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Archiv "Sana-Ärztetagung: Pole position noch offen" (13.11.1998)

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war liege die 50jährige Wieder- kehr der Gründung der Ärzte- kammer Nordrhein schon et- was zurück, doch wollte man – so der Präsident der Ärztekammer Nord- rhein, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe – dieses Fest zeitgleich mit der Vorlage der Monographie „Ärztliche Selbstverwaltung im Wandel. Eine hi- storische Dokumentation am Beispiel der Ärztekammer Nordrhein“ aus der Feder von Gerhard Vogt begehen.

Das Warten darauf hat sich gelohnt (siehe DÄ 45, „Spektrum/Bücher“).

Ohnehin war der Blick bei der Veran- staltung der Kammer am 27. Oktober in Düsseldorf selbst weniger in die Vergangenheit gerichtet; die Festred- ner waren gebeten worden, ihre zukünftigen Erwartungen an die Ärz- tekammer Nordrhein zu formulieren.

Als deren Repräsentant bot Hoppe allen an der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens Beteiligten seine Dialogbereitschaft an.

Wer unter den Zuhörern ange- sichts des gerade vollzogenen Regie- rungswechsels in Bonn dezidierte Äußerungen der SPD-Ministerin für Frauen, Jugend, Familie und Gesund- heit des Landes Nordrhein-Westfalen, Birgit Fischer, erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Mehr als das, was im Pro- gramm der neuen Koalition enthalten ist, konnte ihren Worten nicht entnom- men werden. Sie verwies auf ein natür- liches Spannungsverhältnis von Staat und ärztlicher Berufspolitik, anerkann- te die Sach- und Fachkompetenz der

organisierten Ärzteschaft und mahnte die Bereitschaft zur Veränderung an.

Konkreter wurden da andere Redner, wie zum Beispiel Dr. Rudolf Kösters, Präsident der Krankenhaus- gesellschaft NRW, der die Unterstüt- zung der Ärztekammer beim Zustan- dekommen einer qualitätsverbessern- den Zusammenarbeit aller Heilberufe an den Krankenhäusern einforderte.

Zudem wünschte er sich die Ärzte- kammer als vermittelnden Unterhänd- ler bei der Auseinandersetzung um die Verzahnung von ambulanter und sta- tionärer Versorgung. Auch Prof. Dr.

Thomas R. Weihrauch als Vertreter der forschenden Pharmaunternehmen trug einige konkrete Wünsche an die Ärztekammer vor. Sie möge künftig dazu beitragen, die Akzeptanz in der Gesellschaft im Hinblick auf die klini- sche Forschung zu verbessern. Eine wesentliche Verbesserung für die Er- forschung neuer Wirkstoffe, zu der die Ärztekammer Nordrhein beitragen könne, wäre die Anerkennung von Leit-Ethikkommissionen bei multizen- trischen Versuchsreihen.

Der Vorstandsvorsitzende der Barmer Ersatzkasse, Dr. med. Eckart Fiedler, verwies auf die Integrations- funktion der Ärztekammern, auf die er gerade angesichts der den gesetzli- chen Krankenkassen nötig erschei- nenden Reformen bei der kassenärzt- lichen Versorgung hoffe. Die von Fiedler vorgetragenen Thesen werden vom Vorsitzenden der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung, Dr. med.

Winfried Schorre, der wie der Präsi- dent der Bundesärztekammer, Prof.

Dr. med. Karsten Vilmar, an der Fest- veranstaltung teilnahm, interessiert zur Kenntnis genommen worden sein.

Als ein Novum und ein positives Zeichen wurde allseits bewertet, daß mit Prof. E. O. Wolfshohl ein Vertreter von Patienten-Selbsthilfegruppen als Redner zum Schluß der Veranstaltung zu Wort gebeten worden war. Er emp- fahl eine stärkere Vernetzung der Arzt- praxen mit Beratungsorganisationen, die insbesondere von alten Menschen sehr selten konsultiert würden. Oft sei der Arzt der einzige Ansprechpartner in den unterschiedlichsten Notlagen.

Er äußerte die Hoffnung, daß sich die Ärztekammer Nordrhein künftig auch als Patienten-Schutzkammer verstehen werde. Dr. Thomas Gerst

P O L I T I K AKTUELL

Ärztekammer Nordrhein

Vielerlei

Erwartungen

„Stellung der Ärztekammer im selbstverwalteten

Gesundheitswesen“ lautete das Thema einer Fest- veranstaltung anläßlich des 50jährigen Bestehens der Ärztekammer Nordrhein.

Z

nversehens geriet die Podiums-

diskussion über „Netzwerke“

am 17. Oktober in Würzburg zu einer Debatte über künftige Struktur- reformen im Gesundheitswesen. Ei- gentlich hatte der Veranstalter, die Sa- na-Kliniken Gesellschaft, ein namhaf- ter privater Betreiber von Kranken- häusern, nur über die Position des Krankenhauses in Netzwerken Klar- heit gewinnen wollen. Denn über Net- ze wird derzeit noch überwiegend mit Blick auf die ambulante Versorgung diskutiert. Die Kliniken befürchten, ins Hintertreffen zu geraten, und ver- suchen, sich einzubringen.

Nun sind Netze nicht die einzigen Elemente einer Strukturreform im Gesundheitswesen, wie sie die neue Regierungskoalition anpeilt. Dazu gehören weiter die Stärkung der Funktion des Hausarztes sowie die Öffnung der Krankenhäuser. Ange- dacht werden auch neue Vertragsfor- men zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern jeder Art.

