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Überlappende Anästhesie- Einleitungen und peri- operative Wechselzeiten

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Überlappende Anästhesie- Einleitungen und peri- operative Wechselzeiten

Eine Analyse von Häufigkeit und Zeit aufwand überlappender Wechsel in deutschen Krankenhäusern auf Basis von 54.750 Wechseln aus 43 OP- Bereichen aus dem Benchmark- Programm von BDA/BDC und VOPM

Overlapping anaesthesia induction and perioperative turnover times

An analysis of incidences and time expenditure in German hospitals

based on 54,750 turnovers in 43 OR suites reporting to the benchmark programme of the BDA/BDC and VOPM

M. Schuster1 · S. Bertheau2 · C. Taube1,3 · E. Bialas2 · M. Bauer1,3

Schlüsselwörter

OP-Effizienz – Wechselzeiten – OP-Management – Kennzahlen OP

Keywords

Operating Room Efficiency – Turnover Times – Operating Room Management – Ope- rating Room Performance Indicators

Interessenkonflikt:

Martin Schuster und Martin Bauer sind als Vertreter des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten, Christian Taube als Vertreter des Verbands für OP-Management Mit- glieder des wissenschaftlichen Beirats des Benchmark-Programms.

Sebastian Bertheau und Enno Bialas sind Mitarbeiter der digmed GmbH.

Die Autoren erklären, dass keine Interessen- konflikte vorliegen.

1 AG Kosten- und OP-Management, Forum für Qualitätsmanagement und Ökonomie der Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten

2 digmed Datenmanagement im Gesund- heitswesen GmbH, Hamburg 3 Verband für OP-Management e.V.,

Hannover

Zusammenfassung

Einleitung: Überlappende Wechsel durch überlappende Anästhesie-Einlei- tungen gehören zu den am häufigsten durchgeführten Maßnahmen, um die OP-Prozesseffizienz zu steigern. Bislang gibt es keine multizentrischen Erhebun- gen zu der Häufigkeit und dem Zeitauf- wand für überlappende Anästhesie-Ein- leitungen in deutschen Krankenhäusern.

Methoden: Daten aus dem Benchmark- Programm von BDA/BDC und VOPM wurden analysiert. Alle konsekutiven Wechsel innerhalb von 12 Monaten (01.10.2012 - 30.09.2013) aus 25 Kran- kenhäusern (23 OP-Bereichen aus der Allgemein- und Viszeralchirurgie, 20 OP-Bereichen aus der Unfall-/orthopädi- schen Chirurgie) wurden in die Analyse eingeschlossen. Wechselzeiten wurden als Naht-Schnitt-Zeit und als Wechsel- zeit (Ende chirurgische Maßnahmen vorlaufender Fall bis Freigabe Anästhesie des nachfolgenden Falls) erfasst.

Ergebnisse: 54.750 Wechsel konn- ten ausgewertet werden. Der Anteil überlappender Einleitungen lag im Be- reich der Unfall-/orthopädischen Chi- rurgie mit 27,3%±20,9% im Vergleich zu 18,2%±13,9% in der Allgemein-/

Viszeralchirurgie deutlich höher. Im Schnitt wurde der überlappende Wech- sel 19,7±20,0 resp. 25,2±21,6 Minu- ten vor dem Ende der vorlaufenden OP begonnen. Sowohl die Wechselzeit als auch die Naht-Schnitt-Zeit lagen bei den überlappenden Wechseln unter den durchschnittlichen Wechselzeiten bei nicht-überlappenden Wechseln (Unfall-/

orthopädische Chirur gie: 16,3±11,5 vs. 33,4±17,1 min resp. 50,5±15,1 vs.

62,0±20,3 min; Allgemein-/Viszeralchi- rurgie: 22,7±16,5 vs. 36,3±18,1 min, resp. 51,5±20,1 vs. 57,1±20,5 min).

Schlussfolgerungen: Überlappende Wechsel werden in den untersuchten OP-Bereichen häufig eingesetzt und verursachen eine erhebliche zusätzliche Personalbindung der anästhesiologi- schen Teams.

Summary

Introduction: Overlapping anaesthe- sia induction is frequently employed to enhance OR efficiency. Currently no multicentre data from German hospitals on the frequency of its use or the time it requires are available.

