• Keine Ergebnisse gefunden

die vor allem auch durch die Tätigung von Schrift- und Zahlungsverkehr, sowie der Uberprüfung ordnungsgerechter Erfüllung des Solddienstes zu immer komplexe- ren Gebilden heranwuchsen.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "die vor allem auch durch die Tätigung von Schrift- und Zahlungsverkehr, sowie der Uberprüfung ordnungsgerechter Erfüllung des Solddienstes zu immer komplexe- ren Gebilden heranwuchsen. "

Copied!
128
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Pedro Barcelö, Hannibal. Stratege und Staatsmann, Stuttgart: Klett-Cotta 2004, 319 S„ EUR 22,50 [ISBN 3-608-94301-3]

Hannibals spektakulärer Zug über die Alpen nach Italien gilt seit der Antike als eine der herausragenden militärischen Leistungen der Kriegsgeschichte. Seine über- raschende Offensive in das römische Kemland machte alle Kriegsplanungen des Senats zur Makulatur. Umso rätselhafter erscheint immer noch das Versäumnis des Karthagers, nach seinen beispiellosen Siegen über die stets numerisch überle- genen Römer auch ihre Hauptstadt anzugreifen und so das politische Zentrum des Feindes zu vernichten. Einer atemberaubenden Offensive folgte eine Pause, in der der karthagische Feldherr versuchte, Roms italienische Verbündete zum Abfall von der Tiberstadt zu bringen. Ein verhängnisvoller Stillstand, der Rom schließlich zu- rück auf die Siegerstraße brachte.

Den zahlreichen Erklärungsversuchen, die alte und moderne Autoren bisher für Hannibals gescheiterte Strategie gegen Rom geliefert haben, fügt der Potsdamer Althistoriker Pedro Barcelö eine neue, durchaus originelle Variante hinzu.

Entgegen der Gewohnheit der Römer, so Barcelö, führte Hannibal keinen Ver- nichtungskrieg, der den Gegner politisch wehrlos machen sollte. Sein Ziel schien eher ein Verhandlungsfriede gewesen zu sein, der das im eigenen Land besiegte Rom als Mittelmacht neben Karthago hätte bestehen lassen und praktisch die Kräfte- verhältnisse vor dem Ersten Punischen Krieg wiederhergestellt haben würde. Aus heutiger Sicht erinnert diese politische Konzeption des Karthagers an die so ge- nannte Kabinettskriegführung des 18. Jahrhunderts. In der Antike waren es die hellenistischen Königreiche im östlichen Mittelmeerraum, die eine ähnliche Politik betrieben und anders als die Römer, ihre Gegner, auch wenn sie geschlagen waren, als grundsätzlich gleichberechtigte Verhandlungspartner ansahen. Das Verdienst Barcelös besteht daher darin, an vielen Indizien herausgearbeitet zu haben, dass Hannibal wie auch die Karthager keine fremden Afrikaner oder Phönizier waren, sondern längst zu einer hellenistischen Weltkultur gehörten, die vergleichbar dem modernen Prozess der Globalisierung weite Teile der antiken Welt erfasst hatte.

Besonders Hannibals spektakulärer Marsch über die Alpen galt aus hellenistischer Perspektive als Wiederholung des mythischen Herakleszuges nach Italien. Barcelö weist auch zu Recht auf die besondere Nähe des Karthagers zum Gott Melkart hin, die phönizische Version des Herakles, die auch in den Griechenstädten Süditaliens ihre propagandistische Wirkung nicht verfehlte. Doch ebenso wie später die hellenistischen Staaten scheiterte Hannibal mit seinen politischen Vorstellungen an dem archaisch anmutenden Starrsinn des römischen Senats, der einen Frieden nur zu seinen Bedingungen akzeptierte und einfach so lange weiterkämpfte, bis dieses Ziel erreicht war. Es bleibt jedoch eine Ironie der Geschichte, wie Barcelö zum Schluss betont, dass Rom zwar den antiken Weltkrieg gegen Karthago gewann, aber gerade dadurch auch seine Traditionen verlor und als neue Weltmacht schließlich selbst zum Teil des hellenistischen Oikos wurde.

Trotz seiner Niederlage blieb Hannibal eine der berühmtesten Gestalten der Antike. Selbst seine vormals ärgsten Feinde errichteten ihm später in der römischen Kaiserzeit Standbilder. Für Barcelö lag die Ursache der späteren Popularität des Karthagers jedoch weniger in seinen Leistungen als Feldherr und Eroberer, sondern vielmehr in seiner politischen Vision einer neuen Ordnung für die Mittelmeerwelt.

Dies machte aus dem Soldaten erst einen Staatsmann, und darauf hingewiesen zu

Militärgeschichtliche Zeitschrift 65 (2006), S. 225-352 © Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam

(2)

haben, verleiht Barcelös Band neben den zahlreichen bereits vorliegenden Biogra- phien über den Karthager eine gewisse Berechtigung.

Wer allerdings über Detailprobleme und insbesondere auch über militärische Fragen präzisere Auskunft benötigt, sollte besser auf die Werke von Seibert oder Lazenby zurückgreifen. Barcelo referiert oft nur die längst bekannten Positionen und verweist im Anmerkungsteil auf die entsprechende Literatur. Nur bei der Ebro- frage und dem so genannten Hasdrubalvertrag aus dem Jahre 226 v.Chr. entwickelt er expliziert seinen eigenen Standpunkt. So beziehe sich der in den antiken Quellen erwähnte Ebro auf den weiter südlich fließenden Segura. Wenn aber das umstrittene Sagunt somit nördlich des Ebro lag, stellt sich die Frage nach den Ursachen des Krieges ganz anders. Dann wäre von einem Vertragsbruch seitens des Karthagers auszugehen. Auch Hannibals propagandistische Vorbereitung des Krieges wiese eher auf ihn als Verursacher des größten Krieges der Antike hin. Leider verzichtet Barcelo auf eine Vertiefung dieses zentralen Punktes, was jedoch für eine Einführung in die Thematik, wie es vom Verlag wohl auch gedacht ist, kein grundsätzliches Manko darstellt.

Als Leser wünscht man sich allerdings eine größere sprachliche Disziplin. Der Autor verfällt leider allzu oft in einen Plauderton und füllt ganze Abschnitte mit bloßen Vermutungen oder Spekulationen. Als nur ein Beispiel muss die S. 66 genannt werden, auf der fünf aufeinander folgende Sätze beginnen mit:

»Hauptgrund für die groß angelegte karthagische Intervention dürfte [...]. Es ist vorstellbar, dass mit einer Reihe iberischer Völkerschaften diplomatische Beziehungen geknüpft wurden [...]. Und mit Sicherheit kann davon ausgegangen werden [...]. Von ausschlaggebender Bedeutung war [...]. Von daher war zu erwarten [...]« usw. Es ist mindestens ein mangelhafter Bezug, wahrscheinlich aber schlicht ein Widerspruch, wenn Barcelo gleich auf der nächsten Seite schreibt: »Man wird römischerseits zwar das karthagische Engagement in Hispanien nicht gerade begrüßt, es aber auch nicht als besonders störend empfunden haben.« Dann aber heißt es gleich wieder: »Doch diese Rechnung, so verständlich sie aus damaliger karthagischer Sicht gewesen sein mag, hatten die Karthager ohne die Römer gemacht, und das sollte sich später bitter rächen.«

Man stutzt auch beim Lesen des Textes auf S. 21: »Betrachtet man die maritime Ausrichtung Karthagos, wie sie durch den Bericht des Herodots [...] zum Ausdruck kommt, so kann man die überragende Bedeutung des Meeres feststellen, das die Schaubühne für eine der wichtigsten Thalassokratien des Altertums bot.« So kann man auch hier, so sei hinzugefügt, dem Autor den Vorwurf der Tautologie nicht ersparen.

Resümierend muss festgestellt werden, dass Barcelö seinen fruchtbaren Ansatz- punkt in dieser Hannibalbiographie zu knapp behandelt hat. Für eine eventuelle spätere Auflage wünscht man sich eine breiter angelegte Darstellung, in der auch die zahlreichen textlichen und logischen Mängel behoben sein sollten.

Klaus-Jürgen Bremm

(3)

Navis Lusoria. Ein Römerschiff in Regensburg. Hrsg. von Hans Ferkel, Hein- rich Konen und Christoph Schäfer, St. Katharinen: Scripta Mercaturae 2004, 143 S., EUR 19,50 [ISBN 3-89590-152-0]

Funde antiker Wracks gibt es viele; die römischer Flussschiffe sind selten, besonders die der auf europäischen Flüssen eingesetzten Kriegsschiffe. Ganz rar sind deren Rekonstruktionen. Das eigens dafür erbaute Museum für antike Schifffahrt in Mainz besitzt gleich zwei solcher Nachbauten - aber keiner kann schwimmen.

Dass wir ein römisches Flusskriegsschiff, in diesem Falle den spätantiken Bootstyp der Kategorie navis lusoria (lat. = ein Schiff, gleichsam spielend, d. h. hin- und herfahrend = ein Kreuzer), nunmehr realiter schwimmen, gesegelt und gerudert sehen können, verdanken wir der Idee Heinrich Konens, eines Experten für maritime Verhältnisse der Antike, der mit einer besonders gelungenen Dissertation über die classis Germanica (Rezension in MGZ 64,2005) promovierte. Daraus entstand am Lehrstuhl Alte Geschichte der Universität Regensburg das bislang einmalige archäologisches Experiment, anhand eines 1981 in Mainz gefundenen Flusskriegs- schiffwracks eine wissenschaftlich fundierte, schwimmfähige Rekonstruktion zu fertigen. Konkret wurde das Vorhaben, als Olaf Höckmann, der als Oberkonservator des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz die dortigen Wrackfunde nach der Bergung archäologisch analysiert hatte, seine dankenswerte Kooperation zusagte und Schiffspläne zur Verfügung stellte. Christoph Schäfers Projektmana- gement, die Realisierung und historische Begleitforschung schildert der vorliegende, mit 121 qualitativ hochwertigen Bildern dokumentierte Band, dem acht Geleit- oder Grußworte (S. 7-14) sowie ein Vorwort (S. 15-18) mit Danksagungen an zahl- reiche Förderer und Helfer voranstehen.