Dr. Hans Jürgen Ahrens, der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bun- desverbandes, verspricht sich jeden- falls von einer Strukturreform, in die auch das Krankenhaus und die Hono- rierungssysteme einzubeziehen wä- ren, eine „flexiblere Vertragspolitik“.

Das ist eine elegante Umschreibung dessen, was unter dem Schlagwort

„Einkaufsmodell“ die Runde macht.

Nicht nur ambulant will Ahrens die Verträge flexibler gestalten, er erhofft sich auch eine bessere Position bei der

Sana-Ärztetagung

Pole position noch offen

In den nächsten Jahren dürfte es zu Verschiebungen zwischen ambulanter

und stationärer Versorgung kommen. Niemand

möchte dabei ins Hintertreffen geraten.

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Auswahl leistungsfähiger Kranken- häuser und damit den Wegfall des Kontrahierungszwanges. Die Kran- kenkassen könnten hier einen guten Schritt weiterkommen, wenn es zur monistischen Finanzierung der Kran- kenhäuser käme, die bisherige Finan- zierung von Investitionen durch die Länder also wegfiele.

Änderungen in der Struktur der ambulanten Versorgung? Dr. med.

Klaus-Dieter Kossow, Vorsitzender des Berufsverbandes der Allge- meinärzte, umschrieb die Vorstellun- gen der Hausärzte für eine primär- ärztliche Versorgung auf freiwilliger Basis. Kossow sieht Wettbewerb we- niger zwischen den ambulant tätigen Ärzten und dem Krankenhaus. Für ihn liegt die Konfliktproblematik eher zwischen Hausarzt und spezialistisch tätigem Facharzt.

Modellüberlegungen auch der neuen rot-grünen Koalition gehen da- hin, das Krankenhaus für die fachärzt- liche Versorgung zu öffnen. Offen ist bisher, wie die Öffnung aussehen soll.

Die Krankenhausträger halten sich hier bedeckt, während der Marburger Bund, in Würzburg durch Rudolf Henke vom MB-Vorstand vertreten, für eine Öffnung in Form persönlicher Beteiligungen der Krankenhausärzte plädiert. Henke trat im übrigen dafür ein, Strukturveränderungen nicht un- ter dem Aspekt des Verteilungskamp- fes zu sehen. Im Vordergrund müsse die objektive Verbesserung der Pati- entenversorgung stehen.

Die pole position im Wettstreit um die Strukturreform ist noch nicht vergeben. Die Kassen geben sich an- gesichts der neuen Koalition optimi- stisch, aber auch die Hausärzte und die Krankenhausträger, die zur Öff- nung bereit sind, machen sich Hoff- nungen. Unterdessen passiert an der Basis mehr, als die politische Diskus- sion ahnen läßt. Etwa bei der Vernet- zung. Die Krankenhäuser sind hier durchaus mit dabei. Und das auch ganz offiziell. Dr. med. Axel Munte, Vorsitzender der KV München, wies darauf hin, daß die Münchener Ärz- te bei der Notfallbereitschaft mit Krankenhäusern kooperieren. So- eben erst ist im Klinikum rechts der Isar eine Bereitschaftspraxis eröffnet worden – unter Beteiligung von 20 Hausärzten. Norbert Jachertz

P O L I T I K AKTUELL/MEDIZINREPORT

und 20 Millionen Bundesbür- ger leiden an arthrotischen Veränderungen von minde- stens einem Gelenk. Das hat zwei Gründe, zum einen die zunehmende Lebenserwartung und zum anderen eine steigende Zahl an Sportverlet- zungen, die arthrotischen Spätfolgen den Weg bahnen. Die degenerative Gelenkerkrankung hat enorme so- zioökonomische Folgen: sie sei ver- antwortlich für jährlich 50 Millionen Arztkonsultationen, 55 Millionen Ar- beitsausfalltage, 45 Prozent aller Re- habilitationsmaßnahmen sowie 30 Prozent der Frühberentungen, wie Prof. Rudi Ascherl (Ingolstadt) beim diesjährigen Orthopädenkongreß in Wiesbaden berichtete.

Da eine Heilung der Arthrose auf absehbare Zeit nicht möglich ist, zielen die Orthopäden auf schonende Operationsverfahren bei Sportverlet- zungen, die Ausschöpfung und Erwei- terung der Pharmakotherapie, die Op- timierung der Endoprothetik und die Entwicklung völlig neuartiger Thera- pieverfahren; dazu gehören die Knor- pelzelltransplantation, aber auch gen- therapeutische Verfahren, welche den Knorpelverlust aufhalten.

Ein Problem stellen nach Anga- ben des Kongreßpräsidenten Prof.

Hans-Otto Dustmann (Engelskir- chen) vor allem die Meniskusverlet- zungen dar, da sowohl nach totaler wie auch nach subtotaler Meniskusre- sektion fast unweigerlich eine Arthro- se als Spätfolge droht. Wann immer möglich, sollte deshalb operativ eine Meniskusfixation oder eine Rekon- struktion angestrebt werden. Diese empfiehlt sich vor allem bei basisna- hen Längsrissen. Dann nämlich kann,

so die Erfahrungen des Orthopäden bei 111 Patienten, die Biomechanik des Kniegelenks erhalten und die postoperative Arthroserate gesenkt werden. Allerdings ist die Nachbe- handlung langwieriger, und der Pati- ent muß eine längere Sportunfähig- keit in Kauf nehmen, weshalb das Verfahren oft nicht besonders gut ak- zeptiert wird.

