um ihret¬

willen nicht dem eigenthchen Vorstellungsgut der Pyramidentexte zurech-

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nen, wofem man darunter eine Begriffswelt versteht, die dem königlichen

Jenseits angemessen ist. Vielmehr wird Spruch und Vorstellung aus nicht¬

königlichem Textgut stammen, wie es ja auch sonst nachweisbar in die Pyra¬

midentexte aufgenommen worden ist. Auf der anderen Seite begegnen in den

Sargtexten Sprüche (z. B. Spr. 64, 70 des 1. Bandes), die man nach Fomi

imd Inhalt als „Pyramidentexte" bezeichnen mui3, auch wenn sie in den uns erhaltenen Pyramidentexten nicht enthalten sind. Die Länge und Häufigkeit

der „Fährmannsprüche" in den Sargtexten, ihr Themenreichtuni und ihre

Variationsbreite machen es wahrscheüilich, daß wir hier der eigentlichen

Hehnat dieses Vorstellungskreises näher sind als in den zeithch älteren

Pyramidensprüchen. Dieselben Eigenschaften weisen aber auch daraufhin,

daß diese Grappe (wie andere auch) eine lange, uns nicht faßbare Tradition

hinter sich hat. Am Ende des Fährmannsgespräches ist auch jener „Finger¬

zählvers" angeschlossen (S. 115/116), den Sethe, ÄZ 54, S. 16ff., scharf-

sirmig interpretiert und mythologisch ausgedeutet hat. Daß diese Fassung

und ihre mythologische Bezogenheit nicht die einzige gewesen ist, lehrt Spr.

396 (S. 73f—i). Hier haben wir in einer allerdmgs bis zur Unverständhchkeit

verkürzten Form des Fährmannsgespräches auf einem Sarg aus Bersche eine

gerade noch erkennbare Variante eines Fingerzählverses, die jedenfalls zeigt,

daß z. T. andere Wortspiele mit den Zahlwörtern gebraucht waren. Offenbar

hat es mehrere derartige Verse gegeben. Die beiden genannten unterschei¬

den sich von den bei uns bekannten dadurch, daß sie alle 10 Finger durch¬

zählen und vielleicht als Merkverse anzusprechen sind, durch die mit Hilfe

der Fmger die Zahlen 1—10 gelernt werden sollten. Ein anderer Vers, der nur

die Zahlen 1—5 enthält, füidet sich am Ende des Spr. 398 (S. 154/155) (Für

modeme Verse aus Ägypten vgl. Hans Alexander Winkler, Ägyptische

Volkskunde, 1936, S. 115). Eine andere größere Spruchgruppe beschäftigt

sich mit dem „Opfergefilde" {Sh.t htp.w) (Spr. 464—468). Auch dieser Vor-

stellungskreis findet sich im Totenbuch des NR in kürzerer Form als Kap.

110 wieder. Die sehr viel bUdhaftere und begriffsreichere Ausmalung des

Themas in den Sargtexten verdient auch darum Erwähnung, weü die dem

Text beigegebenen Karten und die Lokalisierung der Begriffe auf ihnen zur

Jenseitstopographie des „Zweiwegebuches" u. a. überleiten. Diese karto¬

graphischen Wiedergaben des „Opfergefildes" befinden sich untereinander in fast vollständiger Überemstimmung.

Bund 20 Jahre sind vergangen, seit der erste Band dieser Publikation

erschien. Für die Gründlichkeit und Sorgfalt, die Stetigkeit mid Selbst¬

losigkeit wissenschafthcher Arbeit, gibt Adriaan de Buck ein Vorbüd, für

das wir ihm dankbar zu sein haben. Die Bedeutung des Unternehmens kann

nicht überschätzt werden. Gerade die Menge des hier vereinigten Textgutes

und seine in vielen Fällen deutlich unterschiedliche Formung läßt es nicht

hoffnungslos erscheinen, von hier aus eine Kategorisierung des religiösen

Schrifttums in Angriff zu nehmen. Daß die aus praktischen Gründen immer

noch angewandten Termini „Pyramidentexte", „Sargtexte", „Tempelrituale"

usw. nichts über das Wesen der mit ihnen bezeichneten Textgrappen aus¬

sagen, ist bekannt. Eine aus dem Schrifttum selbst gewonnene Terminologie ist ein dringendes Erfordernis, das vieUeicht an einer so vielfältigen Text-

grappe wie den Sargtexten begonnen werden könnte. Der Gewinn bestünde

nicht nur in einer klareren Einsicht in die Möglichkeiten der Textüberlieferung, sondem auch in einem besseren Verständnis üires Inhalts.

Eberhard Otto, Hamburg

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482 Bücherbesprechungen

Otto Firchow: Orundzüge der Stilistik in den altägyptischen Pyramiden¬

texten (Untersuchungen zur ägyptischen Stilistilc II), Deutsche Akad. d.

Wiss. zu Berlin, Institut f. Orientforschung, Veröffentlichung Nr. 21

Akademie-Verlag Berlin, 1953. 256 S. 35.— DM.

Zum Verständnis eines Kunstwerkes gehört auch eine Klarheit über die

Form, in der der Inhalt auftritt, ja mit der er eine wesentliche Verbindung eingeht. Bei einer solch festgefügten Kultur wie der ägyptischen ist von vorn¬

herein anzunehmen, und ein erster, bei jeder Lektüre sich aufdrängender

Eindruck bestätigt schon die Vermutung, daß auch die Texte ebenso wie die

bildende Kunst nach Gesetzen durchgeformt sind, sobald sie über die einfache Erzählung hinausgehen. W i e aber nun die ägyptische Sprache gebunden wird,

ob es Reim, Metrik, Alhteration gibt oder welche anderen Kunstmittel zur

Verfügung standen, darüber gibt es kaum wirkliche Untersuchungen'. Erst

1936 hat H. Grapow in einem kleinen Heft die sprachliche und schriftliche

Formung ägyptischer Texte behandelt, dabei nicht eine Monographie über

eine bestimmte Textgruppe bietend, sondern gleichsam programmatisch den

Weg für folgende Einzeluntersuchungen weisend. Diese hat er dann im fol¬

genden teils selbst vorgelegt, teils haben seine Schüler und Mitarbeiter sich diesen Aufgaben zugewandt^.

Dabei lassen sich zwei ganz verschiedene Arbeitswege einschlagen. Ent¬

weder studiert der Forscher eingehend alles, was die allgemeine Sprach¬

wissenschaft oder Kollegen auf bestimmten, möglichst benachbarten Sprach¬

gebieten bereits erarbeitet haben; insbesondere wird die Fragestellung und

die Terminologie wertvollen Nutzen von solchen Vorarbeiten ziehen können

(so etwa die genannte Arbeit von Hintze). Oder aber man beschränkt sich

streng auf die gewählte Textgruppe, ohne in Ägypten selbst anderes Material zum Vergleich heranzuziehen oder gar über die Grenzen des Sprachgebietes hin¬

auszuschauen ; Fragen imd Kategorien werden aus dem Material selbst neu

gewonnen. Den Nachteilen dieses Weges, daß nämlich manche Fehler frühe¬

rer Gelehrter wiederholt werden, daß eine später doch notwendig werdende

Vergleichung oder Gesamtüberschau erschwert wird usw., steht die Gewi߬

heit gegenüber, nicht durch fremde Gesichtspunkte beeinflußt zu sein.

Diesen letzteren, engeren Weg hat O. FmcHOW gewählt. Die Pyramiden¬

texte verhießen von vornherein reiche Ausbeute — daß hier strenge Form¬

gesetze am Werke waren, ist jedem, der auch nur einen Spruch einmal ge¬

lesen hat, klar. Was das Verständnis dieser alten und uneinheitlichen, auch redaktionell veränderten Textgruppe angeht, so hält sich F. im allgemeinen

an die SsTHEsche Bearbeitung in seinem Kommentar oder fürs Wörterbuch.

