DIE ZUKUNFT DES ARABISCHEN NOMEN INSTRUMENTI
Von Arne A. Ambros, Wien
Zu den Trivial-Wahrheiten, die aus dem Studium der Sprachgeschichten
erhellen, zählt, daß eine Sprache, soll sie leben, sich auf allen Ebenen, der
morphologischen wie der lexikalischen und phonologischen, Änderungs¬
prozessen als Ausdruck sich wandelnder Bedürfnisse ihrer Träger unter¬
ziehen muß. In diesem Sinne kann man in dem Prozeß des Zmückweichens
der Nomina instrumenti und ihres Ersatzes dmch neue Bildungen, der hier
untersucht werden soll, ein kräftiges Anzeichen der Lebenskraft der moder¬
nen arabischen Hochsprache erbhcken, und damit erleben wir ein Stückchen
arabischer Sprachgeschichte mit.
Unter ,, Geräten" sollen hier ganz allgemein Dinge verstanden werden,
die der Mensch verfertigt, um sich ihrer bei den verschiedensten Verrich¬
tungen zu bedienen : also Werkzeuge im engeren Sinne, Waffen, Utensilien
des täglichen Lebens, aber auch Maschinen, Instrumente, Fahrzeuge und
so fort. Bezeichnungen von Geräten in diesem weiten Sinne spielen natür¬
lich im Leben der Sprachen eine überaus wichtige Rolle. Denken wir an das
Bestreben schon des Gemein-Semitischen, semantische Kategorien in mög¬
hchst umkehrbar-eindeutige Beziehung zu den Elementen des morphologi¬
schen Plans zu bringen, dann überrascht es nicht, auch die Kategorie ,, Ge¬
rät" in der Morphologie des Arabischen wiederzufinden.
Erinnern wir uns kurz an die Situation im klassischen Arabisch. Wir
finden zunächst einen Stock von primären Nomina (wie qaus ,, Bogen"),
die von der morphologischen Regularisierung noch nicht (besser gesagt:
nicht mehr) erfaßt wmden. Sodann wird ein inneres Morphem (die Vokal¬
folge i - ä) herangezogen, das sich die Kategorie ,, Gerät" freilich mit weite¬
ren Verwendungen teilen muß. Ins Zentrum der Regularisierungsbestre-
bungen gelangen wir mit der Einführung der m-haltigen Präfixe. Gemein¬
semitisch besteht die Beziehung, bei der das äußere Morphem ,,m + kmzer
Vokal" einem nominalen Ausdruck einer adverbial näher bestimmten Aktion
oder Situation (wo, wann, wie, womit, dmch wen . . . etwas geschieht oder
ist) entspricht. Das Arabische spezialisiert mi- für ,, Geräte" und bietet seine NominaLtormen mif'al, mif'alat, mif'äl, die klassischen Nomina instrumenti.
Völlige Regularisierung ist damit aber nicht erreicht, denn diese Formen
bilden (zusammen mit einer Form mif'il) auch Personenbezeichnungen
augmentativer Bedeutung bzw. Steigerungsadjektive (wie miktär, miktir
„viel schwätzend, Schwätzer"), die sich nicht - wie noch Brockelmann*
vor Nybergs Untersuchung über die Präfixbildung* annahm - insgesamt
als metaphorisch gebrauchte Gerät-Bezeichnungen verstehen lassen.
Vergleicht man damit die Situation, die sich bei der Durchmusterung
neuhocharabischer Texte bietet, dann fällt sofort eine große Zahl von Ge¬
rätbezeichnungen auf, die nach der Form fa"äl, häufiger noch mit der Fe¬
mininendung versehen nach der Form ja"älat gebildet sind. Diese treten
zum Teil - wie 'assära ,, Preßgerät" neben mi'sara - neben ein Nomen in¬
strumenti, zum Teil stehen sie auch - wie wallä'a ,, Feuerzeug" - allein.
