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Gerd E. Schäfer Bildung durch Beteiligung

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Academic year: 2022

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Gerd E. Schäfer

Bildung durch Beteiligung

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Gerd E. Schäfer

Bildung durch Beteiligung

Zur Praxis und Theorie

frühkindlicher Bildung

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Der Autor

Gerd E. Schäfer, Jg. 1942, Dr. rer. soc., Dr. phil. habil. ist Professor i.R. für Erziehungswissen- schaft, Pädagogik der frühen Kindheit, Familie, Jugend an der Universität zu Köln.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektroni- sche Systeme.

Dieses Buch ist erhältlich als:

ISBN 978-3-7799-3976-4 Print ISBN 978-3-7799-5251-0 E-Book (PDF) 1. Auflage 2019

© 2019 Beltz Juventa

in der Verlagsgruppe Beltz · Weinheim Basel Werderstraße 10, 69469 Weinheim Alle Rechte vorbehalten

Herstellung und Satz: Ulrike Poppel

Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe, Bad Langensalza Printed in Germany

Weitere Informationen zu unseren Autor_innen und Titeln finden Sie unter: www.beltz.de

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Inhalt

Dank 9 Einführung 11

Zu den einzelnen Kapiteln 23

Teil I: Grundlegungen

1. Wie ich zu meinen Themen kam 26

2. Grundbegriffe einer Pädagogik der frühen Kindheit 62 Teil II. Dokumentationen, Beschreibungen, Reflexionen

3. Jarne und die Linsen – Mit Erfahrungen denken 92 4. Wasserprojekt – Erfahrungslernen als explorierendes Spiel 104

5. Melvin sägt – In die Sprache hinein 117

6. Erfahrungen zur Sprache bringen 123

Teil III: Didaktik in der frühen Kindheit

7. Partizipatorische Didaktik 150

8. Das Hamburger Raumgestaltungskonzept 173

9. Partizipatorische Didaktik in der Lernwerkstatt Natur 185 Teil IV: Aus Erfahrung lernen

10. Bildung und Lernen 208

11. Das Konzept 229

12. Grundsätze einer pädagogischen Verwirklichung 258 Teil V: Bildung zwischen Natur und Gesellschaft

13. Bildung der „kulturellen Natur“ – Überlegungen zur Ontogenese 278

14. Sozioanalyse frühkindlicher Bildung 307

Frühkindliche Bildung in einer Kultur des Lernens –

Eine Zusammenfassung 342

Literatur 348

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Meinen Kindern und Enkelkindern gewidmet.

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Dank

Es ist schwierig, alle Menschen, denen ich an dieser Stelle Dank schulde, auf- zuzählen. Es sind in erster Linie Menschen, mit denen ich z.T. über viele Jahre kooperiert habe, aus dem universitären Feld der Mitarbeiter/innen, aus dem Praxisfeld der Kindertageseinrichtungen. Nur wenige davon kann ich nament- lich nennen, so etwa Angelika von der Beek, mit der ich nun mehr als einein- halb Jahrzehnte in verschiedenen Vorhaben und Projekten intensiv, konstruktiv und kritisch zusammengearbeitet habe. Ein wichtiger Kooperationspartner war der Alternative Wohlfahrtsverband sozial & alternativ, SOAL e.V., Hamburg, mit Claus Reichelt, Julia Tiedeken und den vielen Mitarbeiterinnen und Mit- arbeitern im Verband sowie den dazugehörigen Einrichtungen, die mir ihre Gedanken, ihre Materialien zur Verfügung gestellt und meine Entwicklungen kritisch begleitetet haben. Neben Petra Figur von der Kita Rasselbande und Claudia Fleck vom Bewegungskindergarten Die Springmäuse möchte ich mich aber auch bei Rosy Henneberg aus der Reihe der Freinet-Pädagog/innen be- danken. Sie alle haben mir Dokumentationen zur Verfügung gestellt, die das Er- fahrungslernen konkretisieren. Viele Ideen mussten sich in den Gesprächen des Referententeams bewähren, die das Qualitäts-Entwicklungsverfahren, das mit SOAL über Jahre entwickelt wurde, in einer kritischen Selbstevaluation beglei- teten. Zahllose Denkanstöße sind aber auch aus Fortbildungsveranstaltungen hervorgegangen, vor allem durch Fragen, die zu klären waren und dabei Lücken im Gesamtvorhaben bloßgelegt haben. Gelernt habe ich ebenfalls dadurch, dass ich mich dabei vielen Menschen verständlich machen musste, die – auch ohne akademische Weihen – wunderbare Arbeit vor Ort leisten. Das kann vielleicht bei schwierigen theoretischen Zusammenhängen nicht immer durchgehalten werden.

Natürlich habe ich auch von meinen akademischen Kritikern gelernt. Sie haben mir vor allem gezeigt, wie man mich missverstehen kann, wenn man Aussagen aus dem Zusammenhang reißt. Das hat mich gezwungen, wo es möglich war, diese Zusammenhänge klarer herauszuarbeiten und mich genau- er auszudrücken. Ich hoffe, es ist mir gelungen.

Viele Gedanken wurden, wie erwähnt, durch die enge Zusammenarbeit von Praktiker/innen und Theoretiker/innen angestoßen. Das bringt leider auch mit sich, dass die genauen Quellen und Zusammenhänge nicht immer zurei- chend rekonstruierbar sind. Hinweise nehme ich gerne entgegen. Wenn auch das Ganze ohne solche Kooperationen nicht entstanden wäre, so liegt es doch in meiner alleinigen Verantwortung, es auf diese Weise zusammengefügt und begründet zu haben.

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Einführung

„Es entsteht aber den Menschen aus der Erinnerung die Erfahrung; denn viele Erinne- rungen an ein und denselben Sachverhalt bewirken das Vermögen einer Erfahrung…

Und die Kunst entsteht dann, wenn sich aufgrund von vielen Beobachtungen der Erfah- rung eine allgemeine Auffassung von ähnlichen Sachverhalten entwickelt“ (Aristoteles 2000, S. 17 f).

Prämissen dieses Buchs

Fünf Grundgedanken haben mich beim Schreiben dieses Buches bewegt.

Zunächst: Es gibt keine Überzeitlichkeit einer rationalen Vernunft. Sie ist weder einfach gegeben noch entwickelt sie sich – scheinbar notwendig – aus gegebenen Anfängen heraus. Sie ist vielmehr das Ergebnis einer historisch-kul- turellen Entwicklung. Von daher muss man von unterschiedlichen historischen und kulturellen Denkweisen, Rationalitäten oder Denklogiken der Menschen ausgehen.

