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Von Berlin ins Allgäu: Der Erfinderunternehmer Konrad Zuse 1945-1948

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Academic year: 2022

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Von Berlin ins Allgäu:

Der Erfinderunternehmer Konrad Zuse 1945-1948

Ulf Hashagen Deutsches Museum München u.hashagen@deutsches-museum.de

Abstract

Konrad Zuse hat in seiner Autobiographie eine Darstellung seiner Tätigkeit als Erfinder- unternehmer im NS-Staat und in den Nachkriegsjahren gegeben, in der er intendiert, dass er durch die politischen Randbedingungen des „Dritten Reiches“, durch den Krieg und durch die politisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Nachkriegsjahre als einer der „Erfinder der Computers“ stark behindert wurde. Diese Selbstdeutung wird auch durch seine autobiographische Darstellung der abenteuerlichen Umstände der Evakuie- rung seiner Firma (sowie seines Rechners Z4) aus Berlin im Februar 1945 und seiner Lebensumstände in den Jahren 1945 bis 1948 im Allgäu gestützt: Hiernach wurde die Evakuierung aus Berlin nur möglich, weil es gelang, die deutschen Kriegsbehörden zu täuschen und dadurch die notwendigen Bescheinigungen für die Verlegung seines Rechners und seiner Mitarbeiter nach Göttingen und schließlich ins Allgäu zu erlangen;

in Hinterstein bzw. Hopferau im Allgäu habe er sich von 1945 bis 1948 in weitgehender wissenschaftlicher Isolation sowie ohne die Möglichkeit befunden, seinen Arbeiten am Rechner Z4 fortzusetzen, und sich daher vor allem seinen theoretischen Arbeiten zum

„Plankalkül“ und zum „Rechnenden Raum“ gewidmet.1 Die Zuse-Historiographie hat zwar die Beziehungen Zuses zum militärisch-wissenschaftlichen Komplex des NS- Staates nachzuzeichnen versucht, ist aber in der Bewertung dem von Zuse gezeichneten Bild dann in weiten Teilen gefolgt.2 Gerade in neueren Arbeiten wurde diese Interpre- tation kanonisiert: so konstatierten mehrere Autoren in einem 2004 erschienenen Sammelband, dass Zuses „Rückhalt in den staatlichen Institutionen und der Industrie bis zum Kriegsende gering geblieben“ sei, und dass die deutsche Kriegsführung den Wert der Rechentechnik verkannt habe;3 und im renommierten Dictionary of Scientific Biographyhieß es unlängst – ganz im Sinne dieser Deutung – dazu: “Zuse’s own career was cut short by the war.”4

1K. Zuse: Der Computer, mein Lebenswerk. Verlag Moderne Industrie, 1970; K. Zuse: Der Computer: Mein Lebenswerk. Springer, 1984.

2H. Petzold: Rechnende Maschinen. Eine historische Untersuchung ihrer Herstellung und Anwendung vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik. VDI-Verlag, 1985; R. Zellmer: Die Entstehung der deutschen Computer- industrie: Von den Pionierleistungen Konrad Zuses und Gerhard Dirks' bis zu den ersten Serienprodukten der 50er und 60er Jahre. Universität Köln, 1990.

3H. D. Hellige (Hrsg.): Geschichten der Informatik. Visionen, Paradigmen, Leitmotive. Springer, 2004.

4R. Rojas: Zuse, Konrad. In: New Dictionary of Scientific Biography. Scribner, 2008, 25, S. 408-414.

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Die Biographie Konrad Zuses wurde damit zu einem Symbol für die durch externe Faktoren in den 1940er und 1950er Jahren behinderte Entwicklung der deutschen Computerindustrie und passte sich ideal in die von Naturwissenschaftlern und Ingenieu- ren nach 1945 zu ihrer Entlastung geschaffene „Erzählung“ vom Niedergang des deut- schen Wissenschafts- und Innovationssystems im „Dritten Reich“ ein: Der Niedergang des deutschen Wissenschaftssystems sei aufgrund der systemimmanenten Wissen- schaftsfeindlichkeit des NS-Staates und seiner verfehlten, überbürokratisierten und zentralisierten Planungswut sowie der zu stark betonten Abschottung von Forschungs- bereichen eingeleitet worden. Die in Deutschland verbliebenen deutschen Ingenieure hatten vor allem ihre scheinbar zweckfreien technikutopischen Visionen verwirklicht, indem sie eine „Kriegswichtigkeit“ ihrer Projekte vortäuschten. Die neuere Forschung zur Wissenschafts- und Technikentwicklung im NS-Staat hat dieses Bild nachdrücklich in Frage gestellt und sowohl für die wissenschaftsorganisatorischen Institutionen des NS-Staates wie für eine Reihe von Forschungsbereichen eine weitgehend effektive Planung wie eine praktisch problemlose Anpassung und Integration der natur- und ingenieurwissenschaftlichen Forschung in die rüstungspolitischen Ziele des NS-Staates konstatiert. Ebenso hat die historische Forschung inzwischen ein wesentlich differenzier- teres Bild über die Beziehungen zwischen den deutschen Wissenschaftlern und Ingenieuren zu den alliierten Besatzungsmächten nach 1945 gezeichnet.

Der Vortrag nimmt diese neueren Ergebnisse zur Wissenschafts- und Technikentwick- lung im NS-Staat und zur Forschungspolitik der Alliierten in Deutschland sowie eine vom Vortragenden durchgeführte Studie zur Entwicklung des „Scientific Computing“ im deutschen Wissenschaftssystem5 zum Ausgangspunkt für eine Analyse der politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftspolitischen Randbedingungen, unter denen der Erfinderunternehmer Konrad Zuse in den letzten Monaten vor Kriegsende in Berlin und Göttingen sowie nach Kriegsende im Allgäu agierte. Neue Quellenfunde ergeben ein in wesentlichen Punkten von Zuses autobiographischer Darstellung abweichendes Bild über die Entwicklungen von 1945 bis 1948. Insbesondere wird analysiert, wie sich die Beziehungen zwischen Zuse und einer Reihe von alliierten Wissenschaftlern gestalteten und wie Zuses Rechnerentwicklung 1945 bis 1948 von deutschen und alliierten Wissen- schaftlern bewertet wurden.

5http://www.histsem.uni-freiburg.de/DFG-Geschichte/Hashagen.htm.

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