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Die Förderung sozialer Kompetenzen in der Montessori-Pädagogik eine Untersuchung der Pädagogik und Lernmaterialien Montessoris für das Grundschulalter

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Academic year: 2021

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Die Förderung sozialer Kompetenzen in der

Montessori-Pädagogik

Eine Untersuchung der Pädagogik und Lernmaterialien Montessoris

für das Grundschulalter

Bachelor Arbeit

vorgelegt von Maria Kähler

URN-Nummer: urn:nbn:de:gbv:519-thesis2020-0524-6

Studiengang Soziale Arbeit

Hochschule Neubrandenburg

im Sommersemester 2020

Veranstaltung: Modul W1

Vereinbart mit Frau Dr. Helm

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0 Einleitung͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘ϭ 1 Soziale Kompetenzen͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘Ϯ 1.1 Definition͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘Ϯ 1.2 Soziale Kompetenzentwicklung im Grundschulalter͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘ϱ 1.3 Förderung sozialer Kompetenzen͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘ϴ 2 Förderung des sozialen Verhaltens aus dem Blick der Montessoripädagogik͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘ϭϬ 2.1 Das Menschenbild Montessoris und der kosmische Schöpfungsplan͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘ϭϭ 2.2 Grundlagen der Pädagogik͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘ϭϰ 2.2.1 Freiheit und ihre Grenzen͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘ϭϱ 2.2.2 Die vier Entwicklungsstufen͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘ϭϲ 2.2.3 Sensible Phasen͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘ϭϴ 2.2.4 Polarisation der Aufmerksamkeit͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘Ϯϭ 2.2.5 Lernen in altersgemischten Gruppen͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘ϮϮ 2.3 Kritik an Maria Montessori͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘Ϯϱ 3 Untersuchung von Materialien zur Kompetenzsteigerung͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘Ϯϴ 3.1 Kriterien für Lernmaterialien͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘Ϯϵ 3.2 Soziales Verhalten fördern innerhalb der kosmischen Erziehung͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘ϯϰ 3.3 Untersuchung eines Lernmaterials der kosmischen Erziehung͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘ϯϳ 3.4 Modellhafte Überlegungen für Materialien͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘ϯϵ 4 Fazit͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘ϰϯ 5 Literaturverzeichnis͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘͘ϰϰ 

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0 Einleitung

In der vorliegenden Arbeit werde ich mich der Förderung sozialer Kompetenzen von Kindern im Grundschulalter mithilfe der Pädagogik von Montessori widmen. Aus meiner Sicht kommt die Förderung sozialer Kompetenzen in der schulischen Erziehung von Grundschulkindern meist zu kurz. Zu sehr steht der Fokus auf das kognitive Erlernen von Kenntnissen in Naturwissenschaften und Sprachen. Das ist sicherlich in erster Linie die Aufgabe einer Grundschule, jedoch beobachte ich in meiner täglichen Arbeit in einer Grundschule das Phänomen, dass soziale Kompetenzen immer flüchtiger bei Kindern zu finden sind. Verbale Konflikte enden schnell in Handgreiflichkeiten und Kinder stehen hilflos vor der Aufgabe ihre Gefühle angemessen auszudrücken, oder die eines anderen zu erkennen und zu akzeptieren. Daher beschäftige ich mich in dieser Arbeit ausführlich mit der Entwicklung von Grundschulkindern und der Förderung sozialer Kompetenzen. Ziel ist es herauszufinden, welchen Beitrag die Montessori-Pädagogik und deren Lernmaterialien dazu leisten kann. Ebenfalls wird untersucht, ob es Material gibt, das zum Zweck der Förderung sozialer Kompetenzen adaptiert werden kann.

Dafür wird es zunächst einen Einblick in allgemeine wissenschaftliche Erkenntnisse über soziale Kompetenzen geben. Diese Einblicke umfassen eine Definition des Begriffs und einen Überblick über die Entwicklung dieser Kompetenzen im Verlauf eines Menschenlebens. Im Anschluss daran werden Möglichkeiten der Förderung sozialer Kompetenzen anhand von Lerntheorien näher beleuchtet.

Der zweite Teil dieser Arbeit widmet sich der Pädagogik nach Montessori. Dieser Teil wird herauskristallisieren, wie Montessori das soziale Verhalten von Kindern positiv beeinflussen wollte und welchen Stellenwert soziale Kompetenzen in ihrer Pädagogik einnehmen. Dafür werden zunächst ihr Menschen- und Weltbild sowie Grundlagen ihrer Pädagogik dargelegt und erläutert.

Im dritten Teil dieser Arbeit geht es um die, für die Montessori-Pädagogik so typischen, Lernmaterialien. Zunächst wird beleuchtet warum sie in der Pädagogik von Montessori einen wichtigen Stellenwert haben und was das Ziel der Arbeit mit ihnen ist. Der Fokus bei der Untersuchung dieser Materialien liegt ebenfalls auf der Förderung sozialer Kompetenzen. Ein besonderes Beispiel dieser Förderung liegt in der kosmischen Erziehung. Sie wird ebenso vorgestellt wie die Arbeit mit einem der Materialien aus diesem Bereich. Zum Schluss werde ich ein Material vorstellen, das ich selbst entworfen habe und den Anspruch erhebt, im Sinne der Montessoripädagogik gezielt soziale Kompetenzen zu fördern.

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1 Soziale Kompetenzen

Dieses Kapitel möchte einen Einblick geben in die Theorien und Forschungsergebnisse sozialer Kompetenzen. Jeder Mensch sieht sich im Alltag vor die Aufgabe gestellt, in eine soziale Interaktion mit Mitmenschen zu treten, zwischenmenschliche Situationen zu interpretieren und Konflikte zu lösen. Um diese Aufgaben befriedigend bewältigen zu können bedarf der Mensch Handwerkszeug: die sozialen Kompetenzen (vgl. Keller 2016, S.111).

1.1 Definition

Es gibt verschiedene Definitionen sozialer Kompetenzen, entwickelt von unterschiedlichen Wissenschaftlern1, welche unterschiedliche Aspekte berücksichtigen,

oder sich gegenseitig ergänzen. In dem folgenden Kapitel sollen Varianten dieser Definition vorgestellt werden.

Ein Konsens besteht über grundlegende Eigenschaften: Soziale Kompetenzen sind ein übergeordnetes Konstrukt, das unterschiedliche Fertigkeiten umfasst. Diese sind kognitive, emotionale und motorische Fähigkeiten, die zu sozialen Handlungsstrategien und -weisen führen. (vgl. Jürgens 2014, S.20). Grob gesagt umfassen soziale Kompetenzen alle sozialen Fertigkeiten, die in zwischenmenschlichen Interaktionen eigenen Anliegen und Bedürfnisse befriedigen und zeitgleich auf fremde Anliegen und Bedürfnisse, also die des Gegenübers, Rücksicht nehmen. Dann gilt eine soziale Interaktion als erfolgreich (vgl. Perren 2016, S.91). Diese Fertigkeiten tragen dazu bei, ein zufriedenstellendes Zusammenleben in der Gesellschaft oder einer Gemeinschaft zu ermöglichen. Welche sozialen Kompetenzen im konkreten Fall einer sozialen Interaktion erforderlich sind, richtet sich nach den Anforderungen der Situation, an den Ressourcen und persönlichen Bedürfnissen der Beteiligten sowie an gesellschaftlichen Normen. In diesem Geflecht an Bedingungen soll ein für beide Seiten akzeptabler Kompromiss gefunden werden, der sich zwischen sozialer Anpassung und den eigenen persönlichen Bedürfnissen befindet (vgl. Jugert 2011, S.11ff).

Rüdiger Hinsch und Ulrich Pfingsten entwickelten ein Kompetenzmodell, das soziale Kompetenzen weiter spezifizieren. Grundlegend für dieses Modell, wie für die meisten Theorien über soziale Kompetenzen, ist die Annahme, dass die Verbundenheit zu



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anderen Menschen ein menschliches Grundbedürfnis ist. So ist es Aufgabe sozialer Kompetenzen, diese Verbundenheit herzustellen und aufrecht zu erhalten. Die Konsequenz einer sozialen Interaktion sollte sich positiv auf die Beziehung zum Gegenüber auswirken. Ob die Konsequenzen einer Interaktion positiv oder negativ zu bewerten sind, hängt hierbei von den Individuen ab und wird somit subjektiv wahrgenommen. In der Bewertung durch die eigene Person spielt das Erreichen individueller Ziele, wie das Durchsetzen eigener Bedürfnisse oder die Aufrechterhaltung der Beziehung, eine Rolle. Soziale Schwierigkeiten begründen Hinsch und Pfingsten entweder in dem Mangel an emotionalen oder kognitiven Fertigkeiten, die das Erreichen des Zieles ermöglichen würden, oder in dem Mangel an der richtigen Umsetzung, der mangelnden Anwendungsfähigkeit. So kommen sie zu dem Ergebnis, dass erfolgreiche Interaktionen neben den sozialen Fertigkeiten, wie beispielsweise der Fähigkeit der Empathie, auch die Kompetenz zur Entwicklung einer sozialen Handlungsweise brauchen, wie beispielsweise das angemessene Äußern dieser Empathie im Konfliktfall. Dafür benötigt es über die Empathie hinaus zum Beispiel Emotionsregulation. Diese Annahme ist mittlerweile weit verbreitet (vgl. Jürgens 2014, S.20f).

