• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Erkrankungen der Lunge (16): Schlafbezogene Atmungsstörungen - Schlafapnoe" (17.07.1989)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Erkrankungen der Lunge (16): Schlafbezogene Atmungsstörungen - Schlafapnoe" (17.07.1989)"

Copied!
6
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Erkrankungen der Lunge (16)

Schlafbezogene

Atmungsstörungen Schlafapnoe

MIZZOMMUM

Jörg-Hermann Peter, Thomas Podszus, Heinrich Becker und Peter von Wichert

Die Analyse von Atmungs- und Kreislauftätigkeit während des Schlafes hat zu völlig neuen Er- kenntnissen geführt. Besonders Männer im mittleren Lebensalter leiden an nächtlichen Atmungs- störungen, vor allem in Form der Schlafapnoe mit phasischem Si- stieren der Atmung. Die daraus resultierenden, zum Teil hoch- gradigen Hypoxämien führen zu erheblichen Beeinträchtigungen der Herz- und Kreislauftätigkeit und schweren psychomentalen Syndromen. Diese Störungen sind häufig, und insbesondere der internistisch oder allgemein- medizinisch tätige Arzt sollte über sie informiert sein, um rechtzeitig diagnostische be- ziehungsweise therapeutische Maßnahmen einleiten zu können.

D

ie Konstanthaltung des Sauerstoffpartialdruk- kes (P0 2) als bestim- mende Größe für den oxydativen Stoffwech- sel in den Zellen des vielzelligen Or- ganismus erfolgt durch Anpassung von Atmung und Kreislauf an die unterschiedlichsten Situationen des Sauerstoffverbrauchs. So wird bei der Notwendigkeit erhöhter Sauer- stoffaufnahme die Ventilation ge-

steigert. Die Mechanismen der Atemregulation sind mit ihren peri- pheren Sensoren, mit den Schalt- und mit den Effektorstrukturen der Atemmuskulatur, gut bekannt Da- mit sind die Voraussetzungen zum Verständnis einer Vielzahl physiolo- gischer und pathophysiologischer Si- tuationen, diagnostischer Techniken und therapeutischer Maßnahmen gegeben.

Die Regelmechanismen, die den p02 konstant halten, werden im all- gemeinen als sehr stabil angesehen, allerdings ist auch allgemein be- kannt, daß sich die Atemregulation bei alterierter zerebraler Funktion ändert, zum Beispiel bei entzünd- lichen und toxischen Zuständen.

Den Physiologen ist zudem seit Jahr- zehnten geläufig, daß die Atemregu- lation auch vom Schlaf-Wach-Rhyth- mus abhängig ist, und zwar derge- stalt, daß zum Beispiel die Schwelle für die CO2-Antwort im sogenannten paradoxen Schlaf gegenüber dem Wachzustand um einen Faktor fünf erhöht ist, und daß nur eine Nacht Schlafentzug die Schwelle für den hypoxämischen Reiz deutlich hebt.

Erst neuerdings haben in der Klinik schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS) als eigenständige pathologi- sche Ereignisse Interesse erlangt.

Die schlafbezogenen Atmungsstö- rungen gehen, wie eine mittlerweile beeindruckende Zahl von Studien belegt, mit erheblichen Einschrän- kungen der Leistungsfähigkeit und der Lebenserwartung einher (5, 18).

111 Begriffsbestimmung

Es gibt unterschiedliche schlaf- bezogene Atmungsstörungen, die zu- dem bei unterschiedlichen klinischen Ausgangssituationen in ihrer Bedeu- tung variieren. So sind die nächt- lichen Hypoxämien durch Hypoven- tilation bei Patienten mit chroni- schen Lungenerkrankungen oder chronischen Herzerkrankungen an- ders zu sehen als die Fehlkoor- dination der Atmung während des Schlafs bei Patienten mit Skelett- und mit Muskelerkrankungen (wie etwa Kyphoskoliose oder neuromus- kuläre Erkrankungen) oder die rei- nen Schlafapnoesyndrome, bei de- nen die zentrale Fehlsteuerung of- fenbar das primäre Ereignis ist.

