Einige Überlegungen zur Erklärung der fakultativen
Verwendung formal akkusativischer pronominaler
Objekte in dativischer Funktion im Äthiopischen
(Ge'ez)i
Von Chbistoph CoBBBii, Bernried
I
Es ist eine bekannte Tatsache, daß die semitischen^ Sprachen das pro¬
nominale Akkusativobjekt (genauer: den Akkusativ des Personalpro¬
nomens) in der Regel durch eine Reihe von Suffixen bezeichnen, die un¬
mittelbar ans Verb treten und für die jeweUige Person charakteristisch
sind. Z.B. arab. qatala ,,er tötete" -)- -ni, -ka, -ki, -hü usw. ,,... mich, dich (m. f.), ihn usw.".
Soll ein Personalpronomen jedoch nicht als direktes, sondern als in¬
direktes Objekt fungieren (d.h. als Dativ), so stehen nur einer einzigen
^ Weitestgehend Wortlaut des am 5. 2. 1977 im Rahmen der Habilitations-
handlimgen gehaltenen Kolloquiumsvortrags; eine gewisse vortragsgemäße
Breite ließ sich auch in dieser Fassung nicht ausmerzen, sie sollte immerhin
der Klarheit der Darstellimg zu gute kommen ; Bibliographisches wurde auf
das Nötigste besohränkt. Die Textbeispiele entstammen den einschlä¬
gigen Grammatiken, sowie A. Dillmann: Lexicon linguae aethiopicae. Leip¬
zig 1866 (New York 1955); wo möglich, wurden sie selbstverständlicli veri¬
fiziert. Es sei gleich an dieser Stelle pauschal auf die eventuell hier beizu¬
ziehenden Paragraphen der beiden wichtigsten GrammatUten des Ge'ez ver¬
wiesen; Einzelverweise ersoheinen im Folgenden nur, wo unumgänglich: A.
Dillmann: Grammatik der äthiopischen Sprache. Leipzig 1899^ (Graz 1959),
§§ 151; 172; 178; 179; F. Pbaetobius: Aethiopische Grammatik. Karlsruhe,
Leipzig 1886 (New York 1955), §§ 38; 85; 133; 134. Die Grammatiken von
M. ChaIne: Grammaire ethiopienne. Beyrouth 1907, 1938''' und C. Conti
Rossini: Grammatica elementare della lingua etiopica. Rom 1941 bieten nichts
über die vorgenannten hinaus. Unberücksichtigt bleiben konnten aus glei¬
chem Gnmde ferner S. Mebceb: Ethiopic grammar, unth chrestomathy and
glossary. Oxford 1920, sowie die älteren Werke.
^ Es ist von den sozusagen ,, klassischen", älteren semitischen Sprachen,
zu deren Kreis ja auch das Äthiopische gehört, die Rede, auch werm in der
Folge dies gewöhnlich nicht mehr gesondert vermerkt wird. Diese Einschrän¬
kimg ermöglichte es, neuere und neueste Entwicklungen innerhalb des Se¬
mitischen bei den verschiedenen allgemeineren Formulierungen auszuklam¬
mern. Zu solchen Entwicklungen s. aber immerhin den Exkurs am Ende,
S. 33 f.
Akkus, pronom. Objekte im Äthiopischen 25
semitischen Sprache, dem Akkadischen, eigene, von den akkusativischen
wohluntersclüedene Sufiixe zur Verfügung^, z.B.: -am, bzw. -nim ,,mir":
-ni, bzw. -i ,,mich"; -kum ,,dir" : -ka ,,dich" (m.); -kim : -ki, dass. f.;
-äum ,,ihm" : -Su „üm" usw.
Die Übrigen bedienen sich gewöhnlich hierfür einer syntaktischen Um¬
schreibung, und zwar mit Hilfe der Präpo.sition li-, bzw. la- (so vor allem
im Äthiopischen) ,,zu ... hin, für", an welche die Suffixform des Pro¬
nomens tritt, z.B. arab. yaktubu li, la-ka, la-ki usw. ,,er schreibt mir,
dir (m.f.) usw.".
Auch das Äthiopische zeigt dieses Verhalten, z.B.: hedeg la-na abba-
säna ,, vergib uns unsere Sünde"; za-abbasa la-na ,,wer gegen uns gesün¬
digt hat".
Jedoch ist dieser Fall nicht übermäßig häufig. Weit öfter nämhch fügt
das Äthiopische das Pronominalsuffix unmittelbar ans Verb, wofür ihm,
wie ja auch den meisten der verwandten Sprachen, freilich nur die akku¬
sativische Form zu Gebote steht, die dann ohne weiteres dativisehe
Funktion und Bedeutung übernimmt. Z.'B.: sisäyana ... habana ,, unser
. . . Brot gib uns" (das Beispiel entstammt, wie auch die beiden voran-
geagngenen, dem Pater noster); könani „es ist mir geschehen" (eigent¬
lich: ,, geworden"); die Übersetzung mit dem Akkusativ: ,,es ist mich
..." wäre hier völhg sinnlos; arhewana ,, öffne uns (die Tür)!"