Bezieht man auch die arabischen Dialekte ein, dann verschiebt sich das
Verhältnis von Nomina instrumenti zu /a"ä/!(ai)-Bildungen wesentlich
weiter zuungunsten der ersteren. Der ,, Erfolg" (wenn man so sagen darf)
der /a"ä/(a<)-Formen bei der Neu- und Umbenennung von Geräten, auf
einem Boden also, der von den Nomina instrumenti ein für allemal usurpiert
erschien, stellt uns vor mehrere Fragen.
Zunächst beantwortet sich die Frage, wieso /a"äZ(a<)-Bildungen über¬
haupt Geräte bezeichnen können, unmittelbar aus der Verwendung dieser
Form mit ihrem klassisch-arabischen Bedeutungsspektrum, das konti¬
nuierlich von Steigerungsadjektiven über substantivische Bezeichnungen ge¬
wohnheitsmäßiger Tätigkeiten zu Berufs- und Gewerbebezeichnungen
reicht. Die Frage nach der Einordnung dieser Form ja"äl in das System der
arabischen bzw. semitischen Nominalbildung, die z. B. von Fleisch' und
Loretz* verschieden beantwortet wurde, interessiert hier nicht. Es genügt
festzuhalten, daß ein Nomen agentis augmentativer Bedeutung vorliegt,
wobei ,, augmentativ" seltener punktuell-intensiv, häufiger durativ-usitativ gefaßt wird.
Wird dieses Nomen agentis zur Benennung von Geräten herangezogen,
dann ist dies als sprachliche Auswirkung einer Personifizierung des Gerätes
zu verstehen, welches also nicht als bloße Extension des agierenden Men¬
schen, sondern als selbständiges Agens, als Subjekt der Tätigkeit, zu der es
dient, aufgefaßt wird. Daß hier ein menschlicher Auffassung naheliegender
Schritt vollzogen wird, zeigt z. B. ein Vergleich mit der Geschichte des
deutschen Suffixes -er (bzw. seiner Entsprechungen in den anderen germa¬
nischen Sprachen), das - ursprünglich aus entlehnten lateinischen Nomina
axrt -ärius gewonnen - zunächst zur Bildung deverbaler Nomina agentis
(wie ,, Fahrer" zu ,, fahren") produktiv wird, bald aber auch dazu dient, Geräte nach der Tätigkeit, zu der sie dienen, zu benennen (wie ,, Bohrer"
zu ,, bohren").
1 GVG I, § 197
2 Le Monde Oriental, 14 (1920), p. 177-289.
ä Lo nom d'agent ja'al, MUSJ, 32 (1955), p. 167-172.
« Die Hebräische Nomuialform qaUäl, Bibl. 41 (1960), p. 411-416.
Die Zukunft des arabischen Nomen Instrumenti 691
Wie ist aber das Nebeneinander von fa"äl- und fa"älat-'Bildungen und das
Überwiegen der letzteren zu erklären, welche Rolle spielt hier die Feminin¬
endung -atl Die gemein-semitisch konstatierte Korrelation von ,, Gerät" und
Genus femininum scheint nicht stark genug, um fa"älat zu erklären. Auch
scheint es nicht erforderlich, in diesem Zusammenhang auf das Problem
von Herkunft und ursprünglicher Funktion des Suffixes -at im Bereich des
Hamito-Semitischen zurückzukommen. Viel naheliegender erscheint es da¬
gegen, die Anfügung von -at an fa"äl aus dem sonst im Neuhocharabischen
und in den modernen Dialekten zu beobachtenden, produktiven Gebrauch
dieses Suffixes zu erklären. Hier ist -at nun ganz überwiegend Zeichen der
weiblichen Person. Wir finden eine Normung des Gebrauchs von -at, die
eine Ausdehnung (wie bei der Schaffung der Opposition zauga : zaug) mit
einer Einschränkung (wie beim Außer-Gebrauch-Kommen der maskulinen
Augmentativ-Formen wie 'alläma ,, Gelehrter") vereint. Ziel ist, eine um¬
kehrbar-eindeutige Zuordnung der semantischen Opposition von maskuli¬
nem und femininem natürlichem Geschlecht zur morphologischen Opposi¬
tion von Formen mit Null-Morphem zu solchen mit Morphem -at herzustel¬
len. Dies ist nun, wie z. B. Monteil* ausführlich illustriert hat, eine we¬
sentlich moderne Erscheinung.
