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© Anästh Intensivmed 2010;51:61-63 Aktiv Druck & Verlag GmbH

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Der "Sturz vom OP-Tisch" – ein besonders kritischer Zwischenfall: Er ist bei entsprechender Vorsorge in der Regel nicht nur vermeidbar, sondern auch ein Hinweis auf die Nichteinhaltung der Sorgfaltspflicht der Behandlerseite.

Ein sedierter oder anästhesierter Patient kann für willkürliche Bewegungen oder mangelnde Kooperation nicht verant- wortlich gemacht werden - er darf sich darauf verlassen, dass im Krankenhaus alle Maßnahmen zu seinem Schutz getroffen werden.

Leider kommt es immer wieder zu Stürzen vom OP-Tisch, die besonders bei Patienten in Narkose zu schwerwiegen- den und zum Teil lebensbedrohlichen Verletzungen führen können. PaSOS wurden bereits mehrere solche kritische Vorkommnisse gemeldet. Die hierzu vorgestellte Auswahl soll für die Thematik sensibilisieren und zu effektiven Schutzmaßnahmen anregen. Dabei geht es weniger um die

einzelne Maßnahme, sondern um das Zusammenspiel zwi- schen Anästhesiepersonal (Arzt und Pflege), OP-Team inkl.

Lagerungspflege, die für die Instandhaltung der Lagerungs- geräte und Sicherungen verantwortliche Medizintechnik sowie um die medizintechnische Industrie, deren Aufgabe es ist, technische Gerätschaften zur Lagerung und Sturz- prävention zu optimieren. Zahlreiche Leitlinien sind zur Sturzprävention im Krankenhaus bereits verfügbar; für den Bereich OP existieren solche indes nicht. Hier ist die lokale Krankenhausleitung gefordert.

Die Ursachenanalyse von Stürzen ist eine wichtige Voraus- setzung für die Erarbeitung geeigneter Präventionsmaß- nahmen und Empfehlungen:

Bei der Analyse der berichteten Fälle von Stürzen ergeben sich nach dem Mensch (M) – Technik (T) – Organisations (O) – Modell folgende Ursachen und Begleitfaktoren:

Fall 2 PaSOS Nr. 927

„Zur Umlagerung des extubierten Patienten post OP in das bereitgestellte Bett werden die Gurte gelöst; durch dringenden Anruf wird eine Person vom Umlagerungs- prozess abgelenkt; 2. Person dreht sich kurz um, um Patientenakten abzulegen; Patient erhebt sich plötzlich und rutscht vom OP-Tisch zur Seite; trotz sofortiger Re- aktion kann der Sturz nur verlangsamt und ein Aufschla- gen des Kopfes verhindert werden. Trotz unauffälligen Patienten sofort Vorstellung beim Traumatologen, Durch- führung mehrerer Röntgenaufnahmen (Achsenskelett, Extremitäten), Sonografiekontrollen Abdomen in Etap- pen, engmaschiges Monitoring von Sensorik und Pupil- lomotorik, im postoperativen Verlauf keine Auffälligkei- ten. Aufklärung des Patienten und der Angehörigen am Folgetag.“

Fall 1 PaSOS Nr. 897

„Patient lag nach der Operation zum Umlagern ins Bett auf der automatischen Umbettanlage (Förderband). Die Pflegekraft dreht sich vom Patienten weg, um den OP- Tisch wegzufahren, drückt aber weiter auf den Knopf der Fernbedienung. Patient fuhr statt Richtung Bett zurück in Richtung OP und fiel vom Band auf den Boden (Fallhöhe ca. 1 m). Es gibt eine Lichtschranke, die das Band stop- pen müsste, wenn ein Patient zu nahe an den Rand kommt. Das hat offensichtlich nicht funktioniert. Die nach dem Vorfall durchgeführte Überprüfung zeigte, dass die Lichtschranke in Ordnung ist. Möglicherweise wurde auch der falsche Knopf gedrückt, dies lässt sich nicht mehr genau rekonstruieren. Der Patient lag ruhig auf dem Band und hat sich nicht bewegt. Die Ursache des Vor- falls ist also noch nicht geklärt.“

ANNOUNCEMENTS

/ VERBANDSMITTEILUNGEN I 61

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M. Rall1, N. Siegert1, P. Hirsch1, B. Schädle1, E. Stricker1, S. Reddersen1, J. Zieger1, G. Geldner2, J. Martin3, E. Biermann4, W. Schaffartzik5und A. Schleppers6

1 Tübinger Patienten-Sicherheits- und Simulationszentrum TüPASS, Universitätsklinik für Anaesthesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Tübingen (Direktor: Prof. Dr. K. Unertl)

2 Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, Klinikum Ludwigsburg (Direktor: Prof. Dr. G. Geldner)

