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Vertragsrücktritt nach Art. 107 Abs. 2 OR i.V.m. Art. 109 OR

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Kommentar zu: Urteil 4A_251/2010 vom 12. August 2010 Sachgebiet: Vertragsrecht

Gericht: Bundesgericht

Spruchkörper: I. zivilrechtliche Abteilung

dRSK-Rechtsgebiet: Vertragsrecht De | Fr | It |

Vertragsrücktritt nach Art. 107 Abs. 2 OR i.V.m. Art. 109 OR

Ausschluss der Wahl des positiven Interesses beim Vertragsrücktritt

Autor / Autorin

Michele Casale, Markus Vischer

Redaktor / Redaktorin Christoph Brunner

Beim Vertragsrücktritt nach Art. 107 Abs. 2 OR i.V.m. Art. 109 OR hält das Bundesgericht entgegen einem Teil der Lehre daran fest, den Schadenersatz nicht entsprechend der Wahl der zurücktretenden Vertragspartei nach dem positiven, sondern allein nach dem negativen Interesse zu bestimmen. Es dürfe zudem nicht leichthin angenommen werden, durch den abgeschlossenen Vertrag sei der Abschluss eines gleich vorteilhaften Vertrags verhindert worden. Die Zusprechung von entgangenem Gewinn, aufgrund des Vorliegens mehrerer unbestimmter Kaufinteressenten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sei folglich willkürlich.

[Rz 1] Y war als Willensvollstrecker des Verstorbenen A mit dem Verkauf dessen Yacht in Monaco betraut, die dieser kurz vor seinem Tod erworben hatte. Im Juli 2007 schloss Y mit dem Käufer X einen Kaufvertrag über EUR 1.05 Mio. ab, welche dieser durch Bezahlung von rund EUR 0.36 Mio. an das laufende Leasing, sowie Ausstellung eines Schecks über rund EUR 0.69 Mio. begleichen sollte. Der Kaufvertrag war schweizerischem Recht unterstellt. Nachdem X den besagten Scheck nicht ausgestellt hatte, durch Mahnung in Verzug gesetzt worden war und eine ihm gesetzte angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung ungenutzt verstreichen liess, erklärte Y, X zur Verantwortung ziehen zu wollen.

[Rz 2] Y, der die Yacht mittlerweile für EUR 1.15 Mio. an einen Dritten verkauft hatte, klagte folglich im Kanton Genf erstinstanzlich gegen X und verlangte Zahlung von CHF 163'190 zuzüglich Zinsen. Die Summe beinhaltete insbesondere eine Verkaufskommission an den Kapitän der Yacht, der den neuen Käufer vermittelt hatte, sowie die laufenden Kosten der Yacht für die Monate Juli und August 2007.

[Rz 3] Die Klage wurde erstinstanzlich mit der Begründung abgewiesen, die eingeforderten Kosten seien keine Folge des unwirksamen Vertrags. In zweiter Instanz reformierte das Zivilgericht des Kantons Genf den Entscheid und verurteilte X zur Zahlung von CHF 151'600 zuzüglich Zinsen.

[Rz 4] Der Beklagte X gelangte daraufhin mittels Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht und verlangte die Reformation des Urteils. Dabei richtete sich die Beschwerde von X insbesondere auf die Berechnung des Schadenersatzes, welche sich gemäss Art. 109 Abs. 2 OR am Ersatz des aus dem

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Dahinfallen des Vertrags erwachsenen Schadens orientiere.

[Rz 5] Das Bundesgericht wies bezüglich der Frage, ob beim Vertragsrücktritt nach Art. 107 Abs. 2 OR das negative oder das positive Interesse geschuldet sei, auf einen Streit in der Lehre hin, wonach Autoren wie PHILIPP JERMANN, LUC THÉVENOZ und ARIANE MORIN vorschlagen, es könne das positive Interesse gefordert werden. Dazu stellte das Bundesgericht klar, es bleibe bei der aktuellen Rechtsprechung. Der Schaden berechne sich folglich nach dem negativen Interesse, in der Weise, dass der Gläubiger vermögensrechtlich in die Situation versetzt werde, in der er sich befände, wenn er den unwirksamen Vertrag nicht geschlossen hätte (Verweisung auf BGE 61 II 254 E. 2 S. 256 sowie BGE 132 III 226 E. 3.1 S.

233). Der Gläubiger könne den Schadenersatz somit nicht danach berechnen, wie die Situation bei vollständiger Erfüllung des Vertrags wäre, weil der Schadenersatz in der Höhe des positiven Interesses die vertragliche Leistung ersetze, welche die Gegenpartei nicht erbracht habe. Art. 107 Abs. 2 OR sähe den Ersatz des positiven Interesses lediglich unter der Prämisse vor, dass der Vertrag bestehe. Der Gläubiger verzichte darauf, sobald er vom Vertrag zurücktrete.

[Rz 6] Daraus folgert das Bundesgericht, dass die Kommission an den Kapitän nicht ersatzfähig sei, weil sie das Resultat des zweiten Vertrages war. Zudem seien die Kosten für den Unterhalt des Schiffes keine Folge des Vertrags, sondern wären ohnehin angefallen. Auch das Vorliegen eines aufgrund des Vertragsschlusses versäumten anderweitigen Vertrags lehnte das Bundesgericht ab, da das alleinige Bestehen mehrerer potenzieller Kaufinteressenten nicht genüge, davon auszugehen, es wäre ein gleich vorteilhafter Vertrag zustande gekommen. Eine solche Annahme verstosse gegen das Willkürverbot gemäss Art. 9 BV. Der Beschwerde von X wurde stattgegeben und die Sache wurde an die kantonale Instanz zurückgewiesen.

Zitiervorschlag: Michele Casale / Markus Vischer, Vertragsrücktritt nach Art. 107 Abs. 2 OR i.V.m. Art. 109 OR, in: dRSK, publiziert am 20. Oktober 2010

ISSN 1663-9995. Editions Weblaw

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