Auch wenn man bei der Einzeldeutung gelegentlich anderer Auffassung ist,

so führt F. doch ein so reiches Material vor, daß fast alle von ihm besproche¬

nen Erscheinungen auch nach Streichung des einen oder anderen Beleges aus¬

reichend gesichert sind. Die Einheitlichkeit der Texte ist trotz verschiedener

Herkunft (Zaubersprüche, Totentexte, Ritualsprüche für Götter oder den

1 Vgl. z. B. die immer noch wertvollen, wenn auch korrekturbedürftigen

Bemerkimgen W. Max Müllers in seiner Liebespoesie S. lOff.

2 Grapow, Untersuchungen über die altäg. mediz. Papyri, 1935/36; ders.,

Studien zu den Annalen Thutmosis' III., 1949; ders.. Der stilistische Bau

der Geschichte des Sinuhe, 1952; Fr. Hintze, Untersuchungen zu Stil und

Sprache neuäg. Erzählungen, 1950/52; die vorl. Arbeit.

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König) ausreichend gegeben durch die im groben gleiche Entstehungszeit

und die doch immerhin ahnlichen Zwecke.

Den Begriff der Stilistik faßt der Vf. etwas enger als es sonst üblich ist ; Vergleiche, Metaphern, Anaphern, Prolepsis u. ä. Figuren behandelt er nicht,

beschränkt sich viehnehr auf die Stilformen der Sätze. Hier scheiden sich

zwei ungleich große Gruppen: Den weitaus größten Teil des Buches nehmen

die formalen Gestaltimgen ein, die „diu-ch kunstvolle Gruppierung der Ge¬

danken" sich fast zwangsläufig einstellen (S. 11; Ed. König spricht treffend

von „ideeller Eurhythmie"). Nur wenige Formen dagegen erklären sich aus

phonetischem oder sonst nicht-mhaltlichem Antrieb (Kap. 14). Von dieser

kleinen, hier zunächst zu besprechenden Gruppe trennen sich dabei nach

ägyptischem Gefühl, worauf F. mit Recht hinweist, eigentlich noch die

„Wortspiele", weil sie nicht des Reimgeklmgels wegen geschaffen sind, son¬

dern aus der Überzeugung, daß „ein Wesen mit seinem Namen seme Kraft

oder auch sein Schicksal gleichsam in sich trägt" (S. 220). Leider zieht F. ;

nicht alle Folgerungen aus dieser Erkenntnis, da er nur einen „magischen j

Zweck" oder „reine Stilistik" als Alternativen kennt. Wie überhaupt seine

religionsgeschichtlichen Ausführungen gelegentlich Widerspruch hervor¬

rufen dürften, so hat mich besonders ein sehr weiter Gebrauch des Wortes

„magisch" gestört; vieles ist gewiß nicht magisch, was F. so nennt, und die

Pyramidentexte sind noch von ganz anderen, echteren religiösen Antrieben

bestinamt (F. rechnet zum Beispiel die Litaneien zur Magie, S. 197, 218).

Wenn in einer Litanei oder in einem Hymnus mit dem Namen des Gottes

oder seines Kultortes „gespielt" wird, so muß das durchaus nicht immer den

Zweck haben, dessen Kräfte wirksam zu machen ; oft mag es z. B. dem Ee-

zitierenden darum zu tun sein, dem Gott sehie — aus seinem Namen ableit¬

bare — Macht zuzusingen, ihn also zu preisen. Wenn der Name emes Dinges

sein Wesen enthält, so müssen ähnlich benannte Dinge wesensähnlich sein.

So „erklären" die sog. Wortspiele die Welt und ihren Aufbau, xmd diese „Er¬

klänmgen" haben an sich religiöses Gewicht, auch wenn sie nicht magisch gebraucht werden. Zwischen „nur äußerlich stilistischen Formen" und „un¬

mittelbar magischen Zwecken" gibt es noch andere Bereiche.

Muß man also auch das „Wortspiel" noch auf die Seite der gedanklichen

Formung rechnen, so bleibt für die Gestaltimg nach dem Klang so gut wie

kein Material übrig. Es ist nicht anzunehmen, daß sich, wenigstens für die

Pyramidentexte, das Bild durch eine Rekonstruktion der Silbenverhältnisse

oder der Vokale ändern könnte. Nur gelegentlich scheint ein Konsonant in

bestimmten Sprüchen eine dominierende Rolle zu spielen, gleichgiUtig, an

welcher Stelle der Worte er wiederkehrt.

Umso größer ist die Mannigfaltigkeit der gedanklichen Bezüge, die sprach¬

lichen Formungen zugrundeliegen. (Dabei brauchen aber fördernde äußere

Aidässe, z. B. Wechselgesänge, nicht ausgeschlossen zu sein). Die Grundform

ist die Doppelung, also die Wiederholung desselben Gedankens, in prüniti-

veren Formen mit den gleichen, in komphzierteren mit variierenden Worten.

F. vmterscheidet neben der einfachen „Doppelung" folgende entwickeltere

Formen: Das strenge Paarschema, bei dem in gleichbleibenden Sätzen ein¬

zelne Wörter, bis zu vier, ausgewechselt werden (wobei weder Genus noch

Numerus der Substantive erhalten bleiben müssen, dagegen aber die Tempora

der Verben) ; das freie Paarschema, bei dem nur noch der Inhalt berechtigt, die zwei Sätze als Paar zu bezeichnen; dann folgen Arten des Parallelismus, wobei sich die Scheidung ausschließlich aus dem Inhalt ergibt. Die klassische

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Bücherbesprechungen

Dreiteilung in S3monyinen, synthetischen und antithetischen Parallelismus gibt F. auf zugimsten von fünf Obergruppen : P. der Identität, der Antithese, der Aequivalenz, der Analogie und der Konsequenz. Für jede dieser Gruppen

findet er zahlreiche Unterteilungen. Neben dem Paarschema steht dann noch

als seltenere, aber entwickeltere imd kunstvollere Form das Dreier- imd

Viererschema. Besonders charakteristisch für die Sprachkunst der Pyrami¬

dentexte ist die von Sethe bereits entdeckte „Disjunktion", die F. mit seinem

sehr weiten, auch die Schrift (gespaltene Kolumne!) umfassenden Begriff

,, Ellipse" zusammenbringt. Bei der disjunktiven Ghederung kann von den

zwei Satzpa^iren jeweils das erste Glied aufeinander bezogen sein, ebenso

daun die jeweils zweiten Glieder (A-B, A'-B'), oder aber, in einer abgekürzten

Form, müssen die Teile der Sätze jeweils implicite aufeinander bezogen wer¬

den: „Ich habe Gerste gepflügt, ich habe Emmer geerntet", wobei selbst¬

verständlich auch für Emmer gepflügt und auch Gerste geemtet worden

ist. — Wichtiges findet sich daim noch in dem Kapitel über Reihung und

Litanei, wobei besonders wieder der magische Zweck, etwas zu einseitig aber

aufschlußreich, betont ist. An einigen wenigen Beispielen schließlich wird

dann mit Hilfe der gewonnenen Ergebnisse ein ganzer Spruch analysiert.

Es verdient hervorgehoben zu werden, daß der Vf. die bei der Untersuchung

notwendige Gliederung nicht starr handhabt, vielmehr bei jeder möglichen

Gelegenheit sich selbst und dem Leser Bechenschaft darüber gibt, daß Zu¬

sammenhängendes zerrissen wird und die Übergänge fließend bleiben.

Weite Teile des Werkes sind der ausführlichen Darbietung des Materials

gewidmet; geistesgeschichtliche Bemerkungen werden zwar nicht gemieden,

kommen aber, entsprechend der strengen Beschränkung auf die Pyramiden¬

texte, kurz weg. So geht F. nur sehr knapp auf den Sinn des Parahehsmus

membrorum ein: „Der zweimalige Ruf soll den Angeredeten recht dringlich

aufmerksam machen, der wiederholte Befehl klingt energischer als das nur

einmal Geforderte" (S. 12). Damit geht F., wohl unbewußt, in den Bahnen

David Qimchis, der in dem Parallelismus membrorum der Psalmen eine

„Verstärkung der ersten Aussage" sah, also die gleichen Motive wie bei der

Epizeuxis annahm. Doch muß man bei dem Paarschema als Grundlage der

gebundenen Sprache an die eigentümliche Rolle denken, die die Dualität im

ägyptischen Denken spielt' ; und die Tatsache, daß in dieser alten Zeit der

Gedanke allein die Form prägt, während nichts (oder so gut wie nichts) der

Form halber gesagt wird, ist gerade in Analogie zur bildenden Kunst von

Wichtigkeit.

