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Was können Spiele zur frühen mathematischen Bildung beitragen?

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Academic year: 2021

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Stephanie SCHULER, Schwäbisch Gmünd

Was können Spiele zur frühen mathematischen Bildung beitragen? Chancen, Bedingungen und Grenzen

In diesem Beitrag wird aufgezeigt, inwiefern Gesellschaftsspiele und di- daktische Abwandlungen zur frühen mathematischen Bildung beitragen können.

1 Forschungsdesign

Im Forschungsprojekt werden Materialien in einem ersten Schritt im Rah- men einer theoretischen Analyse auf ihre mathematischen Möglichkeiten untersucht und Kriterien zur Auswahl und Bewertung aufgestellt (vgl.

Schuler 2008). Neben fachbezogenen Kriterien wie z.B. Teilfähigkeiten des Zahlbegriffserwerbs (vgl. z.B. Resnick 1989) ist eine Passung auf konzep- tueller Ebene zu prüfen. In einem zweiten Schritt werden anhand von Vi- deodaten die empirischen Möglichkeiten theoretisch geeigneter Spiele un- tersucht. Dabei rücken bei der Datenauswertung zunächst mathematische Aktivitäten ins Blickfeld, die im Zusammenhang mit dem Zahlbegriffser- werb stehen. Um Bedingungen für diese mathematischen Aktivitäten zu formulieren, bedarf es einer genauen Beschreibung der Spielsituation und des Kontexts sowie einer Analyse der Interaktion und der Artikulations- formen.

Der Methodologie der Grounded Theory (vgl. Krotz 2005, Mey & Mruck 2007, Strauss & Corbin 1996) folgend sind Phase 1 und 2 nicht als ein einmaliges Nacheinander zu verstehen, sondern als eine Spirale angelegt, die im Laufe des Forschungsprozesses mehrmals durchlaufen wird. So kommt es zu einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Forschungsfra-

Zahlbegriffserwerb im Kindergarten

1. Theoretische Analyse von Materialien

ƒ Geeignete Materialien?

ƒ Kriterien zur Auswahl und Bewertung?

ƒ Theoretisches Potential?

2. Empirische Videostudie

ƒ Empirisches Potential?

ƒ Bedingungen für mathe- matische Aktivitäten?

ƒ Weitere Kriterien?

Theorie über die Bedingungen eines Spieleinsatzes als Beitrag zur frühen mathematischen Bildung

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gen und der Kriterien. Ziel der Datenauswertung ist es, mittels der metho- dischen Instrumente theoretical sampling, theoretisches Codieren und Ver- gleichen eine Theorie mittlerer Reichweite über die Bedingungen eines Spieleinsatzes als Beitrag zur frühen mathematischen Bildung zu formulie- ren.

2 Spielidee „Stechen“ – theoretisches und empirisches Potenzial Anhand des Spiels „Stechen“ wird im Folgenden der Forschungsprozess exemplarisch nachgezeichnet.

Theoretisches Potenzial Stechen Spielidee

Mengenvergleich (mehr/ weniger, gleichviel) ++ Die größere Zahl ge- winnt.

Aufsagen der Zahlwortreihe + Abzählen von Objekten (einzeln, weiter,

Schritte)

+

Vorgänger/Nachfolger Aufbau Würfelbilder/ Wiedererkennen Wür-

felbilder

+ Aufbau anderer Punktbilder/Anordnungen

Teil-Ganzes-Beziehungen +

Zuordnung Zahl-Menge Erstes Rechnen

+: möglich, kann stattfinden ++: zutreffend, wird in hohem Maße unterstützt Zentrale Anforderung und damit mathematische Möglichkeit des Spiels ist der Mengenvergleich. Dieser kann entweder perzeptiv, d.h. durch Überbli- cken (mehr/weniger, gleichviel), oder konzeptuell, d.h. unter Rückgriff auf Wissen, dass 5 mehr als 1 oder 4 mehr als 3 ist, vorgenommen werden. Die genaue Anzahlbestimmung ist nur für letzteres notwendig und kann hier wiederum zählend, über das Wiedererkennen von Würfelbildern oder die Simultan- und Quasisimultanerfassung erfolgen. Des Weiteren können die abgebildeten Mengen als Zusammensetzung aus Teilmengen wahrgenom- men bzw. betrachtet werden.

Ein stark vereinfachter Transkriptausschnitt illustriert eine typische Spiel- sequenz: Im „normalen“ Spielverlauf werden Mengen erfasst und vergli- chen. Artikuliert und expliziert werden diese mathematischen Aktivitäten primär durch Handlungen, teilweise auch verbal in Form von Kommenta- ren.

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Sprecher Transkript Paraphrase

(Handlung, Gestik, Mimik)

Storyboard

Kim Eins.. vier.

Sera deckt eine Eins auf.

Kim deckt eine Vier auf.