Methods: Data from the BDA/BDC and VOPM benchmark programme were used. All turnovers during regular work- ing hours in a 12-month period (Oct. 1, 2012 to Sept. 30, 2013) from 25 hospi- tals (23 OR suites general surgery, 20 OR suites orthopaedic and trauma surgery) were included in the study. Turnover times were analysed according to skin closure to skin incision times and end of surgical procedure of the previous case to anaesthesia ready for the following case.

Results: A total of 54,750 turnovers were analysed. Overlapping anaesthesia induction accounted for 27.3%±20.9%

of the orthopaedic and trauma cases and 18.2%±13.9% of the general surgery cases. On average, overlapping anaes- thesia induction was started 19.7±20.0 and 25.2±21.6 minutes before the end

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of the previous case, respectively. Both analysed turnover times (end of sur- gical procedure of the previous case to anaesthesia ready for the following case and skin closure to skin opening times) were shorter when anaesthesia induction overlapped (orthopaedic and trauma: 16.3±11.5 vs. 33.4±17.1 min.

and 50.5±15.1 vs. 62.0±20.3 min., re- spectively; general surgery: 22.7±16.5 vs. 36.3±18.1 min. and 51.5±20.1 vs.

57.1±20.5 min., respectively).

Conclusions: Overlapping turnover pro- cesses are frequently applied and result in a relevant additional utilisation of the anaesthesia teams involved.

Einleitung

Die Leistung einer anästhesiologischen Klinik wird aus chirurgischer Sicht häu- fig an einem pünktlichen Beginn des operativen Programms und an schnellen Wechseln zwischen den Eingriffen fest- gemacht [21]. Anästhesisten sind durch die Ein- und Ausleitung der Patienten und in vielen Fällen durch die Planung der OP-Abläufe an der Wechselzeit di- rekt beteiligt, allerdings fallen auch lo- gistische Zeiten in die Wechselzeit, wel- che von Anästhesisten in der Regel nur sehr wenig beeinflusst werden können.

Trotz der Bedeutung der Wechselzeiten für das OP-Management gibt es in der publizierten Literatur hierzu nur relativ wenig belastbare Vergleichszahlen.

Da die Anästhesie-Einleitungen in ver- schiedenen operativen Fachdisziplinen unterschiedlich komplex sind und unter- schiedlich lange dauern [18], sind unter- schiedliche Wechselzeiten in verschie- denen OP-Bereichen die logische Folge.

Wechselzeiten können aber auch durch die konkrete Prozessgestaltung und die Tageszeit beeinflusst werden [8,13].

In den letzten 10 Jahren wurde das Modell der überlappenden Einleitung zunehmend propagiert [10,16,20]. Der nachfolgende Patient wird im anästhe- siologischen Einleitungsraum schon vorbereitet, während der vorlaufende Patient noch im OP ist. So könnten in erheblichem Umfang die Wechselzeiten reduziert werden um den Preis des zu- sätzlichen Personalbedarfes durch dop- pelte Personalbindung.

Die Häufigkeit von überlappenden Ein- leitungen und das Ausmaß der dadurch bedingten doppelten Personalbindung wurden bislang nicht untersucht. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Häufigkeit und Prozessrelevanz von überlappender Einleitung in einer gro- ßen multizentrischen Erhebung in deut- schen Krankenhäusern in den Bereichen Allgemein- und Viszeralchirurgie und Unfall- und orthopädische Chirurgie zu analysieren.

Methoden

Seit 2009 wurde durch den Verband für OP-Management (VOPM), die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), den Berufsver- band Deutscher Anästhesisten (BDA) und den Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) ein Benchmark-Pro- gramm für OP-Prozesse etabliert. Dieses Benchmark-Programm steht prinzipiell allen deutschen Krankenhäusern zur Ver- fügung und ermöglicht den beteiligten Krankenhäusern, ihre eigenen Prozesse auf anonymer Basis mit den Prozessen anderer Krankenhäuser zu vergleichen.

Die beteiligten Krankenhäuser liefern in der Regel in monatlichen Abständen standardisierte Prozessdaten ihrer OP- Fälle an den unabhängigen IT-Dienst- leister digmed Datenmanagement im

Gesundheitswesen GmbH, der die Benchmark-Plattform entwickelt hat.