Soziale Kompetenzen können in zwei Dimensionen unterschieden werden. Die erste Dimension meint Fertigkeiten, die darauf abzielen, in sozialen Interaktionen seine eigenen Ziele zu erreichen. Dazu gehören unter anderem die Kompetenzen der Kontaktaufnahme und der Durchsetzungsfähigkeit. Die zweite Dimension umfasst die Fertigkeiten, bei denen die Bedürfnisse des Anderen im Vordergrund stehen. Dazu gehören zum Beispiel Kompetenzen wie prosoziales oder kooperatives Verhalten. Unter prosozialem Verhalten versteht man uneigennütziges Verhalten, das am Wohlergehen des anderen orientiert ist. Man kann hierfür die Bezeichnungen selbst- und fremdbezogene soziale Kompetenzen einsetzen. Herrschen in einem dieser beiden Dimensionen Fertigkeitsdefizite, kann sich das sowohl auf die Beziehung zu anderen Personen, als auch auf die eigene Psyche auswirken. Am augenscheinlichsten ist, dass Defizite in fremdbezogenen Kompetenzen negative Auswirkungen auf zwischenmenschliche Beziehungen haben können, da die Bedürfnisse des Interaktionspartners nicht wahrgenommen werden oder nicht auf sie eingegangen wird. Bei den Bezugspersonen kann so das Gefühl entstehen, der Person gleichgültig zu sein oder von ihr dominiert zu werden. Die schlechte Beziehung hat wiederrum Auswirkungen auf den Akteur, der dadurch ein negativeres emotionales Empfinden entwickeln kann. Eine zwischenmenschliche Interaktion wirkt sich so auf innere Prozesse aus. Gibt es

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Kompetenzdefizite in Bezug auf die eigenen Bedürfnisse (selbstbezogene Kompetenzen) kann dies depressives oder ängstliches Verhalten auslösen, das wiederum zu Unbeliebtheit und Isolation in der Gemeinschaft führen kann. Eine Förderung beider Dimensionen von sozialen Kompetenzen ist also empfehlenswert (vgl. Perren 2016, S.92).

Aus konstruktivistischer Sicht lassen sich soziale Kompetenzen, ähnlich wie bei Hinsch und Pfingsten, in drei verschiedene Bereiche der sozialen Handlungsfähigkeit einteilen. Diese Bereiche sind: sozial-kognitive Fertigkeiten (z.B. soziales Verstehen, Perspektivübernahme), sozial-emotionale Fertigkeiten (z.B. Empathie) sowie soziale Interaktionsfähigkeit (z.B. prosoziales Verhalten). Diese Fertigkeiten bedingen sich untereinander und sind nicht immer klar voneinander abgetrennt. Schon Jean Piaget hat LQVHLQHP%XFKÄ,QWHOOLJHQ]XQG$IIHNWLYLWlW³HLQH9HUELQGXQJ]ZLVFKHQ*HGDQNHQGHQ sozial-kognitiven Fertigkeiten, und Gefühlen, den sozial-emotionalen Fertigkeiten analysiert. Diese beeinflussen die Entwicklung des Menschen. Kognitive und emotionale Fähigkeiten haben, so Piaget, eine wechselseitige Beziehung in Bezug auf soziale Interaktion. Ebenfalls vertritt er die Meinung, dass eine kognitive Fertigkeit sich nur mit emotionalen Fertigkeiten entwickeln kann und andersherum. Diese Meinung wurde seither oft angezweifelt (vgl. Malti 2016, S.55).

Kritik an Piaget wird unter anderem in Forschungen geübt, die das Phänomen des Mitgefühls untersuchen. Unter Mitgefühl definiert man eine emotionale Reaktion eines Individuums, die durch die Fürsorge für den gefühlsmäßigen Zustand einer anderen Person ausgelöst wird. Das Mitgefühl ist eine wichtige fremdbezogene Fertigkeit, die die Person dazu motiviert, in einem Konfliktfall die Bedürfnisse des Interaktionspartners miteinzubeziehen. Mitgefühl beschreibt die empathische Reaktion auf die Traurigkeit des anderen. Ebenfalls ist es eine Regung, die Besorgnis um einen anderen Menschen und dessen Situation zeigt. Das Mitgefühl scheint rein durch Emotionen zu entstehen, indem man durch einen Reiz (z.B. Traurigkeit einer anderen Person) mit ihr mitfühlt. Es kann aber auch durch kognitive Prozesse entstehen, indem eine Perspektivübernahme stattfindet. Hier versetzt man sich durch kognitive Fähigkeiten in die Situation des anderen hinein und antizipiert die damit eingeschlossenen Gedanken, Absichten und Wahrnehmungen. Mitgefühl kann ein starker Motivator in sozialen Interaktionen sein. Diese Motivation beeinflusst dann prosoziales Verhalten und die Entscheidungsfindung unter Berücksichtigung der individuellen situativen Bedingungen dieser menschlichen Interaktion. Dabei ist im Falle eines zwischenmenschlichen Konfliktes, neben der

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Einbeziehung des Mitgefühls, moralisch abzuwägen, inwieweit auf die eigenen Bedürfnisse und auf die fremden Bedürfnisse einzugehen ist, damit die selbstbezogenen Fertigkeiten nicht vernachlässigt werden (vgl. ebd., S.53ff). In einer Forschungsreihe unter anderem von Tina Malti, zeigte sich, dass Kinder mit einem stärker ausgeprägten Mitgefühl häufiger prosozial handeln. Kinder mit einem geringeren Mitgefühl nannten eher hedonistische eigeninteressierte Motive. Sie weist ebenfalls darauf hin, dass fehlende sozial-kognitive Fertigkeiten durch Mitgefühl kompensiert werden können. Dies widerlegt zum Teil die Annahme, dass die Erweiterung von sozial-emotionalen Fähigkeiten nur mit gleichzeitiger Erweiterung von sozial-kognitiven Fertigkeiten einhergehen kann, wie Jean Piaget es verknüpfte. Dennoch zeigt sich in dieser Studie auch, dass eine Förderung sozialer Kompetenzen dann am besten gelingen kann, wenn sozial-emotionale und sozial-kognitive Fertigkeiten sowie die soziale Interaktionsfähigkeit gleichermaßen gefördert werden (vgl. ebd., S.65).

Neben dem Mitgefühl gibt es weitere sozial-emotionale Fertigkeiten. Diese beziehen sich auf die eigenen Emotionen. Es sind Emotionserleben (Erkennen eigener Emotionen), der Emotionsausdruck (Emotionen kommunizieren), Emotionsverständnis (warum fühle ich) und Emotionsregulation (zielführende Veränderung des emotionalen Zustandes) (vgl. Jugert 2011, S. 17f).

Neben den drei eben erwähnten großen sozialen Kompetenzen gibt es viele weitere Definitionen und Unterscheidungen von sozialen Fertigkeiten. Die Entwicklungspsychologen Nancy Eisenberg und Michael Harris beispielweise entwarfen einen Katalog an Entwicklungszielen zu Verbesserung sozialer Kompetenzen. Diese beinhalten neben den Fertigkeiten zur Perspektivübernahme und Kommunikation, auch die Ziele des Erkennens des Stellenwertes von Beziehungen, das Entwickeln von Problemlösestrategien und die Entwicklung von moralischen Wertvorstellungen (vgl. ebd., S.13).

1.2 Soziale Kompetenzentwicklung im Grundschulalter

Erste Theorien zur Entwicklung sozialer Kompetenzen kamen in den 60iger Jahren auf. Dabei zu finden sind immer wieder die Unterscheidungen von sozialen Entwicklungszielen von Eisenberg und Harris. Viel geforscht wurde beispielsweise über die Entwicklung der Perspektivübernahme, also einer sozial-kognitiven Fertigkeit. Der Psychologe Lawrence Kohlberg stellte hier einen Zusammenhang der Entwicklung vom Egozentrismus zur Dezentrierung her, die schon bei Jean Piaget zu finden ist. Die

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meisten Kinder des Alters von 1-6 sind noch dem Egozentrismus verfangen und wenig dazu in der Lage, eine andere Perspektive als die Eigene einzunehmen. Kinder ab dem 7. Schuljahr sind immer mehr dazu fähig, in die Sichtweise eines anderen Menschen einzutauchen, die sich von der eigenen unterscheidet. Hier ist sowohl die physische Perspektive, die visuelle Wahrnehmungsperspektive, gemeint, als auch die psychische Perspektive, die Gedanken und Gefühle eines anderen Menschen. Deshalb beziehen Kinder von 1-6 Jahren zum Beispiel Motive einer Handlung nicht in die moralische Bewertung mit ein. Dieser Lernprozess der Perspektivübernahme erstreckt sich bis ins Erwachsenenalter hinein (vgl. Kasten 2008, S.29f).

Der Psychologe Robert L. Selman spezifiziert die Entwicklung der Perspektivübernahme weiter. Er geht davon aus, dass es fünf Stufen dieser Entwicklung gibt. Die Stufen bauen aufeinander auf und beinhalten zunehmendes Problemlösungspotential. Während der ersten Stufe hat das Kind kein Bewusstsein unterschiedlicher Perspektiven und kann so auch keine andere übernehmen. Das, was es selbst sieht und erlebt, erleben und sehen andere auch genauso. In der zweiten Stufe werden individuelle Perspektiven unterschieden, aber noch nicht miteinander konfrontiert. Dies geschieht ab der dritten Stufe, der Stufe, auf die wohl die meisten Grundschulkinder hinzielen. In dieser Stufe werden unterschiedliche Perspektiven miteinander koordiniert und verglichen. Die eigene Perspektive wird dabei reflektiert und in Frage gestellt. In der vierten Stufe kann darüber hinaus eine Beobachterperspektive einer außenstehenden dritten Person eingenommen werden, in der der Mensch eine Vorstellung entwickelt, wie die Interaktion von außen betrachtet wirkt. So können Handlungsvarianten entworfen werden. Die fünfte und letzte Stufe ist die differenzierteste, in der gesellschaftliche und psychologische Perspektiven mit einbezogen werden (vgl. Keller 2016, S.112).

Die Entwicklung von Mitgefühl und Empathie, sozial-emotionalen Fertigkeiten, ist, als gefühlsmäßige Ansteckung, bereits bei Neugeborenen festzustellen. So machte die Entwicklungspsychologin Charlotte Bühler bereits 1928 die Entdeckung, dass alle Säuglinge auf einer Neugeborenenstation anfangen zu weinen, wenn ein Neugeborenes weint. Diese Gefühlsübertragung ist unreflektiert und reflexartig. Kognitive Prozesse spielen hier noch keine Rolle. Es ist ein Reflex, der durch einen Reiz ausgelöst wird. (vgl. Kasten 2008, S.28). Dies wird unterstützt durch weitere spätere Studien, die, hingegen der Meinung Piagets, in allen Entwicklungsstufen Empathie und prosoziales Verhalten finden, auch wenn die kognitiven Fähigkeiten dafür noch nicht ausgereift ist (vgl. Keller 2016, S.113). Diese Gefühlsübertragung wird mit zunehmendem Alter immer reflektierter.