Als weitere Möglichkeit, der Ar- throse vorzubeugen, wurde in Wies- baden der Meniskusersatz durch Seh- nenstreifen aus der Quadrizepssehne vorgestellt. So berichtete Frau Dr.

Gabriele Peters (Medizinische Hoch- schule Hannover) von 66 Patienten mit Meniskusläsionen, die mit einem solchen Sehnenmeniskus versorgt wurden. Die Patienten wiesen nach dem Eingriff weniger Beschwerden (Schmerzen, Schwellung) auf als eine Kontrollgruppe mit totaler Menisk- ektomie, und die äußere Form des Sehnenmeniskus ähnelte bei der Nachuntersuchung dem normalen Meniskus.

Medikamentöse Therapie:

Alle Register ziehen

Während der nunmehr fünfjähri- gen Nachbeobachtungszeit war nach Peters in keinem Fall eine Resektion des Meniskusersatzes erforderlich.

Doch zeigte sich die Oberfläche des Meniskusersatzes als fransiges Seh- nengewebe, und die Konsistenz war weich. „Wir können dem Knie nicht die Instabilität nehmen, wohl aber ei- nen gewissen Knorpelschutz ge- währen“, erklärte Peters, die empfahl, das Verfahren in Langzeituntersu-

Orthopädie

Standard und Optionen für die Therapie der Arthrose

Schonende Operationsverfahren bei Sportverletzungen, Ausschöpfung der Pharmakotherapie, Optimierung der Endoprothetik und Knorpelzelltransplantation waren Schwerpunkte auf dem diesjährigen Orthopädiekongreß.

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chungen zu überprüfen. Läßt sich die Arthrose nicht verhindern, so gilt es, alle Register zu ziehen, um weiteren Knorpelschäden vorzubeugen.

Gleichzeitig muß durch die Be- handlung angestrebt werden, die Be- schwerden des Patienten zu lindern und die Gelenkfunktion in puncto Stabilität, Beweglichkeit und Belast- barkeit zu erhalten. Dem Arzt steht nach Ascherl dazu ein breites phar- mako-therapeutisches Repertoire zur Verfügung. Dieses reicht von den Analgetika über die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) – dazu gehören heute die selektiven Hem- mer des Enzyms Cyclooxygenase 2 – bis hin zur lokalen Injektion oder so- gar der systemischen

Gabe von Kortiko- iden, um das Ent- zündungsgeschehen einzudämmen.

Ähnlich gün- stige Effekte wie bei den Kortikoiden werden nicht selten aber auch bei der intraartikulären In- jektion von Hya- luronsäure gesehen, ein Verfahren, des- sen knorpelschüt- zende Wirksamkeit nach Angaben des Mediziners belegt ist. Die Hyaluron- säure bessert nach seinen Worten die Viskosität der Syno-

vialflüssigkeit und baut wieder ein mo- lekulares Polster zwischen den Kno- chen auf. Sie wirkt außerdem pharma- kologisch, indem die Phagozytoseakti- vität der Makrophagen gehemmt wird.

Neue, in Wiesbaden vorgestellte Un- tersuchungen belegen darüber hinaus, daß Hyaluronsäure zu einer Erhöhung des bei Arthrosepatienten erniedrig- ten Sauerstoff-Partialdrucks im Ge- lenk führt und zugleich die Temperatur im erkrankten Gelenk erniedrigt.

Dennoch lasse sich in Einzelfäl- len die Versorgung mittels einer Endoprothese nicht vermeiden, wo- bei Deutschland zusammen mit Österreich und der Schweiz hinsicht- lich der Endoprothetik eine führende Stellung einnimmt, so Dustmann.

Sehr gute Erfolge verzeichnen die Or-

thopäden nach seinen Worten mit den hier entwickelten neuen zementfreien Titanendoprothesen, welche sehr gut anheilen und eine sehr hohe Festig- keit und Stabilität erwirken.

„Bei den Hüftendoprothesen se- hen wir mit diesen neuen Werkstoffen sehr gute Erfolge, das Knie hinkt al- lerdings leider noch etwas hinterher“, so Dustmann.Vorteilhaft beim ze- mentfreien Vorgehen ist nach Prof.

Armin Braun (Bad Rappenau) vor al- lem der unmittelbare Kontakt zwi- schen dem Implantatmaterial und dem Knochen, der ein quasi biologi- sches Anheilen der Prothese erlaubt.

Als optimaler Werkstoff hat sich Titan erwiesen, denn es zeigt eine sehr hohe

Biokompatibilität und ist sehr gut ge- webeverträglich.

Als Fortschritt wertet der Or- thopäde außerdem neue Keramik- Paarungen, wobei ein Keramik-Kopf in einem Keramik-Inlay läuft, so daß ein nur sehr geringer Abrieb resul- tiert. Bei den zementfreien Endopro- thesen wird nach seiner Darstellung die Kraft über den proximalen Anteil der Prothese auf den Knochen über- tragen, wovon die Orthopäden sich in erster Linie eine Verringerung des Schaftschmerzes versprechen.

