Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 1–2⏐⏐8. Januar 2007 A41
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ten Porphyrien im klinischen Alltag von großer Be- deutung, weil sie unmittelbare diagnostische und the- rapeutische Konsequenzen hat. Bei Verdacht auf eine akute Porphyrie-Attacke sollte stets eine Spontanurin- Probe hinsichtlich der Konzentration der Porphyrin- Vorstufe Porphobilinogen untersucht werden. Eine Erhöhung von Porphobilinogen auf das 20- bis 50fa- che des Normalwertes bestätigt zusammen mit akuten Symptomen wie lange andauernden kolikartigen Bauchschmerzen, Nausea, Erbrechen und Tachykar- die, im weiteren Verlauf eventuell gefolgt von Parästhesien und Lähmungserscheinungen, die Dia- gnose einer akuten Porphyrie.
Der Präsident der Europäischen Porphyrie-Initiati- ve (EPI) und Leiter des französischen Porphyrie-Zen- trums in Paris, Jean-Charles Deybach, stellte das im Jahre 2005 gegründete europaweite Expertennetz- werk der EPI und deren Ziele vor. Er wies darauf hin, dass es in den kommenden Jahren darauf ankommt, europaweit Konsensusleitlinien zu Diagnostik und Therapie der Porphyrien zu entwickeln. Weil akute Porphyrie-Attacken durch bestimmte porphyrinogene Medikamente ausgelöst werden können, ist eines der vordringlichen Ziele der EPI die Veröffentlichung ei- ner Liste mit sicheren und unsicheren Medikamenten.
Auf der Internetseite der EPI (www.porphyria-euro- pe.com) können die durch EU-Gelder geförderten Aktivitäten des Netzwerkes verfolgt werden. Hier fin- det man auch ausführliche Informationen für Patien- ten, die mittlerweile in 10 verschiedenen Sprachen vorliegen.
Einer der Höhepunkte des zweiten Kongresstages war die Präsentation von Anne Weller, Jasmin Barmann und Martin Terhardt. Sie stellten die erste deutsche Pati- entenselbsthilfegruppe (Erythropoetische Protoporphy- rie Deutschland; www.epp-deutschland.de) vor, die im Jahre 2004 gegründet wurde. Neben den Schwierigkei- ten in der Gründungsphase der Selbsthilfegruppe und persönlichen Erfahrungen mit der Erkrankung konnten sie über erfreuliche Entwicklungen hinsichtlich der ste- tig zunehmenden Mitgliederzahlen und wachsenden Bedeutung der Patientenvereinigung in der Öffentlich- keit und Politik berichten. Die Vortragenden regten da- her an, dass sich Porphryie-Patienten und deren An- gehörige verstärkt in entsprechenden Selbsthilfegrup- pen organisieren sollten, wobei es sicherlich am sinn- vollsten wäre, kurz- oder mittelfristig alle deutschen Porphyrie-Patienten in einer Selbsthilfegruppe zu verei- nen.
Interessenkonflikt
Prof. Petrides hat Honorare für Beratung und Vorträge von Orphan Europe und Falk Pharma erhalten. Prof. Frank hat Honorare für Beratung und Vorträge von Orphan Europe (Germany) GmbH erhalten.
Finanzielle Unterstützung/Unterstützung durch die Pharmaindustrie Das zweitägige Symposium „Porphyrie“, das am 27. und 28. 04. 2006 in Darmstadt stattfand, wurde finanziell durch die Firma Orphan Europe (Ger- many) GmbH unterstützt.
Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. Jorge Frank, M.D., Ph.D.
Afdeling Dermatologie Academisch Ziekenhuis Maastricht 6202 AZ Maastricht
Niederlande E-Mail: jfra@sder.azm.nl
zu dem Beitrag
Prävention nosokomialer Legionellosen
von Eckmanns T, Lück C, Rüden H, Weist K in Heft 19/2006
DISKUSSION
Wissenschaftliche
Auseinandersetzungen fehlen
Eckmanns et al. empfehlen zur Prävention von Legio- nellosen in Risikobereichen unter anderem die Ver- wendung endständiger Wasserfilter.