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Die Reflektion benötigt dann tatsächlich die kognitive Entwicklung. Die Reflektion wird durch die Perspektivenübernahme verstärkt. Das Kind wird immer fähiger, das Empfinden seines Gegenübers richtig einzuschätzen und angemessen darauf zu reagieren. Bereits ab dem 18. Lebensmonat gibt es durch Kinder erste Versuche die Emotionen anderer Kinder aktiv zu beeinflussen, zum Beispiel indem es tröstet. Das Kind versteht ab nun immer besser, dass andere Personen ein inneres Gefühlsleben haben. Ebenfalls lernen sie einzuschätzen, welche Situation in ihnen und anderen welche Emotionen hervorruft. Ab dem 4. Lebensjahr kommt dann eine weitere Fähigkeit dazu, nämlich die des beeinflussten Gefühlsausdruckes. War zuvor der Gefühlsausdruck unwillentlich und nicht gesteuert, kann das Kind nun darauf einwirken. Sie können Gefühle vortäuschen, die sie nicht haben, oder so modifizieren, indem sie übertrieben oder untertrieben dargestellt werden. Mit Eintritt in die Grundschule ist diese Fähigkeit schon gut ausgeprägt. Normen und Konventionen beeinflussen ebenfalls den Gefühlsausdruck, da sie vorgeben, welche Emotionen und Formen in welcher Situation angemessen sind. Hinzu kommt, dass der Wortschatz zum verbalen Ausdruck der Gefühle immer weiter wächst. Ein weiterer wichtiger Punkt, besonders wenn es um die Förderung von sozialen Kompetenzen geht, ist die Emotionsregulation. Kindergartenkindern fällt es noch sehr schwer, Gefühle zu kontrollieren. Dies beginnt erst zaghaft im Vorschulalter. Grundschulkinder verfügen bereits anfänglich über Strategien, wie sie die eigenen Gefühle regulieren können. Diese Strategien können und sollten im Grundschulalter weiter ausgebaut und gefördert werde. Kinder lernen so, Einfluss auf die Intensität ihrer Gefühle und auf emotionale Handlungsimpulse zu nehmen (vgl. Jürgens 2014, S.22).

Gerade auch bei der Entwicklung sozialer Interaktionsfähigkeit ist die kognitive Entwicklung nicht außer Acht zu lassen. Denn kognitive Prozesse ermöglichen es uns, Sinneswahrnehmungen zu verarbeiten, um sie bewerten zu können und daraus eine Handlungsstrategie entwickeln zu können. Dafür sind zunächst Aufmerksamkeit und die Fähigkeit zur Konzentration wichtig, um äußere Eindrücke überhaupt wahrnehmen und aufnehmen zu können. Des Weiteren braucht es Wissensstände über Ursachen von Konflikten und Motive, die zu einem Streit führen können. Diese Wissensstände können durch Erfahrung erworben werden. Aus ihnen heraus können Zusammenhänge hergestellt und interpretiert werden. Im Anschluss kann eine Bewertung stattfinden und Schlussfolgerungen gezogen werden (vgl. Kasten 2008, S.28).

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Für die Entwicklung von Verhandlungsstrategien hat Selman, wie bei der Perspektivübernahme, fünf Stufen entwickelt. Geschieht eine Reaktion in Konfliktsituationen zu Beginn der Entwicklung eines Menschen noch nonverbal und wird körperlich ausgetragen, entwickelt das Kind zur zweiten Stufe hin verbale Kommunikationsmöglichkeiten, um zu verhandeln. Die Verhandlungsstrategie zielt hierbei auf Dominanz oder Unterordnung des Gegenübers ab. Dies ändert sich in der dritten Stufe, in der es zu wechselseitigen Konfliktlösungen kommt. Sozial kompetenter wird es in der vierten Stufe, in welcher eine gemeinschaftliche Kompromissbildung fokussiert wird. Das moralische Urteil und das reflektierte Mitgefühl entwickeln sich parallel weiter. Die goldene Regel wird etabliert, die besagt, dass man andere Menschen so behandeln soll, wie man selbst behandelt werden möchte. Das Ziel, und damit die letzte Stufe, ist die Fertigkeit Kompromisse in unterschiedlichen, vernetzten Beziehungen schließen zu können. Hier entdeckt das Individuum eine wechselseitige Verantwortung zur Gesellschaft.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Grundschulkinder zwar in ihrer Entwicklung schon vorangeschritten sind und Fähigkeiten, wie die anfängliche Möglichkeit zur Perspektivübernahme oder Emotionsregulation aufweisen, jedoch müssen die bereits erworbenen Fertigkeiten vertieft und weiter ausgebaut werden, um nächsthöhere Stufen zu erreichen (vgl. Keller 2016, S.112).

1.3 Förderung sozialer Kompetenzen

Sozial kompetentes Verhalten kann, wie bereits dargelegt, die Akzeptanz des Kindes in der Gleichaltrigengruppe, und somit einen wichtigen Part seines sozialen Lebens, beeinflussen. Dauerhaftes sozial inkompetentes Verhalten kann zu Verhaltensextremen führen, die in die eine Richtung vermeidend-unsicher sind und in die andere Richtung zudringlich-aggressiv. Wird dem Kind nicht geholfen, oder es findet nicht selbst einen Weg zur Weiterentwicklung sozialer Kompetenzen, können im schlimmsten Fall psychosoziale Krisen oder psychische Erkrankungen folgen. Daher ist eine Förderung sozialer Kompetenzen wichtig, nicht nur für das soziale Umfeld, sondern auch für die psychische Gesundheit eines Menschen (vgl. Jugert 2011, S.11f).

Diese Förderung sollte bestenfalls spätestens im Vorschulalter beginnen und bis zum Schulabschluss weitergeführt werden. Nun stellt sich noch die Frage, welche sozialen Kompetenzen es gibt und wie diese zu fördern sind. Die wichtigsten Fertigkeiten für das Kindes- und Jugendalter sind: Versuchungen zurückweisen, auf Kritik angemessen

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reagieren, Änderungen bei störendem Verhalten verlangen, Unterbrechungen im Gespräch unterbinden, Schwächen eingestehen, erwünschte Kontakte arrangieren sowie unerwünschte Kontakte beenden, Komplimente machen und selbst akzeptieren, Gespräche beginnen, sie aufrechterhalten und beenden, einen anderen um einen Gefallen bitten, Widerspruch äußern, sich entschuldigen, Nein-Sagen und Gefühle offen zeigen. Diese Fertigkeiten werden unterstützt von Emotionswissen, verständnis und -regulationsstrategien. Des Weiteren ist die Fertigkeit, verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen zu können, von Bedeutung. Diese lange Liste an sozialen Fertigkeiten ist immer wieder Bestandteil unterschiedlicher Lebenslagen und Situationen eines Kindes, und die einzelnen Fähigkeiten und Kompetenzen sind wiederholt erforderlich. Anhand von sozialen Erfahrungen können sich diese ausformen (vgl. ebd., S.14ff).

Für die Entwicklung von Mitgefühl und Empathie, so zeigen es verschiedene Studien, wirkt sich ein Erziehungsstil positiv aus, der sich durch Wärme und Unterstützung auszeichnet. Das Kind kann in diesem Umfeld Vertrauen entwickeln und seine Selbstwirksamkeit entdecken. Aus diesem Gefühl emotionaler Sicherheit heraus kann es besser auf die Emotionen und Bedürfnisse eines anderen Menschen eingehen. Ebenfalls erlebt es in seiner offenen und warmen Erziehung, dass es Gefühle der Hilfslosigkeit und Kummer ohne Scham ausdrücken darf (vgl. Kienbaum 2016, S.36).

Für das Erlernen weiterer sozialer Kompetenzen kann ein Training hilfreich sein. Das Training kann ebenfalls Verhaltensstörungen, wie aggressivem Verhalten, entgegenwirken. Die Trainingsmethode breit gefächert, und werden viele verschiedene soziale Fähigkeiten angesprochen, ist ein solches Training noch erfolgreicher. Hierfür können verhaltenstherapeutische Methoden herangezogen werden.

Zum einen gibt es die des Modelllernens. Dabei können den Kindern, beispielsweise anhand eines Videofilms oder eines kleinen Theaterstücks, komplexe sozial kompetente Verhaltensweisen demonstriert werden, die sie nachmachen sollen. Die Nachahmung kann innerhalb eines Rollenspiels stattfinden. Dabei können Kinder im Schutz des Trainings durch Simulation alltagsnah neues Verhalten spielerisch einüben. Hierdurch kann auch eine Sensibilisierung für Problemverhalten entstehen. Die Diskrepanz zwischen dem bislang im Alltag gezeigten Verhalten und dem sozial positiven Verhalten wird kennengelernt. Eine Rollenübernahme des Gegenübers kann Konsequenzen des Verhaltens, anhand der Selbstbeobachtung aus der Rolle eines anderen, verdeutlichen. So kann Alternativverhalten entdeckt und eingeübt werden, durch die Erfahrung, dass

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dieselbe Situation von unterschiedlichen Personen verschieden wahrgenommen und eingeordnet wird. So kann aggressives und antisoziales Verhalten abgebaut werden (vgl. Jugert 2011, S.22ff).

Eine weitere Methode ist die der sozialen Verstärkung. Dazu bekommt das Kind die Möglichkeit Alternativverhalten zu erproben, indem es dieses im Alltag einsetzt. Im Anschluss ist eine Rückmeldung durch den Interaktionspartner von Nutzen. Dafür ist es hilfreich, wenn der Trainer anwesend ist, er angemessenes Verhalten bestärken und Hilfestellung bei Problemen geben kann. Dabei sollte schon der Versuch einer Problembewältigung unterstützt werden. Diese Methode ist dann allerdings sehr aufwendig.

Auch eine Einbeziehung der Eltern in das Kompetenztraining kann eine ergänzende Methode sein. Sie können ihre Kinder unterstützen und Gelerntes festigen. Das erworbene Wissen kann so über das Training heraus in das soziale Umfeld, Situationen zuhause und in die Freizeit übertragen werden (vgl. ebd.).