Deshalb steht – zweitens – eine Bildungstheorie der frühen Kindheit vor der Frage, wie Kinder denken, wenn sie auf die Welt kommen, und wie sie in- nerhalb weniger Jahren lernen, so zu denken, wie in ihrer soziokulturellen Um- gebung gedacht wird. Ich formuliere daher das Problem frühkindlicher Bildung als ein erkenntnistheoretisches Problem, indem ich frage, wie junge Kinder vom ersten Lebenstag an Erkenntnis gewinnen und welche Rolle dabei die ge- gebene soziokulturelle Umwelt spielt. Dazu fasse ich natürlich den Begriff der Erkenntnis weiter als üblich: Es geht um ein Erkennen mit basalen Mitteln, lange bevor ein Erkennen auftaucht (oder entwickelt wird), welches Kriterien eines reflektierten abstrakten Denkens entspricht, wie man es von einer philo- sophischen Erkenntnistheorie gewöhnlich erwartet. Die Antwort gibt ein Kon- zept des Erfahrungslernens. Es beantwortet die Frage nach einer Genese des Erkennens durch einen soziokulturellen Lernprozess, durch den junge Kinder in die Weisen des Denkens eingeführt werden, die in ihrer soziokulturellen Umgebung gepflegt werden.

Zum Dritten verstehe ich dieses Buch als ein politisches, obwohl darin nicht viel von Politik gesprochen wird. Zwar geschieht dies an einigen Stellen durchaus, das liegt aber nicht in seinem Hauptinteresse. Vielmehr geht es um das Durchdenken eines grundlegend demokratischen Ansatzes im pädagogischen Verständnis. Mit grundlegend meine ich hier, dass es nicht nur um demokra-

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tische, institutionelle Inszenierungen geht, wie zum Beispiel um Weisen der Mitbestimmung, kollektiver Entscheidungsfindung oder sozialer Toleranz und Rücksichtnahme. Das alles ist auch wichtig, berührt aber nur einen Aspekt.

Vielmehr geht es in diesem Buch um eine Demokratie der zwischenmensch- lichen Beziehungen von Anfang an, eine Demokratie auf der Basis einer wech- selseitigen Verständigung von Geburt an. Deshalb formuliert dieses Buch das Problem frühkindlicher Bildung als eine Frage der Beteiligung der Kinder an der soziokulturellen Welt ab dem ersten Lebenstag. Vor diesem Hintergrund gewinnt u.a. das Konzept eines „wahrnehmenden Beobachtens“ Bedeutung. Es steht für die Weise eines „vielfältigen Zuhörens“; denn man muss jemandem zuhören, um ihn in demokratische Prozesse einbeziehen zu können. Dieses Zuhören findet seine Fortsetzung in einem Verständnis von Dokumentation als Teil einer Kommunikation zwischen allen Beteiligten.

Zum Vierten formuliert dieses Buch das Anliegen einer „Kultur des Ler- nens“ und erweitert damit den Blick auf die pädagogische Aufgabe von einer Beziehung zwischen Lehrendem und Lernenden auf den gesamten sozialen, institutionellen und kulturellen Kontext, in dem Bildungsprozesse stattfinden.

Eine Kultur des Lernens richtet ihre Aufmerksamkeit gleichermaßen auf ex- plizite wie implizite Formen von Bildungsprozessen. Dies konkretisiert sich da- rin, dass sich Pädagogik nicht nur um bewusste Lernarrangements kümmert, sondern auch um die Schaffung von anregenden Lebens- und Lernumwelten sowie um tragfähige und empathische Beziehungen als Grundlage des sozialen Miteinanders. Schließlich richtet eine Kultur des Lernens ihre Aufmerksamkeit auch auf alle Rahmenbedingungen, in welche implizites und explizites päd- agogisches Handeln eingebettet ist. Umgekehrt, wenn keine Werkzeuge und Materialien vorhanden sind, welche die Neugierde der Kinder wecken, wenn Erwachsene auf das nicht interessiert antworten, was Kinder tun und denken, wenn institutionelle Strukturen den Kindern keine Spielräume zum Selbstden- ken einräumen, Erzieherinnen überlastet und schlecht bezahlt sind, eine kom- munale Politik sich für die Bedingungen eines guten Aufwachsens inhaltlich nicht interessiert (z. B. wenn eine Kita gebaut wird) und eine Bildungspolitik sich nur an Normen, Standards und (globalisierter) ökonomischer Verwert- barkeit orientiert, dann wird die Qualität von Bildungsprozessen leiden und werden vielleicht erreichte Standards sich nicht als dauerhaft erweisen.

Fünftens: Grundlage aller Bildungsprozesse sind tragfähige und einfühl- same Beziehungen. Es sind die intimen zwischenmenschlichen Beziehungen, die den Neugeborenen Augen und Ohren öffnen, ihnen den Zugang zur Welt freigeben, ihnen Mut, Sicherheit und Rückzugsmöglichkeiten bei ihren selb- ständigen Schritten in die Welt versprechen und die Vielfalt der kulturellen Horizonte erschließen. Diese Beziehungen legen die Basis für Vertrauen in die Welt der Dinge, ihre Ordnungen und Rückwirkungen, wie für den Mut, eige-

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nen Überzeugungen zu folgen, oder aber – im anderen Fall – für Misstrauen und Anpassung.

Der Weg

Eine theoriebasierte wissenschaftliche Neugier, welche sich in die Praxis hinein verwickeln lässt, diese „befragt“, ihre Antworten zu klären versucht sowie Vor- schläge für konkretes Handeln macht, das war der empirische Horizont, vor dem die Überlegungen entstanden sind, die in diesem Buch zusammengefasst sind. In mehreren Projekten zur Qualitätsentwicklung hatte ich die Gelegen- heit, in einem intensiven Verbund von praktisch Vorgefundenem, tastendem Ausprobieren, praktischen Entwürfen und kritischem Hinterfragen, die Ge- danken zu entwickeln, die hier dargestellt werden. Ich wende also keinen Satz von externen, wissenschaftlichen Kriterien auf bestimmte Erscheinungsweisen von frühpädagogischer Praxis an, sondern versuche praktisches Handeln aus theoretischen Zusammenhängen zu begreifen und dieses Begreifen, als Erläu- terung von pädagogischen Handlungsformen, wieder in die Praxis – sie bestä- tigend, variierend oder umformulierend – zurückzuspiegeln. Dabei orientierte ich mich an zwei Kriterien: der theoretischen Schlüssigkeit einerseits und ihrer Nachvollziehbarkeit im Rahmen von Alltagsprozessen pädagogischen Han- delns in frühpädagogischen Bereichen andererseits.1

Dabei wird hier kein Anspruch auf Originalität in allen einzelnen Punkten erhoben. Einiges von dem, was hier zugrunde gelegt wird, stammt aus anderen – reformpädagogisch inspirierten – Vorgehens- und Denkzusammenhängen, voran der Reggio-Pädagogik, der Freinet-Pädagogik oder der Offenen Arbeit.

Es wurde kritisch zusammengefügt, vor einem theoretischen Hintergrund, der in den Teilen IV und V dieses Buches dargestellt werden wird.2 Eine Kritikerin hat – unter Berufung auf einen anderen Kritiker3 – diese Hintergründe als ein

„romantisches Kindheitsbild“ bezeichnet, weil es zahlreiche Kinder gäbe, die nicht die Gelegenheit hätten und die Voraussetzungen für diese Form der Bil-

1 Ich nenne dieses Vorgehen eine dialogische Empirie (Schäfer 2019 d). Die wissenschaftstheore- tischen und forschungsmethodischen Grundlagen, auf die ich mich dabei berufe, werden noch in inem eigenen Band gesondert dargestellt werden.

