47
Ist Ezra 4, 13 OriDX oder DnDX zu lesen?
Von Dr. Martin Schultze.
Von den beiden Lesarten ist sicher die eine falsch. Unmög¬
lich kann der Autor zugleich nncN und onctl oder oiriDN (wie
Madrit. 2 hat; vgl. S. Baer, libri Dauiehs Ezrae et Nehemiae,
pag. 102) geschrieben haben. Ebenso zweifellos falsch ist das
folgende Wort n^sba mit seiner ebräischen Form mitten im
aramäischen Texte. Dazu kommt, dass auch in der Umgebung der
SteUe sich offenbare Fehler finden: ^is-iN statt niidhn E. 4, 9,
Nim nebeu dem Q'ri (oder Q'r6) ntii , ebenda , NnioiNa neben
e<ni»-<N3, E. 4, 12 (Baer, pag. 102), ibbscjs ■'"nm statt ibbac Nmis,
ebenda. Es beweist dies, dass die ganze SteUe von Abschreibem
arg gemisshandelt worden ist; und es wird daher erlaubt sein, da
beide Lesarten eine genügende Erklärung des Wortes nicht zu¬
zulassen scheinen, an der Richtigkeit beider zu zweifeln.
Bei der Annahme von ancN könnte man an das altpersische
apataram, femer (Inschr. A des Xerxes, 25), denken, oder etwa an
aparam, nachher (Behist. IV, 37. 42 u. ö.), oder, mit Dehtzsch
(Complutensische Varianten, p. 33; Baer, pag. 102), an ein afdum,
zuletzt, endlich. In diesem FaUe würde, wenn man das aramäische
■;iDb73 statt des ebräischen D^obn einsetzt, der Smn der SteUe sein :
dem Könige sei kxmd, dass, wenn diese Stadt gebaut wird etc., sie
nicht Tribut u. s. w. bezahlen werden, und dass femer (nachher,
zuletzt) sie (die Stadt) Könige beschädigeu wird. Hierbei ist nicht
recht einzusehen, warum die Beschädigung „von Königen" (welchen V)
erst nach der Tributverweigerung geschehen soU, da sie doch mit
derselben sofort ihren Anfang nehmen musste; auch nicht, waram
■jiDbJi im stat. absol. steht , und nicht im stat. emphat. , da doch
zweifellos von deu (bekannten) Perserkönigen die Rede ist.
Bei der Annahme von oriDN oder oinoN wäre etwa an das
> -
neupersische Hoffnung, auch Beute, Raub, zu denken. Der
48 Schnitze, Ist Ezra 4, 13 DrBN nder OHDN zn lesen?
Sinn der SteUe würde dann sein : und dass sie die Hoffnung (die
Beute , den Raub) von Königen beschädigen wird. Hieran ist aus¬
zusetzen, dass der Satz entweder eiue, in einem trockenen prosaischen Berichte imverständhche, poetische Floskel enthält, oder eine Grob¬
heit für den angeredeten König. Auch ist ein einzelnes neupersisches
Wort wohl keine allzu sichere Stütze für die Erklärung einer alt¬
aramäischen SteUe.
Dem Sinne nach ist die letztere Auffassung der erstern vor¬
zuziehen. Der Berichterstatter wollte doch wohl aussprechen , die
Stadt Jerusalem würde, wenn sie erst befestigt wäre, keinen Tribut
mehr bezahlen und (eben dadurch) den königlichen Schatz
beschädigen. Danach müsste das falsche a^Db?: zunächst in NDb73
verwandelt werden. Es ist wohl anzunehmen, dass aus einem etwas
flüchtig und breit geschriebenen N, sowohl in der jetzigen Quadrat¬
schrift, als auch in der verwandten Schrift des Steins von Carpentras
oder der ägyptisch-aramäiscben Papyrus, durch einen unkundigen
Abschreiber leicht Di gemacht werden konnte (Mittelform N ■■). Das
Biblisch-Aramäische wendet bei der Anrede an den König zuweüen
aUerdings die 2. Person Sing, an, z. B. «"ISN 01(51?, du magst das
Verbot erlassen, Dan. 6, 9; i-n ]iwbyb, ewig lebe, Dan. 6, 7.