Man vergleiche zum letzten Beleg : arhü Uta „öffne mir (die Kammern) !",
welches den präpositioneil umschriebenen Dativ zeigt.
Anders verhält es sich allerdings, wenn das Dativobjekt ein Substantiv
ist. In diesem Falle muß la- stets gesetzt werden, z.B. : liab la-sädeq „gih
dem Gerechten (Frieden u.ä.)!".
Unter Umständen wird erst in dieser Konstruktion die wahre Rektion
eines Verbs deutlich.
Wie ist nun das Ganze zu erklären?
Man könnte sagen :
Der Akkusativ als ,, Casus adverbialis" im weitesten Sinne kann für
adverbielle Wendungen, wie es Präpositionen mit ihrer Dependenz ja
sind, eintreten ; die recht weitgehende Beschränkung auf den Ersatz des
Dativs ließe sich mit dessen relativ größerer Häufigkeit gegenüber an¬
deren Fällen begründen. In diesem Sinne äußern sich auch die Gram¬
matiker, am ausführlichsten Dülmann*.
3 S. aber Exkurs, S. 33 f.
* Op.cit. (N. 1), § 151 Einleitung. Zur Wiedergabe des pronominalen Ver¬
gleichsobjektes durch den Akkusativ vgl. ibid. § 176d. Die dort — freilich
in geringer Ausführlichkeit — gegebene Erklärung (Ausweitimg der Be¬
deutung bei den betreffenden Verben im Sirme von ,, besser sein als" =
„übertreffen", ,, größer sein als" = ,, überragen") erscheint mir durchaus sehr akzeptabel.
26 Christoph Cobbell
Eine solche Feststellung hat jedoch für das Semitische nahezu gene¬
relle Gültigkeit. D.h. : Man kann sie schwerhch zur Erklärung einer inner¬
äthiopischen Sonderentwicklung, zu der keine einzige andere ältere se¬
mitische Sprache Vergleichbares aufweist, heranziehen. Man wird also
für das Äthiopische nach einer anderen Erklärung zu suchen haben.
II
Methodisch nächsthegend ist da nun wohl die folgende Frage : Gibt es
im Äthiopischen überhaupt Konstruktionen, bei welchen Dativ und Ak¬
kusativ mit den gleichen Mitteln ausgedrückt werden, und die für die
Pronomina als Modell hätten dienen können?
Nun ist diese Frage zwar zu bejahen : Es gibt solche Fälle. Aber : Sie
sind äußerst selten, viel zu selten, um etwa Modellcharakter zu besitzen.
Es handelt sich dabei um eine periphrastische Ausdrucksweise, bei
welcher das nachfolgende substantivische Akkusativobjekt mit Hilfe
der Präposition la- eingeführt, also genau vne ein Dativ behandelt wird,
z.B.: yä'arebü la-kebaba dahäy ,,sie lassen die Sonnenkugel untergehen"- man vergleiche das bereits zitierte, echt dativische : hab la-sädeq ,,gib dem Gerechten".
Kann nun diese Konstruktion, eben wegen ihrer ungewöhnlichen
Seltenheit, auch nicht für die weitere Argumentation nutzbar gemacht
werden, so weist sie dennoch weiter. Grerade ilire Seltenheit legt nämUch
die Vermutung nahe, daß wir hier eine Konstruktion vor uns haben, die
entweder nicht mehr, oder aber noch nicht der Norm angehört. Für die
Annahme, daß sie besonders ursprünglich sei und ein Relikt aus einer
älteren Sprachepoche darstelle, lassen sich keinerlei Anhaltspunkte
finden. Hingegen ist es ganz leicht möglich, die Wendung mit einer ähn¬
lichen, nun allerdings außerordentlich häufigen in Zusammenhang zu
bringen. Den Ansatzpunkt für ein solches Vorgehen liefert die Tatsache,
daß bei ihr stets determiniertes Akkusativobjekt vorhegt.
Das Äthiopische hat sich nämhch als syntaktischen Ersatz für die ihm
fehlende morphologische Kategorie des bestimmten Artikels in gewissen
Fällen eine Umschreibung geschaffen. Im Falle des Akkusativobjekts
besteht diese darin, daß dem Verb zunächst ein Akkusativpronomen
suffigiert wird, welches das eigenthche substantivische Objekt vorweg¬
nimmt; dieses folgt sodann dem gesamten Komplex und wird so gut wie
stets mittels der Präposition la-, also in Form eines Dativs, eingeführt.
Z.B. : qatalö la-negüS ,,er tötete ihn, den König = er tötete den König".
Beiden Ausdrucksweisen, yä'arebü la-kebaba dahäy „sie lassen die Son¬
nenkugel untergehen" (strukturell = qatala la-negüä) und qatalö la-negüS
„er tötete den König", ist also die Objektsdeterminiertheit gemeinsam.