Der Hauptteil umfasst sechs Kapitel: Die Projektleiter Christoph Schäfer und Heinrich Konen beschreiben »Das Lusoria Projekt« von der Ideenfindung über Sponsoring, Materialbeschaffung - vor allem die von Eichenholz aus einem bayrischen Staatsforst -, bundesweite Expertensuche, Arbeitskräfteanwerbung, Erstellung eines Computermodells und Bauphasen bis zum 2. Juli 2004, als das Schiff zu Wasser gelassen wurde, das am 1. August 2004 auf den Namen Regina getauft seine Jungfernfahrt machte. Florian Himmler erläutert als historischen Hintergrund »Die Notitia Dignitatum und die spätrömischen Flottenstreitkräfte auf der Donau«, wobei das spätantike Handbuch über die Hierarchie und Sub- struktur der Amter (daher notitia dignitatum) für die Stationierung der Flussflottillen (15 classes, 5 liburnarii, naves amnicae, milites nauclarii etc.) entlang der Donau und ihre Kommandostruktur die zentrale Quelle bildet. Heinrich Konen behandelt »Die navis lusoria« u.a. in Bezug auf ihre Einsatzarten auf Rhein und Donau, ihre Funktion für Grenzüberwachung und -schütz in der Spätantike, die ungefähre Anzahl an Einheiten und ihre Konstruktion anhand der antiken Quellen und Schiffsabbil- dungen auf Münzen und Ziegelstempeln (Abb. 44—49). Hans Ferkel beschreibt »Kri- terien bei der Herstellung der Nägel«, von denen 3500 Stück gemäß der an Origi- nalnägeln vorgenommenen metallkundlichen Analysen der TU Clausthal nach antikem Herstellungsverfahren handgeschmiedet wurden. Von Stephan Mittermeier wird detailliert »Der Bau eines römischen Flusskriegsschiffes vom Typ >Lusoria<«

geschildert: Von der Holzauswahl über Sägearbeiten, die Herstellung von Pallungen, Kiel, Kielschuh, Mallspanten, Planken, Mastspant, Auflager usw. bis zum mehrfarbigen Anstrich und zur 5-tägigen dem Aufquellen des Holzes und damit der natürlichen Abdichtung des Schiffes dienenden Wasserung. Bedauerlich an

(4)

dieser insgesamt guten Dokumentation ist einzig, dass sie keine Zusammenstellung technischer Details zu Länge, Breite, Höhe, Tiefgang, Tonnage, Segelfläche usw.

hat.

Abschließend bieten Konen und Schäfer »Ausblick und Perspektiven«, wobei sie u.a. auf die Rekrutierung der mindestens 35-köpfigen Besatzung (30 Ruderer = remiges, 4 Bogenschützen, ein Kapitän-Steuermann) und die Entwicklung von didaktischen Lehr- und Lernkonzepten eingehen. Auf die praktische Erprobung von Manövrierfähigkeit, Segel- und Rudereigenschaften, Geschwindigkeiten usw., wovon sich die Schifffahrts- und Altertumswissenschaft ähnlich bahnbrechende Ergebnisse erhofft wie seinerzeit von den Tests der nachgebauten griechischen Triere Olympias, darf man gespannt sein und deshalb gut seemännisch wünschen:

»Allzeit gute Fahrt und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!«

Peter Kehne

Uwe Tresp, Söldner aus Böhmen. Im Dienst deutscher Fürsten: Kriegsgeschäft und Heeresorganisation im 15. Jahrhundert, Paderborn, München, Wien, Zürich: Schöningh 2004, 524 S. (= Krieg in der Geschichte, 19), EUR 72,00 [ISBN 3-506-71744-8]

Der Kämpfer zu Fuß ebnete den Heeren den Weg vom späten Mittelalter in die Frühe Neuzeit: war doch ein Fußknecht für den Kriegsherrn wesentlich leichter auszubilden und auszustatten als ein Panzerreiter. Somit war der Trend zu Infanterie unter Berücksichtigung monetärer Größen wesentlich für diese »epochale« - wenn- gleich sich über Jahrhunderte erstreckende - Wende (mittel)europäischer Krieg- führung. Gemeinhin weist man den Schweizer Reisläufern des späten 15. Jahrhun- derts und den Landsknechten an der Schwelle zum 16. Jahrhundert die Vorläufer- rolle im »modernen« Heerwesen zu: Sie liefen zu Fuß, kämpften in geschlossener Ordnung und die »Opportunitätskosten« ihres Einsatzes stellten sich gegenüber der Indienstnahme berittener Alternativen wesentlich günstiger dar.

So direkt zieht sich indessen die Linie von den »mittelalterlichen« Reiterheeren zu den frühneuzeitlichen Fußheeren nicht. In seiner hervorragenden Arbeit leistet Uwe Tresp einen Beitrag zur Differenzierung dieses Bildes. Anhand seiner Unter- suchung zu Strukturen und Akteuren im »Söldnermarkt Böhmen« des 15. Jahr- hunderts verweist er auf eine dritte wichtige Größe, die im Wandel von Militärwesen bedeutsam war: den böhmischen Fußknecht, den »Trabanten«. Im Gefolge der hussitischen Innovationen im Militärwesen der 1420er Jahre entwickelte sich Böh- men zu einem Gebiet mit starker Ausstrahlung auf die benachbarten deutschen Territorien. Diese allgemeine Entwicklung im Überblick nachzuzeichnen unter- nimmt Tresp im ersten Abschnitt seiner Arbeit. Auch nach dem Ende der hussi- tischen Revolution 1432 blieben deren neue Elemente dem Kriegswesen bis mindestens zur Wende zum 16. Jahrhundert erhalten. Die Verwendung von Kämp- fern zu Fuß, die mit Setzschild (Pavese), Wagen(burg) und Armbrust ausgerüstet waren, kennzeichnete den taktischen Aspekt dieser »Revolution«. Freilich sollte diese Entwicklung - wie die »Military Revolution« des 16. /17. Jahrhunderts - mehr als Evolution verstanden werden, denn als schlagartiger Wandel des Kriegswesens.

Die gesteigerte Rolle des Fußvolkes war vor allem auf die zunehmende Monetari- sierung des Kriegswesens zurückzuführen. Wesentliche Akteure waren die adligen

(5)

Kriegsherren als historische Sieger der »hussitischen Revolution«. Infolge der Säku- larisierungen wurden sie Nutznießer der territorialen Veränderungen und verfügten so über die finanziellen Mittel und die sozialen Netzwerke, um Männer für den Krieg zu werben. Dies geschah für den Dienst beim böhmischen König, beim lokalen Lehnsherrn, oder eben im Dienst auswärtiger Fürsten. Bei der Indienstnahme durch diese heterogene Auftraggeberschaft stand das frühe Kriegsunternehmertum an der Schnittstelle zwischen Personenverband und kommerzieller Sicherheitsdienst- leistung.

War der erste Abschnitt der Arbeit von Tresp nur ein Präludium zur Kennzeich- nung des Zeitalters, so unternimmt es der Autor im Abschnitt II. (»Söldner aus Böhmen«), die Entwicklung Böhmens als »Söldnermarkt« nachzuzeichnen; dies mitsamt den strukturellen Bedingungen, Interessen und systemimmanenten Defizite dieses Marktgeschehens. Wie in so vielen der jüngeren Werke zur »neuen« Militär- geschichte rückt auch Tresp vor allem die sozialgeschichtlichen Aspekte in den Vordergrund. Methodische Anlehnungen sind an Stephan Selzers Untersuchung zu den »Deutschen Söldnern im Italien des Trecento« (Tübingen 2001) zu erkennen.

Gleichwohl ist Tresps Untersuchung überzeugender gegliedert. Zwei Fallbeispiele zieht er als Quellenbasis zu Rate. Zum Ersten wird das böhmische Söldnerheer Herzog Wilhelms von Sachsen bei der erfolglosen Belagerung von Soest im Jahr 1447 dargestellt, zum Zweiten die Kriege Herzog Ludwigs IX. von Bayem-Landshut gegen Markgraf Albrecht von Brandenburg und das Reich in den Jahren 1459 bis 1462. Der Autor tat gut daran, diese - vorderhand willkürlichen - Beispiele auszu- wählen. Denn seine Absicht ist es nicht Ereignis-, sondern Strukturgeschichte zu schreiben. Beide Fallbeispiele sind sowohl aus Sicht der deutschen Kriegsherren als auch aus der Perspektive der böhmischen Auftragnehmer aussagefähig. Die Fokussierung auf den Quellenbestand erlaubt es dem Autoren Strukturbeziehungen aufzudecken, die sich nur zum wenigsten Teil aus den Quellen über den Einsatz der Söldner im Gefecht ergeben.

Zur Kriegführung jedoch äußert sich der Autor nur kurz und eher allgemein (S. 24-28; 145-154); auch dieses kein Einzelfall in der jüngeren Militärgeschichts- schreibung. Es ist indessen eine Lücke, die hier bewusst ausgeklammert wurde.

So geriet der Feldzug von Thüringen bis vor Soest zum politischen Misserfolg und zum »militärischen und finanziellen Desaster« (S. 156). Die Untersuchung der Regelung der Logistik ermöglicht dagegen oft überraschende Einsichten in den Mikrokosmos des Söldnerwesens. Da für die Söldner vor Soest der Preis des Sieges - hinsichtlich der Beute - ausblieb, sind gerade deswegen viele wertvolle Quellen- stücke zur Besoldung, Versorgung, Schadensersatzleistung erhalten.

Militär- und Kriegswesen werden von Tresp dezidiert als »Markt« untersucht.

Die drei Kernkapitel befassen sich nacheinander mit dem Markt, den Nachfragern der Sicherheitsdienstleistung und deren Anbietern: also der »Anbahnung des Sold- geschäftes«, der »Organisation und Verwaltung des Solddienstes durch den Kriegs- herren« sowie den »Söldnern aus Böhmen: Ausrüstung und Organisationsstruktur«.

Nach den Hussitenkriegen war Böhmen ein »Söldnermarkt«. Hier existierten kampf- erprobte Männer, die mit den neuesten Waffen und Waffensystemen (wenn man die Wagenburg so nennen will) umgehen konnten. Hier existierten Herren, die über finanzielle Mittel und über weitreichende Beziehungsnetzwerke verfügten und daher nicht nur die Möglichkeit besaßen, Streiter anzuwerben, sondern auch wissen konnten, wer gerade Bedarf nach ihnen hatte. Die Kriegsherren organisierten den Dienst der von ihnen angeworbenen Männer mit Hilfe ihrer Verwaltungsorgane,

(6)

die vor allem auch durch die Tätigung von Schrift- und Zahlungsverkehr, sowie der Uberprüfung ordnungsgerechter Erfüllung des Solddienstes zu immer komplexe- ren Gebilden heranwuchsen.