Digmed bereitet diese Daten für das OP- Reporting und Benchmarking der Kran- kenhäuser auf. Eine Teilnahme erfolgt prinzipiell auf freiwilliger Basis.

Es wurden Daten aus einem Zeitraum vom 01.10.2012 bis 30.09.2013 aus den OP-Bereichen Allgemein- und Vis- zeralchirurgie und Unfallchirurgie/Or- thopädie ausgewertet. Die Rationale für die Wahl dieser OP-Bereiche lag darin, dass nach Erfahrung der Autoren in den beiden Bereichen relativ viele überlap- pende Einleitungen möglich sind und zugleich diese Bereiche in vielen Kran- kenhäusern, die am Benchmark teilneh- men, vorhanden sind.

Auch wenn die Teilnahme am Bench- mark-Programm schon mit einem mini- malen Datensatz von 2 Zeiten pro Fall (Schnitt- und Naht-Zeit) möglich ist, er- möglicht das Benchmark-Programm den teilnehmenden Häusern die Erfassung von maximal 38 Zeitpunkten des peri- operativen Ablaufs und daher deutlich differenziertere Analysen des Prozess- ablaufes.

Ein überlappender Wechsel im Sinne dieser Studie ist ein Wechsel, in dem der Beginn Anästhesie des nachfolgenden Falles vor dem Ende der Anästhesie des vorlaufenden Falles liegt (Abb. 1). Die zu Abbildung 1

A7 v

O11 v

O11 n A6 n

A7 n

überlappend nicht überlappend

O8 v

O10 v

O8 n

O10 n A7 v

O11 v

O11 n A6 n

A7 n

O8 v

O10 v

O8 n

O10 n

A9 v

A9 n A9 v

A9 n

Naht- Schnitt- Zeit A6: Beginn Anästhesie

A7: Freigabe Anästhesie O8: Schnitt O10: Naht

O11: Ende chirurgischer Maßnahmen A9: Ende Anästhesie

v = vorlaufender Fall n = nachfolgender Fall

Wechselzeit

Perioperativer Prozessablauf bei einem OP-Wechsel und Kennzeichnung der Zeitpunkte und Zeiträume.

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untersuchenden Fälle mussten daher für folgende Zeitpunkte eine widerspruchs- freie Dokumentation aufweisen [2]:

• A6: Beginn Anästhesie

• A7: Freigabe Anästhesie

• O8: Schnitt

• O10: Naht

• O11: Ende chirurgischer Maßnahmen

• A9: Ende Anästhesie

Ausgeschlossen wurden Wechselzeiten außerhalb der Regelarbeitszeit und an Wochenenden. Die primäre Datenex- traktion erfolgte direkt aus der Daten- bank des IT-Dienstleisters digmed.

Hierbei wurden die oben genannten 6 Zeitpunkte der jeweils aufeinanderfol- genden OP-Fälle in einem neuen Daten- satz zusammengestellt. Da nach unserer Erfahrung in zahlreichen kleineren Kran- kenhäusern keine getrennten OP-Pläne für allgemein- und unfallchirurgische Operationen bestehen und diese Ein- griffe nicht in getrennten OP-Bereichen oder -Sälen durchgeführt werden, wur- den nur OP-Bereiche aus Häusern mit mehr als 250 Betten in die Untersuchung eingeschlossen. Ebenfalls nicht berück- sichtigt wurden Universitätskliniken, da diese nach früheren Studien häufig eine deutlich divergierende Prozessgestal- tung haben [3,4,14]. Um eine sehr hohe Datenqualität, welche für eine solche Analyse notwendig ist, sicherstellen zu können, wurden zusätzlich nur OP-Be- reiche derjenigen Krankenhäuser in die Analyse eingeschlossen, in denen die sechs Zeitpunkte für mehr als 95% aller Fälle vollständig dokumentiert waren.

Wechsel mit einer Naht-Schnitt-Zeit von mehr als 120 Minuten wurden nicht be- rücksichtigt, da es sich bei derart über- langen Wechseln häufig um zwischen- zeitliche Saalschließungen handelt.