2 Vgl. hierzu auch: Schäfer, von der Beek 2013

3 Fölling-Albers 2013, Kapitel Erziehungswissenschaft und frühkindliche Bildung. So läuft das, wenn man sich nicht mehr die Zeit nimmt, das genau zu lesen, was man kritisiert: Man versteckt sich hinter der Meinung anderer Autoren, ohne wirklich zu wissen, worauf diese ihr Urteil stützen.

Die genannte Autorin selbst führt neben einem kleinen Aufsatz von mir nur noch eine Arbeit an, die 1995 entstanden ist, in einer Zeit, als eine Bildungsdiskussion im frühpädagogischen Bereich gerade erst aufkam. Was unter meinem Namen in den nächsten 20 Jahren weiter entstanden ist, blieb wohl ihrer „wissenschaftlichen“ Aufmerksamkeit verborgen.

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dungsarbeit mitbrächten. So einleuchtend dies erscheinen mag, so wird dabei jedoch übersehen, dass es gerade die Arbeit mit sozial benachteiligten und in ihrem Lernen behinderten Kinder war, die in mir – als ehemaligem Sonder- schullehrer – den Verdacht aufkommen ließen, dass ein etabliertes schulisches Lernverständnis für diese Kinder das größte Hindernis für ihre Lernbemühun- gen darstellen könnte. Deshalb habe ich meiner Arbeit ein Kinderbild zugrun- de gelegt, das der selbständigen Tätigkeit der Kinder einen großen Spielraum ermöglicht.

Gleichzeitig möchte ich jedoch auch betonen, dass die Überlegungen, die in diesem Buch dargestellt werden, in Kindertagesstätten erprobt wurden, die keinen besonderen bildungsbürgerlichen Hintergrund hatten, sondern mit den durchschnittlichen Rahmenbedingungen und der sozialen Vielfalt einer Großstadt zurechtkommen mussten. Das hieß, sie nahmen auch durchweg eine Vielzahl von Kindern aus unterschiedlichen sozialen und kulturellen Kontex- ten auf. Es ist geradezu ein Merkmal des hier vertretenen Bildungsgedankens, dass er von der individuellen Differenz der Bildungssituation und der Bil- dungsprozesse der Kinder ausgeht, die eben nicht nur die Individualität ihres persönlichen Handelns umfasst, sondern ebenso die Besonderheiten ihrer bio- graphischen Lebenslagen sowie ihrer Positionen in sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Beziehungen.

Der Entwurf einer Praxis und Theorie der Bildung in der frühen Kindheit, der hier in Ansätzen entstehend dargestellt wird, versteht sich als Antwort auf die unterschiedlichen individuellen, sozialen und kulturellen Bedingungen, die Kinder mitbringen, wenn sie in eine Kindertageseinrichtung eintreten.

Es geht nicht um die Frage, ob die Kinder die Bedingungen mitbringen, die sie für die- se Bildungseinrichtungen brauchen, sondern dass die Einrichtungen die Bedingun- gen schaffen, welche Kinder mit unterschiedlichen Hintergründen benötigen, um Bil- dungsprozesse im Sinne dieses Buches zu entwickeln.

Darüber sollen hier Überlegungen und Vorstellungen angestellt werden.

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Worum es in diesem Band geht

Nachdenken über frühkindliche Bildung in Bewegung bringen

So, wie diese Arbeit nun geschlossen vorliegt, könnte sie die Illusion erzeugen, dass die darin niedergelegte Gedanken von Anfang an so konzipiert gewesen wären und nun in einer Logik des Roten Fadens systematisch aufgerollt wür- den. Wenn das von einem Werk verlangt wird, das wissenschaftlichen Ansprü- chen genügen soll, dann beruht diese Wissenschaftlichkeit auf einer Illusion:

Sie verleugnet den Prozess, den das Schreiben einer solchen Arbeit bedeutet.

Denn dieser Prozess ist auch ein Denkprozess, in dem Gedanken geklärt, er- weitert, infrage gestellt, revidiert oder präziser herausgearbeitet werden. Wenn ich am Schluss nicht klüger bin als vorher, dann hat sich die Arbeit nicht ge- lohnt.

Beim Schreiben einer Einleitung unterstützt man nun diese Illusion einer zeitlosen Vorvollendetheit sowie eines mehr oder weniger systematischen Auf- baus der niedergeschriebenen Gedanken, oder – und so jedenfalls möchte ich diese Einleitung verstanden wissen – man bezieht den vorläufigen Abschluss des gedanklichen Weges rekursiv wieder auf den Anfang. Das bedeutet, ich setze eine Klarheit als Leitziel an den Anfang, die ich erst im Laufe der mühe- vollen Arbeit des Schreibens gewonnen habe, wie wenn es diese Klarheit im- mer gegeben hätte. Genau genommen müsste ich die Arbeit jetzt umschreiben, aber ich stünde dann am Ende dieses Umschreibens wieder vor dem gleichen Problem, denn vermutlich wären meine Überlegungen dann wieder einen Schritt in eine neue Richtung gegangen. Und so möchte dieser Text nicht als einer gelesen werden, der über einen Stand der Dinge informiert, die so oder so gegeben scheinen, sondern als einer, der ein Nachdenken über frühkindliche Bildung in Bewegung bringt.

Vorsicht bei Begriffen

Die Ausführungen diese Buches bedienen sich, wo es möglich erscheint, ei- niger fachlicher Begriffe, die eher alltagssprachlich und traditionell klingen.

Darin dokumentiert sich der Alltagsbezug, aus dem heraus die Überlegungen entwickelt wurden. Man sollte sich dadurch jedoch nicht verführen lassen.

Der Gebrauch eines nicht hochspezialisiert klingenden Vokabulars spiegelt auf einer zweiten Seite, dass frühkindliche Bildung nicht nur eine fachliche An- gelegenheit ist, sondern etwas, was die Gesellschaft insgesamt betrifft. Und von daher sollten die Begrifflichkeiten allgemeinverständlich sein. Zum Dritten werden die hier gebrauchten Alltagsbegriffe jedoch nicht unbedingt im All-

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tagssinn verwendet. Sie werden konsequent im Sinne des obigen Bildungsver- ständnisses interpretiert und praktisch umgesetzt. Das betrifft vor allem den Begriff der Erfahrung, der hier – über den Alltagssinn hinaus – in spezifischer Weise dem frühkindlichen Bildungsverständnis zugrunde gelegt wird.