2 Förderung des sozialen Verhaltens aus dem Blick der

Montessoripädagogik

Maria Montessoris Bemühungen waren geprägt von ihrer eigenen Erfahrung eines Schulsystems, das ihrer Meinung nach versuchte, den Kindern Dinge einzutrichtern. Sie sollten passiv Wissen aufnehmen, dass ihnen vorgegeben wird. Sie wurden nicht zum selbst denken ermutigt, sondern sollten alles so aufnehmen und wiedergeben, wie es ihnen gesagt wurde. Diesem System widersprach Montessori und sie setzte sich bis zum Schluss für eine Reform des Schulsystems ein. Ihr Ziel war es, eine Pädagogik zu entwerfen, die sich in den Dienst des Kindes stellt, welches nicht mehr passiv, sondern aktiv seinen Lernprozess selbst gestalten soll (vgl. Klein-Landeck 2011, S.16).

Bei der Erziehung ihrer Tochter achtete ihre Mutter sehr auf Maria Montessoris soziales und moralisches Verhalten. Sie wurde verpflichtet im Haushalt mitzuhelfen, strickte Kleidung für die Kinder armer Menschen und betreute ein Kind aus der Nachbarschaft, welches eine Behinderung hatte. Dies beeinflusste sicherlich ihre Entscheidung, sich im besonderen Maße für Menschen mit Behinderung ebenso wie für Kinder aus Armenvierteln einzusetzen. Das soziale Verhalten spielt auch in ihrer Pädagogik eine grundlegende Rolle. Maria Montessoris Ideen einer Reformpädagogik gewannen schnell

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Anhänger und verbreiteten sich international. So ist ihre Arbeit heute noch Vorbild für viele Kinderhäuser und Schulen (vgl. Waldschmidt 2001, S.12).

Dieses Kapitel soll sich nicht nur ihrer Ä3lGDJRJLN YRP .LQGH DXV³ ZLGPHQ VRQGHUQ möchte einen Einblick geben in das Verständnis Maria Montessoris von der Förderung des sozialen Verhaltens von Kindern.

2.1 Das Menschenbild Montessoris und der kosmische Schöpfungsplan

Das Menschenbild und die Stellung des Menschen im kosmischen Schöpfungsplan von Maria Montessori durchzieht ihre Pädagogik wie ein roter Faden und ist die Basis aller ihrer Erziehungshilfen und Theorien. Ihr Menschenbild ist stark durch religiöses Gedankengut geprägt. Montessori geht davon aus, dass der Mensch, durch Gott geschaffen, von Geburt an gut ist. 'DEHLLVWPLWÄJXW³QLFKWGLH$QSDVVXQJGHV.LQGHVDQ die Welt und die Gesetze des Erwachsenen gemeint, wie es der damaligen Sichtweise entsprach. Gottes Wille sei es, dass die Menschen sich von Natur aus sozial verhalten, worunter Montessori Ägut³ versteht. Alle Dinge, die ein Mensch tut, die dem widersprechen, sind von der Umwelt verursacht und entgegen seiner Natur (vgl. ebd., S.37f).

Der Mensch wurde mit einem wirksamen und leitenden Geist ausgestattet. Dieser Geist wird vervollkommnet durch die Intelligenz. Als Gottes Geschöpf hat der Mensch Anteil am göttlichen Leben, das in der Seele repräsentiert wird. Mithilfe des Geistes, der Intelligenz und der Seele soll der Mensch im göttlichen Schöpfungsplan Aufgaben erfüllen. Im Gegensatz zu den anderen Lebewesen ist der Mensch nicht nur durch Triebe geleitet und kann selbst entscheiden, wie er handelt. Diese Handlungsfreiheit ist allerdings nicht von Geburt an gegeben, sondern muss erst im Kindesalter heranreifen. Auch dieses ist ein wichtiger Grundgedanke der Montessori-Pädagogik, der später noch eine Rolle spielen wird (vgl. ebd.).

Der kosmische Schöpfungsplan sieht vor, so die Ansicht Montessoris, dass alles im Universum miteinander verbunden sein soll und ist. Dabei sollen alle Geschöpfe eigene Aufgaben erfüllen, die das Gleichgewicht der Gesamtheit der Natur als Ziel haben. Die Aufgabe des Menschen ist es, sich selbst gegenüber, der Familie, der Gesellschaft, der Umwelt und Gott zu verpflichten. Die Aufgaben zeigen einmal mehr, dass für Montessori das menschliche Miteinander eine zentrale Rolle gespielt hat. Diese Verpflichtungen gleichen einer Vernetzung und einer Ordnung der gesamten Welt. Die Menschheit soll zu einer Einheit zusammengeführt werden, in der jeder seine von der Natur zugewiesene

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Aufgabe übernimmt. Kinder sollen die Ordnung der Welt kennenlernen, um selbst eine innere Ordnung herstellen zu können. Dies nennt Montessori die kosmische Erziehung. Die innere Ordnung ist wichtig, um einen Sinn im Leben sehen zu können, die eigene Identität zu finden und sich unabhängig von anderen Menschen zu machen. Erst danach kann sich das Kind sinnvoll, also die Verpflichtungen erfüllend, verhalten (vgl. Klein-Landeck, S.100ff).

Die Kraft, die diesen Prozess vorantreibt und die auch die Übernahme der Verpflichtungen ermöglicht, ist die Liebe. 0RQWHVVRULVHOEVWEHVFKUHLEWHVVRÄ$OOHMHQH Strebungen des Lebens, die, nach ihren eigenen Gesetzen verlaufend, auf die Herstellung harmonischer Beziehungen zwischen den Lebewesen abzielen, gelangen XQWHUGHU)RUPGHU/LHEH]XXQVHUHP%HZXVVWVHLQ³ 0RQWHVVRUL6  Allgemein verstehen wir unter der Liebe eine Gefühlsregung, jedoch hält Montessori die speziell kindliche Liebe für ein Produkt der Intelligenz. Dieses Produkt gleicht einer Empfänglichkeit, die dem Kind ermöglicht, Aspekte an einem Menschen oder einer Sache zu erkennen. Die Liebe lässt das Kind sich versinken in eine Beobachtung und innere Erkenntnisse gewinnen. Dinge können sich immer wieder wiederholen und dem Erwachsenen wird es schon langweilig, dem Kind jedoch nicht. Es saugt die Umwelt so wertschätzend in sich auf (vgl. ebd., S.144f).

Konkret lassen sich aus der abstrakten Idee eines kosmischen Schöpfungsplans bestimmte Wertevorstellungen ableiten. Zum Beispiel die des verantwortungsvollen und nachhaltigen Umganges mit der Umwelt und der Natur, des sich bewusst Werdens des ökologischen Fußabdruckes des Menschen auf der Erde. Aber auch die moralische, soziale Dimension ist gemeint. Die Wahrung des Friedens ist selbsterklärend, hat man eine Verantwortung für die Gesellschaft. Und das nicht nur im eigenen Land oder Kontinent, sondern universal. Ebenso ein respektvoller Umgang mit den Menschen, die vor uns lebten und unsere Kultur und Zivilisation nachhaltig beeinflussten, wie auch mit den Zeitgenossen (vgl. Klein-Landeck, S.102f).

Auf die kosmische Erziehung aufbauend hat Montessori auch eine Friedenserziehung entwickelt. Mit Frieden meint sie nicht nur die Abwesenheit von Krieg. Frieden sollte das Ziel und das Thema des Alltages sein. Sie meint generell das friedliche Miteinander als natürliche Folge der richtigen Lebensform. Dazu benötigt es Gerechtigkeit unter den Menschen und einen liebevollen Umgang. Dieses Miteinander ist nicht von Natur aus der Gesellschaft gegeben, sondern muss entstehen und ist ein Prozess, der nie beendet wird. Hierzu ist es wichtig Kindern die richtigen Werkzeuge, die zu einem sozialen Umgang

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untereinander führen, durch die Erziehung an die Hand zu geben. Was der Mensch aber von Natur aus hat, ist sein gutes Gewissen. Im Prinzip meint die Friedenserziehung somit eine Erziehung hin zum Folgen des Gewissens (vgl. ebd.). Seine Persönlichkeit unterstützt den Menschen dabei. Sie besteht aus dem Geist, der Intelligenz und der Seele. Durch diese drei kann er sein Leben aktiv gestalten, Situationen beurteilen, eingreifen und sein Verhalten den Situationen anpassen. Anhand des aktiven Eingreifens in sein Leben reguliert sich der Mensch und verwirklicht sich selbst. Voraussetzung dafür ist, dass seine Umgebung ihm das gewährt und ihn bestenfalls darin unterstützt (vgl. Waldschmidt 2001, S.37ff).

Den Anfang nimmt dabei eine Umkehrung des Verhältnisses zwischen Erwachsenen und Kind. Hier ist eine andere Sichtweise auf die Friedenserziehung gemeint. Das veraltete Bild soll aufgebrochen werden, das den Erwachsenen als stark ansieht, da er sich schon verwirklicht hat, und das das Kind schwach erscheinen lässt, da es noch am Anfang seiner Entwicklung steht. In Anerkennung der Menschenwürde des Kindes soll der Erwachsene seinen Vorsprung nutzen, um das Kind in seinem Entwicklungsprozess zu unterstützen, damit es sich selbst verwirklichen kann (vgl. Oswald 1996, S.138). Es ist das damals vorherrschende Bild der Erziehung, welches Montessori anfechten möchte, dass der Erwachsene das Kind bildet und ihm seine psychische Form gibt. Für ihn sind Eigenschaften des Kindes, welche sich von seinen eigenen unterscheiden, Fehler, die es gilt zu beheben. So werden wichtige Fähigkeiten unterdrückt. Zwar herrscht dadurch ein vermeintlicher Frieden, da das Kind gebrochen und bezwungen ist, jedoch hat dieser Frieden immer etwas mit Unterwerfung des Schwächeren zu tun. Also genau das Gegenteil von dem, was Montessori erreichen will. Sie möchte eine Freiheit des Menschen, die ihn dazu befähigt, seinem Gewissen zu folgen, das in ihm wohnt und nicht erst hineingelegt, sondern respektiert werden muss. Sie fordert, dass die eigene Persönlichkeit und die Fähigkeiten jedes Kindes anerkannt werden (vgl. Böhm 1996, S.97ff).

