.111, DEUTSCHES 1111" ROTES KREUZ
S DRK IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
Dem Hospital in Pusan war eine Schwesternschule angegliedert, die rund 60 korea- nische Krankenschwestern ausbildete — Titel der DRK-Zeitschrift vom April 1959
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
BLICK ÜBER DIE GRENZEN
Vor hundert Jahren sind die ersten offiziellen Kon- takte zwischen Deutsch- land und Korea aufgenom- men worden. Auch die me- dizinischen Verbindungen reichen weit zurück. Man- che Leser werden sich noch an den ersten bedeu- tenden Beitrag der Aus- landshilfe durch die junge Bundesrepublik erinnern:
das Rotkreuzhospital in Pusan in den fünfziger Jah- ren. Doch die Tradition reicht noch weiter zurück:
Seoul,
den 10. Dezember
1901
„Liebe Eltern . .
.. Bezüglich meiner Stellung bei Hofe kann ich einstweilen nur sa- gen, daß ich die Audienz gehabt habe und daß in meiner Gegen- wart Seine Majestät dem Haus- meister die nötigen Anweisungen gegeben hat. Letzterer hat sich aber noch nicht gerührt. Einen of- fiziellen Dolmetscher hatte ich auch schon zugewiesen bekom- men, und als ich mich eben etwas an seinen Kohlgeruch (alles riecht hier entsetzlich nach halbverfaul- tem Sauerkraut, das als Delikates- se en masse vertilgt wird) ge- wöhnt hatte, da wurde mir der ar- me Kerl verhaftet. Angeblich soll er revolutionäre Ideen gehabt ha- ben ..."
„Der Kaiser fürchtet fortwährend für sein kostbares Leben und kommt so gut wie nie aus seinem Palast heraus. In dem ganzen Ver- waltungsapparat herrscht eine Unsicherheit, ein Mangel an Ver- trauen, ein Übervorteilen des Niedrigeren durch den Höherge- stellten in einer schauderhaften Weise. Ich erwarte die Rückkehr des kaiserlichen Beraters, der au- genblicklich auf Reisen ist. Mr.
Sands ist Amerikaner ... Mit ihm hoffe ich es durchzusetzen, daß ich im Palast ein Sprechzimmer bekomme, denn zu mir nach Hau- se kommt kein Mensch, jedenfalls kein Koreaner. Sie lassen unserei- nen wohl manchmal holen, wenn
es Matthäi am Letzten ist, früher aber nicht ..."
Diese Zeilen stammen aus einem der Briefe von Dr. Richard Wunsch, einem gebürtigen Schle- sier, der 1901 seine Heimat ver- ließ, um eine Stelle als Hofarzt des Kaisers von Korea anzutreten. Er gelangte durch die Vermittlung ei- nes in Japan tätigen deutschen Arztes nach Seoul. Entgegen sei- nen Vorstellungen erwartete ihn dort aber keine echte ärztliche Aufgabe. Vielmehr wurde er wohl eher aus Prestigegründen an den Hof des Kaisers beordert. Denn schon Mitte des 19. Jahrhunderts stand die deutsche Medizin welt- Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 4 vom 23. Januar 1985 (37) 169
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Korea
weit in bestem Ruf, so auch in den asiatischen Ländern wie Korea und Japan.
Sehr viel jünger als die Tätig- keiten deutscher Ärzte sind die of- fiziellen deutsch-koreanischen Beziehungen. Sie jährten sich am 18. November 1984. Hundert Jah- re zuvor wurde der Vertrag ratifi- ziert, der die diplomatischen Kon- takte zwischen beiden Staaten re- geln sollte. Als mögliche Kolonie schied Korea für das Deutsche Reich aus. Sowohl Japan als auch Rußland zeigten Interesse an der Halbinsel. Deutschland, damals beiden Mächten verbunden, hielt sich zurück. Neutralität war auch die Haltung während des japa- nisch-chinesischen (1904) und des japanisch-russischen (1905) Krieges. Als dann das nun interna- tional als Großmacht anerkannte Japan das Protektorat über Korea antrat, wurde die deutsche Mini- sterresidentur in Korea geschlos- sen. Das erste offizielle Kapitel deutsch-koreanischer Beziehun- gen war beendet.
Schätzte man die Qualifikation deutscher Ärzte an den kaiser- lichen Höfen auch hoch ein, so trübten doch politische Konflikte deren Aufenthalt. Am 9. April 1904 schreibt Richard Wunsch seinen Eltern: „Der schöne Hospitalplan, für den ich seit Monaten beim Mi- nister und anderen einflußreichen Personen antichambriere, mit Ein- ladungen der Höflinge zum Früh- stück, ist nun glücklich ins Wasser gefallen durch das Dazwischen- treten der leidigen Politik ..."