Aber das gilt für viele andere Begriffe auch. Wenn beispielsweise von der aktiven Beteiligung der Kinder gesprochen wird, dann liegt der Unterschied im Detail: Man muss auch aktiv das tun, was einem aufgezwungen wird. Von daher sollte man die gesamte Situation hinsichtlich der Aktivitätsmöglichkei- ten eines Kindes genauer untersuchen. Im Zusammenhang der gegenwärtigen Überlegungen geht es nicht um die Aktivität eines Nachvollziehens dessen, was sich Erwachsenen ausgedacht haben, sondern, zum einen, um eine Aktivität von Erwachsenen, die das Umfeld so strukturiert haben, dass Kinder ihre Um- gebungswelt so weit wie möglich mit eigenen Mitteln explorieren können; zum Zweiten besteht die Aktivität der Kinder dann in einer Auseinandersetzung mit eigenen Problemfindungen, Fragestellungen und Lösungswegen. Diese Akti- vität wird eingebettet in Beziehungen des Mitvollzugs, der Anerkennung des kindlichen Handelns und der Verständigung durch die beteiligten Erwachse- nen. Oder, wenn im Folgenden ein „Zuhören“ der Erwachsenen in den Fokus der fachlichen Aufmerksamkeit gerückt wird, dann wird hier eine Weise des Hörens angesprochen, die nicht nur geeignete Antworten parat hält, sondern darauf ausgerichtet ist, herauszuhören, was den Kindern selbst so wichtig sein könnte, dass es zur Sprache gebracht werden möchte. Natürlich scheint ein dialogisches Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern eine Selbstver- ständlichkeit zu sein. Ist es aber selbstverständlich, dass man Kindern wirklich zuhört, wenn man mit ihnen spricht? Wer z. B. hört ihnen zu, wenn es um

„sprachliche Förderung“ gehen soll? Die fachlich Rhetorik ist voller solcher Begrifflichkeiten, die wie Selbstverständlichkeiten klingen, jedoch eher tradi- tionellen Worthülsen gleichen, die wie ein Make-up verwendet werden, hinter dem sich ein meist technologisches, pädagogisches Common-Sense-Verständ- nis verbirgt, das von der Angst, im Wettbewerb der Wissensgesellschaft nicht mithalten zu können, genährt wird. Ich habe deshalb versucht, solche Alltags- begriffe in einen spezifischen fachlichen Hintergrund einzubetten, der mit einem Common-Sense-Verständnis nicht immer harmoniert. Es wird also gut sein, erst mal innezuhalten, wenn man Begriffe wie Verständigung, Beteiligung oder Erfahrungslernen liest, und genau zu überlegen, ob das eigene Verständ- nis von diesen Begriffen mit dem übereinstimmt, was hier beschrieben wird.

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Implizites und explizites pädagogisches Verhalten müssen übereinstimmen

Ferner wird nicht behauptet, dass das hier vertretene Bildungsverständnis er- folgreicheres Lernen der Kinder garantiere. Wir – und damit meine ich die vie- len Einrichtungen, die nach den hier dargestellten Vorstellungen und Gedan- ken arbeiten – sind zwar davon überzeugt, dass es so ist, und könnten zahllose Alltagsbelege dafür anbringen. Aber es wurde bislang nicht in einem größeren Stil „empirisch“ untersucht. Die Empirie dieses Bildungsgedankens ist eine an- dere. Sie beruht auf einer engen Kooperation von Praxis und Theorie, einer dialogischen Empirie. D.h., es werden hier keine Behauptungen aufgestellt, die sich nicht in dieser Kooperation als praktikabel, hilfreich und handlungsleitend erwiesen haben – auch wenn es manchmal vielleicht auf den erste Blick nicht glaubhaft erscheinen mag. Der Grund, warum wir diese Bildungsvorstellungen dennoch – im Ausgang von Vorbildern – differenziert weiterentwickelt haben, liegt nicht in einer einseitigen Begründung durch Lernerfolge, sondern auf ei- ner anderen Ebene: Es galt ein Bildungsverständnis praktisch und theoretisch zu durchdenken, das nicht von vornherein auf einem Widerspruch aufbaut, nämlich die Selbständigkeit der Kinder zu wünschen und zu propagieren, das konkrete Lernen der Kinder aber auf einem Nach-Denken dessen aufzubauen, was Erwachsene vor-gedacht haben.

Dieser innere Widerspruch muss vor allem dann vermieden werden, wenn man pädagogisches Handeln nicht nur auf explizite, bewusstseinsgesteuerte und argumentativ vertretene Prozesse stützt, sondern ein implizites, erfah- rungsbezogenes, biographisch erworbenes und verkörpertes Tun und Denken mit einbezieht. Das bedeutet, in das fachliche Handeln auch die wenig reflek- tierten, spontanen Alltagshandlungen einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund wird es zu einem Problem pädagogischen Handelns, wenn das implizite All- tagshandeln expliziten Behauptungen von der Berücksichtigung der subjekti- ven, „forschenden“ Aktivität des Kindes widerspricht. Dies zu bedenken ist vor allem in einer Pädagogik der frühen Kindheit wichtig, weil der Alltag und das in ihm stattfindende Beziehungsgeschehen den Ausgangspunkt für alle frühen Bildungsprozesse bildet und nicht die absichtlich geplanten pädagogischen Bil- dungs- und Fördervorhaben.

Beteiligung statt Kompetenzvermittlung

Bildungsprozesse verbinden eine Tätigkeit des Kindes, die aus seinem Neu- gier- und Explorationsverhalten hervorgeht, mit einem sozialen und gesell- schaftlichen Handeln, welches den Kindern die Beteiligung am sozialen und

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kulturellen Leben – nach Maßgabe seiner augenblicklichen biographischen Möglichkeiten – von Geburt an eröffnet oder tendenziell verschließt. Wenn in diesem Sinne Bildung mit der Geburt beginnt, dann beginnt Beteiligung gewis- sermaßen an der Mutterbrust, denn kein Stillen oder Füttern gelingt, ohne dass dem Baby ein Rahmen bereitgestellt wird, der diese Beteiligung zulässt und gestaltet. Dieser Rahmen, der zu allererst aus den Beziehungsformen und den Sachwelten besteht, welche die Erwachsenen im Kontext ihrer sozialen und kulturellen Verhältnisse zur Verfügung stellen, macht den Anteil der Erziehung am Bildungsprozess aus. Er ermöglicht, unterstützt oder versperrt dem Kind Beteiligungsmöglichkeiten. Wo soziale Beziehungen, sachliche Möglichkeiten und neugieriges Handeln des Kindes eine Verbindung eingehen, können Bil- dungsprozesse entstehen. Bildung wird daher weder als ein individueller Pro- zess des Kindes, noch als ein sozialer Konstruktionsprozess, sondern als ein Interaktionsprozess zwischen Kind, sozialen Beziehungen und kulturellen Be- dingungen verstanden.

Daher wird man die in der Pädagogik der frühen Kindheit vorherrschende fachliche Rhetorik der Kompetenzvermittlung oder Förderung im Folgenden nicht vorfinden. Vielmehr wird der kindliche Bildungsprozess konsequent aus der Perspektive der Beteiligung beschrieben: Bildung wird in erster Linie ver- standen als ein Sich-Bilden durch Beteiligung. Erziehung sichert die sozialen, sachlichen und institutionellen Bedingungen dafür. Erfahrungen sind das in- dividuelle Ergebnis von Beteiligung. Sie sind damit auch die erste Weise früher Bildungsprozesse. Sie umfassen das implizite, in alltäglichen Praktiken verbor- gene Wissen, wie – zunehmend – das explizite, bewusste Wissen. Dabei fallen sie unterschiedlich aus, je nachdem sie in einem Rahmen sozialer Unterstützung, der Gleichgültigkeit, des Mangels oder der Disziplinierung gemacht werden.