Akkus, pronom. Objekte im Äthiopischen 27
Das läßt den Schluß zu, daß die seltenere erstgenannte, die kein Ob¬
jektspronomen am Verb bringt, sekundär ist und eine unscharfe oder
lässige Anwendung der eigenthchen Konstruktion mit dem Pronominal¬
suffix darstellt. Die Präposition, deren ursprüngliche Eigenbedeutung hier
ja völhg verblaßt ist, wurde dabei als eine Art Artikel gedeutet. Ein
starkes Indiz für die Richtigkeit dieser Folgerung ist die Tatsache, daß
das Tigre, ein lebender direkter Abkömmling des Ge'ez, einen bestimmten
Artikel der Form la- entwickelt hat, der zweifellos mit Brockelmann*
unmittelbar auf die alte Präposition zurückzuführen ist, die aus solchen
Determinativstrukturen herausgelöst und verallgemeinert wurde.
Somit bleibt uns für weitere Überlegungen nur die Vollkonstruktion
mit Akkusativpronomen und folgendem mit la- eingeführtem Substantiv.
Da aber dieses formal ein Dativ, logisch jedoch ein Akkusativ ist, sind
wir jetzt immerhin um einen kleinen Schritt näher an unserem Ziel,
einen Punlit zu finden, an welchem beide Arten des Objekts, direktes
wde indirektes, formal identisch sind.
Was aber kann nun hinter dieser doch recht eigentümlichen Verwen¬
dung der Dativkonstruktion beim Substantiv stecken?
Betrachtet man die eben besprochene, insgesamt akkusativische
Wendung für sich alleine, so ist es nicht möglich, diesen Dativ zu er¬
klären. Ohne weiteres verständhch jedoch ist er bei einer anderen, der
hier in Frage stehenden aber aufs engste verwandten Ausdrucksweise:
Das substantivische Dativobjekt eines Verbs wird pronominal vor¬
weggenommen, das Pronomen dabei selbstverständhch mittels der Präpo¬
sition la- eingeführt, darauf folgt der Dativ des Substantivs. Z.B. : sahaf
lötü la-maPak ,, schreib ihm, dem Beamten = schreib dem Beamten".
Es ist dies eine durchaus begreifhche analytische Wendung; das Pro¬
nomen und seine substantivische Apposition stimmen ün Kasus überein ;
man vergleiche etwa franz. : je le lui ai dit ä mon ami*. Der Grund für
ihre Aufnahme in das reguläre syntaktische Arsenal des Äthiopischen
liegt ohne Zweifel darin, daß sie die Möglichkeit bot, die Determiniert¬
heit des substantivischen Objekts anzuzeigen. Das Personalpronomen ist
ja nun einmal in sich determiniert und daher bestens geeignet, die Be¬
stimmtheit eines Bezugswortes zu kennzeichnen, ganz besonders natür¬
lich dann, wenn dieses ihm erst folgt'.
^ C. Brockblmann : Grundriß der vergleichenden Grammatik der semitischen Sprachen. 1. 2. Berlm 1908—1913, I § 246ca; vgl. II § 211c. Die gegenteüige
Ansicht findet sich neuerdings meder vertreten bei R. Hbtzron: Ethiopian
Semitic. Studies in classification. IManchester 1972, S. 20, -8ff".
• Der Vergleich zielt selbstverständlich nur auf die typologische Ährüich-
keit der Wendung mit der entsprechenden äthiopischen, nicht auf ihre syn¬
taktische Funktion, dio allerdings eine andere — weim auch der äthiopischen
nicht gänzlich unverwandte — ist: Hervorhebung. ' S. N. 9.
28 Chbistoph Cobbell
Die parallele Konstruktion für das direkte Objekt läßt sich ebenfalls
nachweisen, z.B.: habaniyä ... he'siteya ,,gib (sie) mir (,) mein Weib!";
Pronomen und Substantiv stehen auch hier im gleichen Kasus. Indes ist
diese Konstruktion wieder sehr selten. Dillmann möchte sie daher für
sekundär halten. Dafür ist jedoch keinerlei Grund einzusehen. Meiner
Ansicht nach ist diese Wendung hier, beim Akkusativ, ebenso ursprüng¬
hch wie die analoge beün Dativ; man vergleiche wiederum franz. : je Tai
vu ton ami'. Die Frage ist vielmehr: Wie konnte diese Konstruktion
durch die mit Sicherheit später entwickelte, dann aber zur Norm gewor¬
dene Ausdrucksweise mit dem formal dativischen Substantivnachtrag:
qatalö la-negüS ,,er tötete den König" verdrängt werden?
Es ist nun hier nachzutragen, daß auch die zuvor besprochene Dativ¬
konstruktion (sahaf lötü la-mal'ak, s.o.) nicht allzu häufig belegbar ist.
An ihrer Stelle erscheint gewöhnlich ebenfalls das regehnäßig für den de¬
terminierten Akkusativ verwendete Syntagma des Typs : qatalö la-negüä,
z.B.: yehübewömü la-naddäyän ,,sie werden den Armen geben". Das
könnte ebensogut heißen: ,,Sie werden die Armen geben". Damit aber
sind wir nun wirklich bei einem Satztyp angelangt, der Dativ und Akku¬
sativ formal nicht unterscheidet.
Doch wie kommt es zu einem solchen Zusammenfall?
Es läßt sich ja beim besten Wülen keine Konstruktionsverschiebung
vorstellen, die etwa die Uminterpretierung der Abfolge: 'Akkusativ
Dativ' als: 'Akkusativ + akkusativischer Substantivnachtrag (d.h. Ap-
position)' gestatten würde.
