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Vergütungsansprüche des gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren

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Academic year: 2022

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AG Nürnberg, Endurteil v. 18.10.2019 – 22 C 3045/19 Titel:

Vergütungsansprüche des gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren

Normenketten:

SchVG § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 6, § 19 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 InsO § 53, § 54, § 55

BGB § 611, § 612, § 670, § 675 Leitsätze:

§ 7 VI SchVG normiert - zumindest im Rahmen der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters in einem Insolvenzverfahren nach § 19 SchVG - einen zusätzlichen gesetzlichen Vergütungsanspruch gegen den Insolvenzschuldner. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

1. § 7 Abs. 6 SchVG verdrängt nicht den Vergütungsanspruch des nach § 19 Abs. 2 S. 1 SchVG berufenen Vertreters gegen die von ihm im Insolvenzverfahren vertretenen Schuldverschreibungsgläubiger aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag. (Rn. 19 – 32) (redaktioneller Leitsatz)

2. Der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren zählt weder zu den Kosten des Insolvenzverfahrens noch zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz) Schlagworte:

Anleihegläubiger, Masseverbindlichkeit, Insolvenzmasse, Vergütungsanspruch, gemeinsamer Vertreter, Insolvenzverfahren, Schuldner, Geschäftsbesorgungsvertrag

Fundstellen:

ZInsO 2020, 2449 BeckRS 2019, 49153 LSK 2019, 49153  

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagtenseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 916,30 € festgesetzt.

Tatbestand 1

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche aus einer Tätigkeit des Beklagten als gemeinsamer Vertreter nach dem Schuldverschreibungsgesetz (im Folgenden SchVG).

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Der Kläger ist Inhaber von 4 Inhaberschuldverschreibungen mit den Nummern OSV00…_01,

OSV00YYYYY_01, OSV001ZZZZZ und OSVXXYYZZ. Derartige Schuldverschreibungen wurden vor dem Jahre 2014 von der F B KG aA in einem Umfang von insgesamt ca. 667.173.000,00 EUR ausgegeben. Dies erfolgte in insgesamt 4.852 Gesamtemissionen im Sinne des § 1 Abs. 1 SchVG als sogenannte

Schuldverschreibungsserien. Die Schuldverschreibungen wurden dabei als Orderschuldverschreibung kleinteilig an größtenteils private Anleger vertrieben, wobei jede Schuldverschreibung auch

wertpapierrechtlich tatsächlich als Einzelurkunde ausgestellt wurde. Am 01.04.2014 wurde über das

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Vermögen der F B KG aA das Insolvenzverfahren beim Amtsgericht Dresden - Insolvenzgericht - unter dem Aktenzeichen … IN …/13 eröffnet. Der Beklagte wurde von einer durch das Insolvenzgericht nach § 19 Abs.

2 Schuldverschreibungsgesetz einberufenen und durchgeführten Gläubigerversammlung vom 13.05.2014 zum gemeinsamen Vertreter aller Schuldverschreibungsgläubiger bestellt. Der Insolvenzverwalter

Rechtsanwalt Dr. K. teilte zuvor mit Schreiben vom 03.04.2014 den Inhabern von

Orderschuldverschreibungen mit, dass Kosten durch die Beauftragung eines gemeinsamen Vertreters nicht entstehen würden, da dessen Vergütung und Auslagen von der Insolvenzmasse zu tragen wären. In der Folge war der Beklagte als gemeinsamer Vertreter aller Schuldverschreibungsgläubiger über Jahre tätig.

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Bei der Auszahlung der im Rahmen seiner Aufgaben eingezogenen Insolvenzquote brachte der Beklagte für die Orderschuldverschreibung mit der in Endziffer 530 einen Betrag von 458,15 EUR, für die

Orderschuldverschreibung mit der Endziffer 789 einen Betrag von 130,90 EUR, für die Orderschuldverschreibung mit der Endziffer 899 einen Betrag von 130,90 EUR und für die

Orderschuldverschreibung mit der Endziffer 995 einen Betrag von 196,35 EUR, mithin insgesamt 916,30 EUR in Abzug und behielt diese ein.

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Der Klägervertreter forderte den Beklagten mit Schreiben vom 04.03.2019 auf, diese Beträge bis spätestens 15.03.2019 auszuzahlen. Eine entsprechende Auszahlung erfolgte bis dato nicht.

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Der Kläger ist der Ansicht, dass die Vergütungsregelung des § 7 Abs. 6 SchVG abschließend sei und der Beklagte als gemeinsamer Vertreter lediglich gegenüber dem Insolvenzschuldner seine Vergütung geltend machen könne.

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Der Kläger beantragt deshalb,

1. Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 916,30 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten für die Zeit ab 16.3.2019 zu bezahlen.

2. Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 147,55 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

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Der Beklagte beantragt, Die Klage wird abgewiesen.

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Die Beklagtenseite ist der Meinung, dass aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 12.1.2017, Az. IX ZR 87/16 zu folgern sei, dass auch die vom gemeinsamen Vertreter vertretenen Anleihegläubiger Vergütungsschuldner seien.

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Hinsichtlich des weiteren Rechtsvortrages wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und die eingereichten Anlagen.

Entscheidungsgründe 10

Die zulässige Klage ist unbegründet.

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1. Der Beklagte hat einen Vergütungsanspruch gegen den Kläger und ist somit zum Einbehalt der aufgeführten Beträge berechtigt.

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a) Ein Vergütungsanspruch nach §§ 675, 611, 612 BGB besteht dem Grunde nach. Der Beklagte ist für den Kläger entgeltlich tätig geworden.

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Der Beklagte wurde durch die Mehrheit der Gläubiger zum gemeinsamen Vertreter bestellt. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG können die Gläubiger durch Mehrheitsbeschluss zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger bestellen. Nach § 5 Abs. 2 SchVG sind die Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger für alle Gläubiger derselben Anleihe gleichermaßen verbindlich.

Nach § 19 Abs. 3 SchVG ist ein gemeinsamer Vertreter für alle Gläubiger dann allein berechtigt und verpflichtet, die Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen.

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Der Kläger ist damit als Auftraggeber des Beklagten im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages zu qualifizieren.

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b) Der Vergütungsanspruch gegen den Auftraggeber wird nicht durch § 7 Abs. 6 SchVG verdrängt.

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Es handelt sich insoweit nicht um eine abschließende und ausschließliche Sonderregelung.

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Das Gericht schließt sich insoweit vollumfänglich der von der Beklagtenseite vertretenen Auffassung an.

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Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 12.01.2017 kann nur dahingehend interpretiert werden, dass die gesetzliche Vergütungsregelung des § 7 Abs. 6 SchVG nicht abschließend zu verstehen ist.

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Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofes regeln weder das Schuldverschreibungsgesetz noch die Insolvenzordnung, wie die Kostenaufwendungen eines erst im Insolvenzverfahren bestellten gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren geltend zu machen sind (Rn. 9, zitiert nach juris; Hervorhebungen durch Unterzeichner).

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Der Bundesgerichtshof entscheidet die Streitfrage dahingehend, dass der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters weder zu den Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 54 InsO zählt, noch eine sonstige Massenverbindlichkeit im Sinne von § 55 InsO darstellt, welche gemäß § 53 InsO aus der Insolvenzmasse vorab zu berichtigen wäre (Rn. 12). Diese im Ergebnis für die Anlagegläubiger und den gemeinsamen Vertreter nachteilige Entscheidung rechtfertigt der Bundesgerichtshof damit, dass der gemeinsame Vertreter einen aus der Regelung in § 7 Abs. 6 SchVG abgeleiteten und aufgrund der Abtretung an ihn in einen Zahlungsanspruch übergegangenen Freistellungsanspruch der von ihm vertretenen Anleihegläubiger gegen den Insolvenzschuldner geltend machen kann. § 19 des SchVGes eröffnet den Anleihegläubigern lediglich eine besondere Möglichkeit, sich für einen gemeinsamen Vertreter und damit für ein Bündelung ihrer Interessen zu entscheiden. Das Gesetz sieht jedoch nicht vor, dass die den Anleihegläubigern dadurch entstehenden Kosten im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners vorrangig oder gar als Massenverbindlichkeit zu berichtigen wären (Rn 27).

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Das Gericht ist deshalb davon überzeugt, dass § 7 Abs. 6 SchVG - zumindest im Rahmen der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters in einem Insolvenzverfahren nach § 19 SchVG - einen zusätzlichen gesetzlichen Vergütungsanspruch gegen den Insolvenzschuldner normieren soll. Es kann nicht

angenommen werden, dass diese Vorschrift sämtliche sonstigen Ansprüche nach allgemeinem Zivilrecht ausschließen soll.

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Zum einen ist der gemeinsame Vertreter im Rahmen eines zwanglos anzunehmenden

Geschäftsbesorgungsvertrages für die Anleihegläubiger tätig. Eine solche Tätigkeit ist schon nach der allgemeinen Verkehrsanschauung in der Regel nicht unentgeltlich.

