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(1)

Vergleichende Gesellschaftsforschung Wissenschaftszentrum Berlin

ASPEKTE AUTONOMER TARIFPOLITIK IN ITALI'EN Interview(+) von Gerlinde Dörr und

Roland Klautke

mit Bruno Trentin und Ferdinando Chiaromonte IIVG/dp/79-204

Mai 1979

Publication series of the International Institute for Comparative Social Research - SP II

Wissenschafts zentrum Berlin

Steinplatz 2, D 1000 Berlin 12

030/313 40 81

(2)

In den Gewerkschaften hat die Diskussion über eine "neue

t~rifpol~tischeBeweglichkeit" (Metall 5/79) begonnen. Der Druck der Krise und die damit verbundenen restriktiven Unternehmerstrategien sowie die direkten Erfahrungen aus den Arbeitskämpfen (z.B. im Stahlbereich) , haben die Ge- werkschaften in eine untergeordnete Position gedrängt und,

"

damit die Grenzen des traditionell tarifpolitischen Vorge- hens deutlich werden lassen. Ansätze für neue tarifpolitische Konzeptionen, z.B. di~ Ausweitung tarifpolitischer Verhand-

lun~sgegenständeauf qualitative Forderungen und der' Ausbau der gewerkschaftlichen Vertretungsorgane (Vertrauensleute)

; stehen für eine Reihe von Aspekten, die in Theorie und Praxis eine Neuthematisierung der gewerkschaftlichen Auto- nomie erkennen lassen. Konkrete Beispiele nationaler tarif- politischer Strategien gewinnen in diesem Zusammenhang

zwischennational zunehmend an Bedeutung (WSI-Mitteilungen 4/79).

Vor diesem Hint'ergrund führten wir das nachfolgende Inter- view.

Zum besseren Verständnis wollen wir noch vorweg auf eine Besonderheit in den italienischen Tarifverhandlungen hinwei- sen, auf der die wesentlichen gewerkschaftlichen Aktivi- täten beruhen.

Das zentrale Instrument gewerkschaftlicher Politik' in Ita- lien bilden Tarifverhandlungen. Die nationalen Branchen- tarifverträge enthalt~n Regelungen, die auf betrieblicher Ebene in gewerkschaftlichen Tarifverträgen jeweils konkre- tisiert werden. Gerade die qualitative Tarifpolitik wird dabei durch die betriebliche gewerkschaftliche Organisa- tionsstruktur getragen, die sich aus Arbeitengruppen, (homo- gene Gruppen, vergi. Anm. 1,), den Delegierten und dem Fa- brikrat zusammensetzt. In diesem Zusammenhang muß darauf- hingewiesen werden, daß es in Italien keine vergleichbaren Betriebsratsstrukturen wie in der Bundesrepublik gibt, sondern daß die gewerkschaftliche Präsenz im Betrieb durch den Fabrikrat garantiert wird, der seinerseits Tarifv~rträge

(3)

die von ihm abgeschlossenen betrieblichen Verträge gewerk- schaftlich kontrollierte Tarifverträge.

Diese Verhandlungsweise - contrattazione articolate - über- setzen wir mit dem Begriff Ilartikulierte Tarifverhandlungen".

Wir haben diese Bezeichnung deshalb gewählt, weil sie die doppelte Funktion des Ta~ifverhandlungsprozessesverdeut- licht: Zum einen die breite Thematisierung und Artikulation des Verhandlungsgegenstandes und somit den aktiven Einbezug der Arbeitnehmer in die gewerkschaftliche Bewf~tigung des

- ."

Betriebsgeschehens, zum anderen die dezentralisierte Tarif- verhandlungspraxis und damit-eine betriebsnahe gewerkschaft- liche Kontrolle im Produktionsbereich.

(+)Dieses Interview entstand anläßlich eines Italienaufent- halts (April/Mai 1979) im Rahmen des Forschungsprojekts über Gesundheitsbewußtsein und Industriearbeit am Inter- nationalen Institut für Vergleichende Gesellsthaftsfor- schung des Wissenschafts zentrums Berlin

Bruno Trentin war während der großen Klassenauseinander- setzungen im Herbst 1969 einer der drei Generalsekretäre der Metallgewerkschaften, er ist heute Mitglied des natio- nalen Sekretariats der kommunistisch-orientierten Gewerk- schaft CGIL in Rom

Ferdinando Chiaromonte arbeitet am Istituto Ricerche Ecco- nomiche e Sociale (IRES) der CGIL in Rom I