Anschluss an eine frühpädagogische Diskussion

Ich hatte gehofft, dass das 2013 erschienene „Handbuch frühkindliche Bildungs- forschung“4 es mir erleichtern würde, meine Überlegungen in einen größeren Kontext frühpädagogischer Bildungsforschung einfügen zu können. Doch musste ich feststellen, dass die Ansammlung von Positionen in diesem Hand- buch erst einmal selbst vor einem kritischen Hintergrund in einen Zusammen- hang gebracht werden müsste. Das muss ich auf einen späteren Zeitpunkt ver- schieben.5 Ich möchte aber nicht versäumen, meine Überlegungen mit einem

4 Stamm, Edelmann 2013

5 Darüber hinaus fällt die Verarbeitung und Diskussion der unterschiedlichen Positionen auch höchst unterschiedlich aus. Es finden sich – in unterschiedlichen Beiträgen, die ich gelesen habe – ein- seitige Blickwinkel, Urteile, die auf der Lektüre von Sekundärliteratur beruhen, ungenaue Quellen-

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anderen Autor zum Thema frühpädagogischer Bildung und Erziehung in Bezie- hung zu setzen, dessen fundierte und abgewogene Darstellung eine inhaltliche Auseinandersetzung fruchtbar macht: Ludwig Liegles Band „Frühpädagogik“6.

Mit Liegle teile ich zwei Grundüberzeugungen: zum einen den dialogischen Charakter der pädagogischen Beziehungen, zum anderen die anthropologische Trias, die Liegle mit Pestalozzi formuliert: Kinder als „Werk“ der Natur, der Gesell- schaft und ihrer selbst. Er diskutiert jedoch andere Schwerpunkte: Während er den sozialen Kontext von Kindsein und Kindheit im Rahmen von Generationenbezie- hungen, Familie und Institutionen in besonderer Weise herausarbeitet, geht es mir um eine genauere Untersuchung des Handlungs- und Beziehungsfeldes zwischen Kind, Sache und sozialen Beziehungen. Dabei betrachte ich diese Schwerpunkt- setzungen keinesfalls als ein grundsätzliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Liegle und mir, sondern als ein Ergebnis sinnvoller Arbeitsteilung. Es ist kaum möglich, die Aufmerksamkeit gleichermaßen sorgfältig auf dieses soziale Netz und seine Konstruktionsbedingungen zu lenken, wie auch auf die Prozesse des Zusam- menspiels von individuellem kindlichen Tun, sozialen Beziehungen und themati- schen Sachbezügen. Ich setzte also die von Liegle skizzierten sozialen und institu- tionellen Bezüge voraus und sehe mich in keinem grundsätzlichen Widerspruch zu seinen Positionen. Vielmehr verstehe ich meinen eigenen Beitrag als einen, der diese Aspekte, erstens, aufgreift und, zweitens, in den von mir herausgehobenen Themenfeldern unterschiedlich akzentuiert, weiterdenkt und differenziert.

Dies lässt sich u. a. am Entwicklungsverständnis zeigen. Liegle kennzeichnet die kindliche Entwicklung als ein Zusammenspiel von biologisch-genetischen sowie historisch-gesellschaftlichen, soziokulturellen Faktoren. Er diskutiert es in den Facetten einiger entwicklungspsychologischer Ansätze und bezieht sich dabei auch auf das Modell der „kulturellen Natur“7, in dem die Polarität zwischen biologischen und soziokulturellen Einflussfaktoren zugunsten einer

„spannungsreichen Einheit“ aufgehoben wird. Er deutet auch ein kulturelles Evolutionsverständnis an, welches zwischen biologisch-genetischen sowie so- ziokulturellen Einflussfaktoren vermittelt.

Genau hier setzen meine eigenen weiterführenden Überlegungen an: Die Gegenüberstellung von Biologie und Gesellschaft in diesen Entwicklungsvor- stellungen konnte nicht von der Seite der Sozialwissenschaften weiter aufgelöst werden. Sowohl bei Vygotskij8 als auch Rogoff9 bleibt diese Einheit eher eine Schlussfolgerung, deren Umsetzungsdetails wenig geklärt sind.

angaben oder ein unzureichender Stand der zur Kenntnis genommenen Literatur. Das betrifft – so- weit ich bisher sehe – nur einige Beiträge, erfordert jedoch in jedem einzelnen Fall dann doch eine genauere Prüfung. Auch damit wäre eine Arbeit wie diese überfrachtet.

6 Liegle 2013 7 Rogoff 2003 8 Vygotskij 2003 9 a. a. O.

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Es bedurfte einer erweiterten Diskussion im Bereich der Biologie, durch die schrittweise das Genkonzept von einem rein biologischen in ein Konzept verwan- delt wurde, das selbst im Schnittpunkt von Soma/Biologie, Psyche und Gesellschaft steht. In der Mikrosphäre der Zellen und Zellverbände wird von der biologischen Forschung immer mehr eine autonome Selbstregulation nachgewiesen, durch wel- che die Prozesse des Organismus sowie die seiner inneren Milieus und äußeren Um- welten miteinander wechselwirken. Letzteres hat seine Folgen für die Diskussion um Entwicklung. Es „entwickeln“ sich nicht mehr genetische Programme unter dem Einfluss von Umwelten. Der Prozess muss komplexer verstanden werden:

Etwa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts „stellte sich heraus, dass in jedem Ge- notyp das Potenzial für die Entwicklung zahlloser Phänotypen steckt, von denen jeder das Ergebnis spezifischer Auseinandersetzungen mit den Bedingungen des Milieus sowie des jeweiligen Entwicklungsprozesses ist. Streng genommen ist es somit nicht korrekt zu sagen, der Phänotyp repräsentiere den Genotyp, denn diese Formulierung könnte in dem Sinne missverstanden werden, dass ein Phänotyp durch den jeweiligen Genotyp determiniert wird. Um der Wahrheit näher zu kommen, muss man den Spieß umkehren und postulieren, dass ein Genotyp die Summe aller möglichen (= exprimier- baren) Phänotypen … repräsentiert …

In der philosophischen Tradition war der Begriff der Möglichkeit nicht viel mehr als ein virtuelles Prinzip in einem abstrakten logischen Spiel. In seiner Rolle als Teil eines offenen genetischen Programms ist dieses Prinzip jedoch auf dem besten Wege, sich in einen realen Partner im konkreten Spiel der Evolution zu verwandeln.“10

In zweierlei Hinsicht ziehe ich Konsequenzen aus dieser Diskussion. Zum einen gibt es keine klare Grenze mehr zwischen Geist und Körper.11 Dem ent- spricht, dass in den ersten Lebensjahren eines Kindes zwischen körperlichen Handlungsprozessen und geistigen Denkprozessen kaum zu unterscheiden ist.

Dies gilt vor allem bis ins zweite Lebensjahr. Zum Zweiten übertrage ich diese Vorstellung von einem offenen Entwicklungsprozess (den ich in Kapitel 13 be- grifflich als Ontogenese fasse) in das frühpädagogische Handeln. Den Ansatz- punkt liefert mir das Konzept des frühen Erfahrungslernens, in welchem ein individueller Evolutionsprozess der Erfahrungsbildung vom ersten Moment des extrauterinen Lebens an die Verschränkung von biologischen Ausgangs- formen, kultureller Alltagsgestaltung und explorierender individueller Tätig- keit deutlich macht. Damit verbunden konkretisiere ich ein partizipatorisches,

10 Wieser 2007, S. 52

11 Einige Gründe dafür werden im Kapitel 10 diskutiert.

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pädagogisches Handeln, auch bis hinein in didaktische Bezüge innerhalb von konkreten pädagogischen Handlungsfeldern.

