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Archiv "34 Captopril-Präparate kämpfen um Marktanteile: Qualitative Unterschiede sind sehr wahrscheinlich" (28.08.1995)

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POLITIK AKTUELL

Im Februar dieses Jahres ist die Patentschutzfrist für den ACE-Hem- mer Captopril abgelaufen. Rasanter als je zuvor bei einer anderen Sub- stanz sanken daraufhin die Preise der auf dem Arzneimittelmarkt angebo- tenen Präparate, deren Zahl sich al- lein für die 50-Milligramm-Version bis zum 1. Juli auf 34 erhöhte. Zu die- sem Datum wurde ein Festbetrag für diesen ACE-Hemmer bestimmt Die- ser liegt bei 146,69 DM für 100 Tablet- ten der Wirkstärke 50 Milligramm.

Das derzeit günstigste wirkstoffiden- tische Präparat ist mit 36,31 DM im Handel. Somit können sich die Ko- sten der Therapie von Hypertonie und/oder Herzinsuffizienz um den Faktor vier unterscheiden.

Diese Preisunterschiede mögen dem verordnenden Arzt verlockend erscheinen angesichts des Milliarden- lochs, das sich im Rahmen des Arz- neimittelbudgets aufgetan hat. Einige Hersteller kostengünstiger Präparate sind zudem nicht müßig, eventuelle Zweifel hinsichtlich der Bioverfüg- barkeit der „Preisbrecher" durch ver- stärkte Werbekampagnen auszuräu- men. Dies kann bei einigen Produk- ten durchaus der Fall sein. Doch wie steht es tatsächlich um die Austausch- barkeit wirkstoffidentischer Capto- pril-Präparate?

Dazu Prof. Dr. rer. nat. Henning Blume vom Deutschen Arzneiprü- fungsinstitut in Eschborn: „Bei den in die Festbetragsgruppen aufgenom- menen wirkstoffgleichen Captopril- Generika besteht zwangsläufig keine qualitative Gleichwertigkeit. Ganz im Gegenteil, die Qualitätsaspekte wer- den bei diesem Verfahren sogar be- wußt ausgeklammert! Alle Bemühun- gen, zu erreichen, daß relevante Ab- weichungen in der biopharmazeuti- schen Qualität bei der Festbetrags- gruppenbildung berücksichtigt wer- den, haben bedauerlicherweise nicht zu dem auch im Interesse des Patien- ten wünschenswerten Erfolg geführt.

So konnte nicht verhindert werden, daß zum Teil schnellfreisetzende Zu- bereitungen und Retardpräparate ei- nes Wirkstoffs in eine gemeinsame Festbetragsgruppe klassifiziert wor- den sind, obwohl sich diese per se re- levant in der Anflutung der Wirkung, der Wirkstärke und der Dauer der Ef- fekte unterscheiden." Von qualitati- ver Gleichwertigkeit und therapeuti- scher Austauschbarkeit könne also,

Wenn Gleiches doch nicht gleich ist: Wirkstoffidenti- sche Präparate sind nicht ohne weiteres austauschbar.

so Blume, innerhalb der Festbetrags- gruppen keineswegs in allen Fällen ausgegangen werden.

Grundsätzlich ist eine Substituti- on von wirkstoffgleichen Präparaten unter Beibehaltung des Dosierungs- schemas dann möglich, wenn die Pro- dukte eine analoge biopharmazeuti- sehe Qualität aufweisen. Darunter verstehen die Pharmazeuten, daß hin- sichtlich Ausmaß und Geschwindig- keit, mit der der Arzneistoff nach Ein- nahme der Tabletten ins Blut gelangt und schließlich am Wirkort vorliegt, keine relevanten Abweichungen be- stehen. Dies scheint bei den diskutier-

ten Captopril-Präparaten nicht unbe- dingt der Fall zu sein.

Erst kürzlich ist der Arzneimit- telkommission der deutschen Ärzte- schaft ein Bericht über unerwünschte Arzneimittelwirkungen nach einem Präparatewechsel mit der Bitte um Prüfung der pharmazeutischen Qua- lität der betreffenden Produkte zuge- leitet worden. Der behandelnde Arzt hatte bei der Substitution zweier Captopril-Generika (25 Milligramm) eine verminderte Blutdrucksenkung beobachtet. Nach anschließender Rückumstellung des Patienten wurde erneut der erwünschte Therapie- effekt festgestellt.