(4)

~ie Beschäftigten; sondern auch für die Arbeitslosen sein sol-

~len, wie dies die italienischen Gewerkschaften in ihrer For- derungspolitik der letzten Jahre bewiesen haben, stellt sich ihnen gerade gegenwärtig in einer von hoher Arbeitslosigkeit ,begleiteten Krise eine doppelte Aufgabe: Es muß eine gewerk- :schaftliche Politik und eine For~erungsstrukturentwickelt

werden, die die Bedürfnisse der im Arbeitsprozeß Stehenden

"

mit denen der Arbeitslosen verknüpft. Eine diesen Zusammenhang :berücksichtigende gewerkschaftliche Politik konkretisiert

sich gegenwärtig in der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung.

Wie ,glauben Sie, kann gerade diese Forderung der doppelten Funktion gerecht werderi, Arbettsplätze zu schaffen und abzu- sichern sowie in den Betrieben selbst zu einer Verbesserung

;der Arbeitsbedingungen beizutragen, zumal sich durch neue :Te~hnologien und Rationalisierungsprozesse die Arbeitsbelast-

ungen eher verschärfen? Besteht nicht die Gefahr, daß dieser Forderungstyp angesichts solcher Belastungsentwicklungen und Rationalisierungsfolgen nicht g'reift und somit die Interessen,

; beispielsweise die Gesundheitsinte~essen,der im Produktions- ,prozeß Stehenden unter diesen Bedingungen keine Berücksich-

tigung finden?

. Bruno Trentin: Wir haben seit einigen Jahren, auch schon vor , der Krise, damit begonnen, die Forderung nach Arbeitszeit-

~verkürzung mit den Problemen, die sich auf Betriebsebene stellen zu verbinden, insbesondere was Arbeitsbedingungen, Gesundheitsfragen und die Beschäftigungsproblematik betrifft Die für uns wichtigste Arbeitszeitverkürzung haben wir im

Zeitraum von 1969 bis 1971 durchgesetzt, als wir die Wochen- arbeitszeit im gesamten Metallbereich um mehrere St.unden ver- -kürzten und mit einer zusätzlichen Kontrolle der Uberstunden

; ~

, eine effektive Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche erreich- : ten. Dieses Resultat wurde zuerst im nationalen Tarifvertrag

; der Metallarbeiter festgelegt und daraufhin für eine Reihe : anderer Branchen in die Verträge übernommen. Diese Regelung:

~

~des nationalen Tarifvertrages wurde auf Fabrikebene mit

; Forderungen, die auf eine Veränderung der Arbeitsorganisa-

(5)

ti on zielten, verknüpft und je nach betrieblicher Bersonder- heit und der Prioritätensetzung der Arbeiter in diesem Zeit- raum durchgesetzt. Hinsichtlich der Beschäftigungsprobl~ma- 'tik wurde' in ,dies'ern Zusammenhang die Investi tionspoli tik der

Betriebe in : einzelnen Fällen so beeinflußt, daß frühere

, ,-

Produktionskapazitäten aufrechterhalten oder sogar erwei- tert wurden.

Dieser Prozeß ist nur vor dem Hintergrund der Praxis der

"artikulierten Tarifverhandlungen" der italienischen Gewerk- ,'schaften zu verstehen. Am Beispiel der Forderung nach Ar-

beitszeitverkürzung läßt sich zeigen, daß jedes im nationa- len Ta~ifVertr~g erreichte Ergebnis in einer Reihe nachfol- gender Verhandlungen auf Be~riebsebene unter Berücksichti- : gung der jeweiligen Forderungen und Probleme zur Beschäfti-' gung, zur Produktionskapazität, zur Arbeitsorganisation und zur Gesundheit am Arbei tspla tz konkretisiert werden muß. über den Weg der "artikulierten Tarifverhandlungen" kam a~ch der

letzte Tarifvertrag der Metallarbeiter von 1976 mit seiner Forderung nach einer halben Stunde bezahlter Mittagspause

zustande; eine Forderung, die die Grenze der 40-Stunden-Wo- che durchbrach. Obwohl diese halbe Stunde in einigen Betrie- ben bereits durchgesetzt war, wurde sie durch den nationalen Tarifvertrag nochmals sanktioniert und brachte für die grös- seren Betriebe, wie Fiat, eine effektive Verkürzung der Wo-I chenarbeitszeit. Für die Durchsetzung der Forderung waren während der VerhandIDngen dezentrale Kämpfe und Streikaktio- nen der Arbeiter in den Betrieben und Fabriken notwendig, um so die konkrete Ausgestaltung der Arbeitszeitverkürzung und die damit verbundenen Modifikationen in der Arbeitsor- ganisation und bei den Zeitvorgaben sowie die Konsequenzen fÜr die Beschäftigungsfrage bestimmen zu könn~n.