Seine ärztliche Tätigkeit befrie- digte Richard Wunsch nicht. Sei- ne als Buch herausgegebenen Briefe belegen jedoch, daß der junge Arzt die Auseinanderset- zungen der Kolonialmächte und besonders die Einflußnahme Ja- pans auf Korea mit großem Inter- esse beobachtete und schilderte.
Richard Wunsch war auf Empfeh- lung von Professor Bälz nach Ko- rea gekommen. Der Schwabe Er- win Bälz behandelte während sei- ner Assistentenzeit in Leipzig ei-
nen hohen japanischen Beamten, der ihn nach der Heimkehr am kai- serlichen Hof empfahl. Japan hat- te nach dem Sturz der letzten Shogun-Regierung begonnen, eu- ropäische Wissenschaftler ins Land zu holen. Deutsche Juristen arbeiteten an der neuen japani- schen Verfassung mit; deutsche Ärzte führten das moderne Medi- zinalwesen nach europäischem Muster in Japan ein. Als Bälz sei- ne Stelle an der Kaiserlichen Uni- versität antrat, hatten zwei seiner Vorgänger bereits begonnen, Deutsch als Unterrichtssprache im Medizinstudium einzuführen.
Bücher und Instrumente wurden aus Deutschland geordert.
Nach dem zweiten Weltkrieg ent- wickelten sich zwischen Deutsch- land und Korea zweigleisige Be- ziehungen: Während die DDR Kontakte zu der kommunistischen Volksrepublik Nordkorea knüpfte, nahm die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Bezie- hungen zur Republik Südkorea auf. 1954 wurde in Remagen eine Handelsmission gegründet, 1956 das Generalkonsulat in Bonn, das 1958 Botschaft wurde. Im glei- chen Zug installierte die Bundes- republik ihre Vertretung in Seoul.
Quasi staatlich eingesetzt wurden deutsche Ärzte, als der Korea- Krieg 1954 endete. Damals beauf- tragte die Bundesrepublik das Deutsche Rote Kreuz (DRK), im koreanischen Pusan ein Hospital zu errichten. Mit Hilfe amerikani- scher Soldaten und koreanischer Angestellten baute das DRK eine ehemalige Mädchenschule zum Krankenhaus um. Die Leitung wurde Prof. Dr. Günther Huwer übertragen, einem Gynäkologen, der zuvor viele Jahre in China ge- arbeitet hatte. Nur arme Patienten sollten gemäß Statut im Pusaner Hospital aufgenommen und ko- stenlos behandelt werden. Rund um die Uhr operierten und pfleg- ten damals 80 deutsche und 20 koreanische Ärzte und Kranken- schwestern die Kriegsopfer. Das Hospital war, folgt man alten Auf- zeichnungen, während der fünf
Jahre bis zu seiner Schließung 1959 voll belegt. Eine Zeitlang wurden Aufnahmescheine sogar auf dem Schwarzmarkt gehandelt.
Die Arbeit in Pusan erwies sich als langfristiger Erfolg: Die dort aus- gebildeten Schwestern genießen hohes Ansehen, die dort weiterge- bildeten Ärzte sind heute vielfach in angesehenen Positionen.
Das moderne Korea wird oft als Paradebeispiel der Leistungsfä- higkeit eines kapitalistischen Sy- stems präsentiert. Das „Handels- blatt" stellte jedoch kürzlich fest, daß die jährlichen Wachstumsra- ten von zehn Prozent in den letz- ten 20 Jahren die Folge staatlicher Wirtschaftslenkung und -planung sind. Korea ist heute ein Export- land, dessen wichtigster Ausfuhr- artikel Textilien sind.
Deutsche Einflüsse sind in Korea wohl noch heute deutlicher zu spüren als umgekehrt, obwohl zeitweise rund 10 000 Koreaner in der Bundesrepublik lebten. Dr.
Werner Sasse, Wissenschaftlicher Assistent der Abteilung für Ost- asiatische Studien an der Ruhru- niversität, spricht von einer Ein- bahnstraße:
„Die koreanische Kultur hat im Bewußtsein der Deutschen noch immer nicht den Platz gegenüber der chinesischen und japanischen einnehmen können, der ihr zu- steht". Sabine Dauth
—ZITIERT
Harte Lehre
„Nein, neu ist diese Moral nicht, die aus der veränder- ten Wahrnehmung der Um- welt folgt. Es ist eine des Verzichts, der Disziplin, der Ordnung, des Gesetzes vor allem".
Katharina Rutschky auf die — in der FAZ am 24. Dezember 1984 gestellte — Frage: Wächst eine neue Moral?
170 (38) Heft 4 vom 23. Januar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A