3 Medizinischer Geschäftsführer der Kliniken des Landkreises Göppingen gGmbH

4 Justitiar des BDA, Nürnberg

5 Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Unfallkrankenhaus Berlin (Direktor: Prof. Dr. W. Schaffartzik)

6 Ärztlicher Geschäftsführer des BDA, Nürnberg

Patienten-Sicherheits-Optimierungs-System PaSOS

„Fehler vermeiden – Risiken kennen“

Wichtige Fälle und Analysen zur Erhöhung der Patientensicherheit www.pasos-ains.de

PaSOS-Depesche

Risiken und Gefahren durch „Sturz vom OP-Tisch“

Nr. 2:

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62 I VERBANDSMITTEILUNGEN /

ANNOUNCEMENTS

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Mensch

Patient: Der Patient im Operationstrakt ist häufig prämedi- ziert, steht unter dem Einfluss der Narkose oder erwacht ge- rade aus der Narkose. Das Verhalten der Patienten, gleich welchen Alters oder Gesundheitszustandes, wird durch den Einfluss der Medikamente "unberechenbar". Nicht selten er- heben sich die Patienten plötzlich von der Trage, rollen sich auf die Seite etc. Gleichzeitig sind aber ihre Schutzreflexe, die einen Sturz verhindern oder seine Folgen abmildern könnten, abgeschwächt, verlangsamt oder völlig außer Kraft gesetzt. Ein "ungebremster" Sturz vom OP-Tisch kann so schwerste Verletzungen zur Folge haben, deren Ausmaß zum Teil durch die Anästhetikawirkung stark kaschiert sein kann. Dies führt nicht selten zu einer Unterschätzung von Art und Ausmaß der Verletzungen.

Personal: Die Fälle 2 und 3 zeigen, dass häufig klare Ab- sprachen darüber fehlen, wer den Patienten zu beaufsichti- gen hat. Der Patient bleibt nach Öffnen der Gurte "nur mal kurz" unbeaufsichtigt, das Personal lässt sich durch andere Tätigkeiten ablenken, man möchte seine Kollegen bei der Arbeit unterstützen und nicht "stur am Tisch kleben blei- ben", sondern entfernt sich, um anderen zu helfen. Aber schon ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit, speziell wenn es sich bei dem Patienten um Kinder handelt, kann fatale Folgen haben.

Technik

Die technischen Ursachen für Stürze können vielfältig sein:

Fixierungsgurte sind nicht in ausreichender Anzahl verfüg- bar, Klettverschlüsse an den Gurten sind abgenutzt und er- füllen die Funktion der Patientenfixierung nicht mehr, alte Gurte sind mit neuen OP-Tischen nicht kompatibel, die verfügbare Lagerungstechnik fixiert Patienten in speziellen OP-Lagerungen nur unzureichend („da muss man halt auf- passen“). Nicht selten sind Umbettungsanlagen oder Ope- rationstische zu kompliziert, defekt oder unsicher (Fall 1).

Fehlende Rückmeldungen an Herstellerfirmen machen Op- timierungen (zum Beispiel automatisches Feststellen der Bremsen bei Öffnung der Gurte oder verbesserte Fixierun- gen, etwa durch Schulterbügel) unwahrscheinlich oder lang- wierig.

Organisation

Es gibt keine klaren Regeln zum Ablauf der Lagerung und Beaufsichtigung der Patienten, vor allem keine, die explizit formulieren, dass ein Patient unter keinen Umständen un- beaufsichtigt bleiben darf. Dadurch wird der risikoreicheren pragmatischen Art und Weise, Probleme zu lösen („Dann hab ich halt kurz alleine ein Bett geholt und umgelagert.“) Vorschub geleistet. Zeitdruck und Personalmangel können das Risiko in solchen Situationen weiter erhöhen.

Fazit

Stürzt ein Patient vom OP-Tisch, dann birgt dies nicht nur für ihn ein hohes Risiko schwerer Verletzungen, sondern be- deutet für die Beteiligten quasi automatisch forensische Konsequenzen. Von Patienten, Angehörigen, aber auch von Richtern oder Staatsanwälten darf man wenig Verständnis dafür erwarten, dass Ärzte und Pflegekräfte ihren Sorgfalts- pflichten nicht genügt haben. Die Grundregel: Patienten dür- fen auf dem OP-Tisch nie unbeaufsichtigt sein. Hilfsperso- nal, das zupacken kann, sollte sich jederzeit in unmittelbarer Nähe des Patienten befinden. Optimierte technische Hilfs- mittel und adäquate organisatorische Rahmenbedingungen sollten es möglich machen, die Häufigkeit solcher vermeid- barer Zwischenfälle zu minimieren.

Ist ein Patient trotz aller Vorsichtsmaßnahmen vom OP- Tisch gestürzt, dann darf dies keinesfalls heruntergespielt oder bagatellisiert werden. Es wäre nicht zu akzeptieren, wenn es dadurch zu einer verzögerten Diagnostik und hier- durch wiederum zu weiteren Schäden beim Patienten käme.