Man könnte natürlich auch an eine Kreuzung zwischen den ursprüng¬
lichen durchsichtigen analytischen Dativ- und Akkusativstrukturen
denken, wobei erstere die Form des substantivischen, letztere die des
pronominalen Objekts bestimmt hätte, also etwa: sahaf lötü la-maPak
,, schreib dem Beamten!" X habaniyä ... be'siteya ,,gib mir mein Weib!"
ergibt einerseits: sahafö la-mal'ak, andererseits: habaniyä la-be'siteya.
Fragt sich nur: Warum? Für einen solchen Vorgang ist absolut kein
Gmnd ersichtlich.
Will man also diese Erscheinung klären, so wird man notgedrungen
noch anderswo nach Verwandtem, das weiterhelfen könnte, suchen
müssen.
III
Zum Glück hat diese Suche Erfolg. Es findet sich nämlich im Äthi¬
opischen tatsächhch eine weitere Konstruktion, bei der dem Personal¬
suffix das Bezugssubstantiv mit vorgefügter Dativpräposition folgt. Es
handelt sich um eine Genitivkonstruktion, deren Anwendung wiederum
Akkus, pronom. Objekte im Ätiiiopischen 29
dazu dient, die Determiniertheit vor allem des nachgetragenen Substan¬
tivs, das hier dem Nomen rectum entspricht, eindeutig klar zu stellen.
Die sonst übliche Status-constructus-Verbindung ist in dieser Bezie¬
hung ja mehrdeutig. Träger des vorwegnehmenden Suffixes ist das No¬
men regens. Z.B.: mehratü la-egzPa-beher ,, seine Barmherzigkeit, dem
Gott = die Barmherzigkeit Gottes".
Hier ist es nun endhch möglich, eine brauchbare Erklärung für den Da¬
tiv bei der Apposition zu geben. Wir haben es nämhch mit einer Verschie¬
bung der sjmtaktisohen Gliederung zu tun. Sie sei zunächst am Umgangs¬
deutschen vorgeführt, das sich in ganz ähnhcher Weise auszudrücken
vermag. Gemeint ist die Formel: , .meinem Vater sein Haus", die an die
Stelle des gehobeneren „meines Vaters Haus" (oder natürlich : „das Haus
meines Vaters") treten kann. Setzt man diese nämUch in einen Satz¬
zusammenhang, der Dativ mit folgendem Akkusativ erforderte, etwa :
,,er baute meinem Vater sein Haus", so erkennt man leicht, daß sie auf¬
grund von inhaltlicher Gleichsetzung mit ,,(er baute) meines Vaters
Haus" von dort mit nunmehr neuer Bedeutung losgelöst werden konnte
(Determinationszwecke verfolgt sie im Deutschen freUich kaum, dürfte
vielmehr um ihrer großen Deuthchkeit wülen gewählt worden sein)*.
Das Ganze läßt sich ohne große Einschränkung oder Änderung auf
die Verhältnisse ün Äthiopischen übertragen; die beiden folgenden Bei¬
spiele dürften das hinreichend verdeuthchen :
Auf der einen Seite: kama tekünü welüda la-abükemmü „damit ihr
eurem Vater Kinder werdet; damit ihr Kinder eures Vaters werdet".
Eine sichere Entscheidung darüber, ob la-abükemmü noch Dativ ist
oder aber schon genitivisch empfunden wird, ist kaum zu treffen; in
jedem Falle haben wir in solchen und ähnhchen Sätzen die Ausgangs¬
basis für die HerausbUdung einer neuen Genitivkonstruktion vor uns.
Determination oder Indetermination spielen vorerst keine Rolle. Die
Aufeinanderfolge : 'Substantiv (zunächst ün Akkusativ, in weiterer Ent¬
wicklung dann allgemein) — Substantiv ün Dativ' konnte eben einfach
genitivisch gewertet werden, anfangs freUich mit Sicherheit nur dann,
wenn sie als einheitliches Akkusativobjekt zusammenfaßbar war, und
erst später auch isohert. War man aber einmal so weit gekommen, so
hatte man auch die Möglichkeit gewonnen, der neuen Struktur syntak¬
tische Aufgaben anzuvertrauen, fih" welche die bis daliin allein vorherr¬
schende, nämhch die Status-constructus-Verbindung, ungeeignet war. Da
das Äthiopische nun offenbar ein starkes Bedürfnis nach Determinati¬
onsbezeichnung empfand, war es jetzt in die Lage versetzt, die Wahr-
* S. hierzu W. Hävers : Handbuch der erklärenden Syntax. Ein Versuch
zur Erforschung der Bedingungen und Triebkräfte in Syntax und Stilistik.
Heidelberg 1931 (Indogermanische Bibliothek. I, 1,20.), S. 200, -Uff.