Ermutigende Ergebnisse wurden in Wiesbaden auch zur Schulterendo- prothetik vorgestellt. Wissenschaftler der Sportklinik Stuttgart überblickten derzeit 118 Hemi- und 63 Total- endoprothesen der Schulter mit ei-

ner durchschnittlichen Nachbeobach- tungszeit von zwei Jahren, wie Dr. Rü- diger Schmidt-Wiethoff (Sportklinik Stuttgart) darlegte. Die Prothesen wa- ren notwendig wegen Traumen, einer Omarthrose und seltener wegen einer rheumatoiden Arthritis, idiopathi- schen Nekrosen oder einer Rotato- renmanschetten-Defektarthropathie.

Zehn Patienten mußten beidseitig versorgt werden, und 87 Patienten wa- ren zum Zeitpunkt der Operation zwi- schen ein und sieben Mal voroperiert.

Durch die Implantation einer Schulter-Endoprothese konnte eine deutliche Reduktion der Schmerzen erwirkt werden bei gleichzeitiger Bes- serung der Gelenkfunktion. 46 Prozent der Patienten gaben eine sehr gute sub- jektive Zufriedenheit an, 31 Prozent antworteten mit „gut“, 17 Prozent mit

„mittelmäßig“, und nur sechs Prozent bewerteten das Ergebnis selbst als

„schlecht“. Die besten Resultate wur- den dabei, so Schmidt-Wiethoff, bei der sekundären Frakturversorgung so- wie den Omarthrosen erzielt.

Als nachteilig bezeichnete er die bislang noch recht hohe Komplikati- onsrate des Verfahrens. So kam es in vier Fällen zur Implantatlockerung, dreimal zur Inlay-Dislokation, zu zwei intraoperativen Humerusschaftfrak- turen, vier temporären Plexusparesen, zwei antero-superioren Subluxationen und drei Infekten mit späterem Pro- thesenausbau. Dennoch hält der Or- thopäde die Ergebnisse insgesamt für ermutigend und für einen deutlichen Hinweis auf den steigenden Stellen- wert der Schulterendoprothetik.

Umstritten: Transplantation von Knorpelzellen

Umstritten diskutiert wurde da- gegen die Bedeutung der Knorpelzell- transplantation. So gibt es ermutigen- de Hinweise darauf, daß sich durch ei- ne autologe Chondrozytentransplan- tation tiefe Knorpeldefekte des Knie- gelenks gut behandeln lassen. Mehr als 300 Patienten wurden laut Dr.

Christoph Erggelet (Universitätskli- nik Freiburg) in einer prospektiven Multicenterstudie mit diesem Verfah- ren therapiert. 273 Patienten wurden inzwischen über ein Jahr, 50 Patienten über zwei Jahre nachbeobachtet.

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutschland, Österreich und die Schweiz sind in der Endoprothetik führend:

Schlittenprothese des Kniegelenks links, Totalendoprothese rechts. Foto: Archiv

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Das Resultat: Bei 80 Prozent der Patienten wurde durch die autologe Chondrozytenimplantation eine deut- liche Besserung der Beschwerden er- reicht, wobei Femurdefekte offenbar besser ansprachen als Patelladefekte.

Komplikationen wie eine Arthrofi- brose wurden in 5,3 Prozent der Fälle gesehen, bei 4,3 Prozent der Patienten war eine Reoperation unvermeidbar.

Doch bestätigen die Studienergebnis- se nach Erggelet die ersten positiven Erfahrungen anderer Arbeitsgruppen.

Sportmediziner wie Prof. Klaus Steinbrück (Sportklinik Stuttgart- Bad Cannstatt) und Orthopäden wie Prof. Werner Hein (Klinik und Poli- klinik für Orthopädie der Universität Halle-Wittenberg) aber warnten in Wiesbaden eindringlich vor einer Ausweitung der Indikation und vor Therapieversuchen mittels dieses Verfahrens bei der Arthrose. Bis- lang ist die Knorpelzelltransplanta- tion nach ihren Worten auf die Be- handlung von Knorpeldefekten be- schränkt. „Denn wir wissen nicht, ob tatsächlich nach der Übertragung hyaliner Knorpel entsteht“, so Hein.

Auch fehlen nach seinen Anga- ben noch Untersuchungen zur genau- en Charakterisierung der zu übertra- genden Zellen, und es ist noch unklar, wie die Zellträger im idealen Fall be- schaffen sein müssen, damit die trans- plantierten Knorpelzellen sich gut aus- breiten und anwachsen können. Solan- ge aber kontrollierte klinische Studien mit ausreichenden Patientenzahlen fehlen und das Verfahren nicht stan- dardisiert ist, müsse vor einer unkriti- schen Anwendung gewarnt werden.

Auch mit Hilfe der Molekularbio- logie wird versucht, der Arthrose Ein- halt zu gebieten. So wird daran gear- beitet, auf gentechnischem Weg Zel- len zur Produktion von Wachstums- faktoren anzuregen, um die weitere Degeneration aufzuhalten. Ein ande- rer Ansatz leitet sich von der rheuma- toiden Arthritis ab und könnte eines Tages auch bei der Arthrose bedeut- sam werden. Dabei wird versucht, die Gelenke selbst zur Produktion antiar- throtischer und antiinflammatorischer Proteine zu animieren. Es werden da- bei therapeutische Gene in Körperzel- len eingebracht, um fehlende oder defekte körpereigene Proteine zu sub- stituieren. Christine Vetter

T H E M E N D E R Z E I T MEDIZINREPORT/BLICK INS AUSLAND

eit Angola 1974 seine Unab- hängigkeit von Portugal er- hielt, tobt im Land zwischen der ehemaligen Befreiungsbewegung Unita und den Regierungstruppen FAA ein Bürgerkrieg. Das Gesund- heitswesen ist mittlerweile an einem Tiefpunkt angelangt.