Kim nimmt sich die beiden

Karten. Sera Kim

Damit sind die Möglichkeiten des Spiels jedoch nicht erschöpft. In man- chen Sequenzen kommt es zu einer quantitativen und qualitativen Zunahme verbaler Kommunikation. Spielhandlungen werden durch Gestik und ver- bale Kommentare in einem größeren Maß expliziert. Zudem treten neben fachliche auch prozessbezogene mathematische Aktivitäten wie Begrün- den, Vermuten und Vorhersagen Treffen.

Sprecher Transkript Paraphrase

(Handlung, Gestik, Mimik)

Storyboard

Sera Hop.

Kim deckt eine Vier auf.

Sera deckt eine Fünf auf; Celine schaut beide Karten an, schiebt

Seras Karte zu Kim. Kim Sera

Kim Äähh. Kim schiebt die zwei Karten mit beiden Händen zurück zu Sera.

Ephraim Die hatte vier und die hat fünf.

Ephraim zeigt mit der rechten Hand zuerst auf Kim, dann in Celines Richtung.

Ausgelöst werden solche Sequenzen z.B. durch Fehler, die für den Spiel- verlauf relevant sind (s. oben), aber auch durch Probleme im Spielverlauf (Karten gleichmäßig verteilen, Gleichmächtigkeit, Gewinner ermitteln) oder durch Fragen, Impulse und Kommentare der Erzieherin.

3 Chancen, Bedingungen und Grenzen von Spielen

Das mathematische Potenzial eines Spiels bewegt sich in einem Dreieck zwischen den theoretischen Möglichkeiten des Spiels, den Voraussetzun- gen auf Seiten der Erzieherin und den Spielern bzw. Zuschauern. Folglich ist das mathematische Potenzial keine feste Größe, sondern eingebunden in einen Kontext. Diese noch weiter zu explizierenden Bedingungen zeigen gleichzeitig die Grenzen auf.

Mathematisches Potenzial im Kontext Erzieherin Spiel

Spieler, Zuschauer

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Die Möglichkeiten eines Spiels sind einerseits durch die Spielidee und an- dererseits durch das Spielmaterial gekennzeichnet. Die Spielidee verweist auf typische fachliche Aktivitäten, in unserem Beispiel Anzahlbestimmung und Mengenvergleich. Variationen der Spielidee (z.B. die mittlere Zahl gewinnt) und des Spielmaterials (z.B. Verwendung von Spielkarten mit anderen Anordnungen) ermöglichen andere mathematische Aktivitäten.

Auf Seiten der Erzieherin unterscheiden wir aufgrund der Datenauswertung drei Voraussetzungen: mathematikdidaktische Kompetenz, Gesprächskom- petenz und individuelle Präsenz (für eine genauere Ausführung dieses Punktes vgl. Schuler & Wittmann 2009). Die Frage „Wer hat mehr?“ zielt beispielsweise eher auf fachliche Kompetenzen, wohingegen „Woher weißt du, dass du mehr hast?“ auch prozessbezogene Kompetenzen mit einbe- zieht. Spieler und Zuschauer als Bedingung verweisen darauf, dass es beim Spielen nicht nur um mathematische Aktivitäten, sondern auch um ein so- ziales Geschehen mit bestimmten Merkmalen geht. Spiele erfordern Spiel- partnerschaften, die im Spiel, in unserem Beispiel in einer Konkurrenzsi- tuation mit hohem Zufallsanteil, tragfähig sind. Diese Bedingung wird rela- tiviert durch den sozialen Aufforderungscharakter von Spielen, der einen reduzierten Einbezug von Zuschauern in das Spielgeschehen ermöglicht.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Analyse der theoretischen Möglichkeiten eines Spiels ein sinnvoller und notwendiger Ausgangspunkt ist. Durch die Interpretation der Daten ergeben sich jedoch noch weitere Perspektiven auf die mathematischen Möglichkeiten. So kann das Unterb- rechen der Spielroutine zu einer Erweiterung der fachlichen Möglichkeiten und des verbalen Ausdrucks führen und prozessbezogene Möglichkeiten erst in den Blick rücken.

Literatur

Krotz, F. (2005). Neue Theorien entwickeln: Ene Einführung in die Grounded Theory, die Heuristische Sozialforschung und die Ethnographie anhand von Beispielen aus der Kommunikationsforschung. Köln: von Halem.

Mey, G. & Mruck, K. (2007) (Hrsg.). Grounded Theory Reader. Köln: Zentrum für His- torische Sozialforschung.

Resnick, L.B. (1989). Developing Mathematical Knowledge, in American Psychologist, 2, S. 162–168.

Schuler, S. (2008). Was können Mathematikmaterialien im Kindergarten leisten? – Kri- terien für eine gezielte Bewertung, in Beiträge zum Mathematikunterricht. Hildes- heim: Franzbecker (CD-ROM).

Schuler, S. & Wittmann, G. (2009). How can games contribute to early mathematics education? A video-based study. CERME 6, Lyon 2009.

Strauss, A. & Corbin, J. (1996). Grounded Theory. Grundlagen Qualitativer Sozialfor- schung. Weinheim: Beltz.

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