30 Christoph Correll
nehmung eben dieser Determinationsbezeichnung, die ja beim Status
constructus nicht eindeutig durchgeführt werden konnte, dem neuen
Syntagma zu übertragen, und zwar in Form der Konstruktion mit dem
vorwegnehmenden Personalsuffix. Zur Übernahme dieser Konstruktion
erwies sich das Syntagma insofern auch als besonders brauchbar, als
die gegenseitige morphologische Abhängigkeit seiner Glieder recht ge¬
ring ist, und diese daher einen weit höheren Beweglichkeitsgrad besitzen
als die der starren Status-constructus-Verbindung.
All dies aber führte andererseits zur Herausbildung des determina¬
tiven Typus, wie er dann vorherrschend wurde. Z.B. : salämömü re'eyeya
la-'ammädeyän ,,wemi, indem, ich den Frieden der Übeltäter sehe"; die
Zwischenstellung der Verbform zeigt hier zugleich bereits deutlich, in
wie freiem syntaktischem Verhältnis die beiden Konstituenten der Kon¬
struktion zueinander stehen*.
IV
Da nun gerade das Hauptcharakteristikum der eben besprochenen
Genitivumschreibung ihre Determinationskraft ist, so -wird es kaum
wundernehmen, wenn einerseits als deren eigentliches Kennzeichen das
begriffen wird, was der Konstruktion ihre Eigentümlichkeit verleiht,
' Daß diese Treimstellung und die ebenfalls mögliche Voranstellimg der
zweiten Komponente dieser Konstruktionen nicht primär sind, ebenso werüg
wie die Tatsache, daß dieses Syntagma später auch dort anwendbar wurde,
wo eine besondere Determinationskeimzeiohnung gar nicht notwendig war,
da sein zweites Glied bereits anderweitig eindeutig determiniert war (z.B.
als Eigenname oder durch ein Fronominalsuffix, usw.), bedarf wohl kaum
der Kommentierung, vgl. Dillmann: op.cit. (N. 1), § 172c, ferner zur Sti¬
listik dor Konstruktion M. Cohen : Nouvelles glanes de gueze. In : GLECS 7
(1954/1957), S. 14f., Abschnitt a. Ganz das Gleiche gilt natürlich auch für
diejenigen Fälle, in denen das Syntagma hinsichtlich seines pronominalen
Elements auf andere Personen als die 3. ausgeweitet wurde, z.B.: ha-salö-
teka la-be'siSerü' ,, durch dein, eines (von Gott) eingesetzten Mannes, Gebet";
man könnte hier bereits von einer Weiterentwicklung der Präposition la- zum
Appositionskennzeichen sprechen, freilich mit der Einschränkung, daß es als
solches nur mit Bezug auf die (bzw. den) obliquen Kasus des Personalpro¬
nomens, d.h. nicht im generellen Sinne, fungieren kann; vgl. hierzu S.
Grj^baut: Courtes notes de grammaire (Add. ä la Orammatik der äth. Sprache
de Dillmann). In: Aethiops 1,3 (1922), S. 37—39, Abschiutt 1. Vgl. schlie߬
lich noch allgemein zum gesamten Problem dieser Umschreibungen R.
Schneider: Ueospression des complements de verbe et de nom et la place de
Vadjectif epithete en gueze. Paris 1959. (Bibliotheque de l'Ecole des Hautos
Etudes. 312.) und insbesondere H. J. Polotzkys Besprechung des Werkes
m: JSS 6 (1961), S. 251—256 (= H. J. Polotzky: Collected papers. Jerusa¬
lem 1971, S. 447—452).
Akkus, pronom. Objekte im Äthiopischen 31
nämhch die gegenseitige Zuordnung: 'Suffixpronomen — dativische
Apposition', und wenn andererseits eben die Vorstellung der Determi¬
nation in Verbindung mit dieser Zuordnung dermaßen in den Vorder¬
grund tritt, daß der der genitivischen Funktion bald nur mehr sekundäre
Bedeutung zukommt.
Ist ein solcher Stand aber erst einmal erreicht, so wird eine Übertra¬
gung des Syntagmas, das ja nun als charakteristisch für die Determina¬
tion empfunden wird, auf alle diejenigen Fälle möghch, in denen die ge¬
naue Kennzeichnung der Bestimmtheit eines Substantivs vonnöten ist^".
Einzige Bedingung dafür ist das Vorhandensein eines Suffixträgers. Daß
dabei unter Umständen bereits für diesen Zweck vorhandene andere
Ausdrucksmöglichkeiten im Interesse einer Vereinheitlichung verdrängt
werden und verfallen können, ist an sich lücht weiter erstaunhch.
Genau das muß hn Falle der äthiopischen Akkusativkonstruktion ge¬
schehen sein.
Die Entwicklung läßt sich also folgendermaßen kurz skizzieren :
1. Herausbildung des Syntagmas: 'Pronominalsuffix + dativische Sub¬
stantivapposition' in der Genitivumschreibung, denn nur liier ist der
Dativ ja verständlich : mehratü la-egzPa-beher , ,die Barmherzigkeit Gottes"
(s.o. III).
2. Allmähliche Prädominanz der mit dem Syntagma verbundenen
Vorstellung der Determination.
