Das Risiko- und Belastungskonzept
Dr. med. Falk Liebers, MSc
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) Fachbereich 3 „Arbeit und Gesundheit“
Fachgruppe 3.1 „Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen“
„Risiko- und Belastungskonzept“
Was ist ein Risikokonzept?
• Hilfestellung / Handlungsanleitung, um Risiken rechtzeitig zu erkennen, einzustufen, bedarfsgerecht zu handeln und so arbeitsbedingte
Gesundheitsgefährdungen zu vermeiden.
Worauf zieht das Risiko- und Belastungskonzept ab?
• Vermeidung und Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefährdungen durch körperliche Belastungen
Wessen Risiko- und Belastungskonzept ist das?
• ArbMedVV setzt den Begriff „wesentlich erhöhte und hohe Belastung“
• Spezifiziert in der Arbeitsmedizinischen Regel AMR 13.2 (alt und neu 2021)
• Verwendet im Projekt MEGAPHYS (BAuA und DGAUV)
• GDA-Arbeitsprogramm „Muskel-Skelett-Belastungen“ der 3. GDA-Periode:
Auslösung des Begleitprozesses MSB ab „erhöhte Belastung“
Was sind physische (körperliche) Belastungen?
Physische Belastung sind körperliche Belastung
• Jegliche körperliche bzw. motorische Anforderung bei der Arbeit oder in der Freizeit.
• Körperliche Anforderung gibt es in Bezug auf o Kraft,
o Ausdauer, o Schnelligkeit,
o Koordination, Geschicklichkeit, o Körperbau / Anthropometrie / Statur
• Bewirken in erster Linie eine Beanspruchung des Muskel-Skelett-Systems, aber auch des Herz-Kreislauf-Systems.
Quelle: BAuA
Schädigungsmechanismus körperlicher Anforderungen
Motorische Arbeitsanforderungen Aktionskräfte erhöhte mechanischen Beanspruchung des Muskel-Skelett-Systems
• Auswirkung ist abhängig von Intensität (Kraft), Dauer und Anzahl der Wiederholungen
• Beanspruchung: Ermüdung Regeneration, Training
• Überbeanspruchungen der Muskel-Skelett-Strukturen o Kurzfristig Meist einförmige bzw. einseitige, ungewohnte /
sehr hohe physische Anforderungen reversibel
o Langfristig strukturelle Schäden Entzündungs- und
nachfolgenden Reparaturprozesse Degeneration (Abnutzung)
Beispiele
• Z.B. Bandscheibenschäden in der Lendenwirbelsäule, Kniegelenkarthrosen
Quelle: BAuA
Belas tun gsa rt en
Die sechs Archetypen der körperlichen Arbeitsbelastung
Quelle: Völkner/Fotoagentur Fox
BiBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 Manuelle Arbeitsprozesse?: Antwort „ist häufig“
Berufsklassifikation n. Blossfeld Männer (n=8770) Frauen (n=5473)
Agrarberufe 70,1% 79,0%
Einfache manuelle Berufe 59,4% 66,9%
Qualifizierte manuelle Berufe 72,7% 66,7%
Techniker 34,6% 43,2%
Ingenieure 10,7% 12,4%
Einfache Dienste 44,1% 52,7%
Qualifizierte Dienste 35,5% 47,8%
Semiprofessionen 23,9% 34,2%
Professionen 19,9% 19,1%
Einfache kaufmännische und Verwaltungsberufe 25,2% 39,1%
Qualifizierte kaufmännische und Verwaltungsberufe 12,6% 19,2%
Manager 8,8% 10,0%
Gesamt 32,7% 31,1%
Quelle: BAuA
Die Liste der Berufskrankheiten zu körperlicher Arbeit belegt die Evidenz!
Art BK-Nr. / Stand Erkrankung Besondere Einwirkung
Manuelle Arbeit
BK 2101 Erkrankungen der Sehnenscheiden, Sehnen und Muskelansätze
Manuelle Arbeitsprozesse
BK 2106 Nervenschädigung Lokaler Druck
BK 2113 Carpaltunnelsyndrom Manuelle Tätigkeiten repetitiv, kraftbetont, HAV BK 2114 Hypothenar-Hammer-Syndrom Stoßartige Krafteinwirkung
Heben, Halten, Tragen (Ziehen, Schieben, K-Haltung)
BK 2108 Bandscheibenbed. Veränderungen der Lendenwirbelsäule
Heben und Tragen schwerer Lasten, Arbeiten in extremen Rumpfbeugehaltungen
BK 2109 Bandscheibenbed. Veränderungen der Halswirbelsäule
Tragen von Lasten auf der Schulter
BK Empfehlung Hüftgelenkarthrose Heben und Tragen schwerer Lasten Köper-
haltung (Körper- bewegung)
BK 2112 Gonarthrose Kniende Tätigkeiten
BK 2102 Meniskusschäden Kniebelastende Tätigkeiten
BK Beratung Schultererkrankungen Überkopfarbeit Hohe Kräfte BK 2107 Abrissfraktur der Wirbelfortsätze (Schaufeln)
Bewegung BK Vorprüfung Gonarthrose Profisport
Risikokonzept nach AMR 13.2 (rev. 2021) für körperlicher Belastungsarten
Risiko
Risiko- be- reich
Belastungs- höhe
Wahrscheinlichkeit einer körperlichen Überbeanspruchung
Mögliche gesundheitliche
Folgen
Arbeits- medizinische
Vorsorge
Weitere Maßnahmen
1 Gering Unwahrscheinlich nicht zu erwarten
Wunschvorsorge nach §11 ArbSchG und §5a
ArbMedVV
keine
2 Mäßig
erhöht
Bei einigen Personen möglich*
Ermüdung, geringgradige Anpassungsbeschwerden,
Kompensation in Freizeit
Anlassbezogen sind Maßnahmen zur Gestaltung
und sonstige Präventions- maßnahmensinnvoll.
3 Wesentlich
erhöht Möglich
Beschwerden (Schmerzen) ggf. mit Funktionsstörungen, meistens reversibel, ohne morphologische
Manifestation
Angebotsvorsorge nach §5 in Verbindung mit
Anhang Teil 3 Absatz 2 Nummer
4 ArbMedVV
Maßnahmen zur Gestaltung und sonstige Präventions- maßnahmen sind zu prüfen.
4 Hoch Wahrscheinlich
Stärker ausgeprägte Beschwerden und / oder
Funktionsstörungen, Strukturschäden mit
Krankheitswert
Maßnahmen zur Gestaltung sind erforderlich.
Sonstige Präventions- maßnahmen sind zu prüfen.