Nach einem Sturz sollte auch bei wachen, ansprechbaren Patienten eine sofortige umfassende körperliche Untersu- chung und daraus abgeleitet eine bedarfsgerechte, diffe- renzierte Sturzdiagnostik (z. B. Röntgen, Sono, CT etc.) durchgeführt werden. Die Befunde sind in einer zu- sammenhängenden Akte zu dokumentieren. Der Patient und/oder dessen Angehörige sind über den Sturz und seine Folgen zu informieren.

Fall 3 PaSOS Nr. 448

Während der Vorbereitungen zur Einleitung der Narkose eines Säuglings auf dem OP-Tisch im Saal entfernen sich aus irgendeinem Grund auf einmal alle beteiligten Ärzte und Pflegekräfte vom Kind, um Material vorzube- reiten oder sonstige Aufgaben wahrzunehmen. Aus dem Augenwinkel sieht ein Anästhesist, wie das Kind sich be- wegt und sich auf dem OP-Tisch auf die Seite rollt und bekommt es gerade noch vor dem Absturz zu fassen.

Abb. 1: Beispielhaftes Analyse-Diagramm („Fishbone“) zur Fehlerentstehung (hier: Sturz vom OP-Tisch).

Fall 4 PaSOS Nr. 671

Beim postoperativen Umlagern des Patienten waren die Räder des Bettes nicht blockiert. Der Patient wurde mittels Rollboard von der OP-Liege ins Bett geschoben.

Dabei fuhr das Bett von der Liege weg, als der Patient gerade zur Hälfte im Bett war.

Ein Sturz wurde nur dadurch verhindert, dass der Arzt am Kopfende des Bettes den Patienten ein wenig stüt- zen konnte, bis das Bett gegen eine nahe Wand gefah- ren war und der Patient ganz auf das Bett geschoben werden konnte.

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ANNOUNCEMENTS

/ VERBANDSMITTEILUNGEN I 63

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Die Inhalte der „PaSOS-Depesche“ sollten idealerweise

allen Mitarbeitern in geeigneter Weise (z. B. als Aushang oder als Fortbildungsveranstaltung) bekannt gemacht wer- den. Die Depesche steht als Download zur Verfügung:

www.pasos-ains.de

Mitarbeiter sollten immer darin bestärkt werden, der Sicherheit oberste Priorität einzuräumen.

Sturzleitlinien:

1. DEGAM, DEGAM-Leitlinie Nr. 4 „Ältere Sturzpatienten“, Juli 2004.

2.Clinical practice guideline for the assessment and prevention of falls in older people. National Institute for Clinical Excellence (NICE), November 2004.

3.The Joint Comission, Sentinel Event Alert, Issue 14 - July 12, 2000: Fatal Falls: Lessons for the Future.

4. http://www.gemidas-qm.net/main/benchmarking_sturz.

html#bestpractice

PaSOS – Focus: Vorschläge für die Praxis 1) Risikobewusstsein fördern.

Das ärztliche und pflegerische Personal muss sich noch mehr bewusst werden, dass das zum Teil kom- plexe Lagern bzw. Umlagern eines Patienten Risiken birgt.

2) Patienten nie unbeaufsichtigt lassen! Nichts kann so wichtig sein, das Risiko einzugehen, dass ein Patient vom OP-Tisch fällt. Insbesondere bei Kindern gilt streng: immer eine Hand am Patienten!

3) Klare Zuständigkeiten im Team schaffen! Explizit ab- sprechen, wer dafür verantwortlich ist, den Patienten zu beaufsichtigen und wie dies zu geschehen hat („nicht von seiner Seite zu weichen“).

4) Checkliste „Umlagern im Team“ durchgehen, ggf. laut ansagen:

• Bremsen zu (Bett und OP-Tisch)?

• Bei beatmeten Patienten: Ist die Beatmung gesichert?

• Alle Kabel und Katheter sicher? Drainagen frei?

• Ist ausreichend Personal vorhanden?

• Ablenkung vermeiden.

• Patienten im Bett wieder sichern (Gitter etc.).

5) Offenheit und gründliche Diagnostik nach einem Sturz!

Sollte sich ein Sturz ereignet haben, sind eine gründ- liche Diagnostik und Offenheit gegenüber Patienten und Angehörigen unverzichtbar.

6) Prävention: Bestmögliche Beaufsichtigung des Patienten, kombiniert mit einer proaktiven Analyse etwaiger Risikofaktoren, um Unfälle auszuschließen.

Nach einem Sturz: genaue Unfallanalyse durchführen, um daraus Verbesserungsmaßnahmen für die Zukunft ableiten zu können. Nie sollte es um die Verurteilung Einzelner gehen; im Fokus steht vielmehr das Eruie- ren und Optimieren beteiligter Faktoren aus dem Bereich Mensch, Technik und Organisation.

Referenzen

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