3. Daher schließlich Übertragung der ganzen Struktur auf den als
determiniert zu kennzeichnenden Akkusativ, wodurch natürhch der äl¬
tere analytische Determinationstyp — vorwegnehmendes Pronominal¬
suffix + akkusativische Apposition — zurückgedrängt werden
mußte: Neues qatalö la-negüS ,,er tötete den König" verdrängt also al¬
tes habaniyä be'siteya ,,gib mir mein Weib!" (s.o. II). Damit ist eine
Einheitskonstruktion für Genitiv und Akkusativ entstanden.
V
Es wäre nun äußerst unwahrscheinhch, hätte diese ja schon weit¬
gehend kasusindifFerente Einheitskonstruktion nicht auch auf das Gebiet
des Dativs übergegriffen, wenn dieser als determiniert zu charakteri¬
sieren war.
Sie hat das auch wirklich getan, jedoch nicht in demselben Ausmaße
wie beim Akkusativ. Das zeigt sich darin, daß hier die ältere analytische
Ausdrucksweise mit dem Dativ des Pronomens (und natürlich auch dem
seiner Apposition) noch durchaus lebendig ist (s.o. II). Es ist daher
S. aber auch die vorige Note.
32 Christoph Corbell
anzunehmen, daß die Entwicklung m diesem Falle jünger ist. Den
Grund für ihr relativ späteres Eintreten könnte man in der Tatsache
suchen, daß die ältere determinative Konstruktion beim Dativ von vorne¬
herein eine gewisse Ähnhchkeit mit der Einheitsstruktur aufwies, da ja
ihr substantivisches Glied bereits dativisch war, weshalb wohl der Druck
in Richtung auf eine generelle Vereinheithchung weniger fühlbar wurde.
Daraus ergibt sich Folgendes: Will das Äthiopische einen substanti¬
vischen Dativ eindeutig determinieren, so stehen ihm zwei syntak¬
tische Möghchkeiten zur Verfügung:
1. Die Einheitskonstruktion für Genitiv, Dativ und Akkusativ: yekü-
hewömü la-naddäyän „sie werden den Armen geben".
2. Die ältere analytische Konstruktion: aahaf lötü la-maPak ,, schreib
(üim), dem Beamten!".
Beide Ausdrucksweisen unterscheiden sich nur dadurch, daß das vor¬
wegnehmende Pronomen einmal dativisch, einmal aber akkusativisch
konstruiert wird.
Mit anderen Worten: Dativ und Akkusativ des Personalpronomens
stehen — zunächst einmal ün Dienste der Determinativbildung —. im
Verhältnis freier Varianten zueinander.
Damit können wir zur anfänglichen Fragestellung zurückkehren : Wie
erklärt sich die fakultative Verwendung des akkusativischen Pronomens
für den Dativ?
Die Antwort ist jetzt leicht zu geben: Wir haben innerhalb der Deter¬
minativkonstruktion beim Dativ wiridich einen aus wenn auch nicht
ohne Umwege, so doch einsehbaren Gründen entstandenen, bedingungs¬
freien Wechsel zwischen den beiden ,, Kasus" des Personalpronomens.
Ein solcher Wechsel aber kann, wofern die betreffende Sprache es
nicht vorzieht, sich nach einer der beiden Richtungen hin festzulegen,
ohne weiteres verallgemeinert und generell ausnutzbar gemacht werden.
Dies ist im Äthiopischen geschehen^^.
Es sei an dieser Stelle noch in aller Kürze auf die Möglichkeit, genauer
Unmöglichkeit einer Erklärung mit Hilfe der Lautlehre für das im Voran¬
gegangenen behandelte Phänomen eingegangen. Einer solchen Erklärung
nämlioh stehen einerseits die doch recht unterschiedlichen Formen der beiden fraglichen pronominalen ,, Kasus" — einmal ,, nacktes" Suffix am Verb, zum
anderen aber Präposition mit suffixaler Dependenz, vgl. z.B. B. Prae¬
torius: op. cit. (N. 1), §§ 22; 80—83; 147 (für die Formen des Dativs) —
entgegen, andererseits aber, und dies ist das Entscheidende, vermag das
Ge'ez zwar den Akkusativ für don Dativ, niemals aber diesen für jenen zu
setzen; dies müßte jedoch unbedingt der Fall sein, wenn hier wirklich laut¬
liche Gründe verantwortlich gemacht werden könnton — die einzige Richtung,
in die rein phonetische Vorgänge unter diesen Umständen zu wirken im¬
stande gewesen wären, wäre eino lautliche Verschinelzmig (oder zumindest
Akkus, pronom. Objekte im Äthiopischen 33 Exkurs
Wie gesagt — N. 2 — wurden im Vorstehenden neuere und neueste Ent¬
wicklungen iimerhalb des Semitischen nicht berücksichtigt. Das geschah,
lim den eigentlichen Gedankengang nicht mit Sekundärinformationen zu
überladen und dadurch undurchsichtig zu machen^^.
Es sei nun hier aber doch wenigstens streiflichtartig das ein oder andere noch kurz berührt:
1. Ein echtes dativisches Suflfixpronomen findet sich sowohl in neuara¬
mäisehen als auch neuarabischon Dialekten. Es hat sich stets dadurch ent-
vidckelt, daß die Dativpräposition li- usw. mit ihrer pronominalen Dependenz
ans Verb gefügt worden und mit ihm zu einer Einheit verschmolzen ist.
