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D Die Klimaforschung muss ihren Blick schärfen

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© 2017 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 16 (2017) Nr. 7 3 M E I N U N G

D

ie Unterzeichnung der Pariser Klimavereinbarung Ende 2015 hat manche zu der Annahme ver­

leitet, die Klimaforschung habe ihre Aufgaben gelöst. Diese Schluss­

folgerung ist allerdings falsch und kurzsichtig. Die Grundlagenfor­

schung zum Klima wird durch den Klimawandel wichtiger denn je!

Die internationale Staaten­

gemeinschaft hat sich in der Pariser Klimavereinbarung völkerrechtlich verbindlich dazu verpflichtet, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu be­

grenzen. Dieses bahnbrechende Abkommen beruhte in wesent­

lichen Teilen darauf, dass die Klimaforschung die menschen­

gemachte globale Erwärmung nachweisen konnte. Welche Folgen aber diese Erwärmung nach sich zieht und mit welchen Überra­

schungen sie einhergehen könnte, bleibt ungewiss. Aus diesem Grund bin ich überzeugt, dass die Klima­

forschung neue Gebiete erschließen und gleichzeitig der Gesellschaft dienen wird, indem sie sich auf drei Leitfragen konzentriert:#)

n Wohin geht der Kohlenstoff?

n Wie ändert sich das Wetter mit dem Klima?

n Wie beeinflusst das Klima die Bewohnbarkeit der Erde und ihrer Regionen?

Die Pariser Klimavereinbarung enthält als wichtigen Teil die frei­

willigen Selbstverpflichtungen der einzelnen Staaten, ihre Treibhaus­

gas­Emissionen zu reduzieren.

Diese Selbstverpflichtungen gilt es, in der Zukunft zu überprüfen und zu verschärfen. Zur Überprüfung ist es erforderlich, nahezu in Echt­

zeit zu wissen, was mit dem Koh­

lenstoff geschieht, den der Mensch in Form der Treibhaus gase Koh­

lendioxid und Methan in die At­

mosphäre entlässt, und wie unter­

schiedliche Teile des Klimasystems

Kohlenstoff aufnehmen können.

Diese Fragen erinnern mich an die wissen schaftlichen Diskussionen vor dem Kernwaffenteststopp­Ver­

trag in den Neunzigerjahren. Da­

mals stellte sich die Frage, ob sich unterirdische Nuklear explosionen nachweisen lassen. Heute wollen wir wissen, ob die Selbsteinschät­

zungen der Länder zu ihren Koh­

lenstoffemissionen verlässlich sind.

Das erfordert gemeinschaftliche in­

ternationale Forschung. Langfristig müssen wir bestimmen können, in welchem Maß sich der Klima­

wandel dadurch verstärkt, dass Ozean und Landbiosphäre künftig weniger Kohlenstoff absorbieren können als heute, zum Beispiel durch die Erwärmung der Ozeane.

Die globale Erwärmung hängt entscheidend auch davon ab, wie sich Wolken in einem wärmeren Klima ändern. Wolken wiederum sind untrennbar mit dem Wetter verbunden – deshalb müssen wir verstehen, wie sich das Wetter ändert, um zu verstehen wie sich Wolken ändern und umgekehrt!

Zudem erleben wir Menschen die meisten Folgen des Klima wandels durch Wetterereignisse und Klima­

extreme auf regionaler Skala – diese hängen von Änderungen der Zirkulationssysteme in der At­

mosphäre und im Ozean ab. Unser Verständnis dieser Veränderungen ist bisher nur rudimentär.

Besonders wichtig sind jene klimabedingten Änderungen, wel­

che die Adaptationsfähigkeit be­

stimmter Spezies, unter ihnen der Mensch, übersteigen. Prominente Beispiele sind das Übersteigen phy­

siologischer Grenzen durch Hitze­

stress, die abnehmende Verfüg­

barkeit von Süßwasser sowie der Verlust von Landflächen durch den ansteigenden Meeresspiegel. Die Klimaforschung muss erkunden, wo und wann wir solche Grenzen der Bewohnbarkeit erreichen.

Wir brauchen Durchbrüche in unseren Fähigkeiten, das Klima zu beobachten, zu berechnen und zu verstehen. Hierzu ist die freie Ent­

faltung neuer Ideen unerlässlich.

Hochwertige Langzeitbeobach­

tungen sind global und in vielen Teilen der Welt erforderlich. Erst damit können wir die Wechsel­

wirkungen der Schlüssel prozesse entwirren, welche über die regio­

nalen Klimata bestimmen. Enorme Computerleistung ist nötig, um die genauen Prozesse der Wolkenbil­

dung sowie der atmosphärischen und ozeanischen Zirkulation zu erfassen, die das regionale Klima etwa in Europa bestimmen.

Die Gesellschaft benötigt unsere Grundlagenforschung. Wir müssen unsere Forschungsneugierde auf die Herausforderungen richten, welche die Natur uns aufgibt. Ich baue darauf, dass sich weiterhin – und in Zukunft noch deutlich vermehrt – junge talentierte Phy­

sikerinnen und Physiker auf diese Herausforderungen stürzen wer­

den. Die drei Leitfragen schärfen unseren Blick auf die vor uns lie­

genden Aufgaben, damit sich die Gesellschaft auf kommende Über­

raschungen vorbereiten kann.

Die Klimaforschung muss ihren Blick schärfen

Der Klimawandel macht Grundlagenforschung zum Klima immer wichtiger.

Jochem Marotzke

#) Der Beitrag basiert auf dem in Nature Climate Change erschie­

nenen Kommentar

„Climate research must sharpen its view“.

Wir müssen unsere Forschungsneugierde auf die Herausforderungen richten, welche die Natur uns aufgibt.

Meinung von Prof. Dr. Jochem Marotzke, Direktor am Max- Planck-Institut für Meteorologie.

Er leitet dort die Abteilung

„Ozean im Erdsystem“.

MPI-M / D. Ausserhofer

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