Von der Persönlichkeit unterscheidet Montessori die Individualität, die für sie eine Unabhängigkeit von der Gemeinschaft bedeutet. Erst wenn die Individualität in ein soziales Miteinander integriert wird, spricht sie von einer gelungenen Erziehung. Dann kann sich der Mensch mit anderen zu einer Gemeinschaft zusammenschließen, ohne seine Individualität zu verlieren. Mit dieser Einstellung steht Montessori keinesfalls allein da, sondern in der Tradition der abendländischen philosophischen Anthropologie. Sie

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sieht den Menschen als geistige Einzelexistenz, der aber auch auf Gemeinschaft ausgelegt ist (vgl. Holtstiege 1999, S.25).

Den Kontakt zur Außenwelt stellt der Mensch durch seine Sinne her. Durch sie nimmt er Eindrücke zunächst passiv auf, absorbiert seine Umwelt durch Farben, Geräusche, Stimmen, Gerüche und Geschmäcker, sowie über das Tasten. Das Zentrum (für Montessori ein anderes Wort für die Seele) verarbeitet dann aktiv die Eindrücke zu Gefühlen, Gedanken, Erinnerungen und Vorstellungen (vgl. ebd., S.39f). Durch diese Form der Abstraktion von sinnlich wahrnehmbaren Dingen wird der Geist des Menschen, ein Teil seiner Persönlichkeit, gebildet. Zum Beispiel ist die Sprache eine Abstraktion von Handlungen und Gegenständen (vgl. Schaub 2013, S.33f). Vor diesem Vorgang der Abstraktion hat Montessori einen großen Respekt. Für sie ist er das Meisterwerk der schöpferischen Natur. Dies zeigt sich auch in ihrem respektvollen Umgang mit Kindern. Sie möchte nicht, wie viele andere Pädagogen zu der Zeit, Einfluss auf das Zentrum, also das von innen kommende, nehmen und Kinder so nach ihrem Willen erziehen. Montessori möchte die Freiheit und Unantastbarkeit der Seele der Kinder achten, indem sie lediglich die Sinneseindrücke, also das von außen kommende, so verändern will, dass es dem Kind in seiner Entwicklung nützlich ist. Das Wissen baue sich durch Tätigkeiten des Kindes auf, die einem inneren Bauplan folgen, einen Schöpfungsplan, den nur es selbst mithilfe seiner Persönlichkeit unter dem Einfluss von Sinneseindrücken verwirklichen kann. Für die Umsetzung des inneren Bauplanes ist der Wille des Kindes notwendig, überhaupt diese Kenntnisse erlangen zu wollen. Das bedeutet, dass das Kind sich auch gegen den inneren Bauplan entscheiden kann oder es von äußeren Faktoren davon abgebracht werden kann, wie durch mangelnde Unterstützung. Es muss ein Interesse haben, etwas Bestimmtes zu erlernen. Das Interesse an den verschiedenen Lernbereichen wechselt im Laufe des Lebens und vollzieht sich, so Montessori, in unterschiedlichen sensiblen Phasen (vgl. Holtstiege, S.39f).

2.2 Grundlagen der Pädagogik

In diesem Kapitel sollen die Grundlagen der Montessori-Pädagogik näher beleuchtet werden. Diese Grundlagen beruhen auf dem Menschen- und Weltbild Montessoris und geben ihrer Pädagogik ein theoretisches und methodisch-praktisches System. In diesem System sind immer wieder Theorien und Methoden zur Förderung sozialer Kompetenzen zu finden.

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2.2.1 Freiheit und ihre Grenzen

Für Maria Montessori zeichnet sich ein menschliches Lebewesen durch seine Freiheit aus. Das heißt der Mensch kann über sich selbst verfügen, sich selbst realisieren und verantwortlich handeln, oder es eben nicht tun. Er kann von sich aus denken, wollen und handeln (vgl. Holtstiege 1999, S.22). Somit begründet sich Montessoris Freiheitsgedanke darin, dass der Mensch im Gegensatz zu den Tieren nicht durch angeborene Triebe gesteuert wird, sondern unspezialisiert ist. Er hat zwar den inneren Bauplan, kann sich aber gegen ihn entscheiden. Er muss keine Verantwortung im kosmischen Schöpfungsplan übernehmen, selbst wenn er sie erkennt. Das würde allerdings bedeuten, dass er entgegen seinem Gewissen handelt, so das Menschenbild Montessoris. Der Mensch besitzt Intelligenz, Willen, Motivation, Sprache, Religiosität, Charakter und Reflexionsfähigkeit, die seine Unspezialisiertheit ermöglichen. Diese Eigenschaften führen dazu, dass sein Verhalten nicht von Geburt aus vorausbestimmt ist. Der Mensch ist frei in seinem Handeln. Erst dadurch erklärt sich die Notwendigkeit einer sozialen Erziehung. Die sozialen Kompetenzen, wie zum Beispiel das Mitgefühl, sind zwar in jedem Menschen von Natur aus angelegt, aber nicht ausgeprägt. Sie müssen sich erst durch den Kontakt zum natürlichen, sozialen und kulturellen Umfeld entwickeln (vgl. Waldschmidt 2001, S.41).

Wie schon beschrieben hat Montessori einen großen Respekt vor der Persönlichkeit des Kindes gehabt. Sie hat den kindlichen Selbstwert anerkannt und das Kind nicht wie eine leere Hülle gesehen, die gefüllt und in die etwas hineingetrichtert werden muss. Sie war der Meinung, dass jedes Kind einmalig ist und nur die unterstützende Hand braucht, um sich selbst zu entwickeln. Es sollte sich frei entfalten können. Oft wird hier die Bezeichnung bemüht, dass das Kind Baumeister seiner selbst ist (vgl. ebd.).

Durch den kosmischen Schöpfungsplan hat der Mensch die Möglichkeit, aber auch die Aufgabe, wertbestimmte Entscheidungen zu treffen und sein Leben eigenverantwortlich zu führen. Durch die richtige pädagogische Hilfestellung gelingt es dem Kind eine soziale Haltung, freiwillige Disziplin und Willensstärke zu entwickeln, sollte es nicht zum Beispiel durch irgendeine Beeinträchtigung dazu unfähig sein. Diese Hilfestellung gelingt nur durch intensive Beobachtung des Hilfeleistenden, auf deren Grundlage Angebote gemacht werden, die das Kind annimmt oder eben nicht. Die Unabhängigkeit, und somit Freiheit, ist dabei das Ziel. Die Kinder sollen mit steigendem Alter zunehmend unabhängig von anderen Menschen und selbstständig werden. Nun könnte man meinen, durch diese Einstellung sollte man Kinder machen lassen was sie wollen, da sie ja frei

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sein sollen. Jedoch geht dies erst, wenn die Freiheit auf den richtigen Grundpfeilern steht. Diese sind die Anerkennung der Verantwortung des Menschen gegenüber sich selbst, der Gesellschaft, Gegenständen und sozialen Werten. Werden diese Grundpfeiler nicht beachtet, schränkt das Kind die Freiheit anderer Menschen ein, und beeinträchtigt seine natürliche Umgebung. Hier bleibt ein Widerspruch, der unlösbar scheint. Jedoch: die Freiheit für alle Menschen wäre dadurch ein nicht zu erreichendes Ziel und der Freiheitsgedanke ein Titel, der nicht eingehalten wird (vgl. ebd.).

Zu dieser Verantwortung müssen Kinder nach der Pädagogik Montessoris erzogen werden, beispielsweise, wie schon erwähnt, durch die kosmische Erziehung. Die Erziehung geschieht aber eben aus dem Menschenbild heraus, dass die Möglichkeit, diese Verantwortung zu übernehmen, dem Menschen in seinem guten Gewissen von Natur aus mitgegeben wurde und dass das Kind seine Erziehung selbst steuert. Es entscheidet frei, was es wann lernen möchte. Zusammengefasst sind Freiheit und Verantwortung kein Widerspruch, da das Kind sich durch die Erziehung zur Freiheit und Unabhängigkeit, seiner Verantwortung auf natürliche Art und Weise bewusst wird (vgl. ebd., S.42).

2.2.2 Die vier Entwicklungsstufen

Maria Montessori unterscheidet vier verschiedene Entwicklungsstufen. Ähnliche Stufenmodelle finden sich auch in der Entwicklungspsychologie, beispielsweise bei Jean Piaget oder Lawrence Kohlberg. Die Entwicklungsstufen von Maria Montessori lassen sich grob unterteilen in Kinder des Alters 0-6 (1. Entwicklungsstufe), 6-12 (2. Entwicklungsstufe), dies gilt nach der Montessori-Pädagogik als das Grundschulalter, 12-18, das Jugendalter (3. Entwicklungsstufe) (vgl. Klein-Landeck 2011, S.27ff) und 18-24, das Alter der Reife (4.Entwicklungsstufe). Die Eingruppierung in Entwicklungsstufen sollen psychische, physische und geistige Entwicklungen, die typisch sind für diese Altersstufen, umfassen. Jedoch ist zu betonen, dass diese Entwicklungen individuell ablaufen und die Altersangaben nur Durchschnittswerte sind, die einen Lebenslauf strukturiert darstellen sollen (vgl. Schaub 2013, S.54).

Grundsätzlich ist zu Montessoris Ideen der Entwicklung von Kindern zu sagen, dass das Kind ein neugieriges Geschöpf ist, das die Umwelt erkunden will und seine Lernprozesse nach seinen Interessen selbst steuert (vgl. Waldschmidt 2001, S.43). Nach der Pädagogik von Maria Montessori entwickelt sich der Mensch, indem er mit der äußeren Umwelt in Kontakt tritt und so seine Entwicklung selbst organisiert. Dabei spielen

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genetische Anlagen, die Umwelt und die eigene Aktivität die tragenden Rollen. Generell hat aber jeder Mensch eine Kraft in sich, die ihn antreibt, sich selbst zu verwirklichen. Er selbst baut dadurch seine Persönlichkeit auf (vgl. Klein-Landeck 2011, S.19).

