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Die Fotografie als Instrument der Popularisierung eines Tierbildes. Der Feldhase von Albrecht Dürer

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Die Fotografie als Instrument der

Popularisierung

eines Tierbildes. Der

Feldhase

von Albrecht Dürer

Jürgen Müller

Albrecht Dürers Feldbase ausdemJahre1502 gehört zuden berühmtesten Tierstudien der Kunstgeschichte.Aber die Popularität, die Dürers Feldbase bis heute besitzt,ver­

danktsichdem Umstand seiner unzähligen fotografischenundfotomechanischen Re­ produktionen im 19.und 20. Jahrhundert. Gemeinsam mit den Betenden Händenist Dü­

rers TierstudiezumParadebeispiel einer verklärenden Kunstbegeisterung geworden.

Die Aufmerksamkeit, die dem Feldbasen dabei zukam, verdankt sich der vermeint­ lichen Niedlichkeit desMotivs undsicherlich auch derBegeisterung fürdie realistische Darstellung.

Kopien desBildes gibtes allerdings erheblich früher. Sie reichenbis insspäte 16.

Jahrhundertzurück. Nicht weniger alsdreizehn Wiederholungen aus jener Zeit sind überliefert. Im 18. Jahrhundertfolgt eine Rezeptionswelle, die DürerzumMonument deutschen .Stilwillens* werden lässt. Dabei wirdseineKunst der italienischenexempla­

risch entgegengestellt. AlsAusdruck des Schlichten, Bodenständigen undWahrhafti­ gen wurdeDürers Kunst nun nationalvereinnahmt. In dieser Hinsicht scheintder Hase das besondere Verhältnis der Deutschen zur Natur zu verkörpern sowieihre Innigkeit und ihren Wunsch,dieNaturalsbeseeltes Wesen zuerfassen.

Es verstehtsichvonselbst, dass deridealistischen Philosophie des19.Jahrhunderts dieFotografiefremd bleiben musste,sah siein ihr doch eine Verflachung eines.we­

sensmäßigen*Kunsterlebnisses.Andererseitssah man in der Fotografie eine nützliche Magd zueiner großangelegtendidaktischenKunstaufklärung, die natürlichdengro­

ßenmoralischen Nutzen berühmter Kunstwerke voraussetzte. Sohieß es im Deutschen Kunstblatt von 1856:„Es kannamEnde nicht schaden,wenn auch einmal das Gute und Schöne massenhaft unter die Massengeworfenwird.“ Dabei warderKopiecharakter solcher Fotografiennicht hinderlich, glaubteman doch, dass mit der Reproduktion zu­

gleich der Wunsch nach Besichtigungdes Originals hervortreten werde. In der Mög­

lichkeit zur Reproduktion „höherstehender Werke" sahen einige Theoretiker die ei­ gentliche Bedeutung der Fotografie, die sich sozusagen im Akt der Reproduktion vernutzte, ohne selbst Kunst seinzudürfen.

Im 20 Jahrhundert haben Künstler immerwiederauf Dürers Hasen zurückgegriffen, umden Status von Original undReproduktion zu reflektieren. Eine Reihe von Arbeiten spielt auf doppeldeutige Weise mitdem Problem der Serialität.indem der Hase als Sym­

bol der Fruchtbarkeit identisch wiederholt wird und sich die Idee des Originals auflöst.

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Originalveröffentlichung in: Eskildsen, Ute ; Lechtreck, Hans-Jürgen (Hrsgg.): Nützlich, süß und museal - das fotografierte Tier : Essays [anläßlich der Ausstellung ... Museum Folkwang, Essen, 22. Oktober 2005 bis 15. Januar 2006], Göttingen 2005, S. 32-34

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Berühmt ist das Bild, weil es Dürer nicht nur gelungen ist, das Tier detailgetreu wiederzugeben,sondern auch seine Lebendigkeitdarzustellen. Dies gelingtdurch ver­ schiedene kompositorische und erzählerische Kunstgriffe.Die unter dem rechten Ohr befindlichen Spuren einer Vorzeichnungzeugen von der genauen .Planung'der Kom­ position: DerFeldhase stellt die Konsequenz gestalterischer Maßnahmendar; ein ausge­ klügeltes Spielmit unterschiedlichen Körperachsen liegtihm zugrunde.

Dabei verbirgt derKünstler seine ästhetischanspruchsvolle Konstruktion in der Ein fachheit der Erscheinung: DerHase sitztzwar still da, aber schon im nächsten Moment könnte er aufspringenund davonhüpfen. Dürer hat den transitorischenMoment un mittelbarvorder Flucht zurAnschauung gebracht. Darüber hinaus wird die Ange spanntheitdes Fluchttieresauch durch dieaufgerichteten Ohren spürbar, die aufmerk sam zu lauschen scheinen.Dieser Eindruck wird auch dadurch unterstützt, dass das Tier einer abwärtsführenden Diagonale eingeschrieben ist, die rechts über die Bild grenzen hinausführt.Dadurch verlegt der Künstler die wesenhafte Unruhe desTieres ins Auge des Betrachters!