Das bedeutet, ich betrachte Entwicklung nicht nur abstrakt vor einem so- ziokulturellen Hintergrund, wie ihn Liegle prägnant zusammenfasst, sondern ganz konkret und in jedem Augenblick als das Ergebnis eines Zusammenspiels von individuellen Möglichkeiten und den sozialen wie sachlichen Angeboten der Mitwelt, in der ein Kind aufwächst. So verstehe ich, in Anlehnung an En- geström (2011), das Vygotskij’sche Konzept der „Zone der nächsten Entwick- lung“. Ich spreche nicht von mehr oder weniger abweichenden Entwicklungen, denn Abweichungen suggerieren eine Normalitätslinie, sondern von differenten Entwicklungen auf der Grundlage vorhandener Verhältnisse. Je nach den vor- liegenden sozialen, kulturellen und materiellen Verhältnissen finden differente Entwicklungsprozesse statt.12 Will man solche Differenzen nicht personalisie- ren, indem man sie gleichsam zu Eigenschaften der Kinder macht, die durch nachträgliche individuelle „Fördermöglichkeiten“ zu kompensieren sind, dann müssen die Entwicklungsbedingungen im sozialen, kulturellen und institutio- nellen Feld insgesamt so verändert werden, dass sie unterschiedlichen sozialen, kulturellen und Individuellen Bedarfen gerecht werden.13 Was die Möglichkei- ten einzelner Kinder sind, lässt sich nämlich erst feststellen, wenn man ihnen ein – gemessen an unserem heutigen Wissen – Optimum an sozialen Mit- und sachlichen Umwelten zur Verfügung gestellt hat.

Mit diesen wenigen Überlegungen zum Entwicklungsbegriff wollte ich zei- gen, wie eng die Perspektiven von Kultur, Gesellschaft, sozialer Lage und den Potenzialen einer individuellen Entwicklung miteinander verknüpft sind.14 Da- nach kann man nicht mehr über die kulturelle Relativität des Kindseins und sei- ner Entwicklungen sprechen, ohne sie bis in die alltäglichen Voraussetzungen und Abläufe von Bildungsprozessen hinein zu verlängern. Um es noch einmal zu wiederholen: Entwicklung ist aus meiner Perspektive das Ergebnis verwirk- lichter sozialer, sachlicher und subjektiver Möglichkeiten, nicht das eines vagen Zusammenspiels von Anlage und Umwelt; denn was Anlage ist, ist voller diffe- renter und unbestimmter Möglichkeiten, die in unterschiedlichen Umfeldern unterschiedlich wahrgenommen, interpretiert und verwirklicht werden.

12 Unsere gängigen Entwicklungsvorstellungen verdanken sich lediglich einer statistischen Summie- rung von Bildern der Differenz unter der Voraussetzung gegebener gesellschaftlicher Verhältnisse und spiegeln kein Apriori einer geistigen Entwicklung.

13 Ich vermute, ähnlich, wie ich Liegles Überlegungen zum sozialen, kulturellen, institutionellen Feld der Erziehung und Bildung in der frühen Kindheit zustimmen kann, könnte er auch meinen weiter- führenden Folgerungen zum Zusammenspiel der Entwicklung beipflichten. Aus meiner Perspektive jedenfalls sehe ich keine Gegensätze, sondern Ergänzungsverhältnisse.

14 mehr dazu in Kapitel 13 und 14

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Zu den einzelnen Kapiteln

Nach einer Standortbestimmung dieser Arbeit im Kontext vorangegangener Publikationen (Kapitel 1) betreibt das zweite Kapitel eine Art Phänomenologie meiner Wahrnehmung des frühpädagogischen Bildungsgeschehens, die ich in einigen Grundbegriffen zu konzentrieren versuche. Ich folge damit – ohne es hier weiter zu diskutieren – dem Devereux’schen Grundsatz: Wissenschaft be- ginnt mit dem, was der Wissenschaftler wahrnimmt.15

Damit problematisiere ich bereits den wissenschaftlichen Wahrnehmungsakt, vor al- len anderen forschungsmethodischen Schritten. Was man unter frühkindlicher Bildung versteht, beginnt bereits mit der Frage, was man davon überhaupt wahrnimmt – im Alltag und/oder in den Labors. Und dies hängt von unserer kulturellen Alltagswahr- nehmung wie von den zur wissenschaftlichen Forschung zugelassenen Phänomenen der Frühpädagogik ab.

Mein Ansatz besteht also darin, zunächst einmal diese Phänomene aus der Perspektive des pädagogischen Alltags zu beschreiben, um daraus dann Zu- sammenhänge in Begriffe zu fassen, die weiter mit strengeren Verfahren unter- sucht werden können und müssen.16 Die dabei in vielen Beobachtungen und Reflexionen von Praxisphänomenen entstandenen Begriffe erfassen für mich zentrale frühpädagogische Beziehungsaspekte. Sie greifen die Überlegung aus

„Was ist frühkindliche Bildung?“17 auf und versuchen wichtige Begrifflichkei- ten zum einen zusammenfassend darzustellen und zum anderen zu erweitern.

Es folgen drei Kapitel (3, 4, 5), mit welchen ich in das Konzept des Erfah- rungslernens anhand von drei Fallgeschichten – ebenfalls die Überlegungen von 2011 fortführend – vertiefen möchte. Sie enthalten auch – ohne systema- tische Vertiefung – wichtige theoretische Anknüpfungspunkte, welche Verbin- dungen zu Teil IV dieses Buches herstellen möchten.

Kapitel 6 fasst dann die Bildungsaufgabe zusammen, die sich daraus ergibt, dass mehr oder weniger alltägliche Erfahrungen zur Sprache gebracht werden.

Da 2013 in Zusammenarbeit mit Angelika von der Beek auch ein Buch

15 Devereux, G. 1973

16 Ich gehe also nicht von etablierten Theorien aus, deren Konzepte und Begriffe ich dann zur Grund- lage einer frühpädagogischen Fragestellung mache, sondern umgekehrt, von der Alltagsbeschrei- bung, um von dort aus nach Konzepten und Theorien zu suchen, die dazu passen könnten. Dabei bin ich mir natürlich bewusst, dass ich nicht theorielos wahrnehmen und beschreiben, sondern nur eine weite, nicht durch ein bestimmtes Konzept beschränkte Perspektive einnehmen kann. Dies begründet für mich die Notwendigkeit eines multiperspektivischen wissenschaftlichen Vorgehens.

17 Schäfer 2014a, erstmals 2011

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über die „Didaktik in der frühen Kindheit“ entstanden ist, konnte ich auch die Umsetzungen dieser Hintergründe in einer am Alltagsleben orientierten partizipatorischen Didaktik mit berücksichtigen. In diesen Kapiteln schlägt sich vielleicht am sichtbarsten auch die enge Zusammenarbeit mit engagier- ten Praktikerinnen in den letzten fünfzehn Jahren nieder, in der Handeln und Denken einen untrennbaren Zusammenhang bilden. So befassen sich die wei- teren Kapitel (7, 8 und 9) mit didaktischen Grundfiguren, welche die Konse- quenz des erörterten Bildungsgedankens umzusetzen ermöglichen.