Dabei soll hier - und dies sei nachdrücklich betont - unter ,, modern"
in einem weiten Sinne alles verstanden werden, was in dem von der arabi¬
schen National-Grammatik ausgearbeiteten System keinen Platz findet, in
späterer Zeit häufiger (zuweilen aber auch schon in klassischer Zeit) auf¬
taucht und in den modernen Dialekten bzw. im Neuhocharabischen be¬
herrschenden Rang gewinnt. Nur in diesem weiten Sinne läßt sich ja auch
die Heranziehung der Form fa"äl(at) zur Gerätbezeichnung als ,, moderne"
Entwicklung ansprechen. Einzelne derartige Bildungen lassen sich aber
auch schon in der klassischen und nachklassischen Literatm belegen und
haben auch Eingang in die Wörterbücher von Lane, Dozy u. a. gefunden.
Wenn wir aber in fa"älat als einer (in ihrer Verwendung zur Gerätbezeich¬
nung) ,, modernen" Bildung die ,, moderne" Funktion von -at annehmen,
dann ergibt sich ja"älat als Ausdruok einer femininen Personifizierung des
Gerätes, die natürlich nicht klar empfunden, sprachlich aber doch mit den
zur Verfügung stehenden Mitteln unmißverständlich zum Ausdruck ge¬
bracht wird. Die psychologische Plausibihtät einer solchen Entwicklung
zeigt ein Vergleich mit dem Neuenglischen, das eine Einteilung der Sub¬
stantive in drei Klassen vornimmt, wobei die Einordnung aber erst beim
Ersatz durch ein Pronomen manifest wird: ,,he" für männliche Personen,
,,she" für weibliche Personen, ,,it" für alles übrige. In der ümgangssprache
können jedoch auch Fahrzeuge und Gegenstände des täglichen Gebrauchs,
* L'arabe moderne, Paris, 1960, p. 126-128.
insbesondere von ihren Besitzern oder Benützern, der she-KIasse eingeord¬
net (rekategorisiert) werden und erscheinen dann als feminin personifiziert*.
Es vergleicht sich auch die Vorliebe des Russischen, Gerätbezeichnungen
als feminine Deminutive zu prägen (und zwar, ohne daß ein Deminutum
vorhanden wäre), wie etwa zazigalka ,, Feuerzeug".
Der Fall des Englischen ist bemerkenswert durch die latente bzw. fakul¬
tative Personifizierung des Geräts gegenüber der morphematisch-aktuellen
im Arabischen (Morphem- at) oder auch im Russischen (Morphem -ka). Der
Möglichkeit, eine Gerätbezeichnung wahlweise durch ,,it" oder ,,she" zu
ersetzen, entspricht im Arabischen ein Schwanken im Gebrauch von Bil¬
dungen mit und ohne Suffix -at nebeneinander, wie bei hallät, halläta ,, Misch¬
gerät". Der Zwang zur morphologischen Entscheidung im Arabischen
führte jedoch zu einer ,, Auskristallisation" mit einem Übergewicht zugun¬
sten der femininen Bildungen.
Gemeinsam ist den arabischen ebenso wie den englischen und russischen
Erscheinungen ihre Beheimatung in der Umgangssprache bzw. in den
Dialekten. J'a"äZo/-Formen werden meist - wiewohl sie aus dem neuhoch-
arabischen schriftlichen Ausdruck nicht mehr fortzudenken sind - als der
,, Vulgärsprache" zugehörig empfunden, während dies bei den /a"äZ-Formen nicht oder viel schwächer der Fall ist. Dies ist bei einer als so stark affek-
tivisch-bestimmt erkannten Form nur zu erwarten.
