Expertenmeinungen über
Erdölressourcen und Folgerungen für die Politik
14. Mai 2004
Martin Renggli
Leiter der Abteilung Energiewirtschaft und -politik Bundesamt für Energie
3003 Bern
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Erdölressourcen (1)
Konvergenz der Meinungen …
• Daten sind unzuverlässig; Anreize zur Über- und Unterschätzung
• Erfolg der Entwicklung neuer Felder sinkend (Gas steigend); Produktivitäts- steigerung best. Felder möglich
(Ausmass jedoch unsicher)
• Unkonventionelles Erdöl (Ölsande, Schweröl) dürfte nur wenige
zusätzliche % beitragen
Folgerungen …
Joint Data Initiative (IEA),
einheitliche Definitionen und Bewertungsmethoden sind nötig
Investitionen sind nötig (¾ für aufrechterhalten bestehender Förderung, ¼ für Zuwachs)
Zunehmend schwierig,
Förderkapazität auf dem erreichten
Niveau zu halten …
Erdölressourcen (2)
Folgerungen …
Consumer-Producer-Dialogue (Int. Energy Forum Mai 2004), Investitionssicherheit, politische Stabilität sind nötig
Investitionen in Ausbau der
Infrastruktur (Pipeline und LNG) nötig; Marktöffnung bringt
Flexibilität aber auch neue Risiken
Stärkere Energiepolitik, Reduktion Energienintensität und Erneuerbare Energien sind nötig
Konvergenz der Meinungen …
• Nach 2010 wächst Abhängigkeit von Mittlerem Osten (5 Länder mit 2/3 der Reserven, davon Saudi
Arabien mit 1/5 %)
• Ausgangslage beim Erdgas
grundsätzlich gleich aber andere Länder, Exploration/Entwicklung weniger weit fortgeschritten (bis 2040 und evtl. länger auf hohem Niveau möglich)
• Der Zuwachs der Erdölnachfrage wurde bisher systematisch
überschätzt, Stabilisierung und
Reduktion der Nachfrage sind
möglich
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Erdölpreise (1)
Durchschnittlicher Rohöl-Import-Preis der IEA-Länder (real, 2000 $/b)
Iran-Irak-Krieg …
OPEC Prod.
kürzung …
Ölembargo …
Saudi Prod.erhöhung …
Golfkrieg…
OPEC Prod.erhöhung, Asienkrise …
Krisen Venezuela, Saudi Arabien und Irak, run-for-gazoline u. tiefe Lager USA, US-Raffinerien, Nachfrage- zunahme China, Spekulation … Erdölpreise und Erdölabhängigkeit – ein wirtschaftliches Grossrisiko
Quelle: IEA
Erdölpreise (2)
Preisschocks gab es bisher nicht wegen mengenmässiger Mangellage;
Negativspiralen, weil sich die Wirtschaft nicht rasch genug anpassen kann …
Wenn Ölpreis 2004/05 auf 35 $/b (statt 25 $/b)
Æ BIP im EU-Raum 0,5 % tiefer (USA 0,3 %, weil 40 % eigenes Öl; -8 % in Asien)
Zins ↑
Inflation ↑
Konsum ↓ Staats-
verschuldung ↑
Beschäftigung ↓ Investitionen ↓
Mehrausgaben der OPEC stoppen die Spirale nicht …
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Globale Erdölförderung
Reserven, Ressourcen und von IEA im Referenzszenario angenommene (kumulierte) Förderung
0 500 1000 1500 2000 2500 3000
USGS 2000 BP 2003 World Oil 2002 IEA 2002
Mia. barrels
kumulierte Förderung 2001-2030 (IEA) unentdeckte Ressourcen (900 Gb) Zuwachs (750 Gb)
verbleibende bekannte Reserven
Quelle: IEA
Gemäss IEA reichen die verbleibenden bekannten Reserven (knapp), um eine wachsende Nachfrage (Referenzszenario) bis 2030 zu decken …
Über unentdeckte Ressourcen und Zuwachs besteht Unsicherheit …
Globale Nachfrage
Globale Primärenergienachfrage 2001 – 2030 Referenzszenario (WEO IEA, 2002)
0 1,000 2,000 3,000 4,000 5,000 6,000
1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030
Mio. t
Erdöl
Erdgas
Kohle
Kernenergie EE (ohne Wasserkraft)
• Politik: Business as Usual Æ 2001 - 2030 WR 1,7 % p.a. (1970 - 2000: 2,1 % p.a.);
Zunahme v.a. in Transitions- und Entwicklungsländern (Transport, Strom)
• Unsicherheit über Investitionen in Energieproduktion in Nicht-OECD-Ländern
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Globaler Investitionsbedarf 2001 – 2030
Other Refining
E&D 72%
13%
15%
E&D
LNG Chain T&D and Storage
55%
37%
8%
T&D 54%
46%
Mining
Shipping and ports 12%
88%
Gesamtinvestitionen: 16 Trillionen $ Referenzszenario (WEO IEA, 2002)
Öl 19%
Elektrizität 60 %
Kohle 2%
Erdgas 19%
Power Gen.