Auf eine Anzahl von hübschen Entdeckungen kann hier zum Schluß nur

kurz hingewiesen werden ; sie liegen weniger auf rehgionsgeschichtlichem Ge¬

biet und kaum auf rein linguistischem, wo manchmal Selbstverständlich¬

keiten breit dargelegt werden (so hätte der einleitende Exkurs über Semantik auf S. 120f. auf einen Satz beschränkt werden können) ; aber gerade auf dem eigentlichen Gebiet der Arbeit eröffnet der Vf. neue Ausbhcke ; z. B. entdeckt er das „Sinnspiel", bei dem das formale Glied, das die beiden Teile einer Aus¬

sage zusammenhält, nicht der Lautbestand, sondem ein unausgesprochen

mitschwingender Gedanke ist : Wenn Schrot dargebracht wird, so ist dies das

von Seth ,, geschlagene" Horusauge, weil auch das Getreide beim Schroten

„geschlagen" worden ist2. Hellmut Brünneb, Tübmgen

1 Vgl. z. B. Eb. Otto, Die Lehre von den beiden Ländem. .. (Analecta

Orientalia 17), 1938; H. Fbankfobt, Kingship, 19—23.

2 Vgl. dazu übrigens Sethe, Dramat. Texte S. 134.

(9)

Ebebhabd Otto : Ägypten, Der Weg des Pharaonenreiches (W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1953). 289 S., 1 Zeichnung, IKarte, 24 Tafeln mit 35 Abb.

4.80 DM.

Schon seit langem war in der deutschen Ägyptologie der Zustand ein¬

getreten, daß man auf die Frage nach einer einführenden geschichtlichen

Darstellung Altägyptens, die mehr sein sollte als eine Aufzählimg altbekann¬

ter Tatsachen, keine Antwort geben konnte — fehlte doch ein solches Werk

seit der Übersetzung von Bbeasteds Geschichtsdarstellung durch Ranke,

die auch Junkebs S cbilderung in Jtjnkeb-Delapobte, Völker des antiken

Orients Bd. 3 nicht hatte verdrängen können. Nachdem nun J. A. Wilson

in seinem Burden of Egypt eine bewußt subjektive Schau der ägyptischen

Geschichte gegeben hatte, machte sich immer zwingender die Notwendigkeit

fühlbar, daß erneut ein Bild der ägyptischen Geschichte und ihres Kultur¬

ablaufs aus einer Haltung heraus gezeichnet wurde, die in der mit dem Na¬

men Eduabd Meyeb zu charakterisierenden Tradition gegrimdet ist, ohne

allerdings dabei an den Problemen vorbeizugehen, die durch die Erlebnisse

unserer Gegenwart stärker in unser Blickfeld gerückt sind. Kann doch keine

Geschichtsdarstellung ohne eine Deutung der Geschehnisse auskommen, denn

bereits die Auswahl des Geschilderten und die Verknüpfung der Vorgänge in

eine Kette von Ursachen und Wirkungen ist durch den Standpunkt und

die Blickrichtung des Schreibenden bedingt, der seinerseits oft unbewußt von

den Ideen und Kräften seiner eigenen Gegenwart bewegt wird. Was aber da¬

bei gefordert werden muß, ist, daß für die so entstehenden Bilder aUe uns

überkommenen Mosaiksteinchen der Überlieferung einfügbar bleiben und wir

immer das Bestreben des Darstellenden fühlen, den treibenden Kräften und

den wechselnden Vorstellimgswelten des geschilderten Volkes nahekommen

zu wollen.

Betrachten wir unter diesen Gesichtspunkten E. Ottos Ägypten, so dürfen

wir mit gutem Gewissen feststellen, daß wir hier neben dem Äusbreiten der

Einzelereignisse zusammenfassende, abgerundete Bilder einzelner Epochen

finden, in denen die Ereignisse in einer Art imd Weise gedeutet werden,

die unseren Forderungen entsprechen. Es ist für die Darstellungsweise be¬

zeichnend, daß der Verfasser immer wieder nicht nur auf die Unsicherheit

mancher Fakten hinweist und sich hütet, auf ihnen aufzubauen, sondem auch,

so gleich im Vorwort, besonders für die zu verwendende Terminologie für den

Historiker die größte Zurückhaltung fordert. Gerade in einem Buch, das für

einen größeren Kreis geschrieben ist, kann die Benutzung uns allen geläu¬

figer Termini — und der Verfasser führt dafür „politische Geschichte" ebenso wie ,, Staat", „Stadt", „Stand" an — ,,das Bild des Alten Ägypten verfäl¬

schen". So , .drückt sich .Geschichte' im 3. Jahrtausend v. Chr. in anderen Erscheinungsformen aus, als in abgeleiteten, spezialisierten Zeiten". So bilden ihm Erscheinungen dessen, was wir „Kulturgeschichte" zu nennen pflegen,

das Wesen der „Geschichte": die Erfmdung der Schrift, das Wachsen der

J.Beamtenschaft" (auch einer jener nur mit Vorsicht zu benutzenden Ter¬

mini!), Wandlungen des Stils und der religiösen Überzeugungen sind „in

größerer Unmittelbarkeit Ausdrueksformen des Geschichtlichen" als sie

durch Untersuchungen über Libyerfeldzüge oder dynastische Verkettungen

anschaulich gemacht werden könnten.

So wird vor unserem Auge aus den besonderen Verhältnissen des ägyp¬

tischen Raumes die Verschiedeiiheit der einzelnen vorgeschichthchen Kul¬

turen entwickelt und ihre Zusammenfassung in einer höheren Einheit durch

(10)

486 Bücherbesprechungen

die schöpferischste Epoche Ägyptens, die Thinitenzeit, geschildert. Wir er¬

kennen den Weg über die Zeit der großen Pyramiden rmd diu-ch die beiden

großen Wenden zu Beginn der 5. Dynastie und an ihrem Ende bis zum Zu¬

sammenbruch nach PhiopsII. als eine folgerichtige Entwicklung, die in eine

Krise führt, die alle Lebensgebiete gleichmäßig erfaßt — sie ist ,, schicksal¬

haft-notwendig". Eingehend wird daim der Unterschied zwischen der hera¬

kleopolitanischen Dynastie und ihrer Welt und den Thebanern herausge¬

arbeitet, um damit die Grundlage für die Schilderung der ,, klassischen"

Zeit des Mittleren Eeiches zu geben. Für ihren Zusammenbruch wird dieselbe Kraft verantwortlich gemacht, ,,die es einst groß gemacht hatte". ,, Scheint es doch so, als hätte die Notwendigkeit ständiger Bereitschaft und planvoller Tatkraft eine Generation ins Leben gerufen, in der viele Träger dieser Eigen¬

schaften nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit strebten, sobald keine

alles überragende und eindeutig überlegene Persönlichkeit vorhanden war".

Die Bedeutung der Hyksos wird nicht nur für das ägyptische Heereswesen,

sondem für die gesamte geistige Entwicklung und damit für die Epoche der

18. Dynastie hervorgehoben, in der der Verfasser entgegen etwa den Vor¬

stellungen Wilsons ,,die zweifellos glänzendste Epoche der ägyptischen Ge¬

schichte" sieht. Bewußt wird die Spannung herausgearbeitet, aus der sich auf den verschiedensten Gebieten der Lebensäußerungen die entscheidende Krise unter Echnaton entwickeln sollte.