Zm Psychologie der femininen Personifizierung darf folgender Grund¬
gedanke versucht werden: Die Bezeichnung wird in der Regel vom stän¬
digen Benützer des Gerätes ausgehen, den man sich im allgemeinen als
männhche Person vorstellen darf. Dessen persönhches Verhältnis zum Ge¬
genstand, aktualisiert in Gefühlen von Exasperation und Frustration ebenso
sehr wie von zärtlicher Zuneigung (denken wir nur an die deutsche Metapher
vom Gewehr als der ,, Braut des Soldaten" - und nicht etwa als dessen Bruder
oder bestem Freund!), findet in einer femininen Personifizierung seinen
Ausdruck.
Hier erhebt sich der naheliegende Einwand, die Interpretation als han¬
delnde Person sei überflüssig, es lägen einfach substantivierte Adjektive
vor, deren mausüf (etwa ^ahäz oder äla) unterdrückt sei. In einzelnen Fällen,
wie bei naiiäfa neben tvaraqa naSSäfa ,, Löschblatt" mag das zutreffen. Für
die große Mehrzahl der Bildungen kann solches aber nicht plausibel er¬
scheinen, denn fa"äl als Steigerungsadjektiv weicht in moderner Sprache
immer weiter zurück (ist bezeichnenderweise in den modernen Dialekten
nahezu verschwunden) und die Berufsbezeichnung ist zur Hauptfunktion
von fa"äl geworden. Tatsächlich stehen neben den meisten Gerätbezeich-
• KoziOL-HxjxTENBBENNBB, Orammatik der englischen Sprache, Heidelberg,
1956, § 208.6 (p. 55).
Die Zukunft des arabischen Nomen Instrumenti 693
nungen der Form fa"älat /a"äZ-Formen der Bedeutung einer berufsmäßigen Tätigkeit, wie hassäd ,, Schnitter" neben hassäda ,, Mähmaschine". (Hassäda
kann natürhch auch ,, Schnitterin" bedeuten. Man sieht, daß die Heran¬
ziehung von fa"äl(at) zur Gerätbezeichnung zu Doppeldeutigkeiten führen
kann, bei fa"älat freilich viel seltener als bei fa"äl, da bei den meisten Ge¬
werben ein männlicher Ausübender den Normalfall darstellt. Zudem handelt
es sich nur um eine Doppeldeutigkeit außerhalb eines Kontextes, die das
Funktionieren der Sprache nioht stört, ebensowenig wie z. B. die Doppel¬
deutigkeit von dt. ,, Schwimmer".)
Bisher haben wir nm versucht zu zeigen, wieso /o"äi(ai)-Bildungen über¬
haupt zm Gerätbezeichnungen herangezogen werden können. Sehen wir
uns nun die Situation im Neuhocharabischen etwas näher an. Hier verfügen
wir in Günther Krahls (noch nioht veröfFentliohter) Leipziger Dissertation
,,Die technischen und wissenschaftlichen Termini im modernen Arabisch"
über eine sehr umfassende Durchmusterung des hier interessierenden Wort¬
schatzes. Krahl erfaßt nicht nur den Wortschatz von Fach- und Zeitungs¬
texten, sondern schöpft auch aus den in den letzten Jahren herausgegebenen
Fachwörterbüchern und Veröffentlichungen der Akademien, die sprach¬
schöpfende und normative Ansprüche erheben, untersucht also auch den
Vorgang der Prägung von Neologismen.