Die Provinz und die Stadt Malan- je, deren medizinische Versorgung völlig zusammengebrochen war, sind seit 1995 Zentrum eines Hilfspro- gramms. Ziel ist es, medizinische Not- hilfe zu leisten, die Minenopfer zu versorgen und eine Prothesenwerk- statt aufzubauen. Mit Hilfe des Aus- wärtigen Amtes und des Arbeitssta- bes für humanitäre Hilfe konnte ein Team, bestehend aus einem Facharzt für Chirurgie, einer Fachärztin für

Anästhesie, einem OP-Pfleger und ei- nem Koordinator, nach Angola ge- schickt werden. Dem Team schlossen sich später ein Orthopädie-Techniker und eine Bandagistin an.

Die Provinz Malanje hat rund 400 000 Einwohner und nur ein Kran- kenhaus. Die Lage ist schwierig. Le-

diglich Malanje-Stadt und zwei der 14 Distrikte der Provinz sind unter Kon- trolle der Regierungstruppen, die restlichen werden von der Unita kon- trolliert. Jeweils die Hälfte der Stadt wird zwischen 18 und 24 Uhr mit Strom aus einem Notstromaggregat versorgt. Wasser wird aus Quellen am Stadtrand abgepumpt und in Tanks in die Häuser gebracht – für 1 000 Liter Wasser zahlt man rund sieben US- Dollar. Die Wasserqualität ist weder kontrolliert noch kontrollierbar. Epi- demien oder Erkrankungen infolge verschmutzten Wassers sind aller- dings bislang nicht bekanntgeworden.

Weil Malanje-Stadt von einem Minengürtel umgeben ist, kann der Boden nicht optimal kultiviert wer- den. Die Stadt ist damit auf Lebens- mittellieferungen aus der Hauptstadt Luanda an- gewiesen. Aufgrund der fehlenden Verkehrsver- bindungen müssen alle notwendigen Güter auf dem Luftweg nach Ma- lanje geschafft werden, was auch Grundnah- rungsmittel stark verteu- ert (Ein Kilogramm Zucker kostet 1,50 US- Dollar, ein Kilogramm Brot einen US-Dollar).

Die Eisenbahnstrecke Luanda – Malanje ist ver- mint und nicht mehr be- fahrbar. Eine Entminung würde mehr kosten als der Bau einer neuen Eisenbahnlinie.

Die Hauptstraße von Luanda nach Malanje ist nur mit geländegängigen Fahrzeugen passierbar. Die Fahrt auf der 450 Kilometer langen Strecke dau- ert acht bis neun Stunden. Der kleine Flugplatz, der im Krieg weitgehend zerstört wurde, wird vor allem vom

Krisengebiet Angola

Das Leid der Minenopfer

Das Gesundheitswesen Angolas leidet unter den Folgen des Bürgerkrieges. Die Versorgung der zahlreichen Landminenopfer stellt die Ärzte vor große Probleme.

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World Food Program genutzt. Post- und Telefonverbindungen gibt es nicht.

Die Sicherheitslage im Land ist prekär. Während des Bürgerkrieges hatte der Staat die Bevölkerung be- waffnet. Die Waffen wurden aller- dings nach Ende der Auseinanderset- zungen nicht eingesammelt. Dies ist ein Grund dafür, daß häufig und un- überlegt von der Waffe Gebrauch ge- macht wird, was durch den verbreite- ten Alkoholkonsum noch verstärkt wird. Die unsichere Lage zwingt dazu, Selbstschutzmaßnahmen zu ergreifen.

Besonders betroffen sind die regie- rungsunabhängigen Hilfsorganisatio- nen. Häufig wird das Depot, in dem

sie ihre Güter lagern, von den eigenen Wächtern ausgeraubt. Auch Einrich- tungen der Vereinten Nationen wer- den nicht verschont. Ein freiwilliges Ausgangsverbot ab 20 Uhr soll die La- ge entschärfen.

Opfer sind die Zivilisten

Eine Plage Angolas sind die Mi- nen. Neben Malaria, Tuberkulose, AIDS und Anämie ist die Verminung ein Problem, das das Land noch im kommenden Jahrhundert beschäfti- gen wird. Die Verminung begann be- reits während des Unabhängigkeits- krieges gegen Portugal und wurde nach Abzug der Portugiesen von den Befreiungsbewegungen fortgesetzt, die sich nun um die Macht stritten.

Betroffen war die Infrastruktur:

Brücken, Straßen und Wasserbrun- nen. Um die Städte wurden Mi- nengürtel gelegt. Mehr als 365 Minen- arten sind in Angola vergraben. Ver- mint ist alles, was als militärisches Sperrgebiet gilt, und alles, was strate- gisch bedeutsam ist. Dazu gehört zum Beispiel die Kaserne im Stadtzentrum von Malanje. Sie ist von einem Mi- nengürtel umgeben, ohne daß die Be- völkerung durch Warnschilder darauf hingewiesen würde. Spielende Kinder und die Zivilbevölkerung sind die Leidtragenden. Selbst die Depots der Erdölgesellschaft Sonangol in der Stadt sowie Hauptstraßen und

Brücken sind vermint. Im Krieg zer- störte Dörfer wurden ebenfalls ver- mint, um die Rückkehr der Bewohner zu verhindern. Auch in Flüssen und den ehemaligen Camps der Kriegs- parteien wurden Minen gelegt. Immer wieder kommt es zu tragischen Zwi- schenfällen: Eine Gruppe von Frauen wäscht am Fluß, eine Mine explodiert.