In der Bedeutimg dieser Krise für die Entwicklung der ägyptischen Kultur sieht der Verfasser allerdings nur die negativen Züge. Die konzessionslose

Wendung gegen die Tradition wertet er als intolerant, despotisch, die reli¬

giösen Gedanken als imerträglich überspitzt, die Kunst als haltlos imd eine

Profanierung. In der Ramessidenzeit hingegen werden die Abwendung von

der „Modeme" und die Rückkehr zum eigentlich Ägyptischen positiv ge¬

wertet und bewußt Brbasteds Wort vom „Zeitalter der persönlichen Fröm¬

migkeit" übemommen. Ich glaube, daß immer eine Darstellung der Amama- zeit mehr als die einer anderen Epoche der ägyptischen Geschichte am stärk¬

sten von der ganz persönlichen Weltanschauung des Darstellenden abhängen

wird, weil eine Aufzählung der Fakten allein der Bedeutung dieser Zeit nicht gerecht werden kann. Standen in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen

die wirtschaftlichen imd in unserem Sinne politischen Triebkräfte als die

entscheidenden für Werden und Zusammenbruch der Amarnaperiode

im Vordergrund, so fühlen wir jetzt wieder, daß hinter diesen Mächten

geistige Entwicklungen stehen, die nun auf Herkunft und Wirkung unter¬

sucht und auch •— gewertet werden. Ist der bewußte Bruch mit der Tradition auf allen Gebieten die Voraussetzung für eine mögliche neue Entwicklung,

oder wird damit der einzige Lebensnerv der Kultur getroffen ? Wird durch

Echnaton nur eine sich langsam entwickelnde neue Form durch vorzeitige

und voreilige Gewaltanwendung verfrüht und damit nicht lebensfähig ge¬

boren, oder ist die ganze Entwicklung, die zu Amama führte, von vorn herein

als „unägyptisch" mit einem negativen Vorzeichen zu versehen 1 Ist die

„persönliche Frömmigkeit" der Bamessidenzeit wirklich ein ,, Freiwerden des Menschen in religiöser Hinsicht", weil er sich ganz in der Macht des Gottes glaubt, oder ist es ein Rückfall in uralte magische Bindungen, die die freie

Entwicklung des ägyptischen Geistes immer mehr abschnüren und erdros¬

seln ? In der Darstellung und Beurteilung der Amarnazeit bestimmt, ob man

will oder nicht, die innerste Stellung des DarsteUenden den Problemen seiner eigenen Zeit gegenüber den Blickpunkt und die Wertungamaßstäbe.

(11)

Eingehend wird die Ramessidenzeit in ihrer Zwiespältigkeit dargestellt:

„persönliche Frömmigkeit" steht neben scharfer Satire, wachsende wirt¬

schaftliche Macht der Tempel neben Verarmung der Massen, erfolgreiche

fremde Söldner stehen neben den auf ihren Rang stolzen einheimischen

Schreibern. „Von der Blütezeit des Weltreiches führt sie (die Ramessiden¬

zeit) die Möglichkeiten der historischen Verwirklichung hinüber zur Spät¬

zeit".

Es ist besonders hervorzuheben, daß die Schilderung nicht mit der Rames¬

sidenzeit abbricht, sondem die Entwicklung eingehend weiterverfolgt wird,

bis daim in dem Kapitel über das „Ende der ägyptischen Geschichte" die

„Abkehr" des denkenden Ägypters „in eine persönhche Vereinzelung" als

Ergebnis der vorausgegangenen Geschehnisse entwickelt wird, „aus der kein

Weg in eine neue kulturschöpferische und geschichtsgestaltende Epoche zu¬

rückführte". Bei einem Buch wie dem vorliegenden, das emem größeren

Kreis einen weiten Überblick über den „Weg des Pharaonenreiches" geben

will, dürfte es nicht angebracht sein, auf Einzelheiten einzugehen, in denen

man anderer Memung sein körmte. Hier ist entscheidend, ob der Leser, auch

ohne Fachkenntnisse, ein Bild der ägyptischen Geschichte und ihrer Ent¬

wicklungen vermittelt erhält, das auf den Ergebnissen der Fachforschung

aufgebaut ist imd das die Probleme deutlich erkennbar macht, um die es bei

einer Betrachtung der ägyptischen Geschichte geht. Das ist in dem vorliegen¬

den Buch gelungen, und wir dürfen hoffen, daß es eme ähnliche Breiten¬

wirkung haben wird wie bisher Breasteds Oeschichte Ägyptens.

Wolfgang Helck, Göttingen

Siegfried Morenz und Johannes Schubert: Der Oott auf der Blume.

Eine ägyptische Kosmogonie und ihre weltweite Bildwirkung. Ascona

(Schweiz) 1954. 158 S. VIII Taf. 8». sfrs. 25. — ( = Artibus Asiae curat

editionem Alfred Salmony, Supplementum XII).

Das Bild eines Gottes auf einer Lotusblüte, das sich von Ägypten aus¬

gehend im Raum der hellenistischen Kunst, dann in Gandhara und von dort

bis Ostasien findet, wird von einem Ägyptologen und einem Indologen zu

seinen gedanklichen Ursprüngen in Ägypten und Indien zurückverfolgt. In

beiden Ländern dient der Gegenstand — die Lotusblüte — zum Ausdmck

verschiedener Gedanken und Vorstellungen. Diese Verschiedenartigkeit be¬

dingt die getrennte Behandlung des Themas für Ägypten und Indien. Es ist

besonders reizvoll, das Typische der beiden Kulturen dabei nach Vorstel¬

lungskreisen, Assoziationen, Büdgedanken zu beobachten, wie es sich ganz

konkret an dem behandelten Gegenstand darstellt. In Ägypten drückt der

Lotus (gelegentlich werden andere Pflanzen in gleicher Qualität genannt)

den Begriff der Erstentstehung des organischen Lebens mit bemerkenswerter

Klarheit aus; und so verschiedenartig und immer lösbar die Verbindungen

dieses BUdbegriffes mit einzelnen Gottheiten sein mögen, so fest und un¬

veränderlich besteht der am Bild haftende Gedanke. Ein Sondergehalt

kommt dem Lotus als Duft- und Salbstoff zu. Auch wenn beide Bildinhalt©

in der Gestalt des Gottes Nefertem sich vereinen, werden sie hier begriffhch

mit Recht klar geschieden. Vielfältiger und beziehungsreicher scheint da¬

gegen die Rolle zu sein, die der Lotus in Indien spielt. Aber auch hier ver¬

bindet sich mit ihm die Vorstelhmg vom Urgrand der Welt und den Schöp¬

fungsgottheiten der Religionsschichten (Brahmä und Laksmi, Buddha u. a.)

(12)

488 Bücherbesprechungen

wie auch Heiligen schreibt die Legende die „Geburt auf dem Lotus" zu.

Damit ist von beiden Seiten die typologisch gemeinsame, genetisch selbstän¬

dige Vorstellung herausgestellt. Die Verwandtschaft der Vorstellungen er¬

möglicht die Ausbreitung des Bildtypus. Der ,, Gott auf der Blume" wandert

von Ägypten nach Samaria, weiter über den Euphrat nach Assyrien vmd

Kleinasien ; der Hellenismus greift ihn auf; mit ihm und in ihm breitet sich

der Typ aus und hat — durch ein Fundstück gesichert — auch Gandhära in

Nordwestindien erreicht, wo nun die im Westen geprägte -\visdrucksform auf

den indischen Kreis verwandter Vorstellungen stößt.

Aus einer Fülle von einzelnen Textstellen und zerstreuten Darstellungen,

die auf beiden Seiten zum guten Teil erst erarbeitet werden mußten, ist das

skizzierte Gesamtbild gewonnen. Auf der ägyptischen Seite, über die allein

dem Beferenten ein Urteil zusteht, hat S. Morenz hier erstmalig das Material für eine weit verbreitete kosmogonische Vorstellung systematisch zusammen¬

gestellt vmd diese selbst dadurch in der ihr gebührenden Bedeutung aufge¬

zeigt. Sehr ansprechend, weim auch nicht streng beweisbar, ist seine Deutvmg

des Widdergottes von Herakleopolis, Harsaphes, („Der auf seinem See Be¬

findliche") als eines ursprünglichen Pflanzengottes. Diese Deutung des Gottes ist m. W. hier erstmalig vorgetragen vmd besitzt eine hohe Wahrscheinlich¬

keit, wenn man auf die weiten Möglichkeiten des Gestaltwandels ägyptischer

Gottheiten blickt. Unter den zahlreichen Göttem, die avif der Blume er¬

scheinend gedacht werden können, hätte noch auf anonyme Gestalten, wie

,,Der auf seiner fod.t-Pflanze" hingewiesen werden können (vgl. Pyr. 284;