Z.B. arab. yaktubu li ,,er schreibt mir" ergibt (syr.-arab.) (b-)y9ktibli; der
Akzont zeigt, daß die ursprünglich zweigliedrige Verbindung wirklich zur
Einheit geworden ist^^.
2. Die neuaramäisehen Dialekte scheiden Dativ und Akkusativ sowohl
beim Pronomen wie auch beim Substantiv in gewissen Fällen ebenfalls nicht.
Es steht immer die Dativform'*. Z.B.: N(eu)W(est)A(ramäisch) : qafelle ,,er
schlägt ihn": amerle {[a]melle) ,,er sagt ihm"; qafell gabröna ,,er schlägt
den Mann": ameli (ameril) gabröna ,,er sagt dem Mann". Das beruht da¬
rauf, daß im Aramäischen seit alters auch das direkte Objekt von Partizi¬
pien mit der Dativpräposition l- eingeführt wurde'^. Den betreffenden Ver¬
balformen liegen Partizipien zugrunde.
Naturgemäß findet sieh diese Erscheinung besonders stark ausgeprägt in
denjenigen Dialekten, die ihr gesamtes Verbalsystem anf Basis der Partizi-
starke Annäherung) der Formen beider Reihen miteinander, die dann nur
noch in der Schrift, und da zwangsläufig ganz willkürlich, auseinanderge¬
halten worden wären. Von solcher Willkür ist jedoch im Äthiopischen in
dieser Beziehung nicht das Geringste zu entdecken.
Allerdings hat die freie Verwendung des pronominalen Akkusativs für den
Dativ ihrerseits m.E. in wenigstens einem Falle lautliche Konsequenzen ge¬
habt : beim — präterital gebrauchten ■— endungslosen Imperfekt von behla
,, sagen", yebe usw. Da nämlich gerade bei den Verben des Sagens die ange¬
sprochene Person sowohl im Dativ wie auch im Akkusativ auftreten darf
(vgl. Dillmann: op.cit. (N. 1), § 17ba), konnte etwa yebel-aka mit Akku¬
sativpronomen umgedeutet werden als yebe -f laka mit Dativpronomen, was
eine neue Form yebe für ursprüngliches yebel ins Leben rief. Es versteht sich
wohl von selbst, daß die Afformativformen von yebe, yebelü usw., von dieser
Entwicklung ausgeschlossen bleiben mußten.
12 Zumal er ja ursprimglich zum mimdliohen Vortrag gedacht war, s. N. 1.
1^ Vgl. z.B. A. Spitaleb: Grammatik des neuaramäisehen Dialekts von
Ma'lüla (Antilibanon). Leipzig 1938 (Nendeln 1966). (AKM. 23,1.), § 196;
O. Jasteow : Laut- und Formenlehre des neuaramäisehen Dialekts von Midin im
Tur 'Abdin. Diss. Bamberg 1967, S. 137, -8& (§ 128); für das (Syrisch-)- Arabische : H. Gbotzfeld : Laut- und Formenlehre des Damaszenisch-Arabi¬
achen. Wiesbaden 1964. (AKM. 35,3.), § 47c.
1* Vgl. z.B. Spitaleb: op. oit. (N. 13), §§ 194; 196n. Die hier gegebenen Beispiele sind ad hoc gebildet.
15 Vgl. Th. Nöldeke: Kurzgefaßte syrische Grammatik. Leipzig 1898^
(Darmstadt 1966), § 278.
8 ZDMG 130/1
34 Christoph Correll, Akkus, pronom. Objokte im Äthiopisohon
pion umgestaltet haben, wie z.B. das THäroyo. Da dieses noch zusätzlich eine
ergative Flexionsreihe entwickelt hat: hze leh ,,ihm ist gesehen" > hzele ,,er
hat (es) gesehen", fallen beim Pronomen häufig Ergativ, Akkusativ und
Dativ in der ursprünglichen Form des letzteren zusammeni".
3. Das spätere Aramäisch hatte, als der Status emphaticus seines Sub¬
stantivs allmählich die Determinativkraft verlor, zur fakultativen Kenn¬
zeichnung der Determination bei direkten imd indirekten Objekten Kon¬
struktionen in sein syntaktisches Inventar aufgenommen, die typologiscli den
analytischen Ausdrucksweisen des Äthiopischen völlig entsprechen; beson¬
ders deutlich zeigt sich das im Syrischen^'; z.B.: bnäy l-baytä ,,er baute (es,) das Haus" (daneben: bnäy baytä, ohne die Dativpräposition); ethzi leh l-fn- bänä ,,es erschien (ihm,) dem Seligen".
Aus solchen Konstruktionen haben sich im Neuwestaramäischen unter
Verallgemeinerung dos Suffixes der 3. Sg. m. determinative Verbformen ent-
wickelf , z.B.: qafiil gabröna ,, er selling den Mann" < qapleh l- : iqpil gahrö- na „er schlug einen Mann"; amräll gabröna „sie sagte dem Mann" < amra- leh l- : dmrat l-gabröna „sie sagte zu einem Marm".