Unter Schlafapnoe versteht man das wiederholte Sistieren der At- mung im Schlaf. Das Auftreten sol- cher Ereignisse im Schlaf ist jedoch nicht a priori pathologisch, da solche Atemstillstände bei jedem Men- schen, vor allem in der Einschlafpha- se und im REM-Schlaf, vorkommen können. Erst durch eine gewisse Häufung und Intensität gewinnen diese Atempausen klinische Rele- vanz.

Gemäß internationaler Überein- kunft ist von einem signifikant positi- ven Apnoebefund auszugehen, wenn Zentrum für Innere Medizin, Medizinische Poliklinik (Leiter: Professor Dr. med.

Peter von Wichert), Klinikum der Philipps-Universität Marburg/Lahn

Dt. Ärztebl. 86, Heft 28/29, 17. Juli 1989 (45) A-2079

(2)

Sauerstoff- sättigung im Blut Sa 02

70

120 . ,n nnin

Tabelle 1: Indikationskatalog zur Diagnostik der Schlafapnoe

...1.10•■■■'••■■••••••• •,./mblMwelli■

a) Innere Medizin/Allgemeinmedizin/Pneumologie

—Essentielle Hypertonie

—Belastungsdyspnoe und anderweitig nicht erklärte myokardiale Insuffizienz

—Nächtliche Herzrhythmusstörungen

—Übergewicht

—Polyglobulie

—Retrosternales Druckgefühl ohne Hinweis auf KHK

—Anderweitig nicht erklärte rezidivierende Myogelosen im Nak- ken- und Rückenbereich

b) Neurologie/Psychiatrie/Allgemeinmedizin

—Reduzierte Schlaflatenz und EDS (oft in Kombination mit Durchschlafstörungen)

—Impotenz

—Intellektueller Leistungsverfall

—Konzentrationsstörungen

—Abgeschlagenheit

—Persönlichkeitsveränderungen

—Depression

—Nächtlicher und morgendlicher Kopfschmerz

c) HNO und Allgemeinmedizin

—Lautes und unregelmäßiges Schnarchen die Atempausen mindestens zehn

Sekunden andauernd und durch- schnittlich mindestens zehnmal pro Stunde auftreten (6, 11).

Unterschieden werden die zen- trale, die obstruktive und die ge- mischte Form der Schlafapnoe. Die erste Form ist durch das Ausbleiben jeglicher Aktivierung der Atemmus- kulatur gekennzeichnet.

Gegensätzlich dazu bleibt bei der obstruktiven Form die Atem- muskulatur im Bereich der unteren Thoraxapertur oder des Zwerchfells weiterhin aktiv, im Oropharynx kol- labieren demgegenüber die oberen Atemwege aufgrund eines relativ un- zureichenden Muskeltonus.

Die nach der Häufigkeit (ca. 95 Prozent der Fälle bei internistischen Patienten) bedeutsamste Erschei- nungsform der Schlafapnoe ist ein Mischbild der erstgenannten For- men.

Rein zentrale Formen des Atemstillstandes im Schlaf sind of- fenbar bei internistischen Patienten selten, sie werden hier in erster Linie bei schwerer Herzinsuffizienz gese-

Abbildung 1: Links: Ausschnitt aus einer mehrkanaligen Originalregistrierung bei einem Pa tienten mit Schlafapnoe, aufgezeichnet mit dem System Sidas 2000, Man erkennt in der Auf nahme Atembewegungen mit dem Thorax- beziehungsweise Abdomengürtel und starken Schwankungen der Atmungsintensität Der Nasenfühler zeigt an, daß während langer Pha- sen praktisch keine Ventilation erfolgt. Konsekutiv zu diesen Atemstillständen erkennt man erhebliche Schwankungen der Herzfrequenz, die bis zu deutlicher Bradykardie gehen und zyklische Schwankungen der Sauerstoffsättigung bis auf Werte unter 80%. Die Zuordnung der Hypoxämien und Herzrhythmusstörungen zu den Atemstillständen ist deutlich zu sehen, erkennbar auch die zunehmende Hypoxämie mit Längerwerden des Atemstillstandes.

Rechts: Ausschnitt aus einer Originalregistrierung derselben Parameter während des Schlafs ohne Ateinregulationsstönmgen, Hier handelt es sich um den gleichen Patienten nach Einleitung einer CPAP-Behandlung.