Bei Überprüfung der biopharma- zeutischen Qualität der eingesandten Untersuchungsmuster im Deutschen Arzneiprüfungsinstitut wurden zwi- schen beiden Produkten Unterschie- de in der Wirkstofffreisetzung festge- stellt. „Bereits dieses Einzelergebnis deutet darauf hin, daß offensichtlich nicht alle Captopril-Präparate am Markt eine identische biopharmazeu- tische Qualität aufweisen", so Frau Dr. Diana Keilhofer. „Inwieweit es sich bei diesem Untersuchungsbefund um therapeutisch relevante Abwei- chungen im Freisetzungsverhalten der Präparate handelt, kann aufgrund der gegenwärtigen Datenlage nicht abschließend beurteilt werden."

Die Frage der Übertragbarkeit von Daten zur In-vitro-Freisetzung auf die In-vivo-Situation beim Patien- ten sei für Captopril-Präparate noch relativ ungeklärt. In Anbetracht der Tatsache aber, daß das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinproduk- te (BfArM) in Berlin für die Zulas- sung von Captopril-Generika keine Bioverfügbarkeits-Untersuchungen zum Nachweis der Bioäquivalenz verlangt, komme gerade bei diesen Produkten der ordnungsgemäßen pharmazeutischen Qualität eine her- ausragende Bedeutung zu.

Somit liegt es im Zuständigkeits:

bereich des jeweiligen pharmazeuti- schen Herstellers, entweder für sein Produkt zu belegen, daß es eine dem Erstanmelder entsprechende Qua- lität (also auch eine vergleichbare In- vitro-Freisetzung) aufweist, oder aber nachzuweisen, daß eventuelle Unter- schiede der Bioäquivalenz nicht rele- vant sind. Erst wenn diese Vorausset-

34 Ca atopri -Präparate kämpfen um Mar(tanteile

Qualitative Unterschiede sind sehr wahrscheinlich

A-2238 (28) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 34/35, 28. August 1995

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POLITIK

zungen erfüllt sind, kann von thera- peutischer Austauschbarkeit und qualitativer Gleichwertigkeit ausge- gangen werden.

In Anbetracht der derzeit gülti- gen Zulassungsanforderungen muß laut Prof. Blume davon ausgegangen werden, daß zu den meisten der im Handel befindlichen Captopril- Präparate keine Untersuchungen zur Bioverfügbarkeit vorliegen. Um ei- nen Qualitätsvergleich zu ermögli- chen, hat das Deutsche Arzneiprü- fungsinstitut eine vergleichende Rei- henuntersuchung mit sämtlichen captoprilhaltigen Fertigarzneimitteln in der Dosierung von 25 Milligramm gestartet. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im Herbst 1995 vorlie- gen. Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

Pharmazeutisches Sicherheitsnetz

Mit dem Deutschen Arznei- prüfungsinstitut und dem Zen- trallaboratorium der Deutschen Apotheker haben die Pharmazeu- ten aus eigenen Mitteln zwei lei- stungsfähige Kontrollinstanzen für den Arzneimittelmarkt ge- schaffen.

Allein in den letzten zwölf Monaten wurde die Qualität von 1 493 Fertigarzneimitteln über- prüft, die bei den Arzneimittel- kommissionen der Apotheker und der Ärzte beanstandet worden wa- ren. Dies hatte in 40 Fällen einen Chargenrückruf zur Folge, und drei Präparate wurden vom Markt genommen. Darüber hinaus führ- ten die Apotheker 13 Reihenun- tersuchungen von wirkstoffidenti- schen Präparaten durch (unter anderem Furosemid, Verapamil, Tamoxifen).

Neben Fertigarzneimitteln nimmt man in Eschborn auch die unterschiedlichsten Ausgangsstof- fe unter die „Lupe" — so werden beispielsweise Äthanol-Chargen aus der laufenden Produktion kon- trolliert und verschiedene Proben auf mikrobielle Kontamination, den Gehalt an Pestiziden, Schwer- metallen und Rauschmitteln über- prüft. zyl

AKTUELL/KOMMENTAR

Olivia Pilhar

Wann kann und muß unsere Ge- sellschaft den Eltern das Sorgerecht für ein dringend behandlungsbedürf- tiges Kind entziehen? Die Umstände um die sechsjährige Olivia Pilhar las- sen diese alte Zweifelsfrage wieder aufkommen Die Eltern von Olivia hatten sich von einem Scharlatan, der sich anmaßt, das Leid und den Tod ab- wenden zu können, verführen lassen.