• Investitionen v.a. in Produktion (Ausnahme Gas- und Stromsektor)
• Investitionen v.a. in Nicht-OECD-Ländern (OECD 0,5 %, Global 1 %, Russland 5,5 %, Afrika 4 % des BIP)
Globale CO2-Emissionen
CO2-Emissionen in der OECD – Referenz- und Politikszenarien (IEA WEO 2002) 15,000
14,000 13,000 12,000 11,000 10,000 9,000 8,000 7,000
Referenzszenario
Politikszenario
Quelle: IEA 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030
• Um CO2-Konzentration zu stabilisieren wäre 2020-50 Reduktion um 50 – 60 % (gegenüber 1990) nötig
• Referenzszenario+70 % CO2 (2/3 des Zuwachs in Entwicklungsländern)
• Politikszenario gegenüber R-Szenario weniger Energieimporte und Investitionen (dezentralere Versorgung) und tiefere Gesamtkosten; Kyoto-Ziel (-5 % bis 2012 gegenüber 1990) wird verfehlt Æ stärkere inländische Politik und "Flexible Mechanismen" nötig
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Klimaschutz ist zum Teil komplementär (+) zur Versorgungssicherheit
Klimaschutz-Ziele Versorgungssicherheits-Ziele
Geopolitische Stabilität:
Investitionssicherheit, Auslandunabhängigkeit …
Sichere (ununterbrochene) Energielieferung:
Reservehaltung, Flexibilität, Diversifizierung …
"Angemessene",
"gerechte" und stabile Preise …
(power for poors) Reduktion Energieintensität:
Technologie, Verhalten Vermehrte Nutzung CO2- freier Energieträger
(Erneuerbare, Kernenergie)
… CO2-armer Energieträger (Erdgas)
CO2-Speicherung
+
+
?
+
+
?
?
+
?
?
?
?
• Anforderungen an Klimaschutz und Versorgungssicherheit erhöhen tendenziell den Energiepreis
• Reduktion der Energieintensität kann die geopolitische Stabilität und die Sicherheit der Energielieferung verbessern
• Vermehrte Nutzung CO2-freier Energieträger kann die geopolitische Stabilität verbessern, evtl. auch die Sicherheit der Energielieferung (zentrale vs. dezentrale Stromproduktion, planbare vs. aleatorische Energielieferung)
• Unerwünschte Rückkoppelungen Versorgungssicherheit Æ Klimaschutz sind möglich z.B.
geopolitische Stabilität Ætiefere Preise Æhöhere Energieintensität
Ausbau Infrastruktur Æ Substitution von Biomasse durch Strom in Entwicklungsländern Æhöhere CO2-Emissionen
CH-Politik (1)
CO2-Emissionen in der Schweiz – Referenzszenario
Quelle: Prognos/Infras, März 2004
0 5 10 15 20 25 30
1990 1995 2000 2005 2010
CO2 (Mio. t)
14.2 (-8 %) 21.6 (-15 %) 22.5 (-11.4 %)
16.8 (+8.8 %) Brennstoffe
Treibstoffe 15.5
25.4
Zielpfad
Zielpfad
Ziellücke 0.9 Mio. t
Ziellücke 2.6 Mio. t
Brennstoffe
Treibstoffe
Annahmen:
• BIP WR 1,3 % p.a., Ölpreis in OPEC-Zielkorridor;
• Politik: SIA-Standards, Zielvereinbarungen Wirtschaft (EnAW), spez. Verbrauch neue
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CH-Politik (2)
Bestehende Politik
• Ohne eCH wäre Verbrauch fossiler Energien im Jahr 2002 6 % höher gewesen.