Auch bei dieseffirVertrag haben wir, wie immer, uns den Ent- scheidungsspielraum zwischen der allgemeinen Forderung und ihrer konkreten Ausgestaltung im Betrieb vorbehalten. Dies gilt auch für die Konkretisierung der Uberstundenregelun~,

die in den wichtigsten Verträgen an zwei zentrale Bedingun-

(6)

gen geknüpft ist: Einmal wird vertraglich jeweils eine

Höchstgrenze von Überstunden, die pro Woche,MO?at und Jahr ausgeführt werden dürfen, festgelegt. Die Höchstzahl der zu- lässigen überstunden ist dabei von Branche zu Branche unter- : schiedlich. Die zweite Bedingung ist dabei die Pflich~ des

. ,-

'Unternehmens, die geplanten überstunden zeitlich so anzukün- :digen, daß die Gewerkschaft die Modalitäten aushandeln und . gegebenenfalls auf dieser Ebene Einspruch erh~ben kann. Auch '. der nationale{)Tarifvertrag sieht ei~e Aushandlung und Kon-

trolle auf der Ebene des Unternehmens oder des Betriebs vor.

Diese Regelung ka~n aber genauso zum Abbruch der Verhandlun-

; gen und zu Streiks führen, auch wenn es sich dabei um die Leistung von Überstunden handelt, die innerhalb der vertrag- lichen Höchstgrenze liegen.

·Wie behandeln wir nun das Problem der Arbeitszeitverkürzung unter den Bedingungen der gegenwärtigen Krise? Die Position, von der wir ausgehen und die gegenw~rtig in der Gewerkschafts- bewegung breit diskutiert wird, ist folgende: Eine Verminde- rung der Arbeitszeit ist per se nicht mit einem stabilen An- wachsen der Beschäftigung gleichzusetzen. Eine Arbeitszeit- . verkürzung kann sicherlich in einigen Sektoren, in denen wichtige technologische umstruktur~erungenstattfinden, ei- ne weitere Verminderung der Beschäftigung verhindern oder aufhalten; sie kann aber andererseits in den gleich~n und auch in anderen Sektoren mittelfristig technologische Ver- änderungen beschleunigen, die wichtige Implikationen für die . Veränderung der Arbeitsorganisation, für die Gesundheit am

Arbeitsplatz und auch für die Beschäftigung mit sich brin- gen. Darüber hinaus haben wir eine Verkürzung der Arbeits-

zeit immer als ein Ihstrument betrachtet, das für die Verb$- serung der Arbeitsbedingungen und auch als Maßnahme gegen ein sinkendes Beschäftigungsniveau eingesetzt wird, es je- doch nie als Allheilmittel zur Schaffung neuer Arbeitsplätze angesehen. Deshalb haben wir im Rahmen der gegenwärtigen Ta~

rifverhandlungen in der Metallindustrie sowie im Chemie- und Textilbereich generell differenzierte Forderungen nach Ar-

(7)

~ beitszeitverkürzung gestellt, die auf die jeweiligen spezi- :, fisch technologischen Prople~e bezogen sind und die die

Anpassungs- und umstrukturierungsphasen qer einzelnen Bran- : chen berücksichtigen.

~

} Beispielsweise gibt es im Metallbere~ch eine Forderung zur jVerkürzung der Arbeitszeit, die vor allem die Entwicklung in lder Stahlproduktion berücksichtigt. Es gibt im weiteren auch : Forderungen zur Arbeitszeitverkürzung in der Automobilindu-

: strie, die eine Reduktion der Arbei tLizei t mit verschiedenen

" Formen der Arbeitsleistung, wie repetetive Arbeit und Band-

· arbeit, ,verbinden. Daran läßt sich aufzeigen, wie eine all- '. gemeine Arbei tszei tverkürzungs - Strategie mit Problemen und

· Forderungen verbunden werden kann, die den konkreten Arbeits- 'bereich umfassen. Daneben· gibt es Forderungen zurVerkür-

zung der Arbeitszeit auch im Elektronik- und im Chemiebe-

• reich, die generell sowohl auf die nationale Ebene bezogen ( sein können oder a~er auch betrieblich differenziert sind.

