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Archiv "Medizinisch-pharmazeutische Notfallbevorratung: Rasche Neuorientierung ist erforderlich" (16.11.2001)

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ie Bevorratung mit Sanitätsmateri- al für die medizinische Notfall- vorsorge im Rahmen des Zivil- schutzes ist seit der Mitte der 90er-Jahre durch die Bundesregierungen aus Ko- stengründen abgeschafft worden. Diese Maßnahme wurde mit der Beendigung des Ost-West-Konfliktes begründet. Der ersatzlose Wegfall der Sanitätsmittelbe- vorratung des Bundes wird zur Zeit in keiner Weise flächendeckend durch ad- äquate Vorsorgemaßnahmen der Bun- desländer für die friedenszeitliche Not- fallvorsorge kompensiert. Die Bundes- länder haben in der Vergangenheit keine wesentliche Bevorratung für den Kata- strophenschutz betrieben, da sie sich in ihren Vorsorgeplanungen bis 1995 stets auf Zivilschutzvorräte stützen konnten.

In Deutschland fehlen daher medizini- sche Notfallvorräte:

❃ in ausreichender Menge für Groß- schadensereignisse und Katastrophen,

❃ in standardisierten Ausstattungen für den Rettungsdienst,

❃ im Sanitätsdienst des Zivil- und Katastrophenschutzes,

❃ um die Krankenhäuser beim Mas- senanfall von Patienten funktionsfähig zu halten,

❃ an Antidota bei Vergiftungen.

Um die „Entbehrlichkeit“ von medizi- nischen Notfallvorräten zu begründen, wurde auf die Vorräte bei der Industrie, den Händlern und Apotheken verwie- sen, die man im Bedarfsfall nur zusam- menführen müsse. Bei singulären Groß- schadensereignissen wird man damit vielleicht den zusätzlichen Bedarf des Rettungsdienstes decken können. Für überregionale und lang andauernde Ka- tastrophenfälle oder gar für den Zivil- schutz reicht und funktioniert das auf gar keinen Fall. Der Bedarf an Arzneimit- teln und Medizinprodukten für den Zi- vilschutz kann weder kurzfristig noch

binnen eines Jahres zusätzlich produ- ziert und bereitgestellt werden. Pro- duktionsengpässe in der pharmazeuti- schen Industrie – zum Beispiel bei Blut- plasmapräparaten, Impfstoffen oder Medizinprodukten – haben schon in Normalzeiten wiederholt die Versorgung der Patienten beeinträchtigt.

Die im Grundgesetz verankerte Dua- lität der Notfallvorsorge mit der Zustän- digkeit des Bundes für den Zivilschutz im Verteidigungsfall und der Bundes- länder für den friedenszeitlichen Kata- strophenschutz verhindert einheitliche Strukturen in der Notfallvorsorge. Bis- lang geht jedes Bundesland eigene We- P O L I T I K

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A3006 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 46½½½½16. November 2001

Medizinisch-pharmazeutische Notfallbevorratung

Rasche Neuorientierung ist erforderlich

Die im Grundgesetz verankerte Dualität der Notfallvorsorge – mit der Zuständigkeit des Bundes für den Zivilschutz im Verteidigungsfall und der Bundesländer für den friedenszeit- lichen Katastrophenschutz – hat zu einem Mangel an Vorsorgemaßnahmen geführt.

Kommunale Notfallbevorratung für Großschadensereignisse

In allen Großstädten und Kreisen wird ein Ergänzungsvorrat mit Arzneimitteln, Medizinprodukten und Sanitätsmaterial für die akute präklinisch-medizinische Ver- sorgung beim Massenanfall von Patienten am Schadensort geschaffen:

• 1 Versorgungsset für 40 Notfallpatienten

• 1 Antidot-Set für 50–100 Vergiftungspatienten (inklusive Rettungspersonal)

• 1 Set für 20 Verbrennungspatienten.

Diese Notfallvorräte werden in Containern verpackt und bei den Rettungsdiensten der Kommunen und Landkreise zentral und jederzeit verlastbar bereitgestellt, um im Bedarfsfall schnell eine größere Materialreserve zu ermöglichen.