Eine Durchsicht der von Krahl gegebenen Wortlisten zeigt, daß sich
der technische Wortschatz zur Benennung von Geräten seiner Bildung
nach in drei, größenordnungsmäßig etwa gleichstark besetzte Gruppen auf¬
teilen läßt, deren umfangreichste erste aktive Partizipien aller Verbstämme
(häufig als Attribut neben einem Substantiv) und Genitiv-Verbindungen
aus einem Substantiv wie ^ahäz oder äla und einem Infinitiv enthält. Diese
erste Gmppe ist besonders reich an Neologismen, die sich derart natürhch
leicht bilden lassen, dafür aber farb- und kraftlos bleiben und - natürlich
schon ihrer meist eng spezialisierten Bedeutung halber - auf Fachtexte
beschränkt bleiben müssen. Die zweite Gruppe enthält die Nomina instru¬
menti. Sie bietet hauptsächlich die schon aus der klassischen Sprache be¬
kannten Wörter, z. T. in modifizierter Bedeutung, daneben aber auch eine
Reihe von Neologismen wie misra' ,, Metronom" oder mityäf ,, Spektroskop",
die noch weit artifizieller anmuten als die Wörter der ersten Gruppe. Wirk¬
lich lebendige Spontan-Neubildungen zur Neu- oder Umbenennung von
Geräten finden wir in größerer Zahl nur in der dritten Gruppe, den fa' 'äl(at)- Bildungen.
Lassen wir die Neologismen zunächst beiseite, dann bietet das Neuhoch¬
arabische folgendes Bild: Die Nomina instrumenti sind nach wie vor
in großer Zahl vorhanden, aber sie sind in bestimmten Bedeutungen
versteinert und nicht mehr (spontan) produktiv. Die produktive Nominal¬
form zm Neubenennung ist fa"äl(at) geworden. Worin liegt ntm die ,,Über-
legenheit" der /a"äZ(a<)-BiIdungen über die Nomina instrumenti (im Sinne
einer Konkurrierfähigkeit im dynamischen Gleichgewicht)? Hier lassen
sich fünf Gesichtspunkte anführen.
Die beiden ersten kommen vor allem bei Neubenennungen in Betracht.
Erstens liegen die Nomina instrumenti meist mit fester, genau umrissener
Bedeutung vor und drängen sich zur Benennung neuer Geräte, deren Funk¬
tion sie an und für sich gut beschreiben könnten, nicht auf. So ist z. B.
miftäh in der Bedeutung ,, Schlüssel (eines Schlosses)" so gebräuchlich, daß
die Bedeutung ,, Öffner (im weiten Sinne: für Flaschen, Büchsen u. dgl.)"
nicht nahehegt, weshalb fattäha neben miftäh auftritt.
Zweitens ist zu bedenken, daß sich unter den Nomina instrumenti drei
Nominalformen etwa die Waage halten. Damit wird aber eine Neubildung
nach jeder einzelnen dieser Formen dmch den Konkurrenzdruck der übrigen
erschwert. Dagegen bietet sich in fa"äl{at) eine eindeutige' Möglichkeit an,
einem Verb bzw. der damit bezeichneten Tätigkeit das dazu dienende Gerät
zuzuordnen.
Der dritte und wohl wichtigste Gesichtspunkt kann auch zm Erklärung
der Umbenennung von Geräten, für die bereits ein Nomen instrumenti
vorliegt, ins Treffen geführt werden. Er betrifft die Unanschaulichkeit oder,
wenn man will, Unverständhchkeit der Nomina instrumenti gegenüber der
aflfektivisch-geladenen, anschaulichen und somit „verständlichen" fa"äl(at)-
Bildung. Erinnern wir uns hier aber an die Entstehungsgeschichte der
Nomina instrumenti, die ihre Existenz - ganz grob gesprochen - einer Lexi-
kalisierung von Relativsätzen verdanken. Auch eine Bildung wie miftäh
ist wesentlich ein Nomen agentis (.,,wer bzw. was öffnet"), aber das Ver¬
ständnis dafür ist längst verlorengegangen. Mit der Ersetzung der Formen
mit Präfix mi- durch solche der Form fa"äl{at) hat die arabische Sprache
somit derselben Idee, nur mit neuen, „unverbrauchten" Mitteln Ausdruck
verliehen - ein Vorgang, der zu den Erscheinungen zählt, die aus der Ge¬
schichte vieler Sprachen wohlbekannt sind.
Die letzten beiden Gesichtspunkte betreffen eine struktmelle Überlegen¬
heit, die nicht so gewichtig ist wie das zuvor Erwähnte, im Verein mit die¬
sem jedoch eine Rolle spielen dürfte. Viertens nämlich hat die Form fa"äl{at)
gegenüber mif'al und mif'alat (freilich nicht gegenüber mif'äl) den Vorteil
des steigenden Rhythmus'.