Rätselhaft ist das leicht zu übersehende Detaildes sich imAugedesTieres spiegeln den Fensterkreuzes. Darin wollteman einen Hinweis auf die reale Ateliersituation er kennen. Demzufolge hätte der Künstler seinen Feldhasennach einem lebenden Modell gemalt,was jedoch als sehr unwahrscheinlichgelten muss.Wahrscheinlicher ist, dass sich der Künstler eines toten Jagdstücks bedient hat. Eher schon verweist das Fenster kreuzaufeine Darstellungskonvention derniederländischen,Dürervertrauten Por trätmalerei, inderdas Augeals Fensterder Seele inszeniertwurde.

Immer wieder hat man sichgefragt, obmit Dürers Motivwahl auch eine sinnbildli­ che Darstellungsaufgabe einhergeht. Dem KirchenvaterAmbrosius galt der Hase auf Grund seinermitder Jahreszeit wechselnden Färbung desFells als Symbolder Aufer stehung.So folgt die Frage, ob das imAugedesHasensichtbare Fensterkreuz aufden Opfertod Christials Voraussetzungder Auferstehung verweist. Häufig findet manden Hasen als SymbolderFruchtbarkeit. Schließlich symbolisiertdas agileTier eines der vierTemperamente, und zwar denheiteren, lebhaften Sanguiniker.

Dürers Tier- und Naturstudien haben einen wichtigen Impuls aus seiner Venedig­

reisezum Ende des 15. Jahrhunderts erhalten.DasErlebnis italienischerKunst befreit ihn aus überkommener Musterbuchtradition undführt ihnzuneuer Offenheit in der Gegenstandswahl.

Nimmt man den Feldhasen zum Anlass, allgemeinüberdas Verhältnis des Menschen zum Tier nachzudenken, so stellt man fest, dasssichdiesseit jeher ambivalent gestal tet hat. Einerseits ist es Gegner und Symbol ungezügelter Aggression, andererseits Haustier und treuer Freund.Tiere sind dem Menschen paradoxerweise am nächsten

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und am fernstenzugleich.Ihnenkommt eine undankbare Aufgabe zu: Sie symbolisie­

ren die ungezähmte Naturund weisen dem Menschen implizit die Aufgabe der.Selbst­

zivilisation* zu.Das Tiererinnert daran, dass der Mensch in einen vermeintlich.anima­ lischenUrzustand* zurückfallen kann.

In der bildenden Kunst bleibt die Darstellung von Tieren häufig unbemerkt, ist es dochals Haustier Teil menschlichen Alltags. Anders ist dies im Rahmen vonJagdsze­

nen. die zumeist den Konfliktebenso dramatischwie heroisch darzustellen vermögen.

Der Mensch bedient sich des Einsatzes von domestizierten Tieren, umwilde Tiere erle­

genoder fangen zukönnen.Die Jagdwäre undenkbarohne Pferde. HundeoderFal­

ken, die eigens abgerichtet werden müssen, umihre Aufgabe des Aufspürens und Ver­

folgens zu erfüllen. Aufein und demselben Bild werden gezähmteund ungezähmte, .mutige*und wildeTiere gezeigt. Dabei versteht es sich vonselbst, dass dieJagd im Rah­

men einer feudalen Gesellschaftsordnung über Jahrhunderte hinweg als Privileg galt.

Der Vergleichvon Mensch und Tierstehtin einer alten kulturellen Praxis. Tierpup penund Rollenspiele werden bisheute genutzt,soziale Muster zu erlernen. Das Tier dient dabei vorallemdazu, einen bestimmten, unveränderlichen Charakter vorzustel­

len. InderBildtradition spieltdasMittelder Physiognomik einewichtige Rolle. Über die Angleichungvon menschlichem Gesichtund Tierkopf wirdein .natürliches*Ver­

hältnis von menschlichem Charakterund .tierischem Verhalten*nahegelegt. Bis in den Trickfilm hineinist dies immer noch ein gängiges Verfahren. Physiognomische Dar­ stellungsverfahrenlieferneineklare Lesbarkeit, weshalb sie nicht seltenimRahmen politischer Karikaturen Verwendung finden. Das komplementäreVerfahrendazu ist die Anthropomorphisierung des Tieres, aufdas menschliche Verhaltensweisen über­ tragen werden. Manmag es wenden wie man will: Am Endesind Tiere arme Schweine.

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