Eine Wurzel des frühmodernen Staates ist der »Leistungseinkauf« von Sold- knechten. Die Funktionsmechanismen im Mikrokosmos dieser Entwicklung treten aus Tresps Studie sehr deutlich zu Tage, und zwar aus doppelter Perspektive: ein- mal aus Sicht der Kriegsherren und ihrer Verwaltungen, dann aus Sicht der Söldner und ihrer Mittelsmänner. So entwickelt der Autor aus den Dienstreversen und -be- stallungen, dem Modus von Sold-, Verpflegungs- und Sonderzahlungen, aus den Musterungs- und Schadenslisten ein farbiges Bild über das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage im Söldnermarkt Böhmen zu den benachbarten Territorien.

Aus diesen oft prosaischen Verwaltungsstücken gelingt es Tresp, das Spiel der Akteure mit ihren wechselseitigen Chancen und Risiken von Vertragserfüllung und Ubervorteilung nachzuzeichnen. Möglichkeiten hierzu existierten auf beiden Seiten. Für den Kriegsherrn ging es darum, für den bezahlten Sold auch die gefor- derte Leistung im Einsatz zu erhalten; dies möglichst ohne »Kollateralschäden«, denn unbezahlte oder auch nur durchziehende Kriegsknechte machten oft wenig Unterschiede zwischen dem Land des Feindes und dem des Auftraggebers. So wurden manche Soldknechte nach ihrem Abschied auf Flößen in Richtung Heimat geschifft, damit das Land möglichst wenig Angriffsfläche für Raubzüge und

»Huldigungen« (d.h. Erpressungen) der Knechte im Sold ebendieses Landes bot.

Auch für den Söldner selbst war der Krieg kein risikoloses Geschäft. Nicht sicher war es, dass der Kriegsherr zeitgerecht, in passender Münze oder überhaupt zahlte. Doch konnte der Krieg auch über den Sold hinaus Gelegenheit zum Gewinn bieten. Da im Einsatz verlorene oder beschädigte Waffen, Gerätschaften und Pferde durch den Kriegsherrn ersetzt wurden, bot sich ein weites Feld zum Profit, wenn der angegebene Wert über dem realen Wert lag. Ansonsten bot sich Gelegenheit, das Land anderweitig auszusaugen; teils auch als Folge mangelhafter Löhnung und Logistik. Mitunter wurden aber auch beutebeladene Söldner auf dem Heimweg selbst Opfer von Raubmord und Totschlag.

Sozialgeschichtlich interessant ist das von Tresp herausgestellte Netzwerk, das in mehreren Stufen zwischen Kriegsherren und Söldnern existierte; dies nicht nur als Hintergrund der Marktbeziehungen. Denn die Dienstverhältnisse spiegelten einerseits die Systematik personaler Gefolgschaftsverhältnisse, verquickt mit den monetären Geschäftsbeziehungen. Ist der gemeinhin vorgenommene Einschnitt von »Neuzeit« gegenüber dem »Mittelalter« möglicherweise gar nicht so tief?

Neben dem Hauptuntersuchungsgegenstand, dem Söldner, tritt ein anderes Gebiet scheinbar beiläufig in den Vordergrund: Das Königreich Böhmen erscheint als integrierter Teil des Reiches, aber mit klaren eigenen Strukturen. So wird der

»deutsche« Charakter des »Reichs« relativiert und die Qualität als a-nationales Gebilde mit mancherlei regionalen Einzelentwicklungen wie überregionalen Verquickungen deutlich. Somit tritt aus der Studie über »Söldner aus Böhmen«

sehr deutlich hervor, dass die deutsche Geschichte nur im Zusammenhang mit der

unserer tschechischen Nachbarn zu verstehen ist. Bereits die Quellen, aus denen

Tresp schöpft, wären ohne profunde Kenntnisse der tschechischen Sprache

verschlossen geblieben. Der Leser wird dementsprechend weder in historischer

noch sprachlicher Hinsicht von Gestalten wie Jan Calta von Kamennä Hora oder

Jindrich Cecek von Pakomerice »verschont«. Diese nicht nur auf den deutschen

Teil des Reiches beschränkte Perspektive ermöglicht es, den Kontext nachfolgender

(7)

Entwicklungen besser abzustecken: Der wohl bedeutendste Kriegsunternehmer der Frühen Neuzeit wirkte eineinhalb Jahrhunderte später im Dreißigjährigen Krieg: Albrecht von Valdätejn, Herzog von Friedland (wir kennen ihn meist als Wallenstein). Künftig werden also - neben den Schweizer Reisläufern und den deutschen Landsknechten - auch die böhmischen Söldner des 15. Jahrhunderts stärker zu beachten sein.

Martin Rink

Der Krieg in den Gründungsmythen europäischer Nationen und der USA. Hrsg.

von Nikolaus Buschmann und Dieter Langewiesche, Frankfurt a.M., New York: Campus 2003,420 S., EUR 45,00 [ISBN 3-593-37368-8]

Mythen kommt als gesellschaftlichen Deutungsmustern im Rahmen der Konstruk- tion von Nationen eine wichtige Bedeutung zu: Sie schaffen der sich als Nation konstituierenden Gruppe eine gemeinsame Vergangenheit, die offen für vielfältige Interpretations- und Identifikationsansätze ist und daher zur Integration verschiedener Gruppen in die Gesamtheit der Nation geeignet ist. Der vorliegende Band untersucht die Rolle, die Kriege in den Gründungsmythen in europäischen Nationen im 19. Jahrhundert bzw. im Falle des Aufsatzes von Michael Hoch- geschwender (»God's Own Nation«: der gerechte Krieg im Selbstbild der USA) in den USA einnehmen. Unter Gründungsmythen will der Herausgeber Dieter Langewiesche dabei Mythen verstanden wissen, »in denen die nationale Gesellschaft oder der Nationalstaat entweder den eigenen historischen Ursprung verortet oder aber eine Neu- bzw. Wiedergründung sieht [...] die dann in eine Kontinuität zur Urschöpfung gestellt wird, die man vielfach im Dunkel der Geschichte verrinnen läßt« (S. 14).

Der Band verfolgt die skizzierte Fragestellung in zwei Teilen. Den Abschnitt

»Krieg als Mythos - Mythenkriege. Wirkungen und Funktionen von Krieg und Ge- walt« mit den Beiträgen von Dieter Langewiesche (Krieg im Mythenarsenal europäischer Nationen und der USA), Burkhard Gladigow (Gewalt in Gründungs- mythen), Stig Förster (Mythenbildung und totaler Krieg) und Klaus von See (Der Arier-Mythos) eint die querschnittsartige Betrachtung des Themas Krieg in Grün- dungsmythen abseits einzelner nationalstaatlicher Fallbeispiele. Ansonsten sind die gewählten Fragestellungen sehr unterschiedlich: Während Burkhard Gladigow aus religionswissenschaftlicher Sicht nach der Rolle von Gewalt in Gründungs- mythen fragt und ihr zweierlei Bedeutung beimisst, nämlich einerseits durch Dramatisierung emotionale Beteiligung zu ermöglichen und andererseits durch Ausgrenzung der unterlegenen Position identitätsstiftend zu wirken (S. 37), untersuchen Stig Förster und Klaus von See die Instrumentalisierung von Mythen zur Legitimation von Kriegen.

Der zweite und mit 300 Seiten weitaus gewichtigere Teil des Bandes widmet sich ausschließlich Einzelfalluntersuchungen von »Gründungsmythen moderner Nationalstaaten« (so der Titel des Abschnittes). In 13 Beiträgen werden deutsche, schweizerische, italienische, tschechische, flämische, französische, nordamerika- nische, sowjetrussische, polnische, serbische und bulgarische Gründungsmythen betrachtet. Ein zusätzlicher 14. Beitrag widmet sich mit der Betrachtung des Troia- nischen Krieges einem Krieg, der »wie kein anderer von europäischen Völkern,

(8)

Staaten, Städten, Institutionen und Nationen für Gründungsmythen fruchtbar gemacht« wurde (S. 398) und sprengt deutlich den zeitlichen Betrachtungsrahmen, den sich der Band selbst gesetzt hat, indem er den Bogen vom »archaischen Grie- chenland bis zur Türkei der Gegenwart« (ebd.) spannt.

Sämtliche Beiträge sind für sich genommen lesenswert und stellen in der Gesamtheit eine eindrucksvolle Palette divergierender Gründungsmythen und ihrer Genese dar: So wird am Beispiel der italienischen Gründungsmythen deutlich, dass Nationen keineswegs immer siegreicher Kriege zur Sinnstiftung bedürfen.

Vielmehr können verlorene Kriege als Ansporn zur Erhebung und Überwindung von Differenzen durchaus identitätsstiftend wirken.Der Herausgeber weist aus- drücklich darauf hin, dass den Beiträgern keine einheitliche Mythendefinition vorgegeben wurde. Sie wurden lediglich aufgefordert zu beachten, »mythisches Denken [...] nicht zu verstehen als ein Denken, das noch nicht rational aufgeklärt ist und deshalb Wirklichkeit verzerrt wahrnehme und die Vergangenheit legendenhaft zurechtbiege« (S. 18, Hervorhebung im Original). Diese Offenheit des Herangehens ist legitim, gleichwohl aus Sicht des Rezensenten bedauerlich, weil sie der allgemeinen Tendenz der Geschichtswissenschaft zur inflationären Verwendung des Mythenbegriffs folgt und wenig zu seiner notwendigen Abgrenzung von anderen gesellschaftlichen Deutungsmustern beiträgt.

Während Dieter Langewiesche einleitend noch auf die Abgrenzung des Mythos von Ideologien und Parteiprogrammen durch den höheren Grad der gesellschaft- lichen Verbindlichkeit (S. 17) hinweist, wird gerade diese Trennung keineswegs stringent durchgehalten. Edmund Dmitröw etwa zeigt in seinem Beitrag zum »Wan- del historischer Selbst- und Fremdbilder einer Opfernation«, wie die partei- politischen Versuche in Polen fehlschlugen, den Deutschenhass als Gründungs- mythos des heutigen Polen zu etablieren. Mit dem Nachlassen der Intensität der Parteipropaganda und schließlich dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft hörte dieses Deutungsmuster vielmehr auf, sinnstiftend zu wirken.