Fünftens ist an der Bildung der Form fa"äla(t) nur ein inneres Morphem
' Man beachte, daß mif'al und mif'alat zwei echte Wahlmöglichkeiten sind,
die mit mif'äl auf gleicher Stufe stehen, während die Anfügung von -at an fa"äl
eine zweite Entsoheidimg bedeutet, die semantisch relevant ist.
' Zur Vorliebe des Arabischen für rhythmisch-steigende Formen s. H. Fleisch,
L'Arabe classique. Esquisse d'une structure linguistique, Beyrouth, 1956, p.
49-53.
Die Zukunft des arabischen Nomen Instrumenti 695
(eventuell zuzüglich eines in seiner Funktion genormten, in gevtdssem Sinne
fakultativen Suffixes) beteiligt, während die Nomina instrumenti durch ihr
Präfix mi- mit einem äußeren Morphem belastet sind. ,, Belastet" dürfen
wir sagen, wenn wir an das Überwiegen der inneren über die äußeren Mor¬
pheme (nicht was ihre Zahl, sondern was ihre Produktivität anbelangt)
vor allem in der Nominalbildung als ein Charakteristikum semitischen,
insbes. arabischen Sprachbaues denken.
Hier muß auch ein Nachteil der /a"äZ(a<)-Bildungen - zwar niclit gegen¬
über den Nomina instrumenti, wohl aber gegenüber den Neubildungen als
Aktiv-Partizipien und Genitiv-Verbindungen - erwähnt werden. Dieser
besteht darin, daß diese Bildungen (ebenso wie die Nomina instrumenti)
nur zu nicht-erweiterten dreistelligen Wurzelmorphemen, praktisch also
überwiegend zu Verben im Grundstamm (eventuell - unter Aufgabe des
Derivationsbeitrags der Gemination - auch zu Verben im II. Stamm) ge¬
stellt werden können. Damit bleiben diese Formen aber zur Benennung
einfacher, d. h. in ihrer Funktion (nioht notwendig auch in ihrem Bau) über¬
sichtlicher Geräte prädestiniert. Dies entspricht jedoch dmchaus unserer
Interpretation als handelnde Personen und läßt sie in der BegrifFswelt des
täglichen Lebens und der manuellen Berufe beheimatet sein.
Was läßt sich nun aus der gegenwärtigen sprachlichen Situation im Verein
mit den Entwicklungstendenzen, die diese herbeigeführt haben und be¬
stimmen, für die Zukunft der arabischen Nomina instrumenti vermuten?
Wir sehen diese klassischen Nomina instrumenti, deren Ausbildung einst¬
mals einen Triumph der Regularisierungsbestrebungen im System der ara¬
bischen Nominalbildung bedeutete, an zwei Fronten bedroht. An der ersten
Front, die auf der Ebene der technischen Fachsprachen verläuft, weichen
die Nomina instrumenti vor den Aktiv-Partizipien und den zwei- und mehr-
gliedrigen Genitiv-Verbindungen mit deren weit höherer Informations¬
speicherungskapazität, leichterer Normbarkeit und größerer Eindeutigkeit
zmück. Die zweite Front verläuft auf der Ebene der allgemeinen Gebrauchs¬
sprache des täglichen Lebens und seiner BegrifFswelt. Hier weichen die No¬
mina instrumenti vor den fa"äl{at)-Bildungen zurück, deren Vorteile hier
herauszustellen versucht wurde.