Klinikbevorratung der Bundesländer

Bei ausgewählten Krankenhausapotheken werden schwerpunktmäßig dezentrale Vorräte an Arzneimitteln und Medizinprodukten angelegt. Die Vorräte sind schnell über ein logistisches Netzwerk verfügbar und werden sachgerecht verwaltet. Durch Umwälzung im klinischen Betrieb wird ein Verfall der Vorräte vermieden.

Koordinierte Antidota-Vorräte

Unter Nutzung aller bereits verfügbaren Ressourcen bei den Pharmazeutischen Herstellern, der Chemischen Industrie, der Bundeswehr und den Apotheken soll- ten regionale Antidota-Depots eingerichtet werden, die sich unter anderem am Ge- fährdungspotenzial ihres Einzugsbereiches orientieren. Die nicht effektive Mini- mal-Bevorratung der öffentlichen Apotheken (gemäß Apothekenbetriebsord- nung) sollte aufgegeben werden; stattdessen sollten die Landesapothekerkammern in die Antidota-Bevorratung eingebunden werden.

Zivilschutzbevorratung des Bundes

Es sollten 8 bis 10 zentrale Depots mit Arzneimitteln, Medizinprodukten und Sa- nitätsmaterial konzipiert werden. Eine Zivilschutzbevorratung, die die Notfallbe- vorratung der Bundesländer für den Katastrophenschutz ergänzt, könnte einen er- heblich geringeren Umfang haben als in der Vergangenheit.

Zivil-militärische Zusammenarbeit im Gesundheitswesen

Die Vorräte an Arzneimitteln, Sanitätsmaterial und medizinischem Gerät der Bun- deswehr werden bei Großschadensereignissen und Katastrophen zur Verwendung im zivilen Bereich verfügbar gemacht werden. Eine gemeinsame Lagerung der zivi- len und militärischen Notfallvorräte wäre zu überlegen.

Vorräte bei der Pharmazeutische Industrie

Ein Teil der Vorratshaltung könnte auch in Form von „roll on – roll off“-Vorräten auf ausgewählte Hersteller von Arzneimitteln und Medizinprodukten verlagert werden.

Diese Notfallbevorratung könnte stufenweise zusätzlich produziert werden. Dabei werden nur die Kosten für Verzinsung und Lagerhaltung den Herstellern vergütet werden. Die Vorräte werden permanent umgewälzt, sodass kein Verfall entsteht.

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A3008 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 46½½½½16. November 2001

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er Beruf des Arztes ist begehrt. Er hat ein relativ hohes Sozialpresti- ge und erhält in Bevölkerungsum- fragen regelmäßig einen der höchsten Ränge. Die Nachfrage nach Studien- plätzen für das Fach Humanmedizin übersteigt trotz rückläufiger Tendenzen immer noch bei weitem das Angebot.

Ärzte können gut verdienen, und Ärzte kommen wie bisher überwiegend aus höheren sozialen Schichten.

Es hat in den vergangenen Jahren aber auch bedeutende Veränderungen gegeben. Steigende Ausgaben im Ge- sundheitssystem haben zu einer breiten Diskussion über die Bezahlbarkeit me- dizinischer Leistungen, teilweise auch über die Angemessenheit der Honorie- rung geführt. Die Gesundheitspolitik hat die im Gesundheitswesen Beschäf- tigten und die Patienten

verunsichert. Ärzte beur- teilen ihre ökonomische Zukunft pessimistischer.

„Schwarze Schafe“ in den

eigenen Reihen haben das Image des Arztes beeinträchtigt. Patienten haben höhere Ansprüche und sind unzufriede- ner geworden.

Erhöhte Mortalität und Morbidität bei Ärzten

Auch die Diskussion über das ärztliche Berufsbild zwischen naturwissenschaft- licher Orientierung und „Gerätemedi- zin“ versus ganzheitlich-humanistischer Orientierung und Natur- und Alterna- tivheilkunde hält an. Ärzte bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen vielfältigen Erwartungen. Diese haben sie nicht nur an sich selbst, sondern sie werden auch von außen an sie gerichtet.

Dieses Spannungsfeld und die damit

einhergehende Ambivalenz haben Auswirkungen auf Gesundheit, Wohl- befinden, Berufsauffassung, Arbeitszu- friedenheit von Ärztinnen und Ärzten und damit indirekt auch auf die Art und Weise, wie sie mit ihren Patientinnen und Patienten umgehen.

