RAABE UNTERRICHTS-MATERIALIEN Biologie Sek. II
Mit welchen Uhren messen wir erdgeschicht- liche Zeitalter?
Autorinnen: Julia M. Steen-Hansen und Dr. Monika Pohlmann Grafiker: Hans Schumacher
Methodisch-didaktische Hinweise . . . 1
Material . . . 3
M1: Leitfossilien als Zeitmarken . . . 3
M2: Radiometrische Datierungsmethoden . . . 8
M3: Bestimmung des Alters der Erde 1.0 . . . 12
M4: Bestimmung des Alters der Erde 2.0 – Ein Chronometer namens Zirkon . . . 16
M5: Die 14C-Methode . . . 20
M6: Xerxes’ Tochter? . . . 23
M7: Bestimmung des Alters von „Lucy“ . . . 26
M8: Molekulare Uhren – Streit um den Ursprung der Säugetiere . . . 29
Lösungsvorschläge . . . 33
Literatur . . . 44
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RAABE UNTERRICHTS-MATERIALIEN Biologie Sek. II 1
Mit welchen Uhren messen wir erdgeschicht- liche Zeitalter?
Methodisch-didaktische Hinweise
Die Frage „Mit welchen Uhren messen wir erdgeschichtliche Zeitalter?“ geht auf Fragen der zeitlichen Entwicklung des Lebens auf der Erde zurück. Ver- schiedene Datierungsmethoden ermöglichen es, diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Schon im 17. Jahrhundert gab es die Vermutung, dass die Erde und das Leben auf der Erde wesentlich älter waren als bisher gedacht. Mit der For- mulierung des „Stratigrafischen Grundgesetzes“ und der Erkenntnis, dass es sich bei Fossilien um Überreste von Lebewesen vergangener Zeiten handelt, wurde die Grundlage für die Einteilung geologischer Erdzeitalter gelegt. Der Vorschlag Rutherfords, den Zerfall radioaktiver Substanzen als absolutes Zeitmaß zu verwenden, war für den Beginn der Bestimmung von Erdzeitalter wesentlich. Radiometrische Messungen sind bis heute wichtige Methoden zur Erforschung des Alters von Fossilien und Gesteinen. Neben radiometrischen Techniken gibt es noch weitere Methoden. An dieser Stelle soll jedoch nur noch auf die molekulare Uhr, eine molekularbiologische Methode der Zeitbe- stimmung, eingegangen werden.
Das Unterrichtsmaterial ist als Lernaufgabe konzipiert. Da das Thema insge- samt sehr umfangreich ist, sind die ausgewählten Techniken der Altersbe- stimmung exemplarischer Natur. Ziel ist eine vertiefte Auseinandersetzung mit den verschiedenen Datierungsmethoden. Es bietet sich an, die Aufgabe zu Beginn der Unterrichtseinheit zur Evolutionsbiologie einzusetzen, da durch die verschiedenen Datierungsmethoden entscheidende Belege für den Ablauf evolutiver Prozesse auf dem Planeten generiert werden konnten. Kompeten- zen, mit welchen Techniken Erkenntnisse zur Geschichte des Lebens in den Teildisziplinen Evolution und Paläontologie gewonnen werden, und welche Grenzen diese Methoden haben, sind für ein vertieftes Verständnis der syn- thetischen Evolutionstheorie von Bedeutung.