Für die zukünftige Situation können wir also ein System ausnehmen, in
dem der sprachliche Ausdruck der semantischen Kategorie ,, Gerät" von
der im klassischen Arabisch wesentlich verschieden ist. Ein System, in dem
neben nicht-produktiven primären Nomina und /»'äZ-Bildungen die produk¬
tiven® Nomina instrumenti stehen, ist abgelöst von einem System, in dem
neben nicht-produktiven primären Nomina, /i'ä?-Bildungen und Nomina
' Der Begriff ,, produktiv", auf das klassische Arabisch angewandt, ist prob¬
lematisch, sollte hier aber zu keinem Mißverständrüs Anlaß geben.
instrumenti die produktiven /a"äZ(o<)-Formen, Aktiv-Partizipien und
mehrgliedrigen Verbindungen stehen. Im ganzen gesehen also eine Berei¬
cherung der Sprache in ihrer Kommunikations- und Informationsfunktion
ebenso wie in ihrer afFektiv-anschaulichen Ausdruckskraft.
DER TA§HlH AT-TASHiF WA-TAHRlR AT-TAHRiF
VON A§-SAFADI
eine neue Hs. im Escorial
Von Ramadän 'Abd at-Tauwäb, Kairo
Von Halil b. Aibak as-$af adi (st. 764; GAL II 31; F. Krenkow in EI*
IV 56), einem sehr fruchtbaren Schriftsteller, der der Fachwelt vor allem
dmch sein umfangreiches, bisher nur teilweise herausgegebenes biographi¬
sches Werk al-Wäji bi-l-Wafäyät^ bekannt ist, existiert u.a. auch ein
Tashih al-Tashij wa-Tahrir at-Tahrif, in dem in alphabetischer Anordnung
des Materials über die Sprach- und Schreibfehler des Volkes gehandelt
wird. Das Werk lag bisher vor in einer noch nicht in GAL verzeichneten Hs.
der Bibliothek Ahmad III. in Istanbul, von der die Där al-Kutub al-Mis-
riya in Kairo, Abt. az-Zakiya eine Photokopie (Signatur 37 liiga) besitzt.
Die Hs. umfaßt 337 Seiten. Ein Fragment mit den ersten 80 Seiten befand
sich im Besitz von F. Krenkow, kam dann an die Damaszener Akademie
und ist von 'Abd al-Qädib al-Mageibi in der Magallat al-Ma^ma' al-
'Ibni al-'Arabi zu Damaskus Bd. 25 (1950) 471-477 beschrieben worden*.
Dem Schreiber dieser Zeilen ist es gelungen, eine weitere, zwar bereits
bekannte und katalogisierte, aber noch nicht identifizierte Hs. des Werkes
festzustellen. Es handelt sich um die Hs. Escorial Nr. 123 (D^ieenboubg
p. 76), die den Titel Agläti^ hat und Saudis Lehrer Safi ad-Din al-Hilli
(st. 749) zugeschrieben ist. Die Hs., von der ein Mikrofilm in meinem Besitz
ist, hat auf dem Titelblatt die Bemerkung: hädihi masä'il muhimma li-§-
Safi al-Hilli wa-min hattihi nuqilat min kitäbihi l-rmusüm bi-Agläti ,,dies
sind wichtige Fragen von as-Safi al-Hilli, abgeschrieben aus dem Autograph
seines mit Agläti bezeichneten Buches". Eine genauere Prüfung ergibt
* S. Bibliotheca Islamica Nr. 6a-d.
" Auf dieses Fragment bezieht sich C. Bbockelmanns Hinweis in GALS II
39 Nr. 41.
' In GAL' I 160 Nr. 12 steht al ahläti, in "I 206 al-Agläti. Dies übernimmt
U. Rizzitano (s. unten S. 699 Fn. 11) 14 Nr. 31. Auf das Fehlendes Artikels in
Di;BENBOUEGs Beschreibung weist bereits G. Kbotkoff in seinem Beitrag The
„Lahn al-'Awamm" of Abu Bakr az-Zubaydi, Bulletin of the College of Arts and
Sciences Baghdad II (1957), 13 hin. Däbenboubg faßt die Form als nisba auf,
wie aus seiner Übersetzung „livre relatif aux fautes commises" hervorgeht.
Aber agläti kann hier nichts anderes bedeuten als ,, meine Fehler", d. h. ,,mein Buch, meine Sammlung über die Fehler des gemeinen Volkes".