Höfhcher aber ist es, ihn in der 3. Person anzureden: i^^jjN 6<an3
NsbTpb die Sclirift wiU ich dem Könige vorlesen, D. 5, 17;
aa N3b7:-b? -jn, wenn es dem Könige gefäUt, E. 5, 17; nwii
Nriby nbpi usb?:, und den WiUen des Königs möge er uns zu¬
senden, E. 5, 17. Hiemach wäre es ganz in der Ordnung, zu sagen:
pnnn ssbn "ni, und den Schatz des Königs (d. i. deinen Schatz,
o König) wird sie beschädigen.
Der Bericht ist an einen König Artaxerxes gerichtet (E.
4, 11). Nun sagt Artaxerxes Mnemon in seiner Inschrift von Susa:
„Dieses APD AN hat Darius , mein Urahn , gemacht' ; das Uebrige
ist im persischen Texte lückenhaft und unsicher, die assyrische
Uebersetzung aber fährt fort: „in der früheren Zeit vorhin; Arta¬
xerxes, mem Grossvater, .... hat es voUendet; im Schirme Aura¬
mazda's, Anahit's und Mitra's" [habe ich es erneuert], so wird man wohl ergänzen müssen. Fr. Spiegel (die altpersischen Keihnschriften,
pag. 128) hält das Wort APD AN (apadäna) für ein Appellativum
und übersetzt es durch Palast. Für die Perser mag es wohl
ein solches gewesen sein , für andere Völker nicht ohne weiteres.
Dies geht dar,aus hervor, dass sowohl die medische (skythische) als
auch die assyrische Uebersetzung das persische Wort beibehalten.
Die letztere sagt sogar ganz unzweideutig: ,a-ga sum Ap-pa-da-an',
dieses (Haus) mit Namen Apadan (E. Schräder, Z. der DMG.
XXVI, pag. 368). Hier erscheint das Wort also zunächst als Eigen¬
name. Ln Ebräischen des 2. vorchristl. Jahrhunderts ist es zum
Appellativuni geworden: "i-EN, mit dem Pronominal-Suffix irn^N,
Dan. 11, 45, von den LXX umschrieben durcb ttf adavü). Der
SchuUze, ist Ezra 4, 13 CncN oder ODDN zu lesen? 49
Targumist übersetzt Jer. 43, 10 das ebenso unklare ebr. tiTid©
(Q. ili^Etti, vom Syrer durch 0)-0D»QO wiedergegeben, von den
LXX durch rov d-povov avrov) durch nisnsN. Im Talmud
(Cherith. f. 6, 1; Bäbä Qämä f. 21, 1) werden sprichwörtliche
Redensarten angelührt, in denen das NDlEN dem Misthaufen
auf der Gasse entgegeugesetzt wird. Im Arabischen endlich, und
dauach auch im Neu-Persischen, hat ^.jjvi die Bedeutung Schloss, Kasten.
Es ist nicht anzunehmen, dass das altpersische Wort ursprüng¬
lich einen Palast schlechthin oder gar einen Tempel bezeichnete.
Pür diese Begrifl'e hatten die Uebersetzer in ihren Sprachen doch
wohl Wörter genug. Es wird ein Gebäude darunter verstanden
werden müssen, das den Achämeniden zu einem besondern Zwecke
diente. Das Wort ist mittels des Sufflxes na oder ana (z. B. in
V§N vaS-na, WiUe, STAN stä-na. Ort; Pr. Spiegel, pag. 170) von
einem Stamme APDA apa-da abgeleitet, der seinerseits aus der
untrennbaren Präposition apa (sanskr. ■'fjn, gr. äno) und aus dä,
1) setzen, schaffen, 2) geben (sanskr. %rf und ^ , gr. ri&t]fii und
SiÖbifii) zusammengesetzt ist. Es entspricht in seiner Bedeutung
also wohl dem gr. äno-&ri-xri, dem sanskr. f<|vtl«l ni-d'ä-na,
Schatzhaus, Magazin, hindust. ^^'Xi . Dass jedoch nicht etwa eine
Scheune oder ein Waarenlager darunter verstanden werden muss,
sondern ein für wichtige Staatszwecke bestimmter, vielleicht be¬
festigter, Aufbewahrungsort, das geht einerseits aus der feierlichen
Form der Inschrift hervor, andrerseits aus der Bedeutung, die das
Wort im Arabischen angenommen hat. Es hegt nahe , entweder
an ein Schatzhaus, gewissermassen eine Reichsbank, zu denken,
oder an ein Arsenal, ein Zeughaus; am besten wohl an ein
Bauwerk , welches betimmt war, zugleich den Staatsschatz und
die Kriegsgeräthe aufzunehmen.