Die Verwendung der Präposition l- in diesen Konstruktionen ist fürs Ara¬
mäische freilich nicht wie für das Äthiopische von der Genitivumschreibung
mit l- her erklärbar; diese tritt zwar ebenfalls im Aramäischen auf, ist sy¬
stematisiert jedoch erst in seinen jüngsten, illiteraten Formen nachzuweisen^",
z.B.: NWA paytil gabröna ,,das Haus des Mannes" < bayteh 1-. Man wird
wohl eher an das nacli Partizipien zur Objektseinleitung verwendete l- zu
denken haben (s.o. 2.; allerdings köimte auch hier letztlieh ein Genitivus ob¬
jectivus mit üideterminiert gehaltenem Regens zugrunde liegen).
4. Konstruktionen mit dativischem Substantivnachtrag zu einem Suffix¬
pronomen existieren auch in libanesisch-syrisch- und irakisch-arabischen
Dialekten, d.h. auf ehemals aramäischem Bodon^». Z.B.: daSSaro la-m'allmo
,,er verließ (ihn,) seinen Meister"; sbno la-sähb l-hän ,,sem Sohn, dor des Khanbesitzers (dem Kh.) = der Sohn des Klianbesitzors". Sie sind zweifel¬
los durch Substratwirkung aufgekommen. Da die in Rede stehenden arabi¬
schen Dialekte jedoch Determinativartikel besitzen, sind diese Ausdrucks¬
weisen werugstens vorerst nur als stilistisclie Varianton anzusehen, die even¬
tuell größeren Nachdruck als die Normalkonstruktion mit sich bringen.
»Vgl. Jastrow: op.cit. (N. 13), §§ 125—130 (S. 129ff.).
" Vgl. Nöldeke: op.cit. (N. 15), §§ 288; 222.
1* Vgl. C. Correll: Materialien zur Kenntnis des neuaramäisehen Dialekts
von Bah'a. Diss. München 1969, § 6b (S. 216ff.). Beispiele ad hoc gebüdet,
vgl. N.''l4.
" Vgl. Spitaler: op.cit. (N. 13), § 107.
Vgl. z.B. Grotzfeld: op.cit. (N. 13), § 123, 1, Anm.; ders.: Syrisch-
Arabische Grammatik. Wiesbaden 1965. (Porta linguarum orientalium. NS 8.),
§ 71 a 2; W. M. Erwin : A short reference grammar of Iraqi Arabic. Washington 1963. (Georgetown Arabic serios 4.), 11. 4. 1. (S. 332f.); 13. 9. (S.378.) Ferner jetzt W. Diem : Studien zur Frage des Substrats im Arabischen. In : Der Islam 56 (1979), S. 12—80, § 34.
Zum ursprünglichen Dialekt von Alexandria
Von Peteb Behnstedt, Alexandria
Auf Eigentümlichkeiten des Alexandriner Arabischen ist zwar ge¬
legenthch hingewiesen worden', es ist dabei aber nie deuthch zum Aus¬
druck gekommen, daß Alexandria neben dem hier gesprochenen Kairener
Arabischen einen eigenständigen Dialekt besitzt.
Das ursprüngliche Alexandriner Arabisch kann man noch in Resten
in den alten Hafenvierteln AnfOsi und Räs it-Tin hören, also in den
Teilen der Stadt, die zu Beginn des 19. Jhdts. das Stadtgebiet von
Alexandria darstellten. Bekannthch war Alexandria damals nur ein un¬
bedeutendes Fischerstädtchen mit lücht mehr als 5000 — 6000 Ein-
wohnern^. Erst unter Mohammed Ali ist es zu einem Wiederaufschwung
der Stadt gekommen, infolgedessen dann das Kahenische in die Stadt
gebracht wurde.
Der msprüngliche Dialekt der Stadt, der Dialekt eines Fischer¬
städtchens, der den Bauerndialekten des Hinterlandes von Alexandria,
der Provinz il-Bihera, sehr nahesteht, ist inzwischen vom Kaireiüschen
fast völlig verdrängt worden, bzw. überlagert worden.
Das heutige Alexandrinisch der Unterschicht weist noch viele Züge
des ursprünghchen Dialekts auf, das Alexandrinisch der Mittel- und
Oberschicht kann man m.E. als Kairenisch bezeichnen mit von Sprecher
zu Sprecher mehr oder weniger stark ausgeprägter regionaler Färbung.
Doch zunächst zum insprünghchen Alexandrinisch, zum Hafendialekt
von AnfüSi und Räs it-Tin.
I. Phonologisches I.I.Konsonantismus
1.1.1. Qäf und ölm. Das Hinterland Alexandrias, die Bihera, hat
dafür jgf und Igj. Auch Alexandria hatte ursprünghch diese Realisie¬
rungen von Qäf und Öim. Dies haben noch Vollebs und Nallino fest¬
gestellt^, j^l für öim ist inzwischen völhg verschwunden und durch
1 So z.B. Vollbbs (1895), S. 8 und Nallino (1939), Ss. 2, 3, 13, 37 und 58.
^ Heute hat Alexandria an die drei Millionen Einwohner.
3 Vollebs (1895) S. 8, Nallino (1939) S. 2/3.
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