541; Coff. Texta I 94). Daß auch Atum selbst, der Schöpfergott schlechthin,

auf einer Pflanze (Papyrus) sitzend gedacht wurde im hier besprochenen

Sinne eines Ersterscheinens, lehrt der kosmogonische Text Cojf. Texta II 33

h/34 a. Gegenüber der Fülle der Einzeltatsachen erscheint die in Abschnitt 8

(„Kosmogonie und Theologie") gebrachte Zusammenfassung der kosmo¬

gonischen Lehre, genauer als Biogonie definiert, besonders nützlich. Eines

der schwierigsten und gegenwärtig vielleicht überhaupt nicht restlos zu lö¬

senden Probleme, das hier mit angeschnitten wird, ist die chronologische

Ordnung kosmogonischer Vorstellungen. Ob die von Morenz vorgetragene

Einordnung der „Pflanzenkosmogonie" vor „das künstliche System der Ur¬

götter" von Hermopolis, das er phasengeschichtlich der Lehre der jonischen

Naturphilosophen vergleicht, zwingend ist, scheint mir nicht sicher. Wert¬

voll sind die Darlegungen hierzu einmal als Versuch der Problemlösung vmd

sodann durch ihre klare Herausstellung der zu berücksichtigenden Einzelfak¬

toren.

Beide Verfasser haben in ihrer methodisch vorbildlichen Zusammenarbeit

der Wissenschaft einen wesentlichen Beitrag zur allgemeinen Frage nach

Kulturzusammenhängen, Übertragung von Kulturelementen und Annahme

fremder Motive geschenltt. Gerade weil ein als Bildtypus klares, fest um¬

rissenes Beispiel gewählt ist und sich die Untersuchung niemals in Allgemein¬

heiten verhert, erscheint dieser Beitrag besonders wertvoll. Die im End¬

kapitel zusammengestellten Hinweise auf die historischen Verbindungs¬

linien zwischen Westen und Osten gliedem den untersuchten Einzelfall in

einen größeren historischen Rahmen ein. Der schöne Drack und die Ausstat¬

tung des Buches zu seinem Inhalt hinzu maehen die Lektüre zu einem reinen

Genuß.

Eberhard Otto, Hamburg

(13)

Franzis Jordan: In den Tagen des Tammuz. Altbabylonische Mythen.

B. Piper & Co. Verlag, München (1950) 212 S. 18 Taf.-Abb. Oktab DM.

Das Büchlein hat eine ausgezeichnete Ausstattung. Papier und Druck sind

sehr gut, und die in den Text eingestreuten guten Tafel-Abbildungen machen

den Leser — nebenbei gewissermaßen — mit wichtigen Bildwerken der

babylonischen Geschichte vertraut. Der Einband ist äußerst geschmackvoll.

Auch die Absicht des Buches wird man als lobenswert bezeichnen müssen,

wie ja doch wohl jeder Versuch als verdienstlich angesehen werden muß, der

die immer noch schwer zugängliche Eigenwelt des alten Babylonien einem

größeren Kreise verständlich machen will.

In tagebuchartig anmutender Diktion versucht eine .Einführung' so etwas

wie eine babylonische Atmosphäre zu schaffen, die zu den Dichtungen selbst

hinführen soll. Diese in Bausch und Bogen als ,Mythen' zu bezeichnen, ist

wohl sehr vereinfacht gesehen. Praktisch wird eine Anthologie kosmologischer

Schriften der Sumerer und Babylonier geboten. Übersetzt worden sind::

„Ishtars Fahrt m das Land ohne Heimkehr", ..Etanas Flug in den Himmel", i

„Das Gilgamesh-Epos" und das „Weltschöpfungsepos". Die Übersetzung ist

sehr frei gehalten und bemüht sich in erster Linie um Lesbarkeit. Dagegen ist '

sachlich kaum etwas einzuwenden, obwohl im vorliegenden Falle dadurch

etwas sehr NachteUiges eingetreten ist. An die Stelle der etwas umständlichen,

aber äußerst kraftvollen Sprache der Texte ist jetzt ein farbloseres, mehr

literarisches Surrogat entstanden. Ein Vergleich schon mit der so ausge¬

zeichneten Übersetzung des Gilgamesh-Epos von Albert Schott imBeclam-

Verlag läßt den Unterschied sehr deutlich werden. Aber das ist ja eine

Schwierigkeit bei allen Übersetzungen, weil es immer nur selten gelingen

wird, die poetische Kraft der Sprache derUrdichtimg auch in die Übersetzung

überführen zu können. Ein Schlußteil sodann soll so etwas wie einen histo¬

rischen tmd kulturhistorischen Überblick geben und vermittelt auch gewisse

kommentierende Ansichten. Dabei ist keine durchgehende Ordnung be¬

obachtet worden, vielmehr erfolgen die Aussagen wie beiläufig und ohne

besondere Zusammenhänge.

Ob dieses so ansprechend aufgemachte Büchlein auch seinen Zweck er¬

füllen wird, darüber mag man allein schon wegen des imglücklich gewählten

Titels Bedenken haben. Tammuz ist doch nur einem sehr begrenzten Kreise

ein Begriff; der Außenstehende kann davon kaum angesprochen werden.

Schließlich ist es der oberste Grundsatz populärer Bücher, daß sie an allge¬

mein bekannte Dinge anknüpfen soUen. um dem Leser eines Buchtitels eine

erste Orientierung zu vermitteln. Ein geradezu ideales Beispiel war Wool-

leys Gedankenverbindung von Ur und der Überlieferung der Heimat

Abrahams und der Sintflutsage. Bei Tammuz aber bezweifle ich. daß irgend¬

jemand auch nur eine angenäherte VorsteUung haben könnte, in welche

Landschaft unserer weiten Erde dieser Begriff zu versetzen sein dürfte. Die

Verfasserin hat sich offenbar auf die Wirkung des Untertitels verlassen. Wer

liest aber in einer Buchauslage schon die Untertitel mit ! Wenn dieser aber

so viel klarer ist, warum hat man ihn dann nicht zum Haupttitel gemacht,

damit für den Blickfang von vornherein eine Orientierung geboten worden

wäre! Sachlich aber ist der Buchtitel noch ganz besonders irreführend da¬

durch, daß Tammuz in dem Buch überhaupt keine Rolle spielt, er wird kaum

erwähnt. Wer also annehmen würde, daß durch die Zitierung des Tammuz

eine Ausbreitung besonders des altsumerischen Weistiuns angedeutet werden

sollte, der würde sich bitter getäuscht sehen. Tammuz ist von der Verfasserin

(14)

490 Bücherbesprechungen

schhcht als dichterisches Synonym für Babylonien verwendet worden. Auch

sachlich wäre also der Untertitel des Buches ehrlicher als Haupttitel ge¬

wesen, wenn er auch nicht so interessant geklungen haben würde.

Einem dringenden Bedürfnis ist das Büchlein nicht entsprungen, es würde

einein solchen auch nicht genügt haben. Trotzdem kaim man sich vorstellen,

daß mancher vielleicht Freude an einer unproblematischen Zusammenstel¬

lung des Textes jener alten Dichtwerke haben könnte. Die gute Ausstattimg

könnte dem Büchlein eine weitere Verbreitung sichern, so daß manchem

Leser das Interesse für das so kulturträchtige Land am Unterlauf von

Euphrat und Tigris geweckt werden könnte. Und das wünschen wir denn

auch durchaus.