Eine Frau verunglückt tödlich, zwei werden schwer verletzt. Einer Frau muß der Oberschenkel, der anderen der Unterschenkel amputiert werden.

Die Minensuche gestaltet sich ex- trem schwierig, weil weder Pläne noch Karten existieren, auf denen die Mi- nen verzeichnet sind. Die Kriegspar- teien hüllen sich in Schweigen.

Zunächst hatte die Regierung mit der Minenräumung begonnen. Später räumte die Bevölkerung selbst und

setzte die Minen zum Schutz der eige- nen Häuser oder Gärten wieder ein.

Ein 13jähriger Junge, der etwas aus dem Nachbargarten holen wollte, wurde durch die Explosion einer Mi- ne so schwer verletzt, daß er unter den Händen der Ärzte verblutete.

Die besten Informationen über die Verbreitung von Landminen lie- fern die Minenopfer selbst. Daher empfiehlt sich eine enge Zusammen- arbeit zwischen Ärzten und Minen- räumern. In Malanje sind drei Organi- sationen mit der Minenräumung be- traut. Die wichtigste Organisation ist die NPA, die professionell und gründ- lich arbeitet. Allerdings klagt auch sie über die mangelnde Kooperation der Kriegsparteien.

Minenräumung ist lukrativ

Die Minenräumung ist ein kost- spieliges und langfristiges Problem.

Es wird noch mindestens 15 Jahre dauern, bis die Provinz Malanje mi- nenfrei ist – allerdings nur dann, wenn keine neuen Minen hinzukommen.

Die geräumten Minen werden in der Regel zerstört, um Mißbrauch zu ver- hindern. Die Minenräumung hat sich mittlerweile zu einem lukrativen Ge- schäft entwickelt.

Das Gesundheitswesen in der Provinz Malanje hatte unter portugie- sischer Herrschaft einen guten Ruf, zu dem vor allem die Missionare beitru- gen. Im Krankenhaus von Malanje wurden beispielsweise bereits 1953 Nephrektomie-Operationen durchge- führt. Heute ist das 160-Betten-Kran- kenhaus Militärhospital und das einzi- ge noch existierende in der Region. Es verfügt über die Abteilungen Innere Medizin, Chirurgie, Pädiatrie, Gynä- kologie, Geburtshilfe, Augenheilkun- de, Stomatologie, Labor-Radiologie und Hämatologie. In den verschiede- nen Abteilungen arbeiten drei angola- nische Ärzte (keine Fachärzte), ein Pädiater und ein Gynäkologe. Drei vietnamesische Ärzte sind im Rahmen eines Abkommens zwischen Angola und Vietnam am Krankenhaus tätig.

Zum Pflegepersonal gehören sechs OP- und vier Anästhesiepfleger. Eine Spezialabteilung ist für Mangel- ernährung zuständig. Bereits 1974 wurde der Bau eines neuen Kranken-

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND

Häufig sind spielende Kinder Opfer von Landminen, denn vermint ist alles, was von strategischer Bedeutung ist.

Fotos (3): Akram Naasan

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hauses geplant. Die zwölfstöckige Bauruine ist heute noch zu sehen.

Am 5. Dezember 1995 traf das Hilfsteam aus Deutschland in Malanje ein. Es stellte sich heraus, daß die Ar- beitsbedingungen viel schlechter wa- ren, als berichtet wurde. Der bauliche Zustand des Krankenhauses ist mise- rabel: Im Notaufnahmeraum fehlen die Instrumente, die Matratzen sind schmutzig und unbenutzbar. Es gibt weder Strom noch fließend Wasser. Im Zwei-Wochen-Rhythmus wird das Krankenhaus mit 7 000 Litern Wasser versorgt, das in einem Tank gesammelt und anschließend in Eimern zu den Abteilungen getragen wird. In der Pädiatrie und Gynäkologie fehlt stän- dig irgend etwas: Es gibt kein Wasser, keine sterilen Instrumente, keine Medikamente, kein Tageslicht, keine sterile Kleidung, die Instrumentier- schwester ist nicht da, oder der Anästhesist ist betrunken, und mittler- weile ist der Patient im Schockzustand, oder man kann nicht mehr operieren.

Hygiene – ein Fremdwort

Strom wird von zwei Generato- ren erzeugt, die allerdings außer Be- trieb sind, so daß das Krankenhaus auf die Stromversorgung durch die Stadt angewiesen ist, die zwischen 18 und 23 Uhr erfolgt. Nur während die- ser Zeit ist es möglich, Instrumente zu sterilisieren und zu operieren. Das einzige Röntgengerät ist wegen feh- lender Ersatzteile außer Betrieb. Im Labor können lediglich die Blutgrup- pen bestimmt und HIV-Tests durch- geführt werden. Ergebnisse gibt es erst nach zwei Tagen. Es ist daher kaum verwunderlich, daß mehr als 350 HIV-Infizierte im Krankenhaus registriert waren.

Die chirurgisch-orthopädische Abteilung verfügt dem Namen nach über einen Raum zur Reanimation, in dem jedoch alles fehlt, was man für ei- ne Reanimation braucht. Schmutz und Gestank sind Worte, die in dieser Abteilung an Bedeutung verlieren:

Die Betten sind nicht gereinigt, Ma- tratzen sind Herde für alle erdenkli- chen Erreger. Bei Regen strömt Was- ser durch die undichten Zimmer- decken. Unter diesen Umständen ist es unmöglich, postoperative Infektio-

nen zu verhindern. Innerhalb eines Monats starben vier Patienten an ei- ner Tetanusinfektion. Die postopera- tive Heilungsphase dauert trotz Gabe von Breitband-Antibiotika häufig bis zu einem Monat.