A-2080 (46) Dt. Äiztebl. 86, Heft 28/29, 17. Juli 1989

hen und imponieren dann meist in Form einer nur im Schlaf zu beob- achtenden periodischen Atmung vom klinisch bekannten Muster der Cheyne-Stokes-Atmung. Rein zen- trale Formen kommen gehäuft auch bei Patienten mit neurologischen Er- krankungen vor.

Schlafapnoe tritt bei denselben Patienten in ein und derselben Nacht oft mit in bunter Reihenfolge wechselnden Mustern ein. Häufig ist sie auch kombiniert mit anderen Formen der schlafbezogenen At- mungsstörungen wie obstruktivem Schnarchen und anderen Synchroni- sationsdefekten sowie mit Hypoven- tilationsphasen.

Von den schlafbezogenen At- mungsstörungen zu unterscheiden sind die physiologischen Verände- rungen, die auch bei Gesunden im REM-Schlaf vorkommen Bei Ky- phoskoliose, bei neuromuskulären Erkrankungen wie auch bei chroni- scher Lungenerkrankung kann schon die physiologische Modulation der Atmung im Schlaf Zustände schwer- ster akuter respiratorischer Insuffi- zienz herbeiführen.

(3)

II Pathogenese und Pathophysiologie der Schlafapnoe

Die Funktion der Atmung erfor- dert die rhythmische Innervation der Inspirationsmuskulatur. Nach dem Modell einer Saugpumpe werden vor allem die Thoraxwand und die Zwerchfellmuskulatur eingesetzt, die Expiration erfolgt demgegenüber weitgehend passiv. Die Atmung er- fordert aber nicht nur eine zeitliche Koordination im Hinblick auf die Phasen der Ein- und der Ausatmung, sondern auch in den einzelnen Pha- sen selbst, vor allem bei der Inspira- tion muß ein hoher Aufwand an Koordination geleistet werden: wenn die Inspiration aktiviert wird, muß zugleich die Bauchmuskulatur er- schlaffen, damit die Zwerchfelltä- tigkeit nicht gehemmt wird, und es muß die Schlundmuskulatur toni- siert werden, damit die extrathoraka- len Atemwege offen bleiben.

Die oberhalb des Kehlkopfs be- findlichen Atemwege im Rachen- Schlund-Bereich sind nicht mecha- nisch ausgesteift, sondern nach fron- tal und lateral von quergestreiften Muskeln umgeben, deren Tonus die Struktur dieser Atemwege bestimmt.

Diese unterschiedlichen funktionel- len Aufgaben werden im wachen Zu- stand problemlos gelöst, offenbar aber nicht bei allen Menschen auch während des Schlafzustandes, insbe- sondere nicht im REM-Schlaf. So kommt es bei der obstruktiven Schlafapnoe durch einen massiven Tonusverlust der Schlund- und Ra- chenmuskulatur zu einem Verschluß der oberen Atemwege, so daß eine Ventilation nicht möglich ist (Abbil- dung 1 zeigt eine Originalregistrie- rung solcher Vorgänge). Die mit dem Versiegen der Ventilation ein- setzende Hypoxämie stellt eine Be- drohung für den Organismus dar, der er sich mit einer Alarm- oder Weckreaktion so entledigt, daß das zerebrale Vigilanzniveau angehoben wird und daß die damit wieder ein- setzende Tonisierung der Schlund- muskulatur einen Wiederbeginn der Ventilation erlaubt. Nach einer kur- zen Phase der Normalisierung der Blutgase kann erneut die zerebrale

Stimulation und Regulation des To- nus ausbleiben, und es tritt eine wei- tere Apnoephase auf (Abbildung 2).

So wechseln Phasen des Atemstill- standes repetitiv mit Phasen der Hy- perventilation.

Wir haben diese Vorgänge bis zu 800mal pro Nacht sich wiederholen sehen, ihre Dauer kann bis zu zwei Minuten und länger betragen, so daß nachhaltige Hypoxämien resultieren.