Die Kapitel 10 bis 12 versuchen schließlich, die theoretischen Bezüge, mit welchen ich den Bildungsgedanken in seiner Praxis und Theorie im Bereich der führen Kindheit ausdeute, zusammenzuführen und das frühe Erfahrungsler- nen als das grundlegende Bildungskonzept in der frühen Kindheit theoretisch zu begründen. Kapitel 13 fügt dieses Erfahrungskonzept in seine körperlichen Bezüge ein und begründet auf eine eigene Weise den von Rogoff (2003) ent- lehnten Begriff der „kulturellen Natur“. Kapitel 14 hingegen entfaltet dann, auf der anderen Seite, den gesellschaftlichen Kontext des frühen Bildungsgesche- hens. Es erläutert dabei, wie Bourdieus Habituskonzept, die Lücke zwischen der Mikroebene sozial gerahmter individueller Prozesse und der Makroebene politisch-ökonomischer Kräfte zu überbrücken vermag.

Die Zusammenfassung der wichtigsten Gedanken geht abschließend auf die Frage ein, warum für das gesamte Unternehmen der Bildungsbegriff gewählt wurde, und gibt einen Überblick über das Konzept einer Kultur des Lernens.

Man kann jedes Kapitel unabhängig von einer systematischen Reihenfolge lesen. Die einzelnen Kapitel stehen jedoch in einem Zusammenhang, der sich – so hoffe ich – bei der Lektüre der einzelnen Kapitel allmählich erschließen wird. Deshalb wurden gelegentliche inhaltliche Überschneidungen nicht nur in Kauf genommen. In jeweils unterschiedliche Zusammenhänge eingebettet – so jedenfalls meine Hoffnung – unterstützen sie die Vernetzung der einzelnen Kapitel zu einem vielfältigen Ganzen. So spiegelt auch die Konzeption dieses Bandes keine lineare, sondern eher eine zirkuläre Systematik.

Weitere Aufgaben bleiben: Der theoretische Rahmen bedarf in Zusammen- arbeit mit einer sich differenzierenden Praxis eines inhaltlichen Ausbaus; die praktisch und theoretisch entwickelten Konzepte sollten in weiterführenden empirisch-theoretischen Untersuchungen entweder gefestigt, ausgearbeitet oder auch korrigiert werden.

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Teil I: Grundlegungen

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1 Wie ich zu meinen Themen kam

„… doch seit einigen Jahren kommt es mir vor, als hätte ich die Welt umreist und, von einem mir unbekannten Kompass geleitet, den Ort wiedergefunden, an dem meine Ge- schichte begonnen hat“ 18

Biographie und Erziehungswissenschaft

Die eigene Biographie des Aufwachsens ist die Grundlage einer impliziten Pädagogik, an der sich eine professionell strukturierte und wissenschaftlich fundierte Pädagogik abarbeiten muss. Die Aufgabe einer solcherart reflek- tierten Pädagogik kann nur durch eine nachhaltige Transformation jener verinnerlichten Handlungs- und Haltungsmuster erreicht werden, die uns andernfalls immer wieder einholen, wenn wir gezwungen sind, „spontan“

pädagogisch zu handeln. Deshalb muss neues erziehungswissenschaftliches Können und Wissen mit jenen biographischen Mustern verlötet werden, die uns ein spontanes, sinnvolles Handeln mit verkürzten oder verhinder- ten Reflexionszeiten erlauben. Der Weg dazu führt über eine Ausbildung des pädagogischen Könnens und Wissens, die als allmähliche Transformation biographisch impliziten Könnens und Wissens in die Handlungs- und Denk- weisen eines erziehungswissenschaftlich begründbaren Könnens und Wis- sens verstanden werden muss. Ein besseres Wissen reicht für diese Transfor- mation nicht aus. Es muss – um nachhaltig verändert zu werden – mit einem Handeln verbunden werden, das Erfahrungen mit neuen Handlungsmustern möglich macht und vertieft. Gegebenenfalls geht es darum, alte implizite Handlungs- und Denkmuster außer Kraft zu setzen und neue nicht nur zu denken, sondern sich handelnd anzuverwandeln. Ein handlungsrelevan- tes erziehungswissenschaftliches Können und Wissen setzt die Bereitschaft zu einem biographischen Wandel voraus. Eine Ausbildung, die dies errei- chen will, benötigt einen Schon- und Spielraum, in dem neue, biographisch verankerte Muster reflexiv entstehen und sich handlungspraktisch festigen können. Ohne eine derart individuell vertiefte Verbindung von Theorie und Praxis bleibt erziehungswissenschaftliches Wissen theoretische Spielerei mit nicht kalkulierbaren Folgen.

Das ist der Grund, weshalb ich hier einige ausgewählte biographische No- tizen festhalte, die – soweit es mir möglich ist – Stationen meines Lebensweges

18 Billeter 2017, S. 72

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beschreiben, die mir für die Entwicklung meines erziehungswissenschaftlichen Denkens wichtig waren. Sie enthalten also einen Versuch, Individuelles und Allgemeines zum Thema miteinander zu verbinden. Die Bemerkungen ste- hen unter dem Vorbehalt, der bei allen autobiographischen Äußerungen an- gebracht ist, dem Risiko der Täuschung über sich selbst, hat man doch keinen äußeren Bezugspunkt, an dem man solche Aussagen über sich selbst überprü- fen könnte.

Biographische Notizen über Kindheit und Schule

Alles begann mit der Schule. Vom ersten Tag an fiel es mir schwer, mein Tun den Vorstellungen und Zielen der Lehrer unterzuordnen. Ich konnte für das, was ich tun musste, kein Interesse entfachen. Aber auch die Lehrerinnen und Lehrer interessierten sich nicht für mich. Ich war ein Leistungsobjekt und nur als solches hätte ich ihre Aufmerksamkeit erwarten können. Da ich mich je- doch der Leistung entzog, ist mir ein persönliches Interesse in der Regel ent- gangen. So schlug ich mich so recht und schlecht durch 13 Schuljahre, aus mei- ner heutigen Sicht eine weitgehend vertane Bildungszeit.

Natürlich gab es auch eine Zeit vor der Schule. Die Erinnerungen daran sind spärlich. Offensichtlich hat auch das kollektive Gedächtnis der Familie nicht viel davon „zur Sprache gebracht“, wie ich auch umgekehrt meine relative Unfähigkeit, mir Geschichten zu merken, damit in Verbindung bringe, dass über die Geschichten, die das familiäre Leben betrafen, kaum gesprochen wur- de. Es sind wenige markante Erinnerungen, die geblieben sind:

z Die Liebe zum Wasser und zum Draußen-Sein, die sich mir ein Leben lang erhielt. Das Trümmerfeld einer zerstörten Stadt, das mein Spielplatz war, bevor ich zur Schule kam. Der Wiederaufbau des großelterlichen Hauses, weitgehend in Eigenregie, der meine Eltern absorbierte, enthob mich der Gefahr, zu sehr betreut und beobachtet zu werden.

z Einen Kindergarten habe ich nie besucht, obwohl meine Mutter als Kinder- gärtnerin ausgebildet war, den Beruf jedoch nicht ausübte. Wozu auch in den Kindergarten gehen? Das war in bürgerlichen Familien unüblich, wo die Mutter zu Hause war.

z Und, schon in der ersten Schulzeit, der Fluss durch den ich waten konnte, samt dem Holzsteg, von dem aus man zu den Sandbänken darunter klettern konnte. Die dort heimischen Scharen von Stichlingen boten sich als Objek- te meines ersten biologischen Interesses. Ich wollte kennenlernen, was sich da in meiner unmittelbaren Umwelt an Lebewesen bewegte.