Die Zahl der Minenunfälle be- trägt in der Regel zwischen drei und vier monatlich. Durchschnittlich braucht man mindestens fünf Stun- den, um vom Unfallort in die Klinik zu gelangen. Der Patient wird meist von seinen Angehörigen zu Fuß oder mit dem Fahrrad ins Krankenhaus ge- bracht. Ereignet sich der Unfall in ei- nem Minenfeld, kommt häufig jede Hilfe zu spät. Das Minenopfer verblu-

tet, weil keiner der potentiellen Hel- fer weiß, ob und wo noch andere Mi- nen vergraben sind.

Wenn die Patienten im Kranken- haus ankommen, befinden sie sich meist bereits im traumatologischen hämorrhagischen Schock. Dort wird zunächst die Notversorgung eingelei- tet: Infusion mit Ringerlactat und Na- triumchlorid, Blutgruppe bestimmen, Bluttransfusion vorbereiten, Schock- therapie, Anti-Tetanus-Vakzine, An- tibiotika-Therapie. Die Erste Hilfe ist auf die Hämostase konzentriert: kom- plette Wundlavage, Entfernung der abgestorbenen Teile in Lokal- oder Vollnarkose je nach Möglichkeit, Vor- bereitung zur Operation. Diese wird in der Regel nach 20 Uhr durchge-

führt, da das einzige Instrumenten-Set des Krankenhauses nur bei Stromver- sorgung sterilisiert werden kann.

Vier Fälle aus dem Alltag im Krankenhaus:

Fall 1: Baiao L., 64, Hernia in- guinalis mit Strangulation

Am 6. März 1996 wird der Patient unter Vollnarkose operiert. Am Tag zuvor erhält er eine Impfung zur Teta- nusprophylaxe. Der postoperative Verlauf ist sehr gut, der Patient wird in den sogenannten Patientenraum ver- legt. Am fünften postoperativen Tag kommt es zur Steifheit der Nacken-, Rücken- und Kaumuskulatur. Er kann den Mund nicht öffnen, seine Körper- haltung ist typisch für Tetanus, seine Körpertemperatur niedrig. Am achten postoperativen Tag stirbt der Patient qualvoll. Eine symptomatische Thera- pie mit Antibiotika, Aspirin, Metami- zol und Diazepam wurde zwar verab- reicht. Anti-Tetanus-Serum war je- doch zu diesem Zeitpunkt in Angola nicht verfügbar. Offenbar hatte es im Krankenhaus bereits mehrere solcher Todesfälle gegeben, ohne daß darauf reagiert wurde. Das Hilfsteam ließ daraufhin Anti-Tetanus-Serum aus Deutschland einfliegen.

Fall 2: Laurenco D., 32, Soldat der angolanischen Regierungstrup- pen FAA, Minenunfall

Der Patient ist am 9. Oktober 1996 in Cacuso, rund 40 Kilometer von Malanje entfernt, über eine Mine ge- laufen. Die Strecke bis zum Kranken- haus hätte in höchstens zwei Stunden zurückgelegt werden können. Der Pa- tient hatte seinen Unterschenkel ver- loren und hatte diverse Oberflächen- verletzungen. Er wurde zunächst nicht medizinisch behandelt. Erst am 24.

Oktober wurde das Hilfsteam benach- richtigt, daß er seit drei Tagen an Teta- nus litt. Der Patient wurde sofort mit 10 000 IE Tetagan i. m. behandelt. Am zweiten Tag wurden 3 000 IE i. m. ver- abreicht. Der Allgemeinzustand des Patienten hatte sich nach drei Tagen wesentlich verbessert. Die typische Wundstarre war zurückgegangen, und er begann, sich selbst zu ernähren.

Fall 3: Augusto F., 17, aus einem Waisenhaus nahe Malanje, Malnutri- tion

Dem Patienten wird am 12. Fe- bruar 1996 ein Bein amputiert. Der postoperative Verlauf ist gut. In An-

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Landminen sind eine alltägliche Bedrohung für die Menschen Angolas. Nicht überall weisen Schilder auf die Gefahr hin.

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betracht der hygienischen Verhältnis- se im Krankenhaus wird er mit Peni- cillin G, Gentamycon, Acetylsalit, Metamizol und Vitaminen behandelt.

Am fünften postoperativen Tag be- ginnt das Wundstarrsyndrom, beglei- tet von mäßigem Fieber (bis zu 38°) während der Nacht. Allerdings begin-

nen, ausgehend vom amputierten Bein, Muskelkontraktionen, die sich Richtung Nacken- und Wirbelsäulen- muskulatur fortsetzen. Am vierten Tag nach Ausbruch der Infektion stirbt der Patient qualvoll.

Fall 4: José Antonio P., 33, Soldat der Regierungstruppen FAA, Minen- unfall mit Verlust des Unterschenkels, Handverletzungen rechts und links sowie Oberschenkelverletzungen

Der Patient verunglückt am 24.