Letztere und die immer wieder als Überlebensmechanismus zu verste- henden Mikro-Aufweckreaktionen (Mikroarousals) des Zentralnerven- systems prägen schließlich diese Funktionsstörungen. Alkohol und andere Sedativa begünstigen das Auftreten der genannten Phänome- ne erheblich.

Die Konsequenzen der gestör- ten Atemregulation finden sich so- wohl im psychomentalen wie im so- matischen Bereich, da Schlaffrag- mentationen, Hypoxämie und adre- nerge Stimulation während der Arousalphänomene für den Gesamt- organismus offenbar eine extreme Belastung darstellen. Es fällt nicht schwer, die klinisch in Erscheinung tretenden Symptome sowie die Be- funde (Abbildung 3) mit diesem Pathomechanismus in Verbindung zu bringen. Besonders leicht ver- ständlich ist, daß nächtliche Verän- derungen der Herzfrequenz in Form von Sinusarrhythmie und Herzrhyth- musstörungen auftreten, daß die pul- monale Zirkulation durch Hypoxie und intrathorakale Druckschwan-

r

Tabelle 2: Differentialdiagnose der Hypersomnien (Disorders of Ex- cessive Sleepiness, DOES) nach ASDC (Association of Sleep Disor- ders Centers)

1. Hypersomnie, assoziiert mit psychophysiologischer Überforderung (zum Beispiel vorübergehende oder andauernde Streß- und An- passungssituationen)

2. Hypersomnie, assoziiert mit psychiatrischen Erkrankungen (zum Beispiel affektive Psychosen, funktionelle Störungen)

3. Hypersomnie, assoziiert mit Drogen- oder Alkoholmißbrauch (zum Beispiel Gewöhnung oder Entzug von ZNS-stimulierenden Substanzen oder andauernder Mißbrauch von Beruhigungsmit- teln)

4. Hypersomnie, assoziiert mit schlafinduzierten Störungen der Atemregulation, Schlafapnoe und schlafabhängige alveoläre Hypo- ventilation

5. Hypersomnie, assoziiert mit schlafabhängigem (nächtlichem) Myo- klonus und "restless legs"

6. Narkolepsie

7. Idiopathische ZNS-Hypersomnolenz

8. Hypersomnie, assoziiert mit pharmakologischen oder toxischen Einflüssen und weiteren Bedingungen wie Kleine-Levin-Syndrom, neurologischen Störungen, hormonellen Störungen (zum Beispiel menstruationsabhängig)

9. Übermüdung durch insuffizienten Schlaf

10. Fehlangabe: Langschläfer ohne gröbere Beschwerden und ohne objektive Befunde

Epidemiologische Untersuchungen (3) ergaben, daß die Störungen der Position 4 die mit Ab- stand häufigsten sind.

Dt. Ärztebl. 86, Heft 28/29, 17. Juli 1989 (49) A-2081

(4)

Z NS Vigilanz

Atemregulation

E

Atmung Normopnoe

Wach

60sec

Restabilisierung Wiederher- stellung der Koordination

Hyperpnoe Normopnoe

Konstant

Blutgase Konstant

Hypoxie

Abbildung 2: Pathomechanismus-Schema der schlafbezogenen Atmungsstörungen (15)

kungen beeinträchtigt ist (17) und daß sich schließlich durch den lang- fristigen Schlafentzug zentralnervöse Ausfälle einstellen.

I Diagnostik

schlafbezogener Atmungsstörungen

Die Symptomatik der schlafbe- zogenen Atmungsstörungen ergibt sich aus der Pathogenese. Sie zu ken- nen und anamnestisch zu erfragen, sollte jedem Arzt möglich sein. Bei den heute verfügbaren ambulan- ten Früherkennungsverfahren sollte angesichts der Gefährlichkeit der schlafbezogenen Atmungsstörungen die Indikation zur Diagnostik nicht verfehlt werden (siehe Indikations- katalog Tabelle 1). Bei vielen Patien- ten beobachtet man wegen des dem Patienten unerklärlich erscheinen- den Leistungsabfalls Bewältigungs- oder Verdrängungsstrategien. Der Arzt muß den Patienten notfalls von sich aus auf derartige Beziehungen