Wird ein Mensch geboren, lernt er durch Reflexe und ist im hohen Maße von der Außenwelt und der menschlichen Zuwendung um ihn herum abhängig, um zu überleben. Montessori spricht von einem absorbierenden Geist in den ersten drei Lebensjahren. Er benötigt liebevolle Erziehung. Er steuert Eindrücke noch nicht willentlich und reflektiert noch nicht kritisch. Alle Eindrücke von außen werden unreflektiert und ganzheitlich absorbiert, ohne sie zu filtern. Dadurch lernt das Kind zwar sehr schnell, aber auch negative Eindrücke verankern sich. Das gilt auch für das soziale Verhalten. Die Verhaltensweisen von Bezugspersonen werden unreflektiert übernommen. Dadurch ist die erste Entwicklungsstufe von elementarer Bedeutung für die Entwicklung des Sozialverhaltens sowie für die emotionale Grundstimmung (vgl. ebd., S.27f). Das Kind lernt in der Gemeinschaft mit anderen die Fähigkeit des sozialen Zusammenlebens. Dazu benötigt es Sicherheit und eine friedliche Umgebung. Fühlt sich das Kind sicher, so Montessori, entwickelt es Freundlichkeit und Liebe gegenüber seiner Umwelt. Die Liebe treibt es dazu an, die Sicherheit und den Frieden auch an andere weitergeben zu wollen (vgl. Böhm 1996, S.23). Dieser Gedanke wurde ebenfalls in Kapitel 1.3 beschrieben. Dort zeigten Studien, dass ein Erziehungsstil, der sich durch Wärme und Unterstützung auszeichnet, Mitgefühl und Empathie fördert.

Mit zunehmendem Alter gewinnt der Mensch die Fähigkeit zum abstrakten Denken. Die Vorstellungskraft nimmt zu, er reflektiert und filtert seine Umgebung und nimmt sie nicht mehr nur auf wie der absorbierende Geist. Nach Kohlberg und Piaget beginnt hier ebenfalls die Möglichkeit der Perspektivübernahme. Nach der Pädagogik von Montessori benötigt der Geist im Laufe seiner Entwicklung immer weniger die konkreten Sinneswahrnehmungen, um etwas zu lernen und reagiert weniger auf Reize. Nun beginnt die zweite Entwicklungsstufe. Das Zentrum, welches aktiv die Eindrücke zu Gefühlen, Gedanken, Erinnerungen und Vorstellungen verarbeitet, gewinnt immer mehr an Bedeutung und macht sich unabhängiger von der äußeren Umwelt. Während dieser Entwicklungsstufe lernt das Kind immer noch besser durch Rückkoppelung an greifbare, durch Sinne erfahrbare, Dinge. Es möchte aber auch Sachen, die es nicht greifen kann, kennenlernen, wie Gefühle oder moralische Werte. Die Frage nach Gut und Böse tritt immer mehr in den Vordergrund (vgl. ebd.). Es möchte komplexe Zusammenhänge, das Zusammenspiel von Ursache und Wirkung, kennenlernen. Das Motiv einer Handlung wird

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hinterfragt und in die Bewertung eines Konflikts mit einbezogen. Moralische Werte werden gebildet und ausgebaut.

Der Aktionsradius des Kindes weitet sich aus. Die Unabhängigkeit zur Kernfamilie wird immer größer und soziale Bedürfnisse werden von einem wachsenden Kreis von Bezugspersonen befriedigt. Mithilfe des abstrakten Denkens und dem wachsenden Umfeld bemüht sich das Kind, immer mehr allgemeinverbindliche Prinzipien kennenzulernen. Es möchte Kriterien bestimmen, anhand derer es eigene und fremde Handlungen bewerten und einordnen kann. Soziale Erziehung kann hier stattfinden aufgrund der Erfahrung sozialer Kontakte und erlebter Beziehungen in der Rückkoppelung an das Gewissen (vgl. Klein-Landeck 2011, S.30). Ein weiterer wichtiger Punkt in der Entwicklung sozialer Kompetenzen ist die Polarisation der Aufmerksamkeit. Dieses Phänomen wird in Kapitel 2.2.4 näher beleuchtet.

Während der dritten Entwicklungsstufe ist der Jugendliche hin und hergerissen zwischen dem Bedürfnis nach Unabhängigkeit und dem Wunsch nach der Geborgenheit durch Bezugspersonen. Er sucht nach Anerkennung und persönlichen Erfolgserlebnissen innerhalb der Gruppe von Gleichaltrigen. Dadurch kommt es zu einer größeren Distanz zu Erwachsenen, um sich selbst besser kennenzulernen, ein neues Selbstverständnis zu erlangen und somit auch ein erweitertes Verhältnis zu seiner sozialen Umwelt aufzubauen (vgl. ebd., S.30f).



2.2.3 Sensible Phasen

Wie schon erwähnt entwickelt sich der Mensch aus sich selbst heraus, mithilfe seiner Selbstverwirklichungskraft. Weiter geht Montessori davon aus, dass die Entwicklung des Kindes in sensiblen Phasen abläuft. Dieses Phasenkonzept ähnelt sehr dem Entwicklungskonzept namhafter Psychologen, wie Sigmund Freud oder Erik H. Erikson (vgl. ebd., S.24). Montessori übersetzt dieses Phasenkonzept nun in einen Lernprozess und macht die Theorien der Psychologen für die Pädagogik nutzbar. Ebenso lässt sie sich von dem holländischen Biologen Hugo de Vries inspirieren und übernimmt von ihm GHQ %HJULII ÄVHQVLEOH 3KDVHQ³ E]Z ÄVHQVLEOH 3HULRGHQ³ 'H 9ULHV XQWHUVXFKWH GDV Kindheitsstadium einer bestimmten Raupenart und entdeckte sensible Perioden, in denen ganz bestimmte Empfänglichkeiten dominieren. Diese Beobachtungen machte Montessori auch immer wieder bei Kindern in ihren von ihr selbst gegründeten Schulen (vgl. Holtstieg 1999, S.37f). Die Adaption von Begriffen aus der Medizin und der Biologie wurde an Montessori kritisiert. Da die Begriffe teilweise in den anderen Disziplinen eine

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andere Bedeutung hatten, kann es schnell zu Missverständnissen kommen. Daher ist es wichtig, sich mit den von Montessori verwendeten Begriffen intensiver auseinanderzusetzen (vgl. Waldschmidt 2001, S.88).

In den sensiblen Phasen sind Kinder für bestimmte Reize aus der Umwelt besonders empfänglich, also sensibel, und reagieren spontan auf sie. Montessori selbst beschreibt HVVRÄ (VKDQGHOW VLFKEHLGHQVHQVLEOHQPerioden um seelische Vorgänge, das heißt XP JHLVWLJH (UOHXFKWXQJHQ XQG 6FKZLQJXQJHQ GLH GDV %HZXVVWVHLQ YRUEHUHLWHQ³ (Montessori 1988, S.87). Dabei geht es nicht um eine flüchtige Neugier, wie das Kind gefallen an einem Spielzeug findet, welche aber nach wenigen Minuten wieder verschwindet, sondern um ein starkes leidenschaftliches Interesse an einer bestimmten Seite der Umwelt (vgl. Waldschmidt 2001, S.45f), einem Gegenstand, einer speziellen Frage, oder einem Thema. Das Interesse bereitet das Bewusstsein darauf vor, etwas zu lernen. Eine Zeit lang beschäftigt sich das Kind sehr intensiv mit einer Sache. Psychologen benutzen hierfür den Begriff der intrinsischen Motivation. Durch eine bestimmte Aktivität, eine Tätigkeit, befriedigt das Kind dieses Interesse. Es gibt sich der Aktivität vollkommen hin und andere Dinge um es herum, wie Geräusche oder Mitmenschen, erscheinen von geringer Bedeutung. Die Aktivität scheint das Kind nicht zu ermüden (vgl. Klein-Landeck 2011, S.23f). Die Phase ist erst abgeschlossen, wenn das Interesse des Kindes voll und ganz befriedigt ist. Die Tätigkeit wird dann für das Kind bedeutungslos und es widmet sich etwas anderem. Das Wissen, welches durch die Tätigkeit erworben wurde, festigt sich allerdings (vgl. Waldschmidt 2001, S.45f). Die Entwicklungsfortschritte werden hier relativ mühelos erworben, werden im Bewusstsein verankert, und sind in der Regel sehr stabil. Anschließend beginnt eine neue sensible Phase (vgl. Klein-Landeck 2011, S.23). Man kann sich den Ablauf sensibler Phasen wie das Erklimmen eines Berges vorstellen. Zu Beginn einer Entwicklungsstufe nehmen die Sensibilitäten an Intensität zu, bis zu einem Höhepunkt, klingen danach ab und verschwinden mit dem Beginn einer neuen Entwicklungsstufe. Eine Entwicklungsstufe beinhaltet also verschiedene sensible Phasen. Nun ist das Kind bereit, anderen Interessen und Fragen nachzugehen (vgl. Schaub 2013, S.54).

Auf die Art der Phase und das Objekt der Sensibilität kann von außen nicht eingewirkt werden. Jedoch kann mit dem Wissen über die sensible Phase, in der das Kind sich gerade befindet, positiv auf den Verlauf eingewirkt werden. Dies geschieht durch die richtigen Unterstützungsmethoden (vgl. Holtstiege 1999, S.39). Beobachtet der Pädagoge das Kind in einer frei gewählten Beschäftigung, lässt es sich für ihn erahnen,

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in welcher sensiblen Phase es sich befindet und erkennt so seine momentanen Bedürfnisse. Hier sollte er nach der Pädagogik Montessoris die Tätigkeit nach Möglichkeit nicht unterbrechen, damit das Kind sich diesem Bedürfnis hingeben kann. Der Pädagoge kann das Kind unterstützen, indem nach Beendigung einer Tätigkeit weiteres entsprechendes Lernmaterial anbietet. Findet keine ausreichende Förderung in den Phasen statt, kann das Interesse verfliegen. Der Entwicklungsfortschritt kann zwar zu einem späteren Zeitpunkt noch erreicht werden, ist jedoch mit viel Mühe für das Kind verbunden. Missachtet man sogar komplett die sensiblen Phasen eines Kindes und handelt entgegen ihnen, kann es negative Folgen mit sich bringen, wie zum Beispiel Angst- oder Trotzreaktionen (vgl. Klein-Landeck 2011, S.24ff).