Der Einsatz von Wasserfiltern an Wasserhähnen und Duschen lässt sich aus wissenschaftlicher Sicht jedoch nicht ausreichend begründen. Die Empfehlung kann aus diesem Grund nicht mit dem CDC-Evidenz- grad IB belegt werden wie in Tabelle 4 und 5 des Arti- kels, sondern nur mit „unresolved issue“ („No recom- mendation is offered. No consensus or insufficient evidence exists regarding efficacy“) (1).
Einer Untersuchung von Vonberg et al. zufolge wa- ren 2,8 Prozent der Proben von gefiltertem Wasser mit Legionellen kontaminiert (2). Hinzu kommt, dass die
Unterseite des Filters retrograd kontaminiert werden kann (Hinweis eines Wasserfilterherstellers nach Auf- treten von zwei nosokomialen Legionellosen bei Pati- enten auf Risikostationen, deren Wasserstellen mit Einmal-Filtern ausgestattet waren und bei denen im gefilterten Wasser Legionellen nachgewiesen wur- den).
Bei der Empfehlung zur Verwendung von Was- serfiltern bleiben zudem Risikopatienten außerhalb von Risikobereichen unberücksichtigt, weil viele, zum Beispiel organtransplantierte Patienten mit Ab- stoßungsreaktion, auf Normalstationen versorgt wer- den. Außerdem müssen diese Patienten wiederholt wegen diagnostischer Maßnahmen ihren durch Filter
„geschützten“ Bereich verlassen und erhalten Lei- tungswasser zum Beispiel für Röntgenuntersuchun- gen mit Kontrastmittel oder bei Durst einfach nur zum Trinken.
Bisher fehlt eine wissenschaftliche Auseinander- setzung über die tatsächliche Effektivität von Wasser- filtern bei der Prävention von Legionellosen. Anlass,
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haftungsrechtliche Konsequenzen fürchten zu müs- sen, wenn sporadische Legionelleninfektionen auftre- ten und keine Wasserfilter installiert sind, gibt es nicht, denn Empfehlungen für deren Einsatz, die annähernd Leitlinienqualität besitzen, sind definitiv nicht vorhanden. Entsprechende Forderungen von Amtsärzten mit Bezug auf das Arbeitsblatt W 551 der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW), eines Vereins für Vertreter der Wasser- technik, der seine fachlichen Berater nicht nennen will, ersetzen die fehlenden Leitlinien jedenfalls nicht.
LITERATUR
1. Centers for Disease Control and Prevention and the Healthcare In- fection Control Practices Advisory Committee (HICPAC). Guidelines for environmental infection control in health-care facilities. MMWR 2003; 52 (RR-10): 1–42.
2. Vonberg RP, Eckmanns T, Bruderek J, Rüden H, Gastmeier P:
Use of terminal tap water filter systems for prevention of nosocomial legionellosis. J Hosp Infect 2005; 60: 159–62.
Prof. Dr. med. Ines Kappstein Krankenhaushygiene
Kreiskliniken Traunstein - Trostberg GmbH Cuno-Niggl-Straße 3
83278 Traunstein
E-Mail: ines.kappstein@klinikum-traunstein.de
Interessenkonflikt
Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Präventionskonzept vermisst
Der Artikel präsentiert kein umfassendes Präventions- konzept nosokomialer Legionellosen, das dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik entspricht, und spiegelt nicht die in Europa und Deutschland von der WHO vorgegebenen und in gesetzlichen Bestimmun- gen geregelten Strategien wider.
Die alleinige Surveillance von Legionellen-Pneumo- nien wird nicht zur Verhinderung nosokomialer Legio- nellosen führen, da Surveillance immer nur reaktiv ist und trotz bestehender Meldepflicht nur ein Bruchteil der auftretenden Legionellosen erfasst. Die Aussage, dass
„bei hoher Aufmerksamkeit für Legionellosen gilt: Nur wenn Legionellosen aufgetreten sind, müssen techni- sche Maßnahmen ergriffen werden“, bagatellisiert ein beherrschbares Risiko und vernachlässigt das Prinzip der Primärprävention.