Tabelle 3: Stufenprogramm für die Diagnostik

Stufe 1: Anamnese und Indi- kationsstellung mit- tels Fragebogen und Vorbefunden Stufe 2: ambulante Registrie-

rung von momenta- ner Herzfrequenz und laryngealen Atemgeräuschen Stufe 3: ambulante Registrie-

rung von Herzfre- quenz, Atmung und Sauerstoffgehalt des Blutes

Stufe 4: Zehn-Kanal-Regi- strierung mittels SIDAS-2000-System am Patientenbett (auf Allgemein- oder Intensivstation) Stufe 5: große Polysomnogra-

phie im Schlaflabor

aufmerksam machen. Zu Beginn der Erkrankung ist das psychomentale Leistungsdefizit meist noch ausge- prägter als die somatische Sympto- matik, und Lebensgefährten können häufig fremdanamnestisch besser Auskunft, etwa über eine depressive Wesensänderung und über Lei- stungseinbußen, über Monotoniean- fälligkeit und über Schläfrigkeit der Betroffenen geben als die Patienten selbst.

Ist einmal ein Verdacht auf das Vorliegen einer schlafbezogenen At- mungsstörung aufgetaucht, dann ist die diagnostische Sicherung erfor- derlich, gleichzeitig auch die diffe- rentialdiagnostische Abgrenzung zu anderen internistischen, neurologi- schen oder psychiatischen Erkran- kungen (Tabelle 2).

In unserem Hause wurde ein Stufenprogramm zur Diagnose der schlafbezogenen Atmungsstörungen entwickelt, das von einfachen, nach Art eines Langzeit-EKGs anwendba- ren Registriereinheiten (Abbildungen 4 a und b) über transportable kli- nisch anwendbare Registrierverfah- ren bis zur Untersuchung des Patien- ten im Schlaflabor reicht (Tabelle 3).

In jedem diagnostizierten Fall wird vor der Einleitung einer Therapie mit CPAP (Therapiestufe 3, siehe

Therapie) eine Ausgangsmessung im Schlaflabor mit großer Polysomno- graphie zuzüglich zum ambulan- ten Verfahren vorgenommen Diese Messung dient der Festlegung eines Baseline-Wertes zur späteren ambu- lanten Therapiekontrolle.

Es ergibt sich von selbst, daß die Diagnose schlafbezogener Atmungs- störungen nur im Schlaf und damit in der Regel in der Nacht vorgenom- men werden kann. Nur in sehr aus- geprägten Fällen können die schlaf- bezogenen Atmungsstörungen auch während des Tagschlafes, zum Bei- spiel während eines kurzen Mittags- schlafes, auftreten und dort festge- stellt werden.

I Epidemiologie und Klinik

der Schlafapnoe

Bisher liegen nur wenige epi- demiologische Untersuchungen an nicht vorselektierten und hinrei- chend großen Kollektiven vor. Es ist auffällig, daß vor allem Männer zwi- schen dem 40. und 60. Lebensjahr betroffen sind (2). Lavie konnte in Israel an Industriearbeitern eine Häufigkeit feststellen, die auf die Gesamtpopulation umgerechnet A-2084 (52) Dt. Ärztebl. 86, Heft 28/29, 17. Juli 1989

(5)

Die Schlafapnoe - Syndrome (SAS)

alteriertes Schlaf verhalten einschl.

Schnarchen,Enuresis,Schlafwandeln exzessive Schläfrigkeit tagsüber intellektueller Leistungsverfall sexuelle Funktionsstörungen Persönlichkeitsveränderungen morgendlicher Kopfschmerz hypnagoge Halluzinationen und

„automatic behaviour"

perimalleolare Odeme, Belastungs- intoleranz, Ruhe- und Belastungs-

7

führende klinische :e .

ur

Symptome I

dyspnoe

■ ■ ■

I

• Insomnie

II

7

0 0

1

I

•, i reduzierte Schlaflatenz im EEG

i • Übergewicht

I I

• • i • 1

Herzrhythmusstörungen 1.

häufi g e :: Sinusarrhythmie (>•30bPm) 1 4 4 Unter- • :I ' Bradykardie •ei 4 suchungs •. . ! ! Asystoile(k 3 sec) . e . 1 ■ i befunde : ! essentielle Hypertonie 1 i 1

T

.1 :I pulmonale Hypertonie :

• I I Polycythämie ! ii. I

direkt durch .Apnoe _1 1 indirekt durch Arousal und Schlaffragmän

j

torische Anstrengungen indirekt durch kompensa

-.-.-.