Hanns Potratz, Wiesbaden

Erich F. Schmidt: Persepolis I. Structures — Reliefs — Inscriptions. (The

University of Chicago — Oriental Institute Publications — Volume

Ixviii). The University of Chicago Press, Chicago I9S3, 2", Ganzleinen, 297

Seiten mit 123 Abbildungen imd Plänen sowie 205 Tafeln. $ 65.—

Die Ausgrabung der Achämeniden-Pfalz Persepolis wurde im Jahre 1931

eingeleitet von James Henry Breasted, dem Begrimder und Direktor des

Oriental Institute der Universität Chicago. Bis 1934 leitete Ernst Herzfeld

(Berlin) die Grabung; dann übernahm sie Erich F. Schmidt (Chicago), der

bis 1936 gleichzeitig noch Grabungen in Rey (Rhages, südlich Teheran) lei¬

tete. Die Grabimg endete im Herbst 1939. Hebzfeld (t 1948) hat zwar

Einzelergebnisse, jedoch keinen Grabungsbericht veröffentlicht. Der voll¬

ständige Grabungsbericht aus der Feder Erich F. Schmidts ist auf drei

monumentale Bände berechnet; Herzfelds Funde und Beobachtimgen

sind peinlich genau als solche bezeichnet. Der erste Band liegt unserer Be¬

sprechung zugrunde und befaßt sich vornehmlich mit den Bauresten auf der

Terrasse ; von den noch ausstehenden Bänden wird sich Band II auf di© aus¬

gegrabenen Gegenstände beziehen, hauptsächhch aus dem von Erich F.

Schmidt freigelegten Schatzhaus, während Band III die Ergebnisse der

Versuchsgrabungen in NaqS-e Rostam und Istahr (bei Persepolis) sowie die

achämenidischen und sassanidischen Reliefs in NaqS-e Rostam und Naqs-e

Ragab enthalten wird.

Band I enthält fünf Kapitel, nämlich einen kurzen Abriß der Expedition, als zweites einen Abschnitt über die ,, königlichen Baumeister", als drittes

die Fundorte in Persepolis, worauf die ausführlichen Kapitel IV und V fol¬

gen. Beide sind überschrieben ,,Die Terrasse von Persepolis" ; doch behandelt

E. F. Schmidt in Kapitel IV die öffentlichen Bauten (Fundament und Ver-

teidigungssystem. Treppe zur Terrasse, Xerxes-Tor, Apadana, Haupthalle,

Portikos, das Gebiet westlich des Apadana, Treppen, Ratshalle, Thronhalle,

Schatzhaus, östliche Befestigung und Garnisonsviertel und die Zisterne), in

Kapitel V hüigegen die Wohnbauten (Palast Dareios' L, Xerxes-Palast,

Harem des Xerxes, Nebenräume in der „Haremsstraße", der ,, Pavillon"

imter Palast H, Palast D, Palast G, Palast H). Im Anhang findet sich eine

Studie über Wandverputz, Bodenbelag und Asphalt von F. R. Matson.

Aus der bloßen Aufzählung des Inhaltes von Band I erhellt die Fülle des

Gebotenen. Besonders für den Archäologen ist hier ein weites Forschungs¬

feld säuberlich erschlossen. E. F. Schmidt hat sich streng an das von J . H.

Bbeasted aufgestellte und vielfach bewährte Darstellungsprüizip gehalten,.

(15)

künftigen -wissenschaftlichen Forschungen eine zuverlässige Grundlage zu

liefern, theoretische Diskussionen aber zu vermeiden. Das Ergebnis ist über

jedes Lob erhaben. Wir besitzen jetzt ein lückenloses Inventar dessen, was

nach fast zweieinhalb Jahrtausenden von den achämenidischen Bauwerken

auf der Terrasse von Persepolis über und im Schutt erhalten geblieben ist.

Das stellt einen Akt kulturhistorischen Bewahrens und Festhaltens dar,

dem eine Nachwelt Dank wissen wird, die vielleicht Zeuge weiteren Ruins

oder gar völliger Vernichtung ist ; wir Zeitgenossen dürfen uns diesem Dank

ungescheut aiLschließen — nicht nur die Zimft der Fachleute. Denn das

monxunentale Werk Erich F. Schäudts bietet nicht bloß ein bis ins letzte

genaues Inventar und dazu den geschichtlichen und archäologischen Rahmen

in ausgefeilter, bedachtsamer, alle Quellen und Arbeiten berücksichtigender Darstellimg — es enthält auch in seinen Tafeln künstlerische Meisterwerke

der Kamerakunst der Photographen Busse und Dubenskij. Die Schönheit

mancher Bilder ist so groß, daß das archäologisch-historische Interesse beim

Beschauer unwillkürlich in den Hintergrund rückt, und auch der Ortskundige

wird überrascht und beglückt immer wieder neue, nichtgesehene Wunder

finden. Die Ausstattung des Werkes, die Ausführung des Dmckes entspre¬

chen dem höchsten heute möglichen Standard.

Es kann hier nicht der Ort sein für eine Erörterung der vielfältigen Pro¬

bleme, die mit der Veröffentlichung des ersten Persepolis-Bandes der Fach¬

welt gestellt sind. Beispielsweise sind die Völkerkundler und Althistoriker

aufgerufen, die Völkerschaften auf den herrlichen Tributbringer-Reliefs ge¬

nauer zu bestimmen, als dies bisher gelungen ist. Die Epigraphen hmgegen

haben weniger Arbeit. Zwar enthält der Band ahe an und auf der Terrasse

erhaltenen Inschriften, teilweise erstmalig in idealer photographischer Wie¬

dergabe; doch steht Text und Übersetzung seit Weissbachs Veröffentli-

chxmg 1911 ini allgemeinen fest. Für die Zwecke der Publikation hat G. G.

Cameron (Ann Arbor, Michigan) die Inschriften übersetzt. Bei der nur ela¬

misch abgefaßten Darius-Inschrift DPf erscheint allerdings Camerons Deu¬

tung des letzten Satzes ungenau. Der Satz lautet boi ihm (S. 63): ,,Me may

Ahuramazda, together with all the gods, protect, as well as this fortress.

And, furthermore, whatever has been erected in this place, may it not be

kindly (to) what any hostile man (ever) counts on doing." Cameron nahm

bier den Stamm kin- „geschehen" für kan- „nahestehen, befreundet seüi".

Ich habe den Abschnitt behandelt in meinem Beitrag „Zum elamischen

Wortschatz" (ZA Bd. 50, S. 245—9) und so übersetzt: „Mich möge Ahura¬

mazda schützen samt allen Gottheiten, und ferner auch diese Festung wie

auch die dabei aufgerichtete Terrasse ! Das geschehe nicht, was ein verwerf¬

licher Mensch im Sinne trägt!"

Eine Streitfrage knüpft sich auch an die elamischen Archive, die auf der

Terrasse gefunden -wurden und die Cameron für ein einziges Archiv hält,

obwohl das eine im Schutt des Umfassungswalles gefunden wurde (die sog.

Fortification tablets), das andere im Schatzhaus (die sog. Treasury tablets).

Das letzte Wall-Täfelchen wurde im 28. Regierungsj ahr des Dareios verfaßt,

also 494/3 v. Chr., das erste Schatztäfolchen in seinem 30. Regierungsj ahr

(492/1). E. F. Schmidt bemerkt dazu (S. 41), nach seiner Auffassung seien

die Walltäfelchen „irgendwann nach 494/3" von ihren ursprünglichen Ar¬

chivräumen fortgeschafft worden, ,,um in Räumen der Festung aufbewahrt

(oder ausgesondert) zu werden." Nach meiner Auffassung, zu der ich auf

meine Besprechung der CAMERONschen Veröffentlichung in ZA Bd. 49, S.

(16)

492 Bücherbesprechiingen

347 f. verweise, gehören die Walltäfelchen als Urkunden des Hofspeichers

nicht zum Kronschatz mit seinen Schatztäfelchen. Ich vermute, daß im

Jahre 493 der Hofspeicher aus Platzgründen von der Terrasse herabgenom-

men worden ist ; ein oder zwei Jahre später nahm dann das Schatzamtarcbiv

seine Tätigkeit auf — weil 492/1 eben das Schatzgebäude fertig geworden

war.

Ein kleines Kabinettstück ist E. F. Schmidts Behandlung der wunder¬

baren Reliefs, die er im Schatzhaus freigelegt hat. Auf ihnen hält Dareios I.