Damit dürfte ihm gerade der Grad gesellschaftlicher Verbindlichkeit abgehen, den Langewiesche zuvor zum Kriterium eines Mythos erhoben hat.

Dieter Langewiesche und Nikolaus Buschmann haben einen Band vorgelegt, der eine Fülle von Fallbeispielen zur Mythenforschung enthält, zur gebotenen notwendigen Systematisierung und theoretischen Fundierung dieses Ansatzes aber nur am Rande beiträgt.

Stephan Huck

Johannes Kunisch, Friedrich der Große. Der König und seine Zeit, 2. Aufl., München: Beck 2004, 624 S„ EUR 29,90 [ISBN 3-406-52209-2]

Der Autor, der bisher vor allem als Verfasser von Studien, Herausgeber von Sammel- bänden und Dokumentenveröffentlichungen über Friedrich II. und seine Zeit her- vorgetreten ist, hat mit diesem Werk nicht nur eine umfang- und materialreiche Biografie des Königs vorgelegt, sondern zugleich den Versuch unternommen, das historische, politische und militärische Umfeld seiner Regierungszeit und dessen Stellung innerhalb der deutschen Fürsten im Reich zu schildern. Zwar beschreibt Kunisch in der üblichen klassischen Form des biografischen Abrisses chronologisch das Leben Friedrichs und bettet Brüche und Probleme in die Darstellung ein.

(9)

Zugleich fügt er Zwischenabschnitte und Kapitel von unterschiedlicher Länge ein, die dem Untertitel des Buches folgen, sowie die verschiedenen Seiten des Charakters Friedrich II. darstellen, er flicht in sie auch Betrachtungen zum Militärwesen des 18. Jahrhunderts, der Taktik und Strategie der Heere dieser Zeit ein, die durchaus die zeitliche Abfolge der Schilderung durchbrechen.

Als Materialgrundlage der sieben Kapitel seines Buches benutzte Kunisch im Wesentlichen neben einigen Spezialuntersuchungen die in den letzten 150 Jahren in mehr oder weniger großen Abständen veröffentlichten Lebensbeschreibungen Friedrichs sowie die schon kurze Zeit nach seinem Tod begonnenen Quelleneditio- nen. Letztere ersparten es Kunisch, selbst nochmals die Archive durchzuforsten oder eigene Forschungen anzustellen und die Fakten zu prüfen, wie er auch aus den Werken zwar zur Unterstützung seiner Aussagen zitiert und die in der bisherigen Literatur übermittelten Fakten und Einschätzungen zusammenfasst und übernimmt.

Er begibt sich damit zugleich der Möglichkeit (was angesichts des vor kurzem be- gangenen 300. Jahrestages der Gründung des Hohenzollernstaates wohl geboten gewesen wäre), sich kritisch mit der benutzten Literatur auseinander zu setzen und deren Aussagen unter dem Gesichtspunkt der Bedingungen ihres jeweiligen Erscheinungszeitpunktes zu werten.

Kunisch verweist aber auch auf Lücken in unseren Kenntnissen. Das betrifft zum Beispiel bereits das erste Kapitel (Der Kronprinz), in dem er auf unklare Ursa- chen für Erscheinungen im Wesen Friedrichs verweist, die er in Einflüssen dieser Zeit begründet sieht. Auffällig in seiner Literaturauswertung ist ferner vor allem, dass Kunisch bis auf ganz wenige Ausnahmen die in der DDR im Zusammenhang mit der Traditionsdebatte in den 1980er Jahren erschienene Literatur zu Preußen nicht beachtet hat, aber auch ältere preußenkritische Arbeiten, zum Beispiel von Franz Mehring, außen vor gelassen hat. Dabei lässt er in seiner Darstellung durchaus einen gewissen Abstand und eine kritische Distanz zur Persönlichkeit Friedrichs und seinem Handeln erkennen. So verweist Kunisch bereits im ersten Kapitel auf die zum Teil schon in der Literatur beschriebene Doppelzüngigkeit und Verschla- genheit seines Charakters, beschreibt er im zweiten sein militärisches Handeln im Zweiten Schlesischen Krieg als »weniger in Prinzipien militärischer Opportunität als vielmehr von den zutiefst höfisch-aristokratischen Vorstellungen von Ehre, Ruhm und Reputation geprägt«, dass es »ganz vom sozialen Habitus des Adels- standes« (S. 220 f.) bestimmt war, anerkennt er im dritten zwar die Bautätigkeit Friedrich II. und dessen Förderung der Künste, stellt aber gleichzeitig fest: »Offen- kundig ist die politische und militärische Seite seines Lebenswerkes der eigentliche Mittelpunkt seiner Biographie« (S. 251).

An anderer Stelle schreibt Kunisch über das militärische Wirken Friedrichs, dass er sich in den Schlachten und Feldzügen über alles hinwegsetzte, »was nach den Prinzipien einer Gewinn und Verlust abwägenden Kriegslehre angeraten schien« (S. 405), was er sich aber nur auf Grund seiner Sonderstellung als allein verantwortlicher König und Oberbefehlshaber im Vergleich zu den Kommandeuren seiner Gegner in deren Abhängigkeit von den Monarchen und ihren Kabinetten leisten konnte. Insgesamt entsteht so einerseits ein breites Bild über den König, dem Leser bleibt es jedoch überlassen, sich selbst daraus ein umfassendes, eigenes Urteil zu bilden.

Im letzten Teil des Buches, dem Epilog, wirft Kunisch zusammenfassend die Frage auf, ob Friedrich wirklich der Beiname »der Große« zuerkannt werden kann.

Doch auch hier kommt er zu keiner abschließenden Beurteilung, sondern beant-

(10)

Buchbesprechungen wortet sie in philosophierender Art ausweichend (dabei hatte er sich mit dem Titel des Buches gewissermaßen schon festgelegt) wie folgt: »Die Kategorie der histori- schen Größe [...] stellt ein Problem dar, das nicht nach objektiven, gewissermaßen abmessbaren Kriterien wissenschaftlicher Erkenntnis beurteilt werden kann. Sie ist vielmehr das Ergebnis einer durchaus subjektiven Bilanz. So wurde in dieser Biographie kein endgültiges Urteil gefällt, sondern vor allem etwas Illustrierendes und immer wieder neu zu Uberprüfendes mitgeteilt. Das anzubieten und zu vermitteln, war die Aufgabe dieses Buches« (S. 541).

Werner Knoll

Judenemanzipation und Antisemitismus in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert.

Ein Tagungsband. Hrsg. von Wolfgang Michalka und Martin Vogt, Eggingen:

Edition Isele 2003,165 S. (= Bibliothek europäischer Freiheitsbewegungen, Bd 3), EUR 17,50 [ISBN 3-86142-217-4]

Die deutschen Juden waren nicht nur Opfer, ihre Geschichte verläuft nicht auf gera- dem Wege nach Auschwitz. Andererseits war der Antisemitismus keineswegs ein Randphänomen der deutschen Gesellschaft. Aber gab es einen spezifisch deutschen Antisemitismus? Diese seit Daniel Jonah Goldhagens Buch über Hitlers willige Voll- strecker vieldiskutierte Frage bildet den roten Faden des ersten, von Martin Vogt verfassten Beitrages. Kenntnisreich führt der Verfasser durch die neuere Geschichte der deutschen Juden, ohne jedoch die aufgeworfene Frage am Ende befriedigend zu beantworten. Vogts knappe Antwort lautet: ja, denn im Gegensatz zu allen anderen Staaten habe sich in Deutschland eine Staatspartei die Judenfeindschaft

»zur Durchsetzung ihrer Rassenideologie zunutze machen« können (S. 38). Zur Debatte um die Kernthese Goldhagens, es habe einen spezifisch deutschen, nämlich einen eliminatorischen Antisemitismus gegeben, trägt das nicht viel bei; zumal Vogt zugeben muss, dass es eine Verknüpfung der aus dem Mittelalter überkom- menen Judenfeindschaft mit dem modernen, rassistischen Antisemitismus auch in anderen Staaten gegeben habe.

»Deutsche jüdische Soldaten - hat es so etwas überhaupt gegeben?« (S. 39). So lautet die zentrale Frage im zweiten, von Chana C. Schütz geschriebenen Aufsatz.

Eine Frage, die gleich aus zweierlei Gründen überraschen muss: erstens, weil die Beteiligung deutscher Juden (nicht nur) am Ersten Weltkrieg außer Frage steht, zweitens, weil die Problematik jüdischer Soldaten in der Wehrmacht keine Beach- tung findet. Auch wenn der dem Artikel zugrundeliegende Vortrag bereits im Oktober 2000 gehalten wurde: für die Drucklegung hätte das 2002 auf englisch erschienene Buch Bryan Mark Riggs über Hitlers jüdische Soldaten noch eingearbeitet werden können (Jürgen Förster jedenfalls hat es in seinem Beitrag über Wehrmacht, Krieg und Holocaust berücksichtigt).

War 1848/49 ein Fortschritt oder ein Rückschritt für die Juden in Deutschland?

- diese Frage wirft Irmtraud Götz von Olenhusen auf. In ihrem Beitrag stellt sie die unterschiedlichen Positionen vor, diskutiert sie und gelangt zu einer vermittelnden These: keineswegs sei die Revolution für die Juden nur mit Fortschritt verbunden gewesen. Selbst der nationalliberale Emanzipationsgedanke berge in sich eine fatale Konsequenz: stehe dahinter doch die »Vorstellung einer völligen Assimilation der Juden, einer Verschmelzung mit der deutschen, protestantisch geprägten Kultur«.

(11)

Eine solche Vorstellung aber mute totalitär an, weil sie »keinen Raum für ver- schiedene soziokulturelle Identitäten - kurz für das Anderssein -« vorsehe (S. 56).

Insofern der erwachende Nationalismus immer deutlicher Züge einer politischen Religion annahm, war dem zufolge die Intoleranz gegenüber ethnischen und kulturellen Minderheiten gewissermaßen vorprogrammiert. Sicherlich bedürfte es weiterer diskursanalytischer Untersuchungen, um diese These zu erhärten. Beden- kenswert aber ist sie allemal - nicht zuletzt auf dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um eine Leitkultur.