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Weniger ein Gefühl des Glücks durchzieht diese frühen Erinnerungen als eines der Freiheit, in der ich mich in das – spielend und explorierend – ver- tiefen konnte, was mir wichtig schien. Es war aber auch ein Gefühl des Unbe- haust-Seins, das den Umständen der Nachkriegszeit geschuldet war, Umzüge, Wiederaufbau des Hauses, in dem wir wohnen konnten nach dem Krieg, der Bezug des Einfamilienhauses, dem späteren dauerhaften Ort der Familie. Es war das Draußen, wo ich gerne zu Hause war. Und ich war es gewohnt, viel alleine zu sein.

Das war eine Situation, die meine explorierende Neugier in meinem alltäg- lichen Umfeld stark unterstützte, in der ich andererseits jedoch wenig von den Ordnungen erfuhr, in die einzufügen man von uns Kindern erwartete. Und diese Ordnungen brachen mit der Schule über mich herein.

Ich kann hier schon einfügen, dass ich mit dieser Skizze bisher auch die im- plizite, biographisch verankerte und noch wenig bewusste Pädagogik beschrie- ben habe, zu der ich zurückkehrte, als ich meinen beruflichen Weg als Lehrer und später als Erziehungswissenschaftler begann. Diese Wiederanbindung an Erfahrungen einer etwas einsamen Autonomie und einem Gefühl für experi- mentelle Freiheit wurde in der Zeit meiner akademischen Professionalisierung unterstützt durch den gesellschaftlichen „Kampf gegen das Establishment“ der autoritären bürgerlichen Strukturen und die gesellschaftlich geförderte Suche nach neuen pädagogischen Umgangsweisen, die sich dem schulischen Diktat widersetzten. Die Vorstellungswelt der Generation der Kriegsteilnehmer, die auch den Neubeginn nach dem Krieg bestimmte, war unglaubwürdig, ihre Au- torität brüchig geworden. Die vaterlosen Kinder19 –durch die Abwesenheit der Väter durch den Krieg und die Kriegsfolgen oder durch den Tod – probten den Aufstand und gewannen – zunächst – diesen Kampf gegen eine Ordnung, die auch den Krieg legitimiert hatte.

Nun begann also die Schule und drängte mir ein Lernen auf, das mir schwerfiel und mein Selbstbewusstsein immer weiter in eine Krise trieb, aus der ich mich erst nach dem Abitur allmählich herausarbeiten konnte. Hätte es nebenher nicht einige wenige Bereiche und ein paar Menschen gegeben, bei denen dieser Teufelskreis nicht einrastete, hätte mich dieses Schicksal sicher- lich meine bescheidene Schulkarriere gekostet und meinen Lebensweg in an- dere Richtungen gedrängt. Er könnte ja, wenn er wollte – so musste sich mein Vater, der Gymnasiallehrer, das Urteil seiner Kollegen über mich immer wieder anhören. Ja, aber in der Schule wollte ich meistens nicht.

Hätte ich nicht bemerkt, dass ich mich außerhalb der Schule durchaus in Dinge erfolgreich vertiefen konnte, dann hätte ich kein Empfinden von einem Zwiespalt entwickelt und nicht nach Gründen dafür suchen können, was mich

19 Mitscherlich 2003

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zu einem schlechten Lerner in der Schule gemacht hat und was für Erfolge eines Lernens weitgehend außerhalb schulischer Kontexte verantwortlich sein konnte. Ich fühlte nicht nur meine schulische „Lernbehinderung“, sondern auch meine Lernfähigkeit in anderen Kontexten.

Es gab wenige Ausnahmen, die jedoch umso bedeutsamer waren: das Kla- vierspiel, das ich ab dem Zeitpunkt mit Eifer betrieb, ab dem ich meine Kla- vierlehrerin los war. Das war für den Erfolg in einem naturwissenschaftlichen Gymnasium jedoch völlig bedeutungslos. Ein gewisses zeichnerisches Talent, dem ich in den späten Jugendjahren nachging. Da gab es wenigstens einen Zei- chenlehrer, der das anerkannte und mich förderte. Doch auch dieses Fach galt als Nebenfach, das zu einem quantifizierbaren Schulerfolg nichts beitrug. Die Beschäftigung mit der Kunst des 20. Jahrhunderts – in einer bayerischen Pro- vinzstadt war das in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts noch kein relevantes Thema – hat mir einen Einstieg in ein kulturwissenschaftliches Denken ver- schafft. Immerhin war diese Provinzstadt mit ihren historischen Bauwerken ein städtebauliches Juwel und mir war es vergönnt, mich in dieser gebauten Hochkultur täglich in aller Selbstverständlichkeit zu bewegen. Diese Verbin- dung von Sinnestätigkeit und Denken schien es zu sein, die ich benötigte, um mich für Dinge zu interessieren und zu engagieren. Das fand ich leider weder in den Sprachen noch im Literaturunterricht.

Und dann gab es noch die Biologie, der meine ganze Neigung in und außerhalb der Schule galt, ein Interesse, das mich bis heute noch beschäftigt und dazu gebracht hat, in meine sozial- und geisteswissenschaftlich geprägte Forschungstätigkeit biologische und – darüber hinaus – auch andere natur- wissenschaftliche Brennpunkte mit einzubeziehen. In der Biologie konnte ich eine biographische Linie ziehen, die von meinem Spiel „in der Natur“ über die Neugier an Pflanzen und Tieren bis zu den Präparaten reichte, die wir mit dem Mikrotom in einem Biologiekurs der Oberstufe selbst herstellten und unter- suchten. Und da bindet auch das theoretische Interesse an, welches dann in die mikrobiologischen Wissensfelder der 50er Jahre führten – heute ein beschei- denes Wissen.

Ich hatte also den Kontrast an mir erlebt: ein uninteressiertes und damit bedeutungsloses Lernen unter schulischen Bedingungen, und ein anderes Ler- nen, welches mir hoch bedeutsam vorkam und dem ich mich freiwillig und intensiv aussetzte – sofern ich nicht von erworbenen Aufmerksamkeitsstörun- gen geplagt war. Während ich im schulischen Lernen immer etwas nachzuvoll- ziehen hatte, das dann mit richtig oder falsch bewertet werden konnte, überließ ich mich bei meinen außerschulischen Tätigkeiten einem tastenden, explorie- renden, probierenden und hinterfragenden Denken, in dem es eher um mög- lich oder nicht möglich ging. Es trug eindeutig spielerische Züge. Es waren nicht die Inhalte, die diesem ernsthaften Tun das Spielerische gaben, sondern

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