Montessori hat aber nicht nur erklärt, dass die kindliche Entwicklung in Phasen verläuft, sondern auch, in welchen Bereichen, in etwa, sich die Sensibilitäten in den Entwicklungsstufen verteilen. Das Kindergartenkind (1.-6. Lebensjahr) ist hauptsächlich noch mit dem Erlernen und Ausdifferenzieren von Sprache und Grob- und Feinmotorik beschäftigt. Soziale Beziehungen beruhen hauptsächlich auf Sympathie und sind wenig reflektiert (vgl. Schaub 2013, S.52).

Das Grundschulkind (7.-13. Lebensjahr) interessiert sich vor allem für Naturerscheinungen geographischer, biologischer und physikalischer Art. Ebenso beschäftigt das Kind aber die Suche nach allgemein gültigen moralischen Wertungen und die Frage nach der richtigen Gemeinschaft in sozialen Beziehungen (vgl. Waldschmidt 2001, S.47). Dadurch erweitert sich der Aktionsradius, nicht nur in Bezug auf die Kernfamilie. Der Aktionsradius des Denkvermögens erweitert sich im geistigen, im sozialen und im kulturellen Bereich. Das Weltbild des Kindes wird ein offeneres. Es weitet sich aus. Es interessiert sich für die soziale Organisation und für Regelverhalten. Es beginnt soziale Verantwortung zu übernehmen und hinterfragt die Gebote und Verbote der Erwachsenen (vgl. ebd., S.56). Es hat hier die besten Voraussetzungen um ein moralisches und soziales Bewusstsein, im Zusammenhang mit dem inneren Gewissen, zu entwickelt. Die Sensibilität für Gerechtigkeit wird immer wieder auf die Probe gestellt und reflektiert. In dieser sensiblen Phase organisieren Kinder mit anderen Gleichaltrigen eine Gesellschaft und entwickeln ein freiwilliges Regelverhalten (vgl. Holtstiege 1999, S.41). Wieder finden wir hier den Hinweis, dass Förderungen sozialer Kompetenzen im Grundschulalter erfolgreich sein können, da sie den Sensibilitäten der Entwicklungsstufe laut Montessori entsprechen.

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2.2.4 Polarisation der Aufmerksamkeit

Eine Besonderheit während der sensiblen Phasen ist die freiwillige tiefe Konzentration bei einer Tätigkeit. Eine Beobachtung Montessoris, die sie 1907 in einem Kinderhaus in Rom machte, erzählt beispielhaft, was sie darunter verstand. Montessori beobachtete ein dreijähriges Mädchen dabei, wie es Holzzylinder in die Öffnungen eines Holzbrettes hineinsteckte und sie wieder herausnahm. Sie stellte fest, dass sich das Mädchen sehr lange und intensiv mit dem Material auseinandersetzte und die Übung immer wieder wiederholte. Selbst als Montessori ihren Sessel verrückte und die Kinder um es herum anfingen zu singen, ließ sie von ihrer Tätigkeit nicht ab und blieb unverändert konzentriert. Als das Mädchen schließlich aufhörte, tat es das nicht aufgrund einer Aufforderung oder einer Störung von außen, sondern aus sich heraus. Montessori zählte dabei über 40 Wiederholungen der Arbeit (vgl. Montessori 1988, S.165). 'DQDFKÄKLHOWVLHLQQHVRDOV erwachte sie aus einem Traum, und lächelte mit dem Ausdruck eines glücklichen Menschen³ ebd.). Dieses Erlebnis war ein Meilenstein in der Entwicklung der Pädagogik von Maria Montessori. Hieraus entwickelte sie ihr Konzept der Polarisation der Aufmerksamkeit.

Diese unbeirrbare und tiefe Konzentration ist beobachtbar bei allen Menschen, egal welchen Alters. Jedoch lernen Kinder, öfter als Erwachsene, Grundlegendes für ihr zukünftiges Leben in diesen subjektiv erlebten Situationen. Es ist das sich Einlassen auf eine bestimmte Tätigkeit, die die volle Aufmerksamkeit beansprucht. Das Gefühl für Raum und Zeit geht dabei oft verloren. Störende Momente aus der Umwelt werden ausgeschaltet und lange Zeiträume erscheinen kurz, bzw. lang. Der Mensch stellt eine Beziehung zwischen sich selbst, einem Material, einer Tätigkeit oder einer Übung her. Im Zusammenspiel von Sinneswahrnehmungen, Bewegungen und dem Wiederholen von Übungen entsteht eine Aufmerksamkeit, die das Kind ganzheitlich anspricht (vgl. Klein-Landeck 2011, S.33ff).

Dabei wird die Seele angesprochen, sie reagiert auf einen Reiz und wird von ihm gefesselt. Es ist ein inneres Erlebnis, das von außen nicht ganzheitlich greifbar ist. Durch die Polarisation der Aufmerksamkeit wird ein aktives Verstehen einer Eigenschaft oder einer Sache möglich. Als Außenstehender hat man wenig Einfluss auf die Polarisation der Aufmerksamkeit (vgl. Waldschmidt 2001, S.50). Die Beschäftigung hat einen meditativen Moment. Kinder erleben darin Stille und hören auf ihre eigene innere Stimme. Diese Stille ist grundlegend für das Lernen, da sie keine Überreizung darstellt (vgl. Klein-Landeck 2011, S.40). Montessori beobachtete immer wieder, wie zuerst bei dem

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dreijährigen Mädchen, dass nach einer Zeit der Polarisation der Aufmerksamkeit das Kind ruhiger, intelligenter und mitteilsamer wurde. So wirkt sich das Geschehen positiv auf die individuelle Persönlichkeit, den inneren Aufbau, die Sinne, die Wahrnehmung der Welt, das Befolgen der inneren Antriebskraft, den Glauben an die Prinzipien des Lebens und die Erfahrung von Stille und Religiosität aus. Ein solches Erlebnis beeinflusst die intrinsische Motivation und kann zu weiteren Tätigkeiten anspornen (vgl. ebd., S.37ff). Montessori verspricht sich aus der Polarisation der Aufmerksamkeit eine Charakterbildung zum Positiven hin. Gemeint ist die Befähigung des Kindes moralisch und sozial verantwortlich zu handeln. Durch die Phasen innerer Stille komme es zu einem Gleichgewicht der Persönlichkeit, einer inneren Ordnung. Das Kind befreit sich von fremden Normen und entwickelt ein stimmiges Selbstkonzept (vgl. ebd.). Wie schon im Kapitel 2.1 erwähnt, ist es nach Montessori für den Menschen wichtig, seine Individualität aufzubauen, bevor er sich mit anderen zu einer sozialen Gemeinschaft zusammenfinden kann.

Zwar wurde im Laufe der letzten Jahrzehnte oft kritisiert, dass Montessori kein sozialerzieherisches Programm hat, jedoch sah sie gerade in ihrem Konzept der Polarisation der Aufmerksamkeit das Erwecken des sozialen Gefühls. Es scheint ein Widerspruch zu sein, in einem Moment einsamer Konzentration sozialintegrative Impulse zu bekommen. Montessori beobachtete aber neben den bereits erwähnten Effekten, dass Kinder nach einer Phase der tiefen Konzentration dem Gegenüber ein herzliches Interesse entgegenbringen (vgl. Oswald 1996, S.137).

2.2.5 Lernen in altersgemischten Gruppen

Das Prinzip der altersgemischten Gruppen war kein unbekanntes Phänomen, es geriet in den letzten Jahrzehnten allerdings überwiegend in Vergessenheit. Das Ziel altersgemischten Gruppen in der Montessori-Pädagogik ist es, Kinder von Kindern lernen zu lassen. Da die älteren Schüler meist schon mehr Wissen und Fertigkeiten erlangt haben als die jüngeren Schüler, können sie eben diese Errungenschaft an ihre Mitschüler weitergeben. Sie haben den Vorteil gegenüber einem Erwachsenen, das sie ähnliche Vorstellungen, Sprache, Gedanken und Gefühle haben wie ihre Mitschüler (vgl. Waldschmidt 2001, S.65). Dadurch können Schüler ihren (fast) Gleichaltrigen manchmal Dinge besser erklären als der Lehrer. Sie haben ein feineres Gespür dafür, was das andere Kind wissen möchte, welcher Aspekt es fasziniert (vgl. Klein-Landeck 2011, S.103). Wenn Kinder von Kindern lernen ist schon die Kontaktaufnahme für das soziale

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Miteinander entscheidend und lehrreich. Der wissbegierige Schüler muss den lehrenden Schüler ansprechen und um Hilfe fragen. Er gesteht ein, dass er das Bedürfnis nach Hilfe hat und gesteht dem anderen damit einen Wissensvorsprung zu. Selbst das fällt manchen Schülern schwer, kann hier aber in der Interaktion geübt werden. Sollte der Schüler nicht bereit sein, seinem Mitschüler zu helfen, etwa weil er gerade in einer Polarisation der Aufmerksamkeit ist, muss sein Bedürfnis von dem hilfesuchenden Schüler respektiert werden. Dann muss er sich anderweitig Hilfe suchen (vgl. Schaub 2013, S.73).

Auf der anderen Seite benötigt der Erklärende, Hilfegebende, notwendigerweise selbst die erwünschten Kenntnisse und diese müssen geordnet und vertieft sein, bevor er sie einem anderen weitergeben kann. Nach einer erfolgreichen Kooperation vertieft sich ein soziales Gefühl der eigenen Bedeutung für andere bei dem erklärenden Schüler. Er konnte einer anderen Person mit seinem Wissen helfen und sein Selbstbewusstsein wird gestärkt. Aber nicht nur kognitiv benötigt ein Schüler für die Hilfestellung Kenntnisse. Auch im sozialen Bereich können hier Kompetenzen erworben und vertieft werden. Denn um die Bedürfnisse anderer Kinder wahrnehmen und respektieren zu können, um Hilfestellung leisten zu können, bedarf es nicht nur kognitiven Wissens, sondern der Kenntnis über die eigenen Bedürfnisse. Ganz nach dem Menschenbild von Montessori, das eine innere Ordnung als Ziel hat, muss das Kind sich für eine fruchtbare Zusammenarbeit in seinem Inneren klar sein über seine eigenen Bedürfnisse und sein Wissen, bevor es anderen erfolgreich helfen kann. Daraus ergibt sich auf natürliche Weise eine Möglichkeit des sozialen Lernens. Von einem Verständnis für sich selbst geht das Kind über zu einem Verständnis des anderen, um zusammen eine Gemeinschaft, eine Kooperation, bilden zu können. Es gilt das Prinzip vom Ich zum Du zum Wir (vgl. Klein-Landeck 2011, S.103ff).