Ein solches war den nicht-persischen Völkern wohl bisher un¬
bekannt gewesen, deshalb nahmen sie mit der Sache auch das
persische Wort auf — Ein Zeughaus wird Jes. 39, 2, auch
2 Kön. 20, 13, erwähnt: T^bs nia, das Haus seiner (der könig¬
lichen) Geräthe. Daselbst werden auch die königlichen „Schätze",
nin'~2£iN, genanut, sowie ein königliches Vorrathshaus, nnb; nia.
Auch unter David's „Thurm", wo die Diniar.n lyb'ii hangen, Hohes¬
lied 4, 4, dürfte ein Zeughaus zu verstehen sehi. 2 Chron. 32, 27
werden die Jes. 39, 2 genannten Magazine zusammeu als ninsis
bezeichnet. Das königlich persische Schatzhaus zu B a b y 1 o n , in
welchem zugleich die Bibliothek oder das Archiv verwahrt wird,
heisst aramäisch sabaT : - m• nit::.T- ; ■nia,•■' Ezra 5,' 17, und si-ieoT -: • nia
Bd. XXXVIII. 4
50 SchuUze, igt Ezra 4, 13 DPDN oder CrDN su lesen?
nian V'^'-'-^!"? "J!?? ""l' Haus der Bücher, in welchem die
Schätze niedergelegt sind, E. 6, 1. Esther 3, 9 und 4, 7 werden
die königlichen Schatzkammern einfach "b^n i.TSS genannt. Ezra
7, 20 ist unter dem N3bn ins nia wohl das königl. Schatzhaus
der Provinz Abar-Naharä zu verstehen. — Das Apadän des
Königs Artaxerxes H. befand sich, wie gesagt, in Susa (Spiegel,
pag. 79).
Die ianEN: — ibn«," t: T Dan. 11, 45, würden hiemach also die Zelte
sein, die dem königlichen Arsenal in Kriegszeiten entnommen wer¬
den, etwa „die Zelte seines Kriegs sch atz es". Auch Jer. 43, 10
lässt sich das targumische nilTEN, und danach das ebräische
TiTiDiO, noch in derselben Weise übersetzen : „er wird seinen Kriegs¬
schatz (seine Zelte imd seine anderen Kriegsgeräthe) über ihnen
ausbreiten". Im Tahnud dagegen hat das Wort wohl schon die
spätere Bedeutung eiues Schlosses.
Es dürfte hiemach gestattet sein, für Ezr. 4, 13 eine dritte
Lesart in Vorschlag zu bringen, nämhch inEN. In der Quadrat¬
schrift hegen die Buchstaben n und 0 dem "j allerdings ziemhch
fem; auch im Palmyrenischen sind sie nicht leicht mit ihm zu
verwechseln. Desto näher verwandt sind sie jedoch in den ältereu
aramäischen Inschriften. Auf den Stelen von Saqqärah (vom J.
482 V. Chr.; R. Lepsius in der Ztschr. für ägypt. Sprache, 1877
pag. 127 ff.) und von Carpentras haben D und "j diese Pormen:
) ; 0 aber sieht auf jener so aus : ^ , auf dieser so : ^ .
Das Nsbn "inB» (so müsste man doch wohl punktiren) erklärte
sich dann als das „Apadän des Königs", der könighche Kriegs -
schätz, der durch die Steuerverweigerung geschädigt wh-d.
Dass die Tenuis n statt der Media 1 eingetreten ist, darf
nicht verwundem. Man vergleiche aram. bpin, assyr. ikallu, Palast,
mit dem sumerischen i-gal, d. i. grosses (gal) Haus (i ; E. Schräder,
Keilinschriften u. A. T. , zu 2. Kön. 20, 18); aram. bnc, assyr.
parzillu, nüt sumer. bar-sa (Pr. Hommel, die semit. Völker, Bd. I,
pag. 409) und AN-BAR (E. Schräder, pag. 296), Eisen; ebr. ssa,
ass3rr. kussu, mit sumer. gu-za, Thron (Schräder, zu Jes. 6, 1);
ebr. Tl72n mit assyr. du-u-zu, ursprüngl. dumuzi (Schräder, zu Neh.
1, 1 und Ezech. 8, 14), 4. Monat; ebr. "ipEL., Schreiber, mit
assyr. dup-sar-m, sumer. dup-sar, d. i. Tafel-Schreiber (Schräder, zu Jer. 51, 27).