Die weitere Datenanalyse erfolgte in Microsoft Excel. Dargestellt sind, wenn nicht anders angegeben, Mittelwerte und Standardabweichungen.

Da es sich bei den verwendeten Daten um anonyme Prozesszeiten ohne jegli- chen Bezug zu Patientendaten handelte, wurde das Votum einer Ethikkommis- sion als nicht notwendig angesehen und nicht eingeholt.

Ergebnisse

In dem Untersuchungszeitraum wurden die Daten aus 25 Krankenhäusern mit 23 OP-Bereichen der Allgemein- und Visze- ralchirurgie und 20 OP-Bereichen der Unfallchirurgie/Orthopädie erfasst. Ins- gesamt wurden 58.744 Wechsel identifi- ziert, welche die geforderte Qualität und Vollständigkeit der Daten aufwiesen.

In 819 Fällen fehlte eine oder mehrere der folgenden essentiellen Informatio- nen für den Wechsel: O10, O11, A9 des vorlaufenden Falls oder A6, A7, O8 des nachfolgenden Falls. Es wurden des Wei- teren alle Fälle ausgeschlossen, in denen beim vorlaufenden Fall O10 nach O11, O11 nach A9 und beim nachfolgenden Fall A6 nach A7 oder A7 nach O8 doku- mentiert worden war. Dies musste nicht per se einer fehlerhaften Dokumentation entsprechen, da z.B. bei Stand-by-Fällen das Ende der Anästhesie vor Naht liegen kann. Eine Berücksichtigung dieser Fälle hätte aber aus mathematischen und de- finitorischen Gründen zu widersprüchli- chen oder unlogischen Zeitdauern (wie z.B. negative Aus- oder Einleitungs- zeiten) geführt. Es mussten 3.175 Fälle ausgeschlossen werden, sodass insge- samt 54.750 Wechsel analysiert werden konnten.

Die Aufteilung der Wechsel auf die OP-Bereiche sind in Tabelle 1 zu sehen.

Pro OP-Bereich konnten im Durchschnitt mehr als 1.000 Wechsel in die Analyse einbezogen werden. Der durchschnittli- che Anteil der überlappenden Wechsel lag im Bereich der Unfall-/orthopädi- sche Chirurgie mit 27,3%±20,9% im Vergleich zu 18,2%±13,9% in der Allge- mein-/Viszeralchirurgie deut lich höher.

In Tabelle 2 sind Details zu den unter- suchten Wechseln aufgeführt. Die Dauer der Anästhesie-Einleitung unterschied sich zwischen überlappenden und nicht- überlappenden Wechseln ganz erheb- lich. Im Schnitt wurde der überlappende Wechsel 19,7±20,0 resp. 25,2±21,6 Mi- nuten vor dem Ende der vorlaufenden OP begonnen. Sowohl die Wechselzeit als auch die Naht-Schnitt-Zeit lagen bei den überlappenden Wechseln durchweg unter den Wechselzeiten bei nicht-über- lappenden Wechseln.

Diskussion

Chirurgen erleben Wechselzeiten sub - jektiv als unproduktive Zeit, und lange Wechselzeiten können daher zu Un- zu friedenheit führen. Dies und die Tat- sache, dass „gefühlte“ und tatsächliche Wechselzeit oft weit auseinander liegen [14], sind die Hauptgründe dafür, dass Wechselzeiten im Mittelpunkt der Dis- kussion um optimale Prozessabläufe stehen [11,21]. Hierbei stellt sich auch die Frage, welches „Service-Niveau“ ein Operateur bezüglich der Wechselzei- ten erwarten darf. Zumindest kann eine kurze Wechselzeit unter Umständen verhindern, dass der Operateur sich aus- schleust und dadurch sich weitere Ver- zögerungen beim Beginn des folgenden Falles ergeben.

Ein OP-Wechsel und die entsprechende Wechselzeit ist ein theoretischer Be- griff des OP-Managements, der deut- lich komplexer ist, als oft angenommen wird. In der angelsächsischen Literatur, basierend auf OP-Sälen ohne getrennte Einleitungsräume, wird die Wechselzeit häufig an „wheels out, wheels in“, d.h.

Tabelle 1

Untersuchte OP-Bereiche.