Trotz alledem: fatale Folgen zeitigte die Revolution vor allem insofern, als sie fehlschlug. Mit der dadurch ausgelösten Krise des Liberalismus geriet der Natio- nalismus immer mehr ins Fahrwasser einer Ideologie, die Anknüpfungspunkte auch für einen politischen Antisemitismus bot. In seinem Beitrag über die Entste- hung des bildungsbürgerlichen Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich geht Norbert Kampe zunächst recht ausführlich auf diesen Zusammenhang ein, wobei er Heinrich von Treitschkes Veröffentlichungen einen »maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der nationalpolitischen Ansichten des deutschen Bildungsbür- gertums« zuschreibt (S. 68). Mit der deutschen Studentenschaft nimmt Kampe ein wichtiges Segment dieser Schicht in den Blick. Dabei zeigt sich, dass »besonders in den ideologienahen Fächern der philosophischen, juristischen und theologischen Fakultäten« viele Studenten die »moralische Führungsqualität ihrer liberalen Professoren« nicht mehr anerkannten (S. 71) und gleichzeitig zu Protagonisten des gesellschaftlichen Antisemitismus wurden. Das manifestierte sich etwa in der Resonanz auf die Antisemitenpetition von 1880/81, die auf eine Revision der Juden- emanzipation zielte: nur rund 0,6 Prozent der männlichen Reichsbevölkerung war bereit, diese zu unterstützen, aber immerhin 19 Prozent aller deutschen Universitäts- studenten; in Berlin waren es gar 41 Prozent! Die Ursachen dafür waren, so Kampe, vor allem sozialer Art: angesichts der schweren Krise auf dem akademischen Arbeitsmarkt votierten viele Betroffene für einen Bildungsprotektionismus, den man vor allem über eine Ausschaltung der jüdischen Konkurrenz< erreichen wollte.

Zwar stieß der politische Antisemitismus (vorerst) an seine Grenzen. Für die Ausbreitung des gesellschaftlichen Antisemitismus aber spielte die Studentenschaft eine bislang offensichtlich unterschätzte Rolle. Sie lieferte »keinen besonderen Beitrag zur Entwicklung der antisemitischen Ideologie«; aber sie trug entscheidend dazu bei, dem deutschen Bildungsbürgertum den Antisemitismus »als respektable Weltanschauung« zu vermitteln (S. 82). Der Schritt hin zu einem radikal völkischen Antisemitismus wurde indes erst später, von einer anderen Generation vollzogen.

Zu Recht verzichtet Kampe daher darauf, eine geradlinige Kontinuität zwischen beiden Ideologien zu konstruieren. Diejenigen im Kaiserreich sozialisierten »Alten Herren«, die sich den gesellschaftlichen Antisemitismus zu Eigen gemacht hatten, wurden auch in der Weimarer Republik nicht zu Verfechtern eines eliminatorischen Antisemitismus. Aber sie waren »nicht imstande, den brutalen und primitiven Judenhass der NS-Bewegung als Warnsignal aufzugreifen« (S. 103); sie waren blind geworden »gegen die tödliche Bedrohung aller abendländischen Werte« (S. 98).

Auch die beiden folgenden Beiträge fragen nach den Kontinuitätslinien, die nach Auschwitz geführt haben könnten. Wolfgang Michalka beschäftigt sich mit der Lage deutscher Juden im Ersten Weltkrieg, wobei er ein besonderes Gewicht auf die skandalöse »Judenzählung« von 1916 legt, während Aleksandar-S. Vuletic die Situation der deutschen Juden zwischen Normalität und Vertreibung in den 1920er und 1930er Jahren beschreibt. Keineswegs sehen die beiden Historiker den

(12)

Weg zum Holocaust als determiniert an, betonen aber das im Antisemitismus angelegte dynamische Element. Michalka zeigt den qualitativen Sprung von der Ju- denfeindschaft der Vorkriegszeit zum radikalen Antisemitismus rechtsradikaler Parteien in der Weimarer Republik; Vuletic bewertet selbst den Pogrom von 1938 nicht als ein »Voraussignal für Auschwitz«, verweist aber auf die »ungebrochen sich radikalisierende Gewaltbereitschaft des NS-Regimes« (S. 136).

Jürgen Förster schließlich widmet sich einem seit der Wehrmachtsausstellung auch in der breiten Öffentlichkeit besonders intensiv diskutierten Thema: der Rolle deutscher Soldaten im Holocaust. Überzeugend kann der Militärhistoriker belegen, dass die Wehrmacht in verschiedenen Rollen agierte, als »Täter, Helfer, Mitwisser und Zuschauer« (S. 159). Keineswegs aber unterschlägt er gegenläufige Verhaltens- weisen, die von Unbehagen über Widerspruch bis zu Widerstand reichten. Denn das Heer, so Förster, war nicht monolithisch, das »Verhalten der Wehrmacht in den besetzten Gebieten vollzog sich im Geflecht von Vorgaben von oben, Reaktionen des Gegners, Nachsteuern von oben und Eigeninitiative, war also befehls-, moti- vations· und situativ bedingt« (S. 147). Dass sich dabei viele Soldaten auch aus oberen Rängen zu willigen Vollstreckern der Mordpolitik machten, ist zum Teil aber auch auf antisemitische und antibolschewistische Überzeugungen zurückzu- führen, zumal es, wie Förster einleitend ausführt, »ideologische Kontinuitätslinien von Militär und Partei« gab, die bis zum Ersten Weltkrieg zurückreichten (S. 141).

Bei fünf der hier vorgestellten Beiträge handelt es sich um verschriftlichte Ta- gungsreferate, die um zwei weitere Aufsätze (die von Vogt und Schütz) ergänzt wurden. Dabei haben sich die Herausgeber, wie dem Titel zu entnehmen ist, darum bemüht, sämtliche Epochen des 19. und 20. Jahrhunderts abzudecken. Trotzdem hinterlässt die Gestaltung des Bandes den Eindruck einer gewissen Disparität.

Denn nicht alle Beiträge geben einen Gesamtüberblick über den jeweils behandelten Zeitraum; zwei Aufsätze konzentrieren sich nur auf Einzelaspekte. Und dass die Rückkehr jüdischen Lebens nach 1945, in der Bundesrepublik Deutschland wie in der DDR, unberücksichtigt bleibt, ist mit einer Perspektive, die nicht ausschließlich von Diskriminierung und Verfolgung bestimmt sein will, schwerlich zu vereinbaren.

Aber nicht nur deshalb ist der Haupttitel etwas irreführend, sondern auch, weil ihm nicht zu entnehmen ist, dass das Militär in nahezu allen Beiträgen eine zentrale Rolle spielt. Auch in formaler Hinsicht fallen deutliche Unterschiede bei der individuellen Gestaltung ins Auge: so umfasst der kürzeste Artikel sechs, der längste hingegen 47 Seiten; und ausgerechnet dieser verzichtet auf Quellenbelege und Nachweise aus der Forschungsliteratur. Auch die ans Ende des Bandes gesetzte Auswahlbibliographie vermag den Band nicht abzurunden: zahlreiche der in den Beiträgen eingearbeiteten aktuellen Titel sind darin nicht enthalten, einige neuere Standardwerke und Überblicksdarstellungen fehlen. Kurzum: insgesamt handelt es sich um solide, den aktuellen Forschungsstand weitgehend angemessen berück- sichtigende und reflektierende Beiträge. Aufgrund konsequenterer Vorgaben aber wäre aus dem Band sicherlich eine noch >rundere Sache< geworden.

Armin Owzar

(13)

Der Invalidenfriedhof. Rettung eines Nationaldenkmals. Hrsg. vom Förder- verein Invalidenfriedhof e.V. in Zusammenarb. mit dem Fachreferat Gartendenkmalpflege des Landesdenkmalamtes Berlin, Hamburg: L&H Verlag 2003,116 S., EUR 24,80 [ISBN 3-928119-83-4]

»Wanderer, laß diese Asche ruhen, dann wird auch die deine Ruhe finden.« Dieser Grabspruch des Generalmajors Friedrich Wilhelm Alexander y. Tschammer und Osten (1737-1809), 1809 Kommandant des Invalidenhauses zu Berlin, beigesetzt auf Feld Α des Invalidenfriedhofes, hat die Machthaber des SED-Staates nicht davon abgehalten, ein preußisch-deutsches Nationaldenkmal, wie es der Herausgeber des hier anzuzeigenden Bandes mit Recht charakterisiert, in einer wahrhaft kul- turbarbarischen Aktion nach dem Bau der Berliner Mauer der Vernichtung an- heimzugeben. Zur Schaffung freien Schussfeldes über den Spandauer Schifffahrts- kanal hinweg und zur Errichtung einer zweiten, der sogenannten Hinterlandsiche- rungsmauer wurden ganze Grabfelder abgeräumt und plattgewalzt. Letztlich bewahrte hauptsächlich die großartige Grabanlage für den General v. Scharnhorst und seine Familie, gestaltet von keinen Geringeren als Schinkel, Tieck und Rauch, den Friedhof vor seiner endgültigen Zerstörung. Denn Scharnhorst galt nun einmal der >Arbeiter- und Bauernarmee<, nicht nur der westdeutschen Bundeswehr, als Säulenheiliger, dessen Name die höchste militärische Auszeichnung der DDR trug.

Als nach dem politischen Umbruch des Jahres 1989 eine erste Bestandsaufnahme dieses Friedhofes gemacht werden konnte, fiel diese verheerend aus. Mehrere

»Mauergenerationen« hatten aus dem westlichen Teil des Gräberfeldes Tabula rasa gemacht; die im ostwärtigen Quartiere gelegenen Grabstellen waren weitgehend verfallen, da der Friedhof vordem nur noch an wenigen Stunden zu bestimmten Zeiten nach vorheriger Genehmigung geöffnet war. Von den bei Kriegsende noch vorhandenen ca. 3000 Gräbern hatten gerade noch 230 die Verwüstung durch die Grenztruppen in mehr oder weniger gefährdetem Zustande überdauert. Wer heute diesen Friedhof erstmalig begeht, vermag sich von dem trostlosen Verfall des Jahres 1989 kaum noch eine Vorstellung zu machen. Lediglich Fragmente der einstigen Hinterlandmauer, einer der ganz wenigen Überreste des zivilisatorischen Teilungs- schandmales in der Stadt, halten die Erinnerung an ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte lebendig. Ein wesentliches Verdienst für die Rettung dieses wichtigen Kulturgeschichtsdenkmales unter den deutschen Nekropolen gebührt hierbei dem 1992 gegründeten »Förderverein Invalidenfriedhof e. V.«, der sich zum Ziele gesetzt hat, »den Invalidenfriedhof wieder zu einer würdigen Stätte der Erinnerung und Besinnung zu machen«. Diesem Ziele dient auch die vorliegende Publikation an- lässlich des zehnjährigen Bestehens des Fördervereines.

