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Von guter und weniger guter Medizin

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Academic year: 2022

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EDITORIAL

ARS MEDICI 14+15 | 2018 609

Die Leute beklagen sich. Nicht über die Krankenkas- senprämien, nicht über die technische Medizin, nicht über ihr Spital (doch, gelegentlich über das Essen dort), nicht über die Medikamentenpreise. Sie bekla- gen sich darüber, dass ihr langjähriger Hausarzt auf- hört, keinen Nachfolger findet oder aber zwei Nach- folgerinnen oder Nachfolger hat, von denen einer am Freitag und am Montag nicht anwesend ist und die andere grundsätzlich um vier Uhr Feierabend macht.

Patientin B. beklagt sich zudem, dass sie zum Rönt- gen geschickt wurde, mit Bangen den Befund erwar- tete und dann erfahren musste, dass der Hausarzt die nächsten zwei Wochen in den Ferien weilt und der MRT-Befund daher erst in etwa drei Wochen bespro- chen werden kann. Und sie vermutet – nicht ganz zu Unrecht –, dass die Welt spinnt, als die Röntgenab- teilung sich auch noch weigert, ihr die Beurteilung des Radiologen abzugeben, und zwar mit der Begrün- dung «Datenschutz». Als ob die Patientin vor dem Besitz der eigenen Daten geschützt werden müsste.

So weit die schlechte Nachricht. Die gute: Frau Z. hat am Samstagabend erlebt, wie man ihrem Mann das Leben rettete. «Man», das waren neben ihr selbst, die mit telefonischer Unterstützung zehn Minuten re- animierte, der Anästhesist, der von der Polizei innert

zehn Minuten zum flimmernden Patienten gefahren wurde und rechtzeitig konvertierte, die beiden Poli- zisten, die sich professionell um alles kümmerten, der Krankenwagen mit der ausländischen Nummer, der eingesprungen war, weil alle einheimischen un- terwegs waren, die Nachbarn, die ältere Dame auf der Notfallstation des Universitätsspitals, in das man den Mann per Heli verlegt hatte, und schliesslich der Leiter des Herzkatheterlabors, der sich am Sonntag- morgen um halb drei Uhr die Mühe nahm, der Ehefrau und der Tochter des Patienten geduldig zu erklären, was vorlag, was man gemacht hatte und was folgen würde.

Auch Frau B., der man den MRT-Befund vorenthalten wollte, freute sich am Ende – nicht über ihre Krank- heit, aber über die Ärztin im Praxiszentrum, die alle Unterlagen anforderte, anhand der Klinik die richtige Diagnose stellte (Sudeck) und die Behandlung einlei- tete. Ihr Hausarzt werde überrascht sein, meinte Frau B. etwas säuerlich. Nicht ohne sogleich anzufügen, wie beruhigend es sei, in der Schweiz zum Notfall zu werden und nicht im südöstlichen EU-Ausland, wo es verschiedene Anläufe und viele Stunden gebraucht habe, um nach einer Ellenbogenluxation einen Arzt und schliesslich ein Röntgengerät zu finden, auf des- sen Aufnahmen dann weder die – im MRT sichtbaren – zwei nicht dislozierten Frakturen noch die beiden Muskelausrisse zu sehen gewesen seien.

Frau B. ist etwas hin- und hergerissen. Seit ihr alter Hausarzt, der fast jederzeit verfügbar gewesen war und auch nach Hause kam, wenn nötig, die Praxis übergeben hat, fühlt sie sich eindeutig schlechter be- treut. Jedoch weiss sie jetzt, wie wertvoll es ist, ohne Ansehen der Person rasch Zugang zur diagnostischen und therapeutischen Spitzenmedizin zu haben, und sie hat erfahren, dass es sie weiterhin gibt, die enga- gierten Ärztinnen und Ärzte, die empathischen MTA und Physiotherapeutinnen. Was sie hofft: Mögen Krankenkassen, Bundesrat und die Ärzte selbst mög- lichst wenig daran ändern.

Richard Altorfer

Von guter und

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