Audienz; hinter ihm steht der Thronfolger Xerxes. Die übrigen Personen

sind nach meiner Auffassung von E. F. Schmidt scharfsinnig und so richtig

bestimmt worden, wieweit das überhaupt heute möglich ist. Daß der Meder,

der vor Dareios erscheint, der Schatzmeister Baradkäma sein könnte, hatte

ich bereits in ZA 49, S. 352 angedeutet. Hinter dem Eunuchen mit der

Serviette (dem Leibkammerherm) steht auf den beiden Reliefs (sie sind

spiegelgleich) ein Waffenträger, in der rechten Hand eine Streitaxt, über

der Schulter eine Bogenhülle. Es dürfte derselbe Aspaßina sein, der auch auf

dem Grab des Dareios abgebildet ist; die dort erhaltene Beischrift ist in

ihrer Übersetzung noch immer scharf umstritten. Ich verweise auf meine

Ausführungen dazu in meinem Beitrag ,, Elamisches" zur Hrozny-Fest¬

schrift (Prag 1950, II, S. 295/6), wo ich eine Übersetzung „A., der Waffen¬

träger, hält des Königs Köcher (= Bogenhülle)" wahrscheinlich zu machen

suchte, im Gegensatz zu ILent {JNES 1945, S. 233). Die Frage wird end¬

gültig gelöst sein, wenn wir wissen, was elamisch lipte bedeutet, das ich vor¬

läufig für „Waffe" nehme.

Die wissenschaftliche Welt wartet voll Spannung auf das Erscheinen der

beiden übrigen Bände von Persepolis.

Waither Hjnz, Göttingen

Semitica. Cahiers publies par VInstitut d'itudes Semitiques de V Universite de Paris. IV 1951/2.

Haben die sumero-akkadischen Juristen auf ihrem Fachgebiet eine echte

wissenschaftliche Methode gehabt ? Wer ihre Dokumente, wie etwa den Codex

Hammurabi, daraufhin ansieht, wird kaum geneigt sein, das zuzugeben. Denn

die am römischen Recht gebildeten Gelehrten haben, wie es auf allen anderen Gebieten geschah, auch auf dem der Jurisprudenz Prinzipien zur Anwendung gebracht, welche der griechischen Philosophie entstammen. Auf diese gründet

sich das Denken der abendländischen Welt mit sehier gestrafften Ordnung.

Trotz des gegensätzlichen Augenscheines glaubt G. Boyeb, der Verfasser des

Artikels De la seienee juridique et de la methode dans V ancienne Mesopotamie eine solche Methode aufweisen zu köimen, die freilich nicht wie die unsrige

logisch formalistisch, sondem für die Unterweisung und den Gebrauch in der

Praxis ausgerichtet ist. Die uns überkommenen Werke stellen den Lemenden

und den amtierenden Richter vor die mannigfaltigen Gegebenheiten des täg¬

lichen Lebens. Von dieser Plattform aus sollen sie das Recht für den einzelnen

Fall ableiten. Das hat zur Folge, daß ihre Urkunden bestimmte Begriffe,

wie Diebstahl oder Sklavenflucht, nicht systematisch behandeln, sondem

manchmal geradezu den Emdmok einer in Paragraphen zerlegten Erzählung

machen, aus denen durch Analogieschlüsse die Urteilsentscheidung des je¬

weils vorliegenden Falles gefunden werden muß. In der zweiten Hälfte vom

Dekret des Gratian (Sammler des kanonischen Rechtes um 1150) sind manch-

(17)

mal ebenfals in solcher Weise möglichst viele Texte des kanonischen Rechtes

um einen bestimmten Rechtsfall gruppiert. Als Erfolg ergibt sich bei dieser

Methode die Verstreuung des zu einem Grundbrgriff gehörenden Irüialts auf

verschiedene Stellen. — Ob man bei solcher Sachlage noch von wissenschaft¬

licher Methode sprechen kaim und nicht vielmehr eine gewisse Primitivität

anzunehmen hat, bleibt selbst dann zweifelhaft, wenn man das gleiche Ver¬

fahren noch in der um mehr als 2000 Jahre späteren Gesetzgebung der Juden,

wie sie mit ihrer vielfachen Ideenassoziation in der Mischna sich findet, an¬

gewendet sieht.

Die nächsten drei Artikel behandeln punische Inschriften. J. G. Fbvbier

versucht auf Grund der Lesung einer neuerdings gefundenen, schwer zu ent¬

ziffernden Weihinschrift das auoh sonst öfter zur Kennzeichnung des Weih¬

enden vorkommende rätselhafte 1^!£ Vir Sidonius zu deuten. Mit einer

derartigen Bezeichnung ist im Rahmen einer Weihinschrift kaum etwas an¬

zufangen. Da der Ausdruck gewöhnhch mit dem plK des Weihenden ver¬

bunden ist, kam schon J.-B. Chabot auf den Gedanken, zu übersetzen „Frei¬

gelassener seines Herrn", d. h. eüi Sklave, welcher durch die Freilassung zum

Sidonier und dadurch zum Aufstehen einer Votivgabe berechtigt wurde.

Nach der von Fbvbibb hier übersetzten und kommentierten Inschrift handelt

es sich jedoch bei ps nicht um eine völkische Bezeichnung, sondem um die

Entsprechung von arabisch sarf, sayddn „Kupfer". Gemeint wäre danach ein

^^Kiupfermann", d. h. ein Sklave, der den Preis seines Loskaufes in Bar be¬

zahlt hat. Der Verfasser stützt seine kühne Hypothese auf eine andere

Inschrift, auf welcher in ähnlichem Zusammenhange zu lesen ist ]1S ]N3

(= ps ]''S3) „ohne Kupfer", ohne Geld, d.h. „umsonst" freigelassen. In letzterem Falle ist diese Deutung sicher bestätigt durch das dabeistehende

hebräische Wort UiTl-

Nach der Erklärung einer lateinisch-punischen Bilingue, ebenfalls von

J . - G. Fbvbier, Une corporation de Vencens ä A Ithiburos, hat zur römischen Zeit

in der genannten tunesischen Stadt, heute Medöina, ein mit Einsammlern

wohlorganisierter „Weihrauchverein" bestanden, der an seinem 1'eile zur

Auf bringimg der nötigen Mittel für den dort damals starken Verbrauch an

Räucherstoffen für den Kultus beitrug.

Man hat schon längst den seltsamen Mangel an phönizisch-punischen Alter¬

tumsfunden auf der iberischen Halbinsel empfunden. Diese Lücke wird ein

wenig ausgefüllt durch den Fund einer Bronzeplakette in einer Grotte bei

Es Cuyram auf der Pityuseninsel Ibiza. Sie bildet den Gegenstand des Bei¬

trages von J.M.SoLASoLfi,LapZag'MC«e en bronze d'Ibiza.Hie Plakette ist doppel¬

seitig beschriftet. Die jüngere neupunische etwa aus der Zeit um 180 n. Chr.

stammende Inschrift der einen Seite wurde bereits früher von E. Littmann

veröffentlicht. In vorhegendem -Artikel behandelt der Verfasser beide Seiten

durch Beschreibung, die er mit guten Photos begleitet, Übersetzung und Kom¬

mentierung, besonders die schwierige ältere, welche in der Zeit um 400 v.

Clir. gefertigt zu sein scheint. Inhaltlich bieten die beiden Weihinschriften

kaum etwas Neues, zumal ihre Lesung und Deutung weithin noch unklar ist.

Ihr Wert liegt wesentlich auf paläographischem Gebiete.