Ein respektvoller Umgang entsteht mitunter durch das Erleben von Individualität beim Lernen. Jeder Schüler hat ein individuelles Lerntempo und eigene Themen, mit denen er sich beschäftigt. Dies gilt vom ersten Schultag an als normal, da es schon immer Kinder in unterschiedlichen Altersstufen und mit verschiedenen Kenntnisständen gab. Dadurch könnten weniger Konflikte entstehen, da es weniger Konkurrenzkampf und Wettstreit gibt, da eine ständige Vergleichbarkeit fehlt. Im gemeinsamen Lernen entdecken die Kinder, dass es unterschiedliche Arten von Lernwegen gibt und lernen die Individualität der verschiedenen Charaktere im Lernprozess kennen und respektieren. Hierfür wird gegenseitiges Verständnis, Toleranz und Empathie eingefordert. Innerhalb der Lerngruppen wird so Vielfalt gelebt. Kinder, die eine Schwäche in einem Fachbereich

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haben, werden nicht ausgegrenzt, sondern erleben die Hilfestellung der anderen. Zur Unterstützung der Gemeinschaft werden Regeln in der Gruppe erarbeitet. Dies führt zu einer Partizipation der Schüler und zum Kennenlernen der Freiheit und ihrer Grenzen (vgl. ebd.).

Dies alles sind Ziele von altersgemischten Lerngruppen, die sicherlich in der Praxis nicht zu 100% erreicht werden. Einen Einblick können uns verschiedene empirische Studien von Ingrid Fähmel und Reinhard Fischer geben, die beispielhaft das soziale Verhalten an Montessorischulen während des Unterrichts aufzeigen. Die Studien sind alle um das Jahr 1980 entstanden. In Fähmels Beobachtungen von altersgemischten Lerngruppen wurde festgestellt, dass es meist verbale, aber auch non-verbale Kontakte zwischen den Schülern gab. Die verbalen handelten überwiegend von problemorientierten Unterhaltungen, Mitteilungen, Fragen und Hinweise an einen Mitschüler oder die Gruppe. Bei den non-verbalen waren überwiegend zwei Kontaktarten zu finden: das visuelle oder auditive Beobachten eines anderen Schülers bei der Arbeit. Vornehmlich geschah die Kontaktaufnahme bei der Einzelarbeit, womit angedeutet ist, dass das Bearbeiten eines Materials in der Einzelarbeit keine soziale Isolation von der Gruppe bewirkt (vgl. Fischer 1999, S.180f).

Fischer beobachtete in seinen empirischen Forschungen, dass 79% der Probleme im Lernprozess durch Kooperation von Mitschülern gelöst wurden und nur 21% durch die Hilfe des Lehrers. Dies kann ein Hinweis für eine soziale Integration und Selbstregulierungsfähigkeit der Lerngruppe sein. Um dies in der Praxis zu erreichen, benötigt man den Rückzug des Lehrers und die Förderung der Hilfe durch Mitschüler. Dabei ist es von Vorteil, wenn der unterstützende Mitschüler einen Wissensvorschuss hat. Dies ist in altersgemischten Gruppen häufiger gegeben (vgl. ebd., S.182).

Aufkeimende Konflikte wurden in Fischers Studie zu 73,6% verbal-argumentativ gelöst, 17,9% anderweitig verbal und 8,5% körperlich (z.B. durch schubsen) gelöst. Die geringe Anzahl an körperlich gelösten Konflikten deutet darauf hin, dass es eine Bereitschaft der Lerngruppe gibt, sich sozial korrekt zu verhalten und Konflikte verbal zu lösen (vgl. ebd., S.185).

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2.3 Kritik an Maria Montessori

Neben Lobeshymnen auf Maria Montessori gibt es auch Wissenschaftler, die sich kritisch zu ihr und ihrer Pädagogik äußerten. Zu ihnen zählt der Mainzer Pädagoge Erwin Hufnagel. Er kritisiert, dass Montessoris Pädagogik keine überzeugende wissenschaftliche Systematik beinhalte. Es handele sich vielmehr um eine Aneinanderreihung von Aussagen aus unterschiedlichen Disziplinen, die getragen würde von einem missionarischen Pathos. Daraus habe sich ein emotionsgeladener Erziehungsstil ergeben, der mit einem systematischen pädagogischen Denken nichts gemeinsam hätte. Ebenfalls kritisiert er, dass Maria Montessori selbst nie als Erzieherin oder Lehrerin gearbeitet habe. Daher kann sie die Theorie ihrer Pädagogik nicht aus der Praxis abgeleitet haben, sondern aus bloßen Annahmen. Beispielsweise seien einige ihrer Materialien schon vor der Gründung ihres ersten Kinderhauses entstanden (vgl. Böhm 1996, S.115f). Es stimmt, dass Montessori zunächst eine gelernte Naturwissenschaftlerin war. Ihre Pädagogik beruht auf Theorie, auf ihrem Menschen- und Weltbild und ihrer Anthropologie. Diese Theorie steht allerdings im Dienst ihrer Wissenschaftsauffassung, die fordert, dass die Forschung anwendbares Verfügungswissen erbringen soll, welches der Verbesserung der menschlichen Lebensverhältnisse dient. Die Erkenntnisse ihrer Forschung zieht Montessori aus der exakten Beobachtung und dem experimentellen Umgang mit der Wirklichkeit. Im Hintergrund dieser Forschung steht aber immer noch ihr metaphysisches Konzept eines universalen Schöpfungsplanes. Dass es hier zu Spannungen und Interpretationsschwierigkeiten ihrer Pädagogik kommen kann, ist unbestreitbar (vgl. Böhm 2012, S.80f).

Ihrer Wissenschaftsauffassung entsprechend, gründet ihre Pädagogik auf Beobachtungen, die sie allerdings zunächst in psychiatrischen Einrichtungen machte. Nach dem Abschluss ihres Medizinstudiums arbeitete sie als Assistenzärztin der Kinderabteilung an der Psychiatrischen Klinik der Universität Rom. In dieser Zeit besuchte sie viele verschiedene psychiatrische Einrichtungen, um Kinder für die Forschung auszuwählen. Dort beobachtete sie Kinder, die nach Beschäftigung und Beanspruchung ihrer unterforderten Sinne suchten. Sie erkannte, dass auch Kinder mit einer Behinderung oder einer psychischen Krankheit nach etwas suchten, um sich zu beschäftigen und aus der Beschäftigung lernten. Diese Erfahrungen motivierten sie erst dazu, sich ab 1902 theoretisch mit den Fachbereichen Pädagogik und Anthropologie auseinanderzusetzen. Bei einer späteren Europareise erhielt sie mehr Einblicke in die

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Praxis der Erziehung beeinträchtigter Kinder. Getragen von ihren Eindrücken setzte sie ihre Anregungen in der Schule um, welche sich neben der Klinik befand, in der sie tätig war. Dort entwickelte sie Materialien, indem sie das, was sie auf ihren Reisen erfahren hatte, modifizierte und ergänzte. Ihre theoretischen Kenntnisse erweiterte sie in Pädagogik-Vorlesungen, die sie an der Universität hörte (vgl. Waldschmidt 2001, S.18ff). Somit ist die Behauptung einer praxisfernen Pädagogik von Montessori, welche sich nur aus Theorien gründet, nicht ganz nachvollziehbar. Hufnagel hatte insofern Recht, indem er sagte, dass Materialien schon vor der Zeit der Gründung ihres ersten Kinderhauses entstanden sind. Sie wurden für die Arbeit mit beeinträchtigten Kindern konzipiert zu einer Zeit, in der Montessori sich noch der Arbeit als Medizinerin widmete. Jedoch stellte Montessori fest, dass auch gesunde Kinder von den Materialien lernen konnten und verwendete sie in ihren späteren Kinderhäusern (vgl. ebd., S.23).

Ebenfalls wird kritisiert, dass die Pädagogik Montessoris eine rein christliche Pädagogik sei, immerhin war Maria Montessori Katholikin und spricht auch von der religiösen Erziehung. Dieser Eindruck vertieft sich, wenn man sich mit der Theorie des kosmischen Schöpfungsplanes auseinandersetzt. Allerdings ist anzumerken, dass das darin vermittelte Gottesbild nicht ausschließlich das des christlichen personalen Schöpfergottes ist. Es ist mehr von einer himmlischen treibenden Kraft die Rede, die den immanenten Bauplan in jedem Menschen und die kosmischen Gesetze erschafft. Demnach spielt die Dreieinigkeit oder die Bibel, wichtige Eckpfeiler des Christentums, in der Montessoripädagogik kaum eine Rolle. Die Montessori-Pädagogik ist mehr geleitet von einem religiösen Naturalismus und der Theosophie, die eine Verbindung zu Gott in der Meditation suchen. Montessori verfasste wenige religionspädagogische Schriften, in denen sie ihre allgemeinen pädagogischen Ansichten auf eine katholische Religionspädagogik anwendet. Dennoch durchzieht diese Religionspädagogik nicht allgemein ihre Pädagogik. (vgl. Böhm 1996, S.116f). Für Montessori ist Religion die Suche nach Antworten auf den Sinn des Daseins. Jeder Mensch habe ein religiöses universales Empfinden, das in ihm seit Anbeginn der Welt existiert. Demnach ist jedem Menschen die Fähigkeit gegeben, Religion zu entwickeln, genauso wie er auch die Fähigkeit hat, eine Sprache zu entwickeln. Dabei ist die religiöse Erziehung bei Montessori eine implizite, die sich aber durch ihre gesamte Pädagogik zieht. Beispielsweise ist sie erkennbar in der Polarisation der Aufmerksamkeit. Hier erleben die Kinder ihr eigenes aktives Handeln und gleichzeitig eine Stille, die der theosophischen Meditation gleicht. Die Erfahrung der Stille ist ein wichtiges Element ihrer religiösen

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