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RAABE UNTERRICHTS-MATERIALIEN Biologie Sek. II 3 M 1 Leitfossilien als Zeitmarken
Tab. 1: Skala geologischer Erdzeitalter
(nicht maßstabsgetreu, Angabe des Alters in Relation Fossil jünger/älter als)
Zeitalter Periode Epoche
Beginn vor Millionen
Jahren
bedeutende Ereignisse in der Geschichte des Lebens
Känozoikum
Quartär
Neuzeit 0,01 Historische Zeit
Pleistozän 1,8 Eiszeitalter, Entstehung des Menschen
Tertiär
Pliozän 5 Menschenaffenähnliche Vorfahren des Menschen
Miozän 23 Fortgesetzte Radiation von Säugetieren und Bedecktsamern
Oligozän 35 Entstehung der meisten modernen Pri- matengruppen und der Menschenaffen
Eozän 57
Die Vorherrschaft der Bedecktsamer nimmt zu, fortgesetzte Radiation der modernen Säugetierordnungen
Paläozän 65 Große Radiation von Säugetieren, Vögeln und pollenübertragenden Insekten
Mesozoikum
Kreide 144
Blütenpflanzen (Bedecktsamer) erschei- nen; Dinosaurier und viele andere
Organismengruppen sterben gegen Ende dieser Periode aus
Jura 206
Nacktsamer sind weiterhin die dominie- renden Landpflanzen; Dinosaurier sind häufig und artenreich
Trias 245 Nacktsamer beherrschen das Land-
schaftsbild; Radiation der Dinosaurier
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RAABE UNTERRICHTS-MATERIALIEN Biologie Sek. II 5
Abb. 1: Ausgewählte Leitfossilien (verändert nach Wikimedia/Kurt Rosenkrantz/CC BY-SA 3.0)
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RAABE UNTERRICHTS-MATERIALIEN Biologie Sek. II 11
4 Nehmen Sie an, in einer Probe seien ursprünglich 10 g eines Radioisotops mit der Halbwertszeit von 5000 Jahren enthalten. Ein Evolutionsbiologe misst heute 2,45 g des Radioisotops. Schätzen Sie zunächst das Alter der Probe und ermitteln Sie dann das genaue Alter mithilfe von Formel 3.
Benötigte Formeln und Größen:
Formel 1: = ⁄ ∙ , ∙ log
t = absolutes Alter der Probe in Jahren
n0 = Stoffmenge des Radioisotops zum Zeitpunkt der Entstehung der Probe ni = Stoffmenge des Radioisotops zum augenblicklichen Zeitpunkt i
Direkt bestimmt werden kann in der Regel die Stoffmenge des Radioiso- tops und die des Zerfallsproduktes, während n0 rechnerisch ermittelt werden muss.
Entsteht das Zerfallsprodukt p in genau der Menge, in der das Radioisotop abnimmt, gilt: Formel 2: = − bzw. = +
Daher gilt: Formel 3: = ⁄ ∙ , ∙ log
5 Stellen Sie die Bedingungen für die direkte und indirekte Altersbestim- mung von Fossilien dar. Benennen und erläutern Sie Probleme, die mit der indirekten Altersdatierung einhergehen.
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RAABE UNTERRICHTS-MATERIALIEN Biologie Sek. II 13
Niels Stensen (1638–1686) verfasste das Strati- grafische Grundgesetz, denn er erkannte, dass sich jüngere Gesteinsschichten über ältere abla- gern, und dass sich so relative Altersangaben machen lassen. Außerdem war er der erste Natur- forscher, der erkannte, dass es sich bei Fossilien um Überreste von Lebewesen aus vergangenen Zeiten handelt. Seine Erkenntnisse führten zur Begründung der Disziplinen Geologie, Mineralo-
gie und Paläontologie. Abb. 8: Niels Stelsen
Wikimedia, gemeinfrei gestellt
Wikimedia, gemeinfrei gestellt
Abb. 9: Charles Lyell
Dennoch forderte erst Charles Lyell (1797–1875) eine Trennung von Geologie und biblischen Lehr- meinungen. Er gilt als Begründer der historischen Geologie. Seine Ideen und Vorstellungen zur Entste- hung der Erde nehmen in vielen Aspekten bereits die Evolutionstheorie Darwins vorweg. Für ihn galt, dass die Erdgeschichte eine Abfolge von physikali- schen Ereignissen sei, welche bis heute, und auch weiterhin, geltenden Naturgesetzen unterliegen.
Mit dem Vorschlag Ernest Rutherfords (1871–
1937), die Messung des Zerfalls von Radioisotopen zu Datierungszwecken zu nutzen, veränderten sich die Möglichkeiten zur Bestimmung des Alters der Erde. Arthur Holmes errechnete 1911 das Alter von Gesteinen auf 1,64 Milliarden Jahre. 1930 bestimmte Otto Hahn, der Begründer der moder- nen Kernchemie, das Alter der Erde mithilfe der Uran-Blei-Datierung auf 1,5 bis 3 Milliarden Jahre.