• Gebäude: Nach Mustergesetz verschärfte Vorschriften; Förderprogramme (Globalbeiträge Bund); Leistungsauftrag Minergie, 100 Energiestädte …
• Verkehr: Vereinbarung über Absenkung spezifischer Verbrauch neuer PWs, LSVA, Energieetikette, Förderung Ecodrive usw.
• Wirtschaft: April 2004 Zielvereinbarung mit 45 Unternehmensgruppen (CO2- Reduktion bis 2010 -0,3 Mio. t gegenüber 1990)
• "Entlastungsprogramm" 2003: Kürzung Budget eCH von 55 auf 45 Mio. Fr.
ab 2005; Reduktion der energetischen Wirkung um 3 bis 10 %
Folgerungen
Æ Stärkere Nutzung der bestehenden Gesetze sowie neues ELWO-Gesetz
Æ Konzentration der Mittel (z.B. weniger PV – mehr Minergie, Kompetenzzentren usw.) Æ Verstärkung der Partnerschaften für freiwillige Massnahmen
CH-Politik (3)
Geplante zusätzliche Massnahmen
• Bonus-Malus für neue PW (Autosteuergesetz); Entlastung Gas- und Biotreibstoffe im Minöst-G (-0,3 Mio. t CO2)
• evtl. CO2-Abgabe (Abgabesätze von Parlament zu genehmigen)
• evtl. flexible Massnahmen (Anrechnung der CO2-Reduktion im Ausland)
• Freiwillige Massnahmen: Weitere Zielvereinbarungen und Klimarappen gemäss CO2-G/EnG; Stromagentur gemäss EnG/evtl. ELWO
• Elektrizitätswirtschaftsordnung (ELWO)
- Zielsetzung im Gesetz (Verbesserung Elektrizitätseffizienz und +5'400 GWh Erneuerbare Energien bis 2030);
- wenn Ziel nicht erreicht Æ obligatorische Quoten mit Zertifikatehandel und/oder Einspeisevergütung)
- Massnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit und der Grundversorgung
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CH-Politik (4)
Klimarappen: Vorschlag Initianten
• 1 – 2 Rp./l Benzin und Diesel: 60 – 120 Mio. Fr./a
• Verwendung
- Flexible Mechanismen
- Ecodrive und Biotreibstoffe
- "Brennstoffmassnahmen" im Inland mit Anrechenbarkeit an Treibstoffziel
• Stiftung Æ Geschäftsstelle
Verwaltung, Wirtschaft, NGO, Wissenschaft
CH-Politik (5)
CO2-Abgabe / Klimarappen
CO2-Abgabe Klimarappen
Wirkungsmechanismus
Höhe (mit EnergieSchweiz) - Treibstoffe
- Brennstoffe Tanktourismus Steuerausfälle Kosten (Fr./t CO2)
Zielerreichung
Bedeutung EnergieSchweiz CO2-G, EnG
Höhe der Abgabe
30 Rp./l 9 Rp./l
-0,5 Mia
Lenkungswirkung 70.-- Tanktourismus 350.-- möglich
Strukturanpassungen im Inland; Unterstützung der freiwilligen Massnahmen
Fördermassn. Inland und Zertifikate Ausland
1-2 Rp./l (60 - 120 Mio./a)
-
Zertifikate 18.-- Übrige Massn. 20.-- mit Kauf Zertifikate möglich
• Opfersymmetrie (B'stoffe – T'stoffe)?
• Glaubwürdigkeit der
Zertifikate (Additionalität, Supplementarität)?
Beurteilung
Quelle: Infras, Juni 2003