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Zum anderen kann es nicht Ziel der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 6 SchVG i.V.m. § 19 SchVG gewesen sein, den gemeinsamen Vertreter ausschließlich auf einen unsicheren und in der Regel

zahlungsunfähigen Schuldner, nämlich den Insolvenzschuldner, zu verweisen. In einem solchen Falle wäre der gemeinsame Vertreter darauf angewiesen, erst nach Jahren seiner Tätigkeit und weitestgehender Abwicklung des Insolvenzverfahrens Vergütungsansprüche gegen einen Schuldner geltend zu machen, welcher regelmäßig allenfalls nur einen Bruchteil dieser Ansprüche befriedigen könnte. Abgesehen davon müsste der gemeinsame Vertreter erhebliche Haftungsrisiken nahezu unentgeltlich übernehmen.

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Einen solchen Regelungszweck unterstellt würde sich kein Rechtsanwalt mehr bereit erklären, im Rahmen eines Insolvenzverfahrens als gemeinsamer Vertreter für Anleihegläubiger aufzutreten. Dies kann nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung gewesen sein.

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Auch die von der Klägerseite angeführte Gesetzesbegründung zwingt nicht zu einer anderen Auslegung. In der Drucksache 16/12814, Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 29. 04. 2009, wird auf Seite 20 zu § 7 SchVG ausgeführt wie folgt: „Nach Absatz 6 hat der Schuldner die Kosten und Aufwendungen (vgl. § 670 BGB) zu tragen, die durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters entstehen, einschließlich einer angemessenen Vergütung des gemeinsamen Vertreters. Die Gläubiger sollen nicht mit Kosten belastet werden, da sie nicht über gemeinsame Mittel verfügen. Die Ansprüche des gemeinsamen Vertreters richten sich demzufolge direkt gegen den Schuldner. Der Schuldner hat die Kosten für einen gemeinsamen Vertreter zu tragen. Mehrere gemeinsame Vertreter können von den Gläubigern demnach nicht gleichzeitig auf seine Kosten bestellt werden. Haben die Gläubiger den gemeinsamen Vertreter durch

Mehrheitsbeschluss abberufen, können sie aber einen neuen gemeinsamen Vertreter bestellen, dessen Kosten ebenfalls dem Schuldner zur Last fallen.“

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Denn verkannt werden darf insoweit nicht, dass sich der Gesetzgeber hier mit dem „Normalfall“ der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach § 5 SchVG - also im laufenden Geschäftsbetrieb - befasst.

In solchen Fällen wird ein gemeinsamer Vertreter zur effektiven Interessenvertretung der

Schuldverschreibungsgläubiger dann benötigt, wenn Anleihebedingungen geändert werden sollen. In dieser Konstellation kann ein gemeinsamer Vertreter unverzüglich und unmittelbar den solventen

Schuldverschreibungsschuldner in Anspruch nehmen.

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Dies ist im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht mehr der Fall. Dann soll der gemeinsame Vertreter die Interessen der Schuldverschreibungsgläubiger im Insolvenzverfahren wahren. Dann aber zählen nach der o.g. Entscheidung des Bundesgerichtshofes seine Vergütungsforderungen nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens (welche nach Eröffnung regelmäßig als gedeckt angesehen werden können, da die Eröffnung nur bei gedeckten Verfahrenskosten erfolgen darf) oder sonstigen immerhin vorrangig, da vorab zu berichtigenden Masseverbindlichkeiten. Er kann sie gerade nicht zeitnah und mit Erfolgsaussicht geltend machen.

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Auf die besondere Interessenlage im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nach § 19 SchVG geht der Gesetzgeber in seiner Begründung auch nicht nur ansatzweise ein. Ein abschließender Regelungswille des Gesetzgebers für diesen Sonderfall ist nicht erkennbar.

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Ausgeschlossen durch diese Auslegung des § 7 Abs. 6 SchVG i.V.m. § 19 SchVG ist freilich nicht, dass der Schuldverschreibungsgläubiger sodann nach Abwicklung des Insolvenzverfahrens wegen dieser

Vergütungsansprüche den Schuldverschreibungsschuldner in Regress nehmen kann.

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c) Die Zusage des Insolvenzverwalters, dass keine Kosten anfallen, entfaltet gegenüber dem Beklagten keine Wirkung. Der Insolvenzverwalter steht in keiner schuldrechtlichen Verbindung mit dem Beklagten.

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Anzumerken bleibt überdies, dass diese Zusage vor der o.g. Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfolgte. Die Rechtslage dürfte zu diesem Zeitpunkt noch unübersichtlich gewesen sein (vgl. nur die

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Darstellung der Streitfrage in Veranneman/Rattunde, 2. Aufl. 2016, Kommentar zum SchVG § 19 Rn. 86- 91). Dies ändert jedoch nichts an der zivilrechtlichen Beurteilung der schuldrechtlichen Verbindung zwischen den Streitparteien.

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d) Die Vergütungshöhe ist mit Hinblick auf Nr. 3317 VV-RVG nicht zu beanstanden.

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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§

708 Nr. 11, 711 ZPO.

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