Man kann sich die Entstehung der beiden ahdem Lesarten so
denken, dass zimächst, und zwar noch beim Gebrauche der alt¬
aramäischen (oder auch der alt-ebräischen) Schrü't, das "j von Ab¬
schreibem in D verwandelt wurde. Dieser Vorgang ist ein ganz
gewöhnhcher. Man vergleiche äyei/i, Matth. 1, 14, und dyifi,
1 Chr. 24, 17, mit ]ia;; uaäiäu, Act. 7, 29 und Ex. 3, 1, mit
■jinn; iagwu, Matth. 1, 3 und Ruth 4, 18, mit Ti"iSn und icQwv,
Schultze, üt Ezra 4, IH DnDN oder OnW* zu lesen f 51
Gen. 46, 12. — Inzwischen verdunkelte sich die Aussprache des ä
immer mehr, so dass man chsN statt DnEN sprach und, bei Ein¬
führung der Vokalpunkte, später auch schrieb.
Bei der Unverständlicbkeit des so entstandenen Wortes war
es dann nicht zu verwundern, dass man, wahrscheinlich erst bei
Anwendung der jetzt üblichen Quadratschrift, das D in das sehr
ähnliche D verwandelte vmd das o auch wohl plene schrieb (wie
Madrit. 2: DincN). Man dachte wohl dabei unwillkürüch an grie¬
chische Wörter' wie DTOi?, vofiog , Targ. Hieros. zu Gen. 19, 31,
stat. emph. NDins, im palmyren. T£?MvrA6g vöfiog (E. Sachau,
ZDMG. XXXVII, pag. 570); OTOin, ö^uog, im Tahnud auch soviel
wie decretum und aerarium publicum (Buxtorf, Lex. pag. 553 f),
im TtXuv. I, 2: om ; oder etwa an oioi-iiaiEN, tntTfjonog, Targ.
Jon. zu Gen. 39, 4.
52
Äkhyäna-Hymnen im Rigveda.
Von H. Oldenberg.
In einer fniheren Untersuchung ') habe ich die aus Prosa und
Versen gemischte Form der epischen Erzählung in der altindischen
Literatm: erörtert und den Nachweis geführt, dass in einer Reihe
von Fällen allem die metrischen Bestandtheile derartiger Akhyftnas
— vomehmheh smd dies die iu den Zusanunenhang der Erzählungen
verflochtenen Reden uud Wechselreden — von Anfang an in festem
Wortlaut fixirt und überliefert worden sind; die Prosa dagegen,
welche jene Verse verband und zu den dialogischen Partien die
Angabe der thatsächlichen Vorgänge hinzufügte, fehlt entweder
überhaupt in der Ueberlieferung') oder ist doch nur in einer
jüngeren Traditionsschicht als die zugehörigen Verse, durch die
Hand von Commentatoren auf uns gelangt ^)^
Die Spuren dieses prosaisch-poetischen Äkhyäna habe ich schon
bei jener früheren Gelegenheit in die Brähmana-Periode der vedischen
Literatur zurückverfolgt und femer die Frage zwar nicht erörtert
aber wemgstens aufgeworfen, ob nicht sogar für die Zeit des Rig¬
veda diese Dichtungsgattung statuirt werden muss *). In der That
ist es schwer zu glauben , dass es damals überhaupt keine Er¬
zählungen gegeben haben solle, deren Dasein den Augenbhck ihrer
Entstehung überdauert hätte, die zu der Höhe literarischer Existenz
erhoben gewesen wären. Gab es dieselben aber, so liegt es offenhar
am nächsten, bei ihnen die Form — oder wenigstens eine der-
1) Zeitschr. der D. Morg. Gesellschaft XXXVII, 54 fgg.
2) So beim Suparn&khyftna ; a. a. O. S. 79.
3) So bei den buddhistischen Jätakas; a. a. O. S. 78.
4) So hat unter Vergleichung ähnlicher Erscheinungen in der irischen Literatur schon Win disch (Vhdlgen der 33. Philologen Versammlung, S. 28) von Rigv. X, 9ä gesagt, dass dies Lied im Kigveda kaum verstandlich ist,
„denn es ist ein von seiner Kahmenerzähluug losgelöstes Gedicht; hesser ver¬
stehen wir es im 11. Buche des Qatapathabrähmana , wo sich dieselbeu Verse Huden, aber inmitton einer Sage, auf die sie sicb Isezielien sollen".