Fachgebiet Allgemein-/Viszeral-

chirurgie

Unfall-/orthopädische Chirurgie

Anzahl untersuchter OP-Bereiche 23 20

Eingeschlossene Wechsel insgesamt 28.561 26.189

Anzahl eingeschlossener Wechsel pro OP-Bereich (MW ± SD)

1241,8 ± 517,7 1309,5 ± 917,0 Anteil überlappender Wechsel

an allen Wechseln (MW ± SD) 18,2% ± 13,9% 27,3% ± 20,9%

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an der Saalbelegung durch den Patienten festgemacht, sodass anästhesiologische Tätigkeiten die Wechselzeit nicht beein- flussen. In Deutschland wird die Wech- selzeit hingegen in der Regel als Ende der chirurgischen Maßnahme des vorhe- rigen Patienten bis Freigabe Anästhesie des Folgepatienten definiert [2]. Alterna- tiv kann auch die Zeit „Naht vorheriger Patient“ bis „Schnitt des Folgepatients“

genutzt werden. Letztere Definition hat den Vorteil, dass sie auch in OP-Berei- chen erfasst werden kann, in denen als einzige Prozessschritte Schnitt und Naht vollständig und korrekt erfasst werden.

Der Nachteil der Naht-Schnitt-Zeit hin- gegen ist, dass erhebliche Anteile von operativer Tätigkeit (Lagern, Abwaschen, Verband, Gips) in die Wechselzeit fallen und anästhesiologische und operative Prozesse daher nicht mehr scharf von- einander getrennt werden. Wichtig ist, dass in jedem Fall die Wechselzeit von einer großen Fülle von vor- und nachge- lagerten Prozessen beeinflusst wird (wie z.B. Patientenlogistik, Reinigungslogis- tik, Personalvorhaltung, Saalnutzungs- strategie, Planungsprozessen, Prozess- komplexität in der Anästhesiologie und Chirurgie).

Dass verkürzte Wechselzeiten tatsäch- lich Einfluss auf die OP-Effizienz haben

können, wurde erstmals in Arbeiten zu überlappenden Anästhesie-Einleitungen gezeigt. Die Herausforderung war je- weils, dass durch verkürzte Wechsel- zeiten so viel Zeit eingespart werden musste, dass zusätzliche Fälle in der vor- gegebenen OP-Zeit durchgeführt wer- den konnten [5,10,20]. Überlappende Einleitungen können baulich durch eigenständige Einleitungsräume [16], durch zentrale Einleitungseinheiten [12]

oder spezielle Räumlichkeiten für regi- onalanästhesiologische Techniken [1]

ermöglicht werden – in jedem Fall ist aber zusätzliches Personal notwendig, welches den nachfolgenden Patienten betreut, während der vorlaufende Fall noch nicht abgeschlossen ist. Dies und weitere Randbedingungen (Vorhanden- sein von zusätzlichen Fällen und Res- sourcen, positiver Deckungsbeitrag der zusätzlichen Fälle usw.) führen dazu, dass eine Verkürzung der Wechselzeit nicht immer die Effizienz eines OP un- mittelbar steigert [6,7,9,15]. Unabhän- gig hiervon haben Faktoren wie das Ausmaß der Unter- und Überauslastung oder die suboptimale Planung des OP- Programms einen maßgeblichen Einfluss auf die OP-Effizienz und damit auf die ökonomische Wirkung von Wechselzei- ten [19].

Die vorliegende Untersuchung be- schreibt erstmals die Häufigkeit und Pro- zessrelevanz überlappender Wechsel in einer großen multizentrischen Erhebung in deutschen Krankenhäusern. Der hohe Anteil überlappender Einleitungen in den beiden untersuchten Bereichen ist von großer Bedeutung, bedeutet er nicht zuletzt eine erhebliche Personalbindung, da zusätzlich zu dem Anästhesisten, der den vorlaufenden Fall betreut, Anästhe- sie-Personal zumindest vorübergehend mit der überlappenden Einleitung des nachfolgenden Falls gebunden ist. Ange- sichts der gefundenen Häufigkeiten zeigt sich auch, dass überlappende Einlei- tungen in den meisten Krankenhäusern längst Standard geworden sind. Insofern ist die 2005 noch intensiv geführte De- batte um die ökonomische Sinnhaftigkeit der überlappenden Einleitung in der Re- alität mittlerweile überholt: Es wird von den Kliniken für Anästhesiologie offen- sichtlich erwartet, entsprechend opti- mierte Abläufe sicherzustellen.