I !

Vermutete Pethomechanismem

I I

Die

zezitz,e der physiolojischen CV I Cp I kardiovaskulär >---

kardiopulmonai I

psychophysiologisch > j metabolisch/endokrin

120 600

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

. . . . • Schnarchen

120

60 Herzfrequenz

0

•• • •• .• - Schnarchen

60 120.[

Herzfrequenz 0

• ,_ . . • _ .-__ ..„ «,_ .., Schnarchen 120 .- .-

60 '''.. - ..i.•.-.A...-..-2'.-A ,..2—',...',...-2‘,--...---,..."/._.„ Herzfrequenz 0

120 . Schnarchen

"

60 Herzfrequenz

0

120(( • OP OB. • • ... Schnarchen

60 t,....,,,,,_,-,, _,^„*...t.„2,,,, ,-.../.•1/4.••"%---..-/'-+.-.... Herzfrequenz 0

. • • • . . ... .. - • .,.

120

10 Min.

0

f • - Schnarchen

60 • Herzfrequenz

... ••••"••"'""'""'"'""'""•''''"

120 60 0

... ...

120 60 0

...

120

60 --• "eir4kl.e.4.1.e.1'494Vec 0

120

...... ... ... ...

60 .l.z. .11, .H...1 ,

0 120 60 0

.11 urm I 13

über ein Prozent ausmacht (11). In eigenen Untersuchungen an Arbei- tern eines mittelhessischen Energie- versorgungsunternehmens und im Krankengut der Medizinischen Po- liklinik wurde eine Häufigkeit von zehn Prozent der Untersuchten ge- funden. Hierbei muß man beachten, daß sich die untersuchten Stark- stromelektriker keinesfalls alle krank und leistungsunfähig fühlten, daß sie aber, auch wenn sie im Arbeitspro- zeß standen, eine auffällige Multi- morbidität aufwiesen; so fanden sich gehäuft Adipositas, Bluthochdruck, nächtliche Herzrhythmusstörungen (12, 16).

Aus der Felduntersuchung an Starkstromelektrikern ergibt sich, daß die nächtlichen Atmungsstörun- gen zu den zehn häufigsten Diagno- sen gehören. Untersuchungen an Hy- pertonikern zeigten, daß Hypertonie und schlafbezogene Atmungsstörun- gen überzufällig häufig assoziiert sind (4, 9, 13). Koskenvuo fand in ei- ner großen epidemiologischen Stu- die in Finnland, daß das Risiko für eine koronare Herzerkrankung oder

Abbildung 3: Befun- de und Symptome der Schlafapnoe (aus 14)

eine Hypertonie bei Patienten mit schlafbezogenen Atmungsstörungen in jüngeren Altersklassen etwa so hoch wie die Assoziation dieser Er- krankung mit dem Zigarettenrau- chen ist (8, 9).

Unmittelbare Folge der Schlaf- apnoephasen sind nicht nur die be- schriebenen Blutgasveränderungen wie Hypoxämie, Hyperkapnie und Azidose, die nächtlichen Atemstill- stände führen auch zu massiven

Abbildung 4 a: Originalregistrierung Apnoe, aufgezeichnet mit dem System „MESAM", Detailausschrieb über einen Arialysezeitraum von 70 Minuten. Die Kombination der gezeigten beiden Signale lie- fert charakteristische Muster zur Apnoedetektion.

Abbildung 4 b: Originalregistrierung Apnoe, aufgezeichnet mit dem System „MESAM". Gesamtübersicht über eine ganze Nacht. Das System liefert jeweils Doppelzeilen über je 90 Minuten, wobei die obere Zeile das digitalisierte Mikrophonsignal und die untere die momentane Herzfrequenz darstellt. Deutlich zu erkennen sind der Einschlaf- und Aufwachzeitpunkt (Pfeile) sowie die apnoeischen Pausen zwischen den Schnarchlauten und die apnoe-assoziierte zyklische Variation der Herzfrequenz.