Die Verfasser stützen sich in diesem Punkt auf die kontroll- statt präventionsorientierten US-amerikani- schen CDC-Guidelines, die hinsichtlich der Legionello- sekontrolle selbst in den USA einer erheblichen Kritik ausgesetzt sind.
In Europa und Deutschland gilt das Prinzip der Primärprävention durch geeignete betrieblich-techni- sche Maßnahmen und hygienisch-mikrobiologische Kontrollen der Legionellenkonzentrationen, wodurch die Rate nosokomialer Legionellosen drastisch abge- senkt werden konnte.
Gemäß EG-Trinkwasserrichtlinie und Trinkwasser- verordnung dürfen im Trinkwasser Krankheitserreger (einschließlich Legionellen) nicht in Konzentrationen
enthalten sein, die eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen lassen. Desinfektionsmaßnahmen, von den Verfassern ausführlich thematisiert, können die erforderlichen betrieblich-technischen Maßnahmen im Hausinstallationssystem zur Prävention einer Legionel- lenkontamination nicht ersetzen; die prophylaktische Desinfektion des Trinkwassers in Hausinstallationssy- stemen widerspricht zudem dem Minimierungsgebot der Trinkwasserverordnung.
Dem Betreiber einer Hausinstallation werden durch den Artikel falsche Strategien und eine falsche Sicher- heit vorgegeben, die für ihn im Fall des Auftretens von Legionelleninfektionen mit erheblichen rechtlichen Konsequenzen verbunden sein werden. Insofern besteht eine Verpflichtung, auf die vorgenannten Aspekte hin- zuweisen.
Dr. rer. nat. Hans-Jürgen Grummt Geschäftsführung der Trinkwasserkommission des Bundesministeriums für Gesundheit beim Umweltbundesamt
Dienstgebäude Bad Elster Heinrich-Heine-Straße 12 08606 Bad Elster
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt imSinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Schlusswort
Mit unserem Beitrag wurde versucht, das oft heftig diskutierte Thema, welche konkreten Präventions- maßnahmen in der Klinik notwendig sind, sachlich darzustellen und einen Mittelweg zwischen nicht realisierbaren Maximalforderungen und Verharmlo- sungen zu finden. In den Leserbriefen wird der Arti- kel von zwei Seiten kritisiert. Frau Kappstein stellt die Empfehlung zum Einsatz von endständigen Wasserfiltern mit dem CDC-Evidenzgrad IB infrage.
In mehreren neuen veröffentlichten Studien wurden endständige Filter untersucht (2–4). Alle Studien zeigen eine nachhaltige Reduktion von Legionellen nach den Filtern und in keiner Studie ist bei Patien- ten, die Wasser aus einem Wasserhahn mit Filter be- nutzten, eine Legionellose aufgetreten. Diese Evi- denz rechtfertigt den Einsatz mit Evidenzgrad IB zu empfehlen.
Im zweiten Leserbrief von Herrn Grummt als Ver- treter einer Trinkwasserkommission wird bemängelt, unser Beitrag basiere auf den „Centers for Disease Control and Prevention“(CDC-)Empfehlungen, die eher kontroll- als präventionsorientiert seien. Der Ärzteblattartikel präsentiere daher kein umfassendes Präventionskonzept, er stütze sich allein auf Surveil- lance und würde das beherrschbare Problem bagatel- lisieren.
Das dargestellte Konzept ist nicht umfassend. Es soll eine Hilfe darstellen, mit dem Problem eines Nachweises von Legionellen im Trinkwasser eines Krankenhauses und dem Auftreten von Legionellosen umzugehen. Surveillance ist nicht hinreichend aber absolut notwendig für einen adäquaten Umgang mit Legionellen im Krankenhaus. Da Surveillance die