September 1996 gegen 12 Uhr mittags in Malanje-Stadt. Erst drei Stunden später wird er ins Krankenhaus einge- liefert. Seine Verletzungen sind sehr untypisch. Zuerst wird der rechte Fuß entfernt. Tibia und Knie sind so zer- stört, daß eine Oberschenkel-Ampu- tation unabwendbar ist. Die Wunde am linken Oberschenkel ist tief wie ei- ne Faust und stark verschmutzt. Auch an den oberen Extremitäten hat der Patient Verletzungen. Das vorläufige Therapieprogramm: Erste Hilfe, Infu- sion, Antibiotika, Sedativa, Vakzine und Serum Anti-Tetanus.

Die Operation wird für 19 Uhr an- gesetzt, weil erst dann wieder Strom verfügbar ist. Um 20 Uhr sind noch im-

mer keine Vorbereitungen getroffen.

Grund: Es gibt keine Blutkonserven, und der Anästhesist ist nicht da. Um 21 Uhr lehnt der Narkosearzt die An- ästhesie ab. Das Risiko sei zu hoch, weil die Angehörigen des Patienten keine Blutkonserven besorgt hätten. Sie stammen nicht aus Malanje und ken- nen daher nieman- den, der für eine Blutspende in Frage käme. Die FAA ver- weigert jede Hilfe.

Das Hilfsteam aus Deutschland wäre bereit, die Narkose vorzunehmen, wird aber daran gehin- dert. Gegen Mitter- nacht bittet das Hilfsteam die UN- Truppen um Hilfe.

Kurze Zeit später fahren zwei Lastwa- gen mit Soldaten der Blutgruppe 0/Rhe- sus positiv vor dem Krankenhaus vor.

Acht Soldaten aus der Ukraine und aus Zimbabwe werden je 250 Milliliter Blut abgenommen. Der Patient wird stabili- siert und am nächsten Tag operiert.

Der postoperative Verlauf ist kompli- kationslos. Am dritten postoperativen

Tag teilt die örtliche Vertretung der Weltgesundheitsorganisation mit, daß zwei der Blutspender HIV-positiv sind.

Das Hilfsteam hat aus diesen und ähnlichen Fällen fahrlässigen Verhal- tens von seiten der Verantwortlichen im Krankenhaus Konsequenzen gezo- gen und die Weiterarbeit in der Klinik an Bedingungen geknüpft: Zum einen sollte ein OP-Team (ein Anästhesist, eine Instrumentenschwester und vier Krankenschwestern) gebildet wer- den, das sich um Notfälle, die Akut- versorgung und um geplante Ope- rationen kümmert. Die technischen Voraussetzungen sollten mit deut- scher Hilfe geschaffen werden. Ande- rerseits sollte die postoperative Un- terbringung der Patienten verbessert werden. Dazu sollte das Krankenhaus ein separates Haus zur Verfügung stellen, dessen Renovierung, Instand- haltung und Einrichtung die deutsche Seite übernimmt.

Beide Vorschläge lehnte die Krankenhausdirektion nach 14tägi- gen Verhandlungen ab. Statt dessen schlug sie dem Hilfsteam vor, die Per- sonalkosten zu übernehmen, was die- ses kategorisch ablehnte: „Wir sind nicht bereit, Menschen aus den Mi- nenfeldern zu retten, um sie dann im Hospital umzubringen.“ Der Vorfall bestätigt die Erfahrung, daß Hilfe nur mitden Betroffenen sinnvoll ist.

Das medizinische Hilfsprogramm wurde nicht abgebrochen, lief aller- dings außerhalb des Krankenhauses weiter. Die Ärzte haben mittlerweile 288 bereits amputierte Patienten nochmals untersucht. Rund 25 Pro- zent der Patienten mußten reampu- tiert werden, weil sie an Knochen- oder Stumpfinfektionen, Kontraktu- ren der Muskeln oder Druckschmerz litten. Für eine Reamputation müssen die Patienten mit Lebensmitteln und Blutkonserven versorgt werden. Dies ist für viele schwierig, weil sie keine Angehörigen haben, die dafür sorgen könnten. Daher läuft das Reamputa- tionsprogramm nur schleppend, wobei die prothetische Versorgung in Ango- la ebenfalls zu wünschen übrigläßt.

Anschrift des Verfassers Akram Naasan

St. Josefshospital Werdingen Kurfürstenstraße 69

47829 Krefeld

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND

Die Minenopfer leiden zusätzlich unter den schlechten hygienischen Bedingun- gen im Krankenhaus von Malanje. Wundinfektionen sind an der Tagesordnung.

Die Vergabe des diesjährigen Frie- densnobelpreises an die „Internatio- nale Kampagne zur Ächtung von Landminen“ hat die Öffentlichkeit er- neut auf Gefahren von Minen auf- merksam gemacht. Bereits im Dezem- ber 1997 hatten 122 Staaten in Ottawa die Konvention über das Verbot der Herstellung, des Einsatzes und der Weiterverbreitung von Landminen und ihre Vernichtung unterzeichnet.

Jetzt muß die schwierige Umsetzung folgen. Noch immer sterben jährlich etwa 8 000 Menschen durch Landmi- nen, weitere 25 000 werden verstüm- melt. Die Weltgesundheitsorganisati- on schätzt, daß mehr als 100 Millionen Landminen unentdeckt in ehemaligen Kriegsgebieten vergraben sind, die meisten in Bosnien-Herzegowina, Kambodscha, Kroatien, im Irak, in Ägypten, Afghanistan, Angola und im Iran. Das Internationale Rote Kreuz schätzt die Bergungskosten je Mine auf 500 bis 1 800 DM. HK

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