Ein detaillierter Blick in die erhobenen Daten zeigt einige interessante Befunde.

Die Dauer der Anästhesie-Einleitungen lag bei den überlappenden Wechseln in beiden Bereichen deutlich höher als bei den nicht-überlappenden Wech- seln. Dies muss nicht immer in vollem Tabelle 2

Untersuchte Wechsel.

Fachgebiet Allgemein-/ Viszeral chirurgie Unfall-/ orthopädische Chirurgie

Wechsel ohne überlappende

Einleitung

Wechsel mit überlappender

Einleitung

Alle Wechsel Wechsel ohne überlappende

Einleitung

Wechsel mit überlappender

Einleitung

Alle Wechsel

Anästhesie-Einleitung des nachfolgenden Falles

in min (MW ± SD) 12,2 ± 10,0 30,7 ± 22,7 15,1 ± 14,6 12,2 ± 9,2 33,8 ± 20,9 19,9 ± 17,8

Schnitt-Naht-Zeit des nachfolgenden Falles in min (MW ± SD)

58,4 ± 53,7 94,0 ± 84,8 64,1 ± 61,1 58,5 ± 43,2 63,4 ± 44,8 60,2 ± 43,9

Perioperative Zeit des nachfolgenden Falles*

in min (MW ± SD)

80,1 ± 58,9 124,7 ± 90,8 87,2 ± 67,1 88,9 ± 52,0 99,2 ± 53,5 92,6 ± 52,8

Ende Anästhesie vorlaufender Fall bis Beginn Anästhesie nachfolgender Fall in min (MW ± SD)

18,1 ± 15,2 -19,7 ± 20,0 12,0 ± 21,2 15,4 ± 14,2 -25,2 ± 21,6 0,8 ± 26,0

Wechselzeit **

in min (MW ± SD) 36,3 ± 18,1 22,7 ± 16,5 34,1 ± 18,5 33,4 ± 17,1 16,3 ± 11,5 27,3 ± 17,4

Naht-Schnitt-Zeit***

in min (MW ± SD)

57,1 ± 20,5 51,5 ± 20,1 56,2 ± 20,5 62,0 ± 20,3 50,5 ± 15,1 57,9 ± 19,4

* Freigabe Anästhesie bis Ende operativer Maßnahmen; ** Ende chir. Maßnahmen vorlaufender Fall bis Freigabe Anästhesie nachfolgender Fall;

*** Naht vorlaufender Fall bis Schnitt nachfolgender Fall

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Umfang der realen Personalbindung bei überlappenden Wechseln entsprechen.

Bei einem korrekt dokumentierten über- lappenden Wechsel kann innerhalb der Einleitungszeit in erheblichem Umfang Zeit ohne direkte Bindung des durch- führenden Arztes auftreten, z.B. wenn zuerst der PDK gelegt wird (Beginn An- ästhesie A6 mit der Anlage des PDK), danach aber eine Pause entsteht, bis der vorlaufende Fall beendet, der Saal leer und geputzt ist. Erst dann kann die An- ästhesie-Einleitung beendet werden. In- sofern sind die Einleitungszeiten künst- lich zu lang – dieses Artefakt lässt sich aber nicht vermeiden, da man sonst eine Anästhesieeinleitung als mehrzeitige Prozedur dokumentieren müsste, was weder praktikabel noch nach Glossar oder Kerndatensatz Anästhesie sinnvoll abbildbar wäre.

Während sich die Schnitt-Naht-Zeit und perioperative Zeit der Fälle in der Unfall-/orthopädischen Chirurgie in Abhängigkeit von der Art des Wechsels nicht wesentlich unterschieden, lagen sie im Bereich der Allgemein-/Viszeral- chirurgie bei Fällen mit überlappenden Wechseln deutlich höher als bei den Fällen ohne überlappende Wechsel.

