DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
W
as sich seit einiger Zeit„unter der Decke" ab- zeichnete, hat Bundes- gesundheitsministerin Profes- sor Rita Süssmuth jetzt kur- zerhand ans Licht gebracht:
Der „Arzt im Praktikum" wird erst ein Jahr später einge- führt. Ab 1. Juli 1988 bis Ende 1992 (bisher geplant: Mitte 1987 bis Ende 1991) müssen Absolventen des Medizinstu- diums 18 Monate, danach zwei Jahre Praktikumsphase anschließen, bevor sie die Ap- probation erhalten und selb- ständig als Arzt tätig sein können.
So steht es in der 5. Verord- nung zur Änderung der Ap- probationsordnung für Ärzte, die von der Bundesregierung im August dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet wor- den ist. Die Verschiebung der Daten wird ganz einfach so begründet: Bei der bisherigen Terminplanung hätten wahr- scheinlich nicht genügend AiP-Stellen — benötigt werden 18 000, später sogar 24 000 — zur Verfügung gestanden, zu- mal die Tarifpartner sich noch über die Vergütungen eini- gen müssen.
Nun könnte man darüber spotten, daß den verantwort-
AIP mit
Verspätung
lichen Politikern nichts Besse- res einfällt, als die Problemlö- sung zu verschieben (übri- gens: bis nach der Bundes- tagswahl . . .). Aber eine Än- derung der eigentlichen Ursa- che der Studentenschwemme, nämlich der seit langem ver- fehlten Schul- und Bildungs- politik zusammen mit der
„Verordnung" weit überzoge- ner Ausbildungskapazitäten, ließe sich, wenn überhaupt, ohnehin nur in viel längeren Zeiträumen erreichen. Und unter den gegenwärtigen Ausbildungsbedingungen in der Medizin hat noch nie- mand etwas Überzeugende- res vorgeschlagen als eine ob- ligatorische Praktikumsphase nach dem Studium.
Frau Süssmuths — je nach Blickwinkel: mutiger oder verzweifelter — Schritt hat aber noch andere Konsequen- zen, über die sich in der näch- sten Zeit trefflich wird streiten
lassen. Die unzureichend praktisch ausgebildeten jun- gen Mediziner konnten ja bis- her, auch vor Einführung des AiP, nicht sofort als Kassen- arzt tätig werden, sondern mußten nach der Approbation eine 18monatige Vorberei- tungszeit absolvieren — eine Regelung, die eigentlich En- de 1988 auslaufen sollte.
Dieser Zeitplan stimmt nun aber nicht mehr, wenn die AiP-Phase erst Mitte 1988 an- läuft.
Frau Süssmuth weist also konsequent darauf hin: Man müßte durch Änderung des Kassenarztrechts die Gel- tungsdauer der Vorberei- tungszeit verlängern. Gegen diese logisch zwingende Fol- ge der AiP-Verzögerung gibt es aber bereits Widerstand.
Die Kassenärztliche Bundes- vereinigung hat sich jedoch schon nachdrücklich dafür ausgesprochen, im Interesse einer leistungsfähigen, quali- tativ hochstehenden und wirt- schaftlichen ambulanten Ver- sorgung die Vorbereitungs- zeit zu erhalten.
Das nächste Wort (und den
„Schwarzen Peter") hat jetzt der Bundesarbeitsminister. gb
A
n „Schlammschlachten", die andere Leute ange- fangen haben, sollte man sich nicht beteiligen; „die kämpfen wir dann besser in den eigenen Reihen aus", hieß es neulich im Organ ei- nes Berufsverbandes. An glei- cher Stelle war wenige Wo- chen vorher noch Konsens und Einheitlichkeit bei den Mindestanliegen verlangt worden, damit man den Angriffen auf die Therapie- freiheit des Berufsstandes„berufspolitische Effizienz"
entgegenstellen könne. Da- zu könne auch gehören — dies war als Anregung ge- dacht —, „Fachfortbildung"
einzuführen, mit „Ausbil- dungs- und Befähigungs-
Nein, danke!
nachweisen, fachkollegialen Überprüfungen und besonde- ren Zertifikaten".
Es ging hier allerdings nicht um Ärzte, sondern um Heil- praktiker. Und die haben wirklich einiges „in den eige- nen Reihen auszutragen", wie jetzt zum Beispiel die Forde- rung eines ihrer Verbände, die Heilpraktiker sollten zu den gesetzlichen Kranken- kassen zugelassen werden!
Andere Heilpraktiker-Ver- bände „distanzieren sich mit
aller Schärfe von dieser un- sinnigen Forderung". — Die Begründung dafür ist recht in- teressant: die Heilpraktiker, heißt es, streben einen aufge- klärten, für seine Gesundheit mitverantwortlichen Patien- ten an. (Frage: Die Ärzte etwa nicht?) Und: „Die ganz auf das Individuum ausgerichte- te, sehr unterschiedliche Be- handlung des einzelnen Men- schen ließe sich kaum in Schemaaufbau und Organisa- tion der gesetzlichen Kran- kenkassen einfügen"! Mit an- deren Worten: Zu gesetzlich festgeschriebenen Sozialbe- dingungen und zu politisch gedämpften Kassenhonoraren sagen die Heilpraktiker kurz:
Nein, danke. king
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 36 vom 3. September 1986 (1) 2325