Auf die zur Zeit bewegte Flut der durch die Höhlenfunde von Chirbet

Qumran am Toten Meer angeregten Fragen und Diskussionen führt A. Du¬

pont-Sommer mit seinem Beitrag Le testament de Levi {XVII — XVIII)

et la secte juive de l' Alliance. Er möchte außer dem Kreise der alttestament¬

lichen Pseudepigraphen neben dem Buche der Jubiläen und dem Buche

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(18)

494 Bücherbesprechungen

Henoch auch die „Testamente der 12 Patriarchen" zur Aufhellung des Dun¬

kels herangezogen wissen, welches über jener Essenersekte liegt, zu deren

Bücherbestand die neu gefundenen Manuskripte gehören. Als Beispiel für

den so zu gewinnenden Nutzen legt er die beiden in der Überschrift bezeich¬

neten Kapitel vor. Vorweg bringt er deren Übersetzimg und fragt dann nach

den geschichtlichen Gegebenheiten, welche dem sibyllinisch gehaltenen Text

zu Grunde liegen. Es handelt sich da zuerst um eine Reihe von sieben aufein¬

ander folgenden Priestern, die aus glorreichem Anfang plötzlich in mora¬

lischen Niedergang versinkt. Während der Herrschaft des letzten der sieben

Priester findet ein sacrilege inoui, ein unerhörtes Verbrechen, statt, für wel¬

ches dann die Strafe in einem allgemeinen Untergang Jerusalems und des

ganzen Volkes folgt. Bei der Schilderung dieser Vorgänge haben die Ereig¬

nisse unter Nebukadnezar vom Jahre 586 v. Chr. die Phantasie lebhaft be¬

schwingt. Die Entwicklung endet mit dem Auftreten eines messianischen

„neuen Priesters", welcher fortab die neu gewordene Welt regiert. — Für die

Bestimmung der Abfassungszeit ist es von höchster Bedeutung zu wissen,

welche historischen Ereignisse den Anlaß zu dieser geheinmisvollen Weis¬

sagung boten. Nach Dupont-Sommeb bilden ab 167 v. Chr. den glänzenden

Anfang Judas Makkabäus und seine beiden ihm folgenden Brüder Jonathan

und Simon. Bei der Charakteristik des vierten Priesters, Johannes Hyrkan,

schimmert unverkermbar die traurige Zeit der inneren Kämpfe des Juden¬

tums, insonderheit die zwischen Pharisäern und Sadduzäern, durch den

apokalyptischen Schleier des Textes hindurch. Den fünften und sechsten

Priester, Aristobul I. und Alexander Jannaeus, läßt der alte Erzvater Levi, offenbar infolge ihrer Bosheit, einfach im Dunkel versinken, bis daim unter

dem siebenten das große Verbrechen geschieht. Das wäre also unter Aristo¬

bul IL, der von 67—63 v. Chr. an der Regierung war. — Die verderbten

Priester sind die romhörigen sadduzäischen Hohenpriester, die Erzfeinde der Essener. Das Kapitalverbrechen des letzten, welches zum Untergang führte, soll die geschichtlich allerdings nicht zu belegende Tötung des ,, Retters der Welt", des ,, Lehrers der Gerechtigkeit" sein, und eben dieser war der Grün¬

der und Führer des Essenerbundes. Dieser selbe „Lehrer der Gerechtigkeit"

wird dann nach seinem Tode zum messianischen Beherrscher der eschatolo¬

gischen Zukunft erhöht, nachdem zuvor die mit der römischen Okkupation

des Landes samt der Hauptstadt anhebende Katastrophe dem alten Aeon

ein Ende gemacht hatte. — Viele der beigebrachten Einzelheiten machen die

Hypothese des Verfassers annehmbar, ja, zuweilen verlockend. Bedenklich

bleibt vor allem nur, ob die doch ziemlich friedlich verlaufene Übernahme der politischen Macht durch Pompejus im Jahre 63 v. Chr. als eine so nieder¬

schmetternde Strafe empfunden werden konnte, wie sie doch tatsächlich

erst 133 Jahre später, im Jahre 70 n. Chr. unter Titus, eintrat. Zu diesem

späteren Ereignis würde auch die Enthauptung Johannes des Täufers gut

passen, doch zerrisse bei dieser Annahme die Verbindung mit der geschicht¬

lich vorzüglich fundamentierten Beihe der sieben Priester.

Andre Caquot ,La diesse Segal. Der Name einer Gottheit Segal ist aus der

Zusammensetzung in palmyrenischen Frauennamen längst bekaimt. Einel951

bei Hatra im Iräq gefundene aramäischelnsohrift bringt die erste epigraphische

Bezeugung. Für die Kenntnis der Herkunft und der Bedeutung dieser Göttin,

von der näheres nicht bekannt ist, wurde mit dem Funde nichts gewonnen.

Die griechisch in sechs Büchern geschriebene Sentenzensammlung des

Mönches Euagrios Ponticus (letzte Hälfte des 4. Jahrhunderts), der übrigens

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nicht mit dem im 6. Jahrhundert lebenden Advokaten und Kirchenhistoriker Euagrios Scholasticus zu verwechseln ist, ging bis auf Bruchstücke verloren.

Eine syrische Übersetzung des Werkes, eingeschlossen in einen Kommentar

von Babai dem Alten, gab 1912 W. Frakkenberg heraus. In seinem Beitrag

Le texte syriaque HiU des Six Centuries d'j^vagre le Pontique weist Antoine

GuiLLAüMONT mit einer Fülle von Beispielen auf die Mängel dieser Edition

hin. Das als Textgrundlage benutzte Manuskript ist unglücklich gewählt,

der Euagriostext ist von dem des Kommentars nicht hinreichend geschieden,

wie denn überhaupt der Kommentar oft dem Text gegenüber gar zu sehr in

den Vordergrund gestellt erschemt. Darüber hinaus finden sich zahh-eiche

Fehler im Druck und in der Wiedergabe des Sinnes.

Un papyrus arabe inedit du Musie du Louvre (E 10.227 A) von nur 11 Zeilen Länge, dessen Lesung viele Fragen offen läßt, soll nach Jean David-Weiix

aus dem Munde Jesu einen Ausspruch nach Art jener formelhaften Inoan-

tationen enthalten, wie sie sonst bei Muhanuned selbst und bei den Mus¬

limen so überaus häufig vorkommen. Von Jesus heißt es da: <ul. ^"o^lc Jl»

Er sagte: „Ich verbürge mich euch gegenüber bei Allah". Die Worte er¬

wecken allerdings an ihrer Stelle den Eindruck einer Incantation. Doch wenn

auch der Eindruck das Richtige träfe, sollte man sich doch vor Verall¬

gemeinerung hüten und nicht nach einem Einzelfall auf häufigeren Gebrauch

derartiger Redewendungen bei Nichtmuslimen schließen.

Das eigenartige Geschrei der muhammedanischen Frauen bei mancherlei

Anlässen religiöser oder profaner Art haben gewiß nicht wenig Reisende ver¬

nommen, die Nordafrika besuchten. Ch. Pellat geht m seinen Bemerkungen

A propos des youyou de la femme musulmane, nachdem er auf die bereits

von Herodot erwähnte AXctXay-q der Griechen hingewiesen hat, der Ter¬

minologie dieser Ausrufe bei den Arabem und Berbem nach. Zwei Wort¬

stämme kommen dabei in Betracht: 1. walwala, ursprünghch vielleicht ein

Klagegeschrei bezeichnend, und 2. zegret, welches speziell dem Freudenmf

in Nordafrika, Libyen, Aegypten, Syrien und Nord-Arabien eigen ist. Die

Modifikation beider Stämme ist mannigfaltig, üire Ableitung imsicher.

Die vergleichende Sprachwissenschaft ist auf dem Gebiete der semitischen

Phonetik seit ungefähr fünfzig Jahren zu einem um System verfestigten StiU-

stand gekommen. Von H. Zimmerns Vergleichender Grammatik der semi¬

tischen Sprachen von 1898 bis zur Phönizisch-Punischen Gramnmtik von

J. Friedrich aus dem Jahre 1951 haben alle Bearbeiter sich im Wesent¬

lichen an das gleiche Schema gehalten. Einwendimgen dagegen finden sich

nur selten, wie etwa die einiger russischer Sprachforscher zwischen 1925 und

1931. Diesen Zustand stellt J. Cantineau in dem Artikel Le consonantisme du simitique fest. Er ist der Meinung, daß, wenn auch solche Verfestigimg

ein Zeichen für die Richtigkeit des adoptierten Systems sein könnte, doch

hinreichend angreifbare Einzelheiten und unüberwindliche Schwierigkeiten übrigbleiben zur Rechtfertigung des Versuches, andere Lösungen für strittige

Fragen ausfindig zu machen. Er tut das, indem er zuerst die Klassen der

Konsonantengruppierung und dann in einem weiteren Kapitel die Arten

der Artikulation behandelt. Den Abschluß bildet eine graphische Dar¬

stellung des ganzen Systems in Gestalt eines dreiseitigen Prismtis. Die Beur¬

teilung des komplizierten Inhalts dieses Artikels muß den wenigen Fach¬

gelehrten vorbehalten bleiben, die das dazu erforderliche besondere Wissen

mitbringen.

Walter Windfuhr, Hamburg

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