Es war schwer, das Kind wieder einer ordentlichen Behandlung zuzuführen.

Es bleibt für den juristischen Lai- en unverständlich, warum nicht die Chemotherapie sofort als die drin- gend notwendige Therapieform be- ziehungsweise als die Chance zur Bekämpfung des Wilms-Tumors ak- zeptiert wurde.

Ein solcher Fall könnte auch in Deutschland geschehen. Die deutsche Gesetzgebung schreibt vor, daß die Mündigkeit mit 14 Jahren eintritt und dann ein Kind selbständig entschei- den kann, welche Therapie es be- schreiten will. Handelt es sich um, nach dem Gesetz, unmündige Kinder, haben die Eltern weiterhin das alleini- ge Bestimmungsrecht über die Wahl des Therapieweges oder der Behand- lungsmethode. Ausnahmen sind, das haben wir alle in den letzten Wochen hinreichend zur Kenntnis genommen, lebensbedrohliche Situationen, wenn zum Beispiel eine Bluttransfusion dringend nötig ist.

Es ist einzusehen, daß das Sorge- recht der Eltern über dem allgemei- nen Anspruch der Gesellschaft steht.

Steht aber nicht über dem Recht der Eltern das des Kindes auf eine opti- male Versorgung und zumindest auf einen schmerzfreien Zustand, der seit längerer Zeit nicht mehr existiert?

In dem ganzen Debakel, das sich seit Einschalten der Medien zu einem persönlichen Rachefeldzug des ehe- maligen Arztes Dr. Ryke Geerd Ha- mer, dem nach langem Ringen in Deutschland die Approbation entzo- gen worden ist, gegen die Schulmedi-

zin zuspitzt, bleibt dieses Kind auf der Strecke.

Wenn die Eltern, entsetzt von der Diagnose, die die Ärzte bei ihrer Tochter gestellt haben, die schmerz- freie Behandlung und vollkommene Genesung bei Hamer gesucht haben, so ist das in ihrer Verzweiflung, in der sie sich befanden, noch nachzuvollzie- hen. Allerdings bleibt unverständlich, warum sich die Eltern von ihrem Kind abwendeten, nachdem die Chemothe- rapie zwangsweise angeordnet wurde.

Man kann dieses Verhalten nur noch als ideologische beziehungsweise sek- tiererische Verbohrtheit deuten. Eine harte Informationsblockade zwischen Hamer und den Eltern hätte die ver- strichene Zeit zwischen der ersten Zu- stimmung der Eltern und der Zwangs- anordnung retten können.

Bei allem einfühlsamen Ver- ständnis, das von vielen Seiten für die Situation der Eltern und des Kindes gezeigt wurde, steht eins fest:

Hamer wird damit leben können, wenn Olivia stirbt; in seinem Kampf um die Anerkennung der außerschul- medizinischen Heilmethoden wird er sich bestätigt fühlen, wenn nicht sogar als Märtyrer hervorgehen. Bleibt nur der schale Nachgeschmack, daß dieser Kampf auf Kosten des Kindes und sei- ner Eltern geführt wird.

Schuld daran haben Behörden, Ärzte und die Medien — Behörden, weil sie nicht rechtzeitig mit Engage- ment intervenierten, sondern erst nach Anordnung des österreichischen Bundespräsidenten; Ärzte, weil sie sich darauf einließen, überhaupt mit diesem Mann zu verhandeln; und die Medien, weil sie sich um ihn gerissen haben.

Eine „Zweitauflage" eines sol- chen Dramas darf es nicht geben. Ärz- te können durch optimale psychoso- ziale Betreuung der betroffenen El- tern und Kinder, korrekte Aufklärung und einfühlsame Begleitung dazu bei- tragen, es zu verhindern. Catrin Marx

Elternrecht und Kinderwohl

A-2240 (30) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 34/35, 28. August 1995

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