Dt. Ärztebl. 86, Heft 28/29, 17. Juli 1989 (53) A-2085

(6)

Blutdruckschwankungen. Insbeson- dere Anstiege des system-arteriellen und des pulmonal-arteriellen Blut- druckes sind konsekutiv anzutreffen.

In diesen sofort meßbaren Folgen der nächtlichen Atemstillstände do- kumentiert sich das unmittelbare Ri- siko für den Patienten. Die Schlaf- apnoe birgt aber vor allem weitere längerfristige Risiken. Mehr als ein Drittel aller Hypertoniker hat Schlafapnoe. Gehäuft findet sich die Schlafapnoe unter Übergewichtigen und unter Patienten mit überwie- gend nächtlichen Herzrhythmusstö- rungen. Bei 50 Prozent der Apnoei- ker finden sich in Ruhe und unter Belastung erhöhte pulmonal-arte- rielle Drucke. Führendes internisti- sches Leitsymptom sind in ausge- prägteren Fällen klinische Zeichen der Herzinsuffizienz. Mit der thera- peutischen Reduktion der Schlaf- apnoeaktivität bilden sich unter der Voraussetzung rechtzeitiger Diagno- se alle Symptome und Befunde zu- rück. Es handelt sich daher bei die- ser Atmungsstörung nicht lediglich um einen Risikoindikator, sondern definitionsgemäß um einen Risiko- faktor für Hypertonie, Herzrhyth- musstörungen und Herzinsuffizienz.

He u. Mitarb. haben jüngst gezeigt (Chest 94,9,1988) daß die kumulative 8-Jahres-Überlebensrate bei Patien- ten mit einem Apnoeindex >20 nur 0.63 beträgt, gegenüber 0.96 bei einem Apnoeindex von <20, und daß dieses insbesondere für Patienten unter 50 Jahre gilt. Damit kann die obstruktive Schlafapnoe als ein erheblicher Risi- kofaktor angesehen werden. Im Ge- gensatz zur Letalität unbehandelter Patienten starb in dieser Untersu- chung kein behandelter Patient. Be- züglich der koronaren Herzkrankheit ist die Frage „Risikofaktor oder Risi- koindikator" noch offen.

Als Konsequenz dieser Erkennt- nisse ist es erforderlich, daß zukünf- tig die Diagnostik der schlafbezoge- nen Atmungsstörungen und insbe- sondere der Schlafapnoe in die inter- nistische und pneumologische Routi- nediagnostik einbezogen wird. Zum Handwerkszeug jedes Arztes sollte das Wissen gehören, daß Patienten mit den oben genannten internisti- schen Befunden, bei denen gleich- zeitig Störungen des Schlaf-/Wach-

verhaltens gefunden werden, auf das Vorliegen einer Schlafapnoe hin un- tersucht werden müssen.

I Therapie

Der rechtzeitig diagnostizierten

der Schlafapnoe

Schlafapnoe stehen heute in jedem Fall erfolgreiche therapeutische Möglichkeiten gegenüber. In unse- rem Hause verfahren wir in der The- rapie der Schlafapnoe nach einem gestuften Konzept. Die erste Stufe besteht aus der herkömmlichen Be- handlung der kardiovaskulären und der kardiopulmonalen Grunderkran- kungen sowie einer apnoespezifi- schen Verhaltensberatung. Grund- sätzlich sind das Meiden von Alko- hol und von zentral dämpfenden Medikamenten und das Absetzen apnoeverstärkender Medikation ob- ligat. Bei Adipositas ist Gewichtsre- duktion zwingend indiziert, außer- dem ist das Einhalten eines regelmä- ßigen Schlaf-Wach-Rhythmus wich- tig, und insbesondere müssen Schlaf- defizite vermieden werden.

In der nächsten Stufe wenden wir zur Reduktion der Schlafapnoe-

aktivität unter Beachtung bekannter Kontraindikationen eine medika- mentöse Therapie - mit Theophyllin an. Sollte den genannten Maßnah- men der Erfolg versagt bleiben, wird als dritte Stufe die nasale kontinuier- liche Überdruckbeatmung (nCPAP) zur Verhinderung der Atemstillstän- de eingesetzt. Diese im Vergleich mit chirurgischen Maßnahmen weit weniger eingreifende Behandlung verspricht bei ca. 90 Prozent der Fäl- le Akzeptanz und Erfolg. Erst bei Unanwendbarkeit dieser Therapie kann es erforderlich werden, auf chirurgische oder prothetische Ver- fahren zurückzugreifen (1, 7, 10, 17).