In enger Zusammenarbeit mit der Berliner Gartendenkmalpflege wurde schon 1991 zwischen den beiden Extrempositionen - Belassung im vorgefundenen Zustan- de als geschichtliches Zeugnis und Mahnung oder Versuch einer völligen Rekons- titution - ein Mittelweg beschritten, den der Stellvertretende Landeskonservator und Fachbereichsleiter Bau- und Gartendenkmalpflege, Klaus von Krosigk, Mitverfas- ser dieses Bandes, in einem 10-Punkte-Programm zusammenfasste, das sich für die Zukunft als tragbar erweisen sollte: Restaurierung der noch vorhandenen Gräber resp. Grabsteine und Einheitlichkeit in der Gestaltung der Grabsteine bei Grabres- titutionen, Erhaltung bzw. Regenerierung der Gehölzvegetation, um die Trostlo- sigkeit und Leere des Friedhofes zu mildern, Erhaltung der Spuren der Zerstörung zum mahnenden Gedenken und Vermeidung ideologischen Missbrauches. Letztere

(14)

Befürchtung hat sich bis jetzt als unbegründet erwiesen, kann doch das »Problem«

Mölders mittlerweile für die Bundeswehr als erledigt angesehen werden, und die angeblich nicht mehr auffindbare Grablage Heydrichs kommt dem entgegen, wenn man nicht schon jegliches Auftreten von Soldaten auf diesem einstigen Militär- friedhofe als Schritt in diese Richtung deutet.

Die diesbezüglichen Intentionen früherer Publikationen zum Invalidenfriedhofe (vgl. MGM 57/1998, S. 217-219; MGZ 59/2000, S. 215-218), den eher zivilen Cha- rakter dieser Grablege aufgrund der Belegungszahlen der zumeist in Reihengräbern bestattenden Zivilgemeinde überzubetonen, mussten schon alleine angesichts der Tatsache des verschwindend geringen Anteiles bürgerlicher Grabmäler scheitern, ist doch dieser Friedhof schon seit der Reichseinigung mehr und mehr als nationaler militärischer Ehrenhain gesehen und dementsprechend auch belegt worden. Auch in der Republik, als der Friedhof nun dem Reichsarbeitsministerium zugeordnet war, blieb dieser in erster Linie den Insassen des Invalidenhauses und deren Ange- hörigen sowie Militär- und ehemaligen Militärpersonen und deren Ehefrauen, soweit es die Raumverhältnisse zuließen, vorbehalten. Ausnahmsweise konnten, mit besonderer Genehmigung, auch andere Personen auf dem Friedhofe beerdigt werden.

Dabei soll keinesfalls verschwiegen werden, dass das Bewusstsein um die His- torizität des Ortes sich erst sukzessive entwickeln musste. Zwar hatte das Preußische Kriegsministerium schon 1883 eine Liste erhaltenswerter Denkmäler auf dem Invali- denfriedhofe erstellen lassen, doch wurden noch in der ersten Hälfte des 20. Jahr- hunderts nach Ablauf der Verwesungsfrist von 30 Jahren bei Nichterneuerung des Pachtvertrages »die Denkmäler, Steine, Gitter usw. zugunsten der Invalidenhaus- kirche veräußert«. (»Berliner Lokalanzeiger« vom 4.5.1913). Und auch die >Kontami- nierung< mit hochgestellten Parteiangehörigen in der Zeit des Nationalsozialismus (Heydrich, Todt) bedeutete für den Friedhof keine Bestandsgarantie, sollten doch nach dem Siege gemäß den Speerschen Planungen für eine Welthauptstadt Ger- mania anhand der Vorarbeiten des Gräberkommissars Ernst v. Harnack heraus- ragende militärische Persönlichkeiten unter den Toten in einer von dem Architekten Wilhelm Kreis konzipierten sogenannten Halle der Soldaten entlang der Nord- Süd-Achse aufgestellt, die Parteigrößen mit überdimensionierten Gedenkstätten und Plastiken Arno Brekers geehrt, weitere erhaltenswerte Grabmäler in den Ehrenhof des Invalidenhauses überführt, der Invalidenfriedhof selbst aber abge- räumt werden, um Platz zu schaffen für ein neu zu bauendes Oberkommando der Kriegsmarine.

Die Entwicklung des 1748 von Friedrich dem Großen errichteten Invaliden- hauses und -friedhofes skizziert der erste Teil des hier anzuzeigenden Berichtes;

leider besteht er in weiten Bereichen nur aus einer Wiederholung des schon in frü- heren Veröffentlichungen zum Thema Gesagten. Ein Blick in die Akten statt in die immer wieder abgeschriebene Literatur hätte so Fehler z.B. in der Schreibung der Generalsnamen (S. 15 f.) verhindern helfen. Dass die Erhaltung bedeutender sol- datischer Grabmale für den preußischen Staat keine »Ehrensache«, sondern eine

»Ehrenpflicht« war, mag freilich einem Berliner Neu-Preußen nur schwer vermit- telbar sein.

Der zweite, umfangreichere Teil gilt dem Erhaltungszustand der Grabdenkmäler.

Hier stellen Mitarbeiter der Gartendenkmalpflege die noch erhaltenen bzw. erhal-

tenswerten Grabstätten im Einzelnen nach kunst- und kulturgeschichtlichen Ge-

sichtspunkten vor. Ein teilweise ausführlicher Restaurierungsbericht schließt sich

(15)

jeweils an, so dass der Leser einen detaillierten Eindruck von den bisher durch- geführten Maßnahmen gewinnt, dies umso mehr, als der Band reich bebildert ist und so auch visuell den Betrachter am Rundgange über die einzelnen Grabfelder teilnehmen lässt. Als Resümee kann festgestellt werden, dass nach 15-jähriger Arbeit am NationaldenJkmal Invalidenfriedhof nicht nur dessen Sicherung, sondern auch ein bedeutsamer Schritt zur behutsamen Restaurierung und Rekonstruktion historisch bedeutsamer Sepulkralkunst zu konstatieren ist, finanziert durch staat- liche Aufwendungen wie private Spenden. Zudem konnten nach Grabungen sechs der ältesten und kunsthistorisch bedeutendsten spätbarocken epitaphartigen Sarko- phaggräber wieder restauriert, auch die den Friedhof im Westen abschließende geklinkerte Friedhofsmauer, einziges Relikt im Bereiche des früheren Todesstreifens, saniert werden. In einem dem Friedhofe angeschlossenen Lapidarium werden die durch Kopien ersetzten Teile gesichert und geschützt.

Die wichtigsten Rettungsmaßnahmen betrafen jedoch die von Schinkel im den

»Nobilitäten der Armee« vorbehaltenen Grabfeld C gestalteten Grabzeichen für die Generale Gerhard v. Scharnhorst (1756-1813) - der Tiecksche Marmorfries wurde durch eine wetterbeständige Kopie ersetzt -, Job v. Witzleben (1783-1837), Bogislav Friedrich Graf v. Tauentzien (1760-1824) sowie für die Brüder Georg (1763-1838) und Otto (1765-1824) v. Pirch; das Grabmal für Karl Leopold v. Köckritz (1744-1821) ist leider nicht mehr vorhanden. Dem schöpferischen Wirken Schinkels auch auf dem Gebiete der Sepulkralkunst ist daher der dritte Teil dieser verdienst- vollen Dokumentation gewidmet.

Karlheinz Deisenroth

Chris Peers, Warrior Peoples of East Africa 1840-1900. Illustrated by Raffaele Ruggeri, Oxford: Osprey 2005, 48 S. (= Men-at-Arms, 411), £ 8,99 [ISBN 1- 84176-778-6]

Schon vor der Kolonialisierung Ostafrikas durch Deutschland und Großbritannien waren Kriege in dieser Region eher die Regel als die Ausnahme. Die beginnende Staatenbildung und die zunehmende Einbindung Ostafrikas in das Weltwirtschafts- system Mitte des 19. Jahrhunderts hatten permanente Kämpfe zwischen den über hundert hier lebenden Völkern um die wirtschaftliche und politische Vorherrschaft zur Folge. Das Eintreffen der beiden Kolonialmächte führte dann Ende der 1880er Jahre zu einer Neuordnung der bestehenden Machtverhältnisse. Während einige afrikanische Ethnien sich mit den neuen Machthabem arrangierten, leisteten andere erbitterten, aber vergeblichen Widerstand, der um 1900 sowohl in Deutsch- als auch in Britisch-Ostafrika weitgehend gebrochen war. In den zahlreichen Unterwerfungs- feldzügen, die zur Eroberung der Kolonien nötig waren, wurden Afrikaner von den Kolonialmächten nicht als gleichwertige Gegner anerkannt. Afrikanische Armeen waren in den Augen der meisten Europäer nichts weiter als unorganisierte Haufen

»undisziplinierter Wilder«, gegen die man keinen Krieg nach der Genfer Konvention führen musste. Dabei verfügten manche ostafrikanische Völker wie die Hehe oder die Ngoni bereits über ein stehendes Heer. Wie sehr viele Kolonialoffiziere ihre afrikanischen Gegner unterschätzten, zeigt das Beispiel des Kommandeurs der

»Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika«, Emil von Zelewski. Er schlug Warnungen vor der Kampkraft der Hehe mit den Worten in den Wind: »I wo, die

(16)

Kerls haben ja noch nicht einmal Gewehre.« Dass Speere unter gewissen Umständen eine viel gefährlichere Waffe sein können, musste Zelewski am eigenen Leib erfahren.

Am 17. August 1891 vernichtete das Heer der Hehe ein deutsches Expeditionskorps fast vollständig. Einer der ersten, der gespeert wurde, war der Kommandeur.