Abb. 10: Ernest Ruther- ford
Wikimedia, gemeinfrei gestellt
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RAABE UNTERRICHTS-MATERIALIEN Biologie Sek. II 17
Die Datierung mit Zirkonen ist nur dann sicher, wenn es sich um sogenannte ungestörte Proben handelt. Ungestörte Zirkon-Kristalle sind nicht mit Blei verunreinigt. Gestörte Proben sind nicht für Datierungen zu gebrauchen. Ge- störte Reihen lassen sich durch den Gehalt der vier Isotope 238U, 235U, 207Pb und
206Pb ermitteln, indem die folgenden Quotienten gebildet werden:
Formel 4: = und =
Handelt es sich um ungestörte Proben, liegen die Quotienten (Q) der Division auf der sogenannten Konkordia-Kurve (Abbildung 14). Liegen gestörte Proben vor, liegen diese außerhalb der Konkordia-Kurve. Durch die aus der Zerfalls- gleichung abgeleitete Formel lässt sich das Alter der Probe berechnen:
Formel 5: = ⁄ ∙ , ∙ log +
Wikimedia, gemeinfrei gestellt
Abb. 13: Natürliche Zerfallsrei- he von 235U zu 207Pb N = Neutronenzahl, A = Atommasse, Z = Protonenzahl
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18 RAABEUNTERRICHTS-MATERIALIEN Biologie Sek. II Abb. 14: Konkordia-Diagramm
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36 RAABEUNTERRICHTS-MATERIALIEN Biologie Sek. II M 4 Bestimmung des Alters der Erde 2.0 – Ein Chronometer namens
Zirkon
1 Die Uran-Blei-Datierung dient der absoluten Altersbestimmung und ba- siert auf den radioaktiven Zerfallsreihen von 238U und 235U. Diese zerfallen in unterschiedlichen Zerfallsreihen zu den Bleiisotopen 206Pb und 207Pb.
238U hat eine Halbwertszeit von 4,47 Milliarden Jahren und 235U von 704 Milliarden Jahren. Das Alter des Objekts lässt sich anhand der soge- nannten Konkordia-Kurve ermitteln. Dazu werden die Quotienten aus den Uranisotopen und ihren Zerfallsprodukten gebildet und gegeneinan- der aufgetragen. Liegen die Datenpunkte auf der Konkordia-Kurve, so handelt es sich um ungestörte Proben. (Bei gestörten Proben, deren Da- tenpunkte nicht auf der Konkordia-Kurve liegen, ist es möglich, sofern es sich bei der Störung um ein singuläres Ereignis handelt, das Alter mithilfe einer Diskordia-Linie zu bestimmen. Es ist möglich, darauf ergänzend einzugehen.)
2 Zirkone enthalten in ihren Kristallen Spuren der radioaktiven Elemente 238U und 235U und eignen sich daher zur Datierung. Zirkone sind außerdem witte- rungsbeständig. So wurden in einer Gesteinsprobe aus Australien Zirkone gefunden, die nahezu 4,4 Milliarden Jahre alt sind. Die Datierung mit Zirkonen ist nur dann sicher, wenn es sich um sogenannte ungestörte Pro- ben handelt. Bei der Eintragung der Quotienten in das Konkordia- Diagramm liegen die Datenpunkte auf der Konkordia-Kurve. Bei Störungen liegen die Datenpunkte der Quotienten außerhalb der Konkordia-Kurve.
3 Richtige Antworten: a, d.
4 Das Alter der Erde kann mithilfe der Konkordia-Kurve grafisch bestimmt werden. Die Proben 1, 2 und 6 sind ungestört, während 3, 4 und 5 gestört sind und keine Aussage liefern.
Mithilfe der Zirkone kann eine Aussage darüber gemacht werden, wann die Erdkruste nach ihrer Entstehung fest geworden ist. Das Alter der Erde sollte dementsprechend älter eingeschätzt werden als das der Erdkruste.