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, anzufordem über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Peter von Wichert Zentrum für Innere Medizin Medizinische Poliklinik Klinikum der Universität Baldingerstraße

3550 Marburg/Lahn

FÜR SIE REFERIERT

Aspirinvergiftung:

Aktivkohle

Erbrechen oder Magenspülung?

Eine Überdosis Aspirin führt zu erheblichen Magenschleimhautläsio- nen mit gastrointestinaler Blutung.

Wie bei allen Vergiftungen wird durch eine Reihe von Maßnahmen versucht, eine Resorption der Sali- zylatüberdosis zu verhindern.

Die Autoren analysierten in ei- ner simulierten Aspirinintoxikation die Effizienz einer Magenspülung von durch Ipecacuanha induziertem Erbrechen und Aktivkohle bei 12 ge- sunden freiwilligen Probanden. Die- se erhielten 20 x 75-mg-Tabletten in 200 ml Leitungswasser. Nach 60 Mi- nuten wurden 30 ml Ipecacuanha-Si- rup, 50 g Aktivkohle oder eine Ma- genspülung mit 3 1 Wasser durch- geführt und die Aspirinkonzentra- tion im 24-Stunden-Sammelurin be- stimmt.

Im Vergleich zu einer Kontroll- gruppe, bei der keine therapeutische Maßnahme durchgeführt wurde, lag die Urinausscheidung in den drei Be- handlungsgruppen in gleicher Höhe.

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß man bei einer Aspirin- überdosierung mit dem für den Pa- tienten am wenigsten belastenden Verfahren, nämlich der Gabe von Aktivkohle, den gleichen Effekt er- zielen kann wie mit einem aggressi- veren Vorgehen.

Daniel, V., J. A. Henry, E. Glucksman: Ac- tivated charcoal, emesis, and gastric lavage in aspirin overdose. Br. Med. J. 296: 1507, 1988

National Poisons Unit, Guy's Hospital, London SE1 9RT and Accident and Emergency Department, King's College Hospital, London SE5 9RS

9

A-2086 (54) Dt. Ärztebl. 86, Heft 28/29, 17. Juli 1989

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Sarkoidose ist eine systemische Granulomatose unbekannter Ätiologie. Die letzten Jahre erbrachten eine Reihe neuer Erkennt- nisse, die zeigen, daß es sich hier um eine

0 Die Operation hat bei Pa- tienten im Stadium I und II ihre Be- rechtigung und sollte deshalb durch- geführt werden. Gegenwärtig ist noch nicht entschieden, ob es für

Nach potentiell kurativer chirurgischer Resektion werden in Abhängigkeit vom Tumorstadium Fünfjahres-Überlebensraten von 10 bis 50 Prozent (im Durchschnitt 25 Prozent)

Da sich schwere Anthrakosilikosen sehr häufig auch weiterentwickeln zu den Kategorien A, B und C, wird bei der Anerkennung als Berufskrankheit die Atemwegsob- struktion ab

Ambulant erworbene Pneumonien werden vorwiegend durch Streptococcus pneumoniae, Hämophilus influenzae, Mykoplasma pneumoniae und pneumotro- pe Viren verursacht; daneben findet

Diese Überlegung hat aber mit dem in unserem Beitrag dargestellten Krankheitsbild nichts gemein, denn Ziel dieses Beitrages war es, unter anderem nachdrücklich darauf hin-

Auch die Vorder- darmzysten (60 Prozent Tracheo- bronchialzysten) liegen üblicherwei- se im mittleren Mediastinum. Der größte Anteil der Tumoren im hinte- ren Mediastinum wird

Hypertonie und Herz- rhythmusstörungen sind Folge einer SBAS, die Adipositas ist jedoch häufig die Ursache für eine Atmungsstörung.. Im klinischen Setting eines Schlafla- bors sind