Die Vernichtung der Zelewski-Expedition beschreibt auch der britische Mili- tärhistoriker Chris Peers in seinem Buch über das Heerwesen einiger als besonders

»kriegerisch« geltender Völker in vorkolonialer und kolonialer Zeit. Vorgestellt werden die Armeen der Hehe, Masai, Ngoni, Nandi und Turkana sowie des »war- lords« Mirambo, die aufgrund ihrer überlegenen Kriegskunst die Region zeitweise beherrschten. Das eher für die breite Öffentlichkeit als für den Wissenschaftler geschriebene Buch ist in sechs Abschnitte unterteilt. Jedes Kapitel beginnt mit einem kurzen Abriss der Geschichte des jeweiligen Volkes. Dann folgt eine ausführliche Beschreibung der Heeresorganisation sowie der in Kriegen bevorzugten Taktik.

Auch die Ausrüstung und Bewaffnung werden eingehend behandelt. Wenig erfährt man hingegen über den Alltag eines afrikanischen Kriegers.

Für den deutschen Leser sind vor allem die Kapitel über die Masai, Hehe und Ngoni von Interesse. Peers geht darin sowohl auf die Kämpfe zwischen den Masai und Carl Peters während der Enim-Pascha-Expedition 1889 als auch auf den Wider- standskampf der drei Ethnien gegen die deutsche Kolonialherrschaft ein. Aufge- lockert wird das Buch durch zahlreiche Fotos, Stiche und Landkarten. Besonders eindrucksvoll sind die wunderschön gezeichneten und farbenfroh illustrierten Darstellungen des italienischen Designers Raffaele Ruggeri von afrikanischen Soldaten und ihrer Ausrüstung, die alle auf zeitgenössischen Fotos basieren. Eine kurze Auswahlbibliographie, die allerdings nur englischsprachige Literatur berück- sichtigt, beschließt das lesenswerte Bändchen.

Thomas Morlang

Völkermord und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hrsg.

im Auftr. des Fritz Bauer Instituts von Irmtrud Wojak und Susanne Meinl, Frankfurt a.M., New York: Campus 2004, 339 S., EUR 29,90 [ISBN 3-593- 37282-7]

Die weltgeschichtliche Singularität des Holocaust zeigt sich gerade im historischen Vergleich. Es finden sich allerdings auffallende strukturelle Ubereinstimmungen mit anderen zweckrationalen und auf hohem technischen Niveau durchgeführten Massenverbrechen des 20. Jahrhunderts. Micha Brumlik, der Direktor des Frank- furter Fritz Bauer Instituts, das nun den achten Band des »Jahrbuchs zur Geschichte und Wirkung des Holocaust« vorlegt, umschreibt diese Ubereinstimmungen mit den Begriffen Vernichtung (industrialisierter Massenmord), (Konzentrations-)Lager (Errichtung rechtsfreier Räume) und Vertreibung (Entwurzelung ganzer Bevölkerungen). Fern von jeglicher Relativierung des Holocaust, thematisiert das von Irmtrud Wojak und Susanne Meinl zusammengestellte Jahrbuch Völkermorde und Kriegsverbrechen, die in die Lebenszeit des polnischen Juristen Raphael Lemkin, dem Wortschöpfer des Begriffs »Genozid«, fielen.

Die Genealogie von Genoziden im »Jahrhundert der Extreme«, mit dem Brumlik seinen einleitenden Aufsatz nach Eric Hobsbawm betitelt, begann in diesem Sinne

(17)

mit der deutschen Niederschlagung des Herero-Aufstandes 1904 und mit dem türkischen Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkrieges. Waren koloniale Massenverbrechen europäischer Staaten in letzter Zeit bereits häufiger Thema historischer Auseinandersetzung - wie im von Mihran Dibag, Horst Gründer und Uwe-K. Ketelsen herausgegebenen Sammelband »Kolonialismus, Kolonial- diskurs und Genozid« oder während der 2003 von Thoralf Klein und Frank Schu- macher in Erfurt organisierten Tagung über »Kolonialkriege« (der Tagungsband erscheint im Sommer 2006) -, so schlägt sich dies auch im Jahrbuch des Fritz Bauer Instituts mit fünf Beiträgen nieder. Hierbei fehlt vielleicht ein Aufsatz, der sich mit den kolonialen Verbrechen Belgiens im Kongo der Jahrhundertwende beschäftigt hätte.

Reinhart Kößler und Henning Melber erweisen sich in ihrem Aufsatz über den Völkermord an den Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika 1904-1908 als Vertreter der vor allem vom Essener Historiker Jürgen Zimmerer vehement ver- tretenen These von der Kontinuität des deutschen staatlichen Handelns von der genozidalen Unterdrückungsstrategie gegen die Herero bis hin zur industrialisierten Massenvernichtung des Holocaust (S. 45-60). Sie belegen dies mit überzeugenden Argumenten, den Krieg gegen die Herero jedoch als »koloniales Vorspiel« (S. 55) zu bezeichnen, ist eine mehr als unglückliche Wortwahl.

Während Kößler/Melber auch auf die »Gegenwärtigkeit des (nicht) Vergange- nen« (S. 60-64) in Deutschland eingehen, untersucht Medardus Brehl - wie bereits mehrfach an anderer Stelle - die zeitgenössische Legitimation des Völkermordes in Deutsch-Südwestafrika in einer breit rezipierten Kolonialliteratur. Diese verweist in ihren vulgärdarwinistischen Mustern der Rechtfertigung für Vernichtung - Voll- zug im »Naturplan der Geschichte«, Auseinandersetzung mit einem existenzbedro- henden Feind, generationenübergreifende Zukunftssicherung, konsequente und entschlossene Durchführung - auf spätere Genozide.

Exemplarisch für das Verleugnen der Realität bis in die Gegenwart ist das offi- zielle Verhalten der Türkei in Bezug auf den Völkermord an den Armeniern wäh- rend des Ersten Weltkrieges, das sogar dazu führte, dass das Bundesland Branden- burg das Thema auf türkischen Druck hin zunächst vom Schullehrplan nahm, um es dann aufgrund der scharfen öffentlichen Kritik hierzulande doch wieder auf- zunehmen. Neuere Literatur wie etwa von Wolfgang Gust (»Der Völkermord an den Armeniern 1915/16«) oder von Rolf Hosfeld (»Operation Nemesis«) wie auch die Jahrbuchbeiträge von Dominik }. Schaller über die Darstellung des Genozids in der Historiographie und von Annette Schaefgen über dessen Rezeption in Deutschland, den USA, Israel und der Türkei lassen die Haltung der türkischen Regierung gerade auch im Hinblick auf den geplanten EU-Beitritt in einem schlechten Licht erscheinen.

Ahnlich vergessen und verdrängt ist auch der spanische Gaskrieg gegen die nordmarokkanischen Rifkabylen 1922-1927, den Rudibert Kunz behandelt. 1990 bereits hatte er zusammen mit dem Militärhistoriker Rolf-Dieter Müller in dem Buch »Giftgas gegen Abd el Krim« darauf hingewiesen, dass die von der Protek- toratsmacht Spanien eingesetzten Giftgase zum großen Teil aus Deutschland stamm- ten. Wesentlich ergänzt und optimiert wurden die Erkenntnisse 2002 durch das Werk »Deadly Embrace« von Sebastian Balfour, der auch spanische Quellen benutzen und den »genozidalen Rassismus« des spanischen Königs Alfonso XIII.

belegen konnte. Aus realpolitischen Gründen leugnen auch die spanische wie sogar die marokkanische Regierung die Tatsachen, obwohl neuere Studien belegen, dass die Folgen - eine erhöhte Krebsrate im Rifgebirge - bis heute reichen.

(18)

Trotz der internationalen Ächtung des Einsatzes von Giftgas seit dem 17. Juni 1925 wurde es auch vom faschistischen Italien in Libyen und Äthiopien verwendet.

Angelo Del Boca und Aram Mattioli widerlegen den »Mythos von den anständigen Italienern«, indem sie auf die »vergessenen Kolonialverbrechen« mit den Charak- teristika Giftgaseinsatz, Vernichtungslager und Massaker und auf die bis heute an- dauernden Verdrängungsprozesse in Italien verweisen. Mattioli hebt hervor, dass die vergleichende Genozidforschung stärker die Geschichte der Kolonialverbrechen einbeziehen müsse, da einiges dafür spreche, dass auch die Gewalt an der kolonialen Peripherie einen kumulativen Prozess der Entgrenzung in Gang setzte, der zu den Völkermorden des NS-Regimes führte (S. 204).

Weitere Beiträge des Jahrbuchs befassen sich mit »Exterminismus und Terror als Kern, des stalinistischen Projekts« (Gerd Koenen), mit dem Massaker der Japaner im chinesischen Nanking im Dezember 1937 (Erwin Wickert) und mit der Mitwirkung von Polen an Judenmorden in Jedwabne während des Zweiten Weltkrieges (Karol Sauerland). Gottfried Kößler berichtet über das pädagogische Konzept »Konfronta- tionen - Bausteine für die Annäherung an Geschichte und Wirkung des Holocaust«

des Fritz Bauer Instituts, und Albert Wucher schaltet sich in die verblassende Debatte um die »Machtergreifung« Hitlers 1933 ein, indem er Norbert Frei (»Hitler war gewollt«) entgegnet, dass die Deutschen vielmehr Weimar, das »System« und die gescheiterte Republik nicht mehr wollten.

Gerade durch die Fokussierung auf spezielle historische Fälle im ersten Teil des Jahrbuchs 2004 des Fritz Bauer Instituts gelingt es auf beeindruckende Weise, die Folgen von Genoziden und Kriegsverbrechen des frühen 20. Jahrhunderts zu be- leuchten und zugleich gegen das Vergessen, Bagatellisieren und Verleugnen anzu- gehen. Die Autoren fragen aber auch nach den Gründen für die Völkermorde und weisen nach, dass die Wurzeln für den Holocaust schon frühzeitig und in strukturell ähnlicher Weise gelegt wurden.

Dirk Sasse

Quellen zu den deutsch-italienischen Beziehungen 1861-1963. Hrsg. von Wolfgang Altgeld. Darmstadt: Wiss. Buchges. 2004, XXX, 290 S. (= Quellen zu den Be- ziehungen Deutschlands zu seinen Nachbarn im 19. und 20. Jahrhundert.

Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, 11), EUR 76,00 [ISBN 3-534-14156-3]

Germanophobe Äußerungen mancher italienischer Politiker sind ein Indiz für die anhaltenden unterschwelligen Vorbehalte der Italiener gegen die Deutschen. Da unterscheidet sich mancher italienische Politiker unserer Tage kaum von Benito Mussolini im Jahre 1926 (S. 111). Dieser analysierte im Übrigen 1922 überraschend hellsichtig die gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland und plädierte nicht zuletzt wegen der europäischen Bedeutung der deutschen Wirtschaft gegen Frank- reich für den moderaten britischen Kurs gegenüber der Weimarer Republik (S. 98-101).

In der Wahrnehmung der Italiener mischten sich denn auch Bewunderung für die industriellen Fähigkeiten der Deutschen mit dem Unbehagen über deren kollektives Wesen und fremde Lebensart. Namentlich die Eliten waren von der Sorge be- herrscht, von einem mächtigen Deutschland als Nation deklassiert zu werden. In der Tat waren für die deutsche Außenpolitik der im vorliegenden Band behandelten 100 Jahre drei Staaten ausschlaggebend: Russland, Frankreich und Großbritannien

(19)

sowie, an dessen Stelle, ab 1945 die Vereinigten Staaten. Anders lautete das Dreieck für die italienische Außenpolitik: Frankreich, Großbritannien bzw. die Vereinigten Staaten und eben Deutschland.

Während Deutschland für Italien stets einen Wirtschaftspartner erster Ordnung darstellte, bewunderten die Deutschen Italien als große Kulturnation und lieben es bis heute als Ferienkolonie. Das Verhältnis Mussolinis zu Adolf Hitler wie das Ver- hältnis von Alcide de Gasperi zu Konrad Adenauer haben bei allen Unterschieden eines gemeinsam: das Bestreben, die machtpolitische Rolle des wirtschaftlich und namentlich militärisch vergleichsweise schwachen Italien mit deutscher Hilfe zu stärken und gleichzeitig die Abhängigkeit von dem unheimlichen Nachbarn im Norden zu vermeiden. Mussolini ist das bekanntlich nicht gelungen. De Gasperi und seine Nachfolger haben dagegen Italien fest als dritten großen Mitspieler in der europäischen Liga etabliert. Stets gelang es Italien, ein allzu enges Tete-ä-tete von Franzosen und Deutschen zu vermeiden. Im Übrigen sind die Bemerkungen des faschistischen Außenministers Galeazzo Graf Ciano über Frankreich im Juli 1940 (S. 182) charakteristisch auch für eine vergleichbare Rivalität im Verhältnis zu Frankreich. Aber das sind nur wenige Pinselstriche in einem bunten und vielfältigen Bild, das die gleichwohl erfreulich kompakte Quellensammlung offenbart. Ganz dem vorherrschenden Interesse der deutschen Historiker der Zeitgeschichte folgend, liegt der Schwerpunkt in der Ära des Faschismus. Hier verdichten sich dann auch die insgesamt eher spärlichen editorischen Anmerkungen. Da ausschließlich ge- druckte Quellen bzw. Auszüge aus Memoiren geboten werden, liest sich der Band streckenweise wie eine Anthologie. Uberraschende Funde bislang unbekannter Archivalien, die das Herz höher schlagen lassen, wird wohl nur der Historiker vermissen.

Dieter Krüger

Gerhard Wiechmann, Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika 1866-1914. Eine Studie deutscher Kanonenbootpolitik, Bremen: Hauschild 2002, 213 S., EUR 22,50 [ISBN 3-89757-142-0]

Arbeiten über den Aufenthalt deutscher Marineeinheiten in Übersee bzw. die poli- tische Dimension und Folgen dieses Auslandsengagements bleiben eine Randnotiz der historischen Forschung zum Kaiserreich. Dagegen stehen der Schlachtflottenbau der Ära Tirpitz sowie die daraus resultierenden, vermeintlichen Implikationen im Hinblick auf den Ausbruch des Ersten Weltkrieges weiterhin im Blickpunkt des Interesses.

Die Arbeiten zur Thematik Marine und Auslandseinsätze sind rasch aufgezählt:

Der bereits vor über zwanzig Jahren (1981) erschienene Band von Willi A. Boelcke, So kam das Meer zu uns, ist eine kommentierte, sehr lesenswerte Quellensammlung über die deutsche Überseepolitik mit Marineeinheiten. Der Beitrag von Emily Oncken, Panthersprung nach Agadir, erschien ebenfalls 1981 und widmete sich eines herausragenden politischen Ereignisses deutscher Interessen in Afrika. Lawrence Sondhaus nahm sich in Preparing for Weltpolitik (1997), einem Werk über die Kaiser- liche Flotte vor der Ära Tirpitz, unter anderem der kolonialen Begleiterscheinungen in den 1880er und 1890er Jahren in Übersee an. Walter Nuhn legte 2002 eine Arbeit zu Kolonialpolitik und Marine vor, die sich mit der Rolle der Kaiserlichen Marine bei

(20)

Buchbesprechungen der Gründung und Sicherung der deutschen Kolonien befasste. Und jüngst gelang dem Amerikaner Terrell D. Gottschall eine beachtens- und lesenswerte biographi- sche Darstellung zu Admiral Otto von Diederichs (By Order of the Kaiser, 2003), in dessen Dienstzeit in Ostasien die Inbesitznahme von Kiautschou (Tsingtau) für Deutschland und die Auseinandersetzung mit den USA um die Philippinen fiel.

Insofern stellt das Buch des Oldenburger Historikers Gerhard Wiechmann - eine gekürzte Fassung seiner Dissertation - eine willkommene Bereicherung der Forschung dar. Den Schwerpunkt der Arbeit bildet eine Analyse ausgewählter Fäl- le zur Tätigkeit deutscher Marineeinheiten in Lateinamerika: etwa 1866 in Brasilien, 1870 in Venezuela, 1872,1897 und 1908 bis 1914 in Haiti, 1891 in Chile oder 1913/14 in Mexiko. Die Darstellung endet mit der Entsendung der sogenannten Detachierten Division 1913/14 nach Brasilien, Argentinien und Chile - eine schwimmende Industriemesse, welche die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verdeut- lichen und zugleich den Besatzungen der Hochseeflotte Gelegenheit bieten sollte, das »nasse Dreieck« der Nordsee einmal zu verlassen und die Welt kennenzulernen.

Die Frage, ob sich der ganze Aufwand maritimer Politik gelohnt habe, beantwortet der Verfasser mit einem etwas ernüchternden Urteil: Es waren weniger die Kriegs- schiffe der Marine als vielmehr die Handelsschiffe und vor allem Passagierdampfer deutscher Linienreedereien, die als Werbeträger für das ökonomisch und kulturell aufstrebende Kaiserreich fungierten. Man darf hinzufügen, dass dieses Fazit wohl international allgemeingültigen Charakter besitzen dürfte.

Die einzelnen Kapitel bieten interessante Einblicke nicht nur in das politische und kulturelle Getriebe lateinamerikanischer Staaten im Zeichen der europäischen

»Belle Epoque« oder des amerikanischen »Gilded Age«, sondern auch in die Denk- weise deutscher Diplomaten, Kaufleute und vor allem Seeoffiziere. Die zum Teil sehr ausführlichen Berichte der Kommandanten deutscher Kriegsschiffe zeigen in der Regel das Bestreben, aufgrund eigener Beobachtungen zu ausgewogenen und nüch- ternen Lagebeurteilungen zu gelangen. Es waren deshalb weniger die Kaiserlichen Seeoffiziere, die in diplomatischen Krisensituationen ein aktives Eingreifen der Marine forderten oder überfordert schienen, als vielmehr die deutschen Residenten vor Ort und ihre diplomatischen Vertreter. Wo die Diplomatie keine Fehler machte, musste die Marine diese nicht ausbügeln - so lautet das Fazit für die kleine wie die große politische Bühne.

Aufgrund ihres umfangreichen Quellen- und Literaturverzeichnisses bietet die Arbeit von Wiechmann eine solide Grundlage für weitere Forschungen zur Tätigkeit der deutschen Marine in Übersee.

Axel Grießmer

Gerhard Koop, Klaus-Peter Schmolte, Kleine Kreuzer 1903-1918 (BREMEN- bis CÖLN-Klasse), Bonn: Bernard & Graefe 2004,270 S. (= Schiffsklassen und Schiffstypen der deutschen Marine, 12), EUR 34,00 [ISBN 3-7637-6252-3]

In Deutschland setzte der systematische Bau von Kleinen Kreuzern im eigentlichen Sinne in größerer Zahl 1903 mit der Bremen-Klasse ein. Im Zuge des von Urpitz nach 1898 initiierten Flottenbauprogramms wurden von diesen Schiffstypen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges insgesamt 45 gebaut bzw. auf Stapel gelegt, wovon 37 in Dienst gestellt worden sind.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Nach intensiven Arbeiten unter Feder- führung des Sächsischen Staatsmi- nisteriums des Innern sind dessen Erlasse zur Heranziehung von Ärzten zur polizeilichen Aufgabenerfüllung

Im nächsten Kompartiment, dem Darm, konnte ge- zeigt werden, dass die Struktur und Permeabilität der Darmwand auch im hohen Alter erhalten bleibt; hin- gegen wird der aktive

ten Terpentetrahromiden führten nun zu dem Resultat, dass keiner der drei Körper sich in einen andern durch Temperaturiinderung übert'iihren ließ7 dass also, der Annahme von

Ganz besonders befestigt wurde diese Schlussfolgerung dadurch, dass sich fernerhin herausstellte, dass zwei dieser Körper, nämlich I und III je zwei physikalisch isomere

Teil: Die Schrift und deren Zitate im Johannesevangelium - eine Einführung Baut 3 bescheinigt im Zusammenhang mit der Erörterung des johanneischen Lehrbegriffs der

III. Die Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgrund der Insolvenzordnung. Die Zahlungsunfähigkeit als Tatbestandsmerkmal außerhalb der Eröffnungsgründe. Kapitel Die

Die Konzentration der berufsbegleitenden Studien der Berner Fachhochschule an denjenigen Standorten, wo auch die Vollzeitstudien angeboten werden, erfolgt einerseits

Mit dem Einzug Trumps im Weißen Haus wird ein aggressiver Merkantilismus in Washington salonfähig, der sich nicht nur gegen deutsche Autoproduzenten richtet, wie Trump in