Seit rund 20 Jahren beschäftigt sich die medizinische, psychologische und soziologische Forschung genauer mit diesen Auswirkungen. Umfangreiche internationale epidemiologische Stu- dien haben gezeigt, dass das Morbi- ditäts- und auch das Mortalitätsrisiko von Ärztinnen und Ärzten im Ver- gleich zu entsprechenden sozioökono- mischen Gruppen der Bevölkerung er- höht ist. Eine ganze Reihe von Medi- zinern leidet am „Burn-out“-Syndrom.

In Deutschland ergaben Befragungen in den letzten zehn Jahren zum Beispiel, dass Ärzte ih- re berufliche Zukunft zunehmend negativer sehen.

Ein hoher Prozentsatz würde ihren Kindern nicht empfehlen, ebenfalls Arzt zu werden. Mehr als die Hälfte der Befragten würde diesen Beruf nicht noch einmal ergreifen. Diese Stu- dien sind jedoch nahezu ausschließlich Querschnittsbefragungen, die über die längerfristigen Auswirkungen des Spannungsverhältnisses, in dem Ärzte sich befinden, nur begrenzt Auskunft geben können.

Es fehlen Studien, die die berufliche Entwicklung von Ärztinnen und Ärzten über einen längeren Zeitraum hinweg begleiten, in denen eine Gruppe zu mehreren Zeitpunkten ihrer berufli- chen Laufbahn angesprochen wird. In Deutschland gibt es erst eine solche Studie (Minks, Bathke, 1994), die die

Arztberuf

Zwischen Erwartung und Realität

Eine Studie der Universität Erlangen-Nürnberg belegt:

Die AiP- und Assistenzarztzeit sind oftmals ernüchternd.

ge in der Notfallversorgung. Nur Rhein- land-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben Minimalkonzepte umgesetzt, die keinesfalls ausreichend sind. Immer mehr delegieren die Länder inzwischen Aufgaben der Notfallvorsorge auch an die Kommunen. Prinzipiell ist das rich- tig, denn diese Aufgabe muss vom Bund, den Bundesländern und Kommu- nen gemeinsam getragen werden.

Um die Kosten für die medizinisch- pharmazeutische Notfallbevorratung in vertretbaren Grenzen zu halten, ist eine Ermittlung der im Schadensfall verfüg- baren Ressouren erforderlich. Diese Erkenntnisse müssen in einer Daten- bank verfügbar sein und permanent ak- tualisiert werden. Die Ereignisse der letzten Wochen zeigen, dass die bisheri- gen Denkmuster von äußerer und inne- rer Bedrohung nicht mehr zeitgemäß sind. Wir benötigen daher neue Kon- zeptionen für:

❃ eine Zusammenführung des Zivil- und Katastrophenschutzes,

❃ eine Datenbank der allgemein ver- fügbaren Notfallressourcen,

❃ ein kooperatives Bevorratungs- modell für den Bund, die Länder und Kommunen,

❃ eine koordinierte Antidota-Bevor- ratung,

❃ eine adäquate Ausstattung des Sa- nitätsdienstes des Zivil- und Katastro- phenschutzes mit Arzneimitteln und Medizinprodukten mit pharmazeutischer Betreuung,

❃ adäquates Gerät sowie persönliche Schutzausrüstung für die Einsatzkräfte – auch für eine Infektionsprävention –,

❃ eine Stärkung der Krankenhaus- kapazitäten für den Massenanfall von Patienten.

Die Politiker und die zuständigen Behörden sollten die Fachkompetenz der medizinischen und pharmazeutischen Standesorganisationen und Fachverbän- de für die erforderlichen Planungen nut- zen. Die Deutsche Gesellschaft für Kata- strophenmedizin e.V. hat mit der Sektion Pharmazie für Not- und Katastrophenfäl- le in den vergangenen Jahren neue Kon- zeptionen für die Bevorratung mit Arz- neimitteln, Antidota und Medizinpro- dukten entwickelt.

Wolfgang Wagner

Apotheker für klinische Pharmazie, Präsidiums-Mitglied Deutsche Gesellschaft für Katastrophenmedizin

Ärzte bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen

vielfältigen Erwartungen.

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