Dies kann so interpretiert werden, dass in der Unfallchirurgie die überlappen- den Wechsel bei regionalanästhesiologi- schen Techniken breit gestreut eingesetzt werden, in der Allgemein- und Viszeral- chirurgie aber vor allem bei komplexe- ren Eingriffen mit umfangreicherem inva- sivem Monitoring und/oder PDK. Leider sind die durchgeführten Anästhesietech- niken aus den Daten nicht zu ersehen, sodass der Anteil an Regionalanästhesie bei den überlappenden Wechseln nicht bestimmt werden konnte.

Eine tatsächliche Einschätzung der öko- nomischen Bedeutung der überlappen- den Einleitung auf die OP-Effizienz lässt sich aus den vorliegenden Daten nicht ablesen – zu offensichtlich unterschei- den sich die Fälle mit überlappenden Einleitungen im Vergleich zu denen ohne überlappende Einleitungen. Ver- mutlich lägen die Wechselzeiten der aktuell überlappend durchgeführten Einleitungen weit höher, wären sie nicht überlappend durchgeführt worden.

Betrachtet man die durchschnittliche Wechselzeit und den Anteil der über- lappenden Einleitungen auf Ebene des einzelnen Bereiches, zeigt sich, dass zu- mindest ein Trend zu kürzeren Wechsel- zeiten besteht, wenn ein höherer Anteil an überlappenden Wechseln realisiert wird (Abb. 2). Der Trend erscheint bei der Wechselzeit ausgeprägter zu sein

Abbildung 2

Allgemein-/ Viszeralchirurgie

Unfall-/ orthopädische Chirurgie

R2 = 0,1662

0 10 20 30 40 50 60 70 80

0% 20% 40% 60% 80% 100%

R2 = 0,4241 0

10 20 30 40 50 60 70 80

0% 20% 40% 60% 80% 100%

R2 = 0,1112

0 10 20 30 40 50 60 70 80

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%

R2 = 2E-08

0 10 20 30 40 50 60 70 80

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%

Wechselzeit Naht-Schnitt-Zeit

Wechselzeit Naht-Schnitt-Zeit

Wechselzeit in minWechselzeit in min

Anteil überlappender Wechsel in % Anteil überlappender Wechsel in %

Korrelation von durchschnittlicher Wechselzeit und dem Anteil der überlappenden Wechsel in den untersuchten OP-Bereichen.

Jeder Punkt entspricht dem Mittelwert eines untersuchten OP-Bereiches.

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als bei der Naht-Schnitt-Zeit – ein Teil der eingesparten Prozesszeit scheint im weiteren Verlauf wieder verloren zu gehen. Ebenso scheinen die Unter- schiede in der Unfallchirurgie/orthopä- dischen Chirurgie ausgeprägter als in der Allgemeinchir urgie. Allerdings sind diese Daten mit großer Vorsicht zu be- trachten, da hier sehr unterschiedliche Kliniken und OP-Bereiche miteinander verglichen werden und z.B. Häufigkeit und Dauer des Anlegens von Schmerz- kathetern stark je nach OP-Portfolio in den einzelnen betrachteten Häusern dif- ferieren dürfte.

Auch ist zu bedenken, dass es sich in der Untersuchung durchweg um Kran- kenhäuser handelt, die freiwillig am OP- Benchmark-Programm teilnehmen. Dies lässt ein hohes Interesse der OP-Organi- sation an optimierten OP-Prozessen ver- muten, sodass die untersuchten Häuser eventuell eine Positivauswahl darstellen (bzw. dass ein gewisser Selektions-Bias bestehen könnte).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass überlappende Einleitungen in er- heblichem Umfang in den untersuch- ten Fachdisziplinen realisiert werden, wobei eine starke Streuung auffällt – in einigen Bereichen werden ein Großteil oder nahezu alle Einleitungen überlap- pend realisiert. Es erscheint notwendig, diese zusätzlichen Leistungen der anäs- thesiologischen Kliniken in die Personal- bedarfskalkulation zu integrieren.

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Korrespondenz- adresse

Prof. Dr. med.

Martin Schuster

Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- medizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie

Fürst-Stirum-Klinik Bruchsal Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Heidelberg

Gutleutstraße 1-14

76646 Bruchsal, Deutschland Tel.: 07251-708-57501 Fax 07251-708-57509 E-Mail:

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