Unter diesen ~Bedingungen können wir uns beispielsweise auch das Ziel der 38-Stunde-Woche in einigen Industriebereichen

· setzen, wobei wir in bestimmten Sektoren vorhaben, im Ver- : bund mit einer Neuorganisierung der Arbeit und der Zeitstr~­

tur radikal auf die 36-Stunden-Woche weiterzugehen. In die- sem Kontext fordern wir, daß Betrieb für Betrieb die Möglic~

keit einer Arbeitszeitverkürzung in Richtung auf die. 36-Stu~. . den-Woche diskustiert und überprüft wird.Dabei beziehen wir

~uns auch auf die Auslastung der Produktionskapazität und in idiesem Zusammenhang auf eine Veränderung der Anzahl der

~Schichten, z.B. von einer auf zwei oder von zwei auf drei . Schichten. Dies ist eine Strategie, von der wir annehmen,

( ~

daß ihre Er~ebnisse für das Beschäftigungsproblem relevant

\: werden. Wenn man etwa von einer 6-Tage-Woche ausgeht, kommt

·man dabei auf die recht kurze Arbeitszeit von 6 Stunden pro :Tag, was sicher eine positive Wirkung für die Erhöhung des

~Beschäftigungsniveaus

mit sich bringt.

I '

Uns scheint, daß auch auf dieseffi Weg. die Arbeitszeitverkür-

(8)

, zungs-Strategiefür eine Neuorganisierung der Arbeit, der

~

'; Arbeitszeitstruktur und der Schichten benutzt werden kann.

Damit

steli~~

wir uns gleichzeitig dem Problem der Planung und Erhöhung der Beschäftigung, der Diskussion über die Ar-

beitsorganis~tion~ndund ihre Verbesserung sowie einem ef- fektiven Gesundheitsschutz der Arbeiter innerhalb und außer~

~

.

!: halbe der Fabrik. stellen wir uns eine Fabrik vor, in der

~

das Arbei tszei tsystem nicht nur wegen eine'r Verminderung der

~ Arbeitszei;~

sondern auch durch eine andere Zeitverteilung

,~

',I

innerhalb der Woche vollständig verändert ist. Hierdurch wird nicht nur die Anzahl der einzelnen Arbeitergruppen oder der Schichten erhöht, sondern es verändert sich auch die Ge- samtheit der Beziehungen zwischen der Fabrik, der Arbeits- umgebung und der sozialen Umwelt. Eine solche Veränderung ',ist selbstverständlich auch eine Frage der Organisation der : Dienstleistungen, die eine derartige Veränderung im Zeitsy-,

f

~'~em innerhalb der Fabrik erst ermöglichern, des Transports und aller'anderen einzelnen Bereiche, und auch eine Frage, die sich für die Wohnsituation der Arbeiter' stellt. Mit ei- ner solchen, von der Fabrik ausgehenden Thematisierung der Beziehungen von Fabrik und Region sowie durch die "artiku- lierten Tarifverhandlungen" könnte eine Diskussion in Gang gesetzt werden, die die Verhandlungsgegenstände mit allge- meineren Problemen verknüpft, so daß der Fabrikrat darüber

I

I auch mit öffentlichen oder regionalen Instanzen verhandelt.

, Ferdinando Chiaromonte: Die Arbeitszeit kann nicht als Va- riable angesehen werden, die als einzige in signifikanter Weise das Beschäftigungsniveau beeinflussen würde, denn in einer Fabrik oder in einem Unternehmen ist das Beschäfti- gungsniveau die Funktion einer ganzen Serie von Variablen.

Sicherlich ist die individuelle Arbeitszeit eine dieser Va- riablen, die jedoch - wie auch die anderen - durch externe und interne Faktoren beeinflußt oder multipliziert wird.

Besonders die Qualität und Quantität der eingesetzten Tech- nologie sind als Variablen anzusehen, die die Beschäftigung sicherlich wesentlich beeinflussen und die ihrerseits den

...;. ~ ..' . ...

(9)

.größeren oder geringeren Gebrauch der Arbeitszeit in Form

~enschlicher

Leistung

rno~ifizieren.

Die Intensität der

Arbei~

das Produktionsvolumen, sowie externe Faktoren, wie die Nach-

t ,

frage des Marktes, die Qualität und Quantität des Arbeits- xräfteangebotes stellen eine Serie von Bedingungen dar,

J• • _._ ,

die zusätzlich berücksichtigt werden müssen. '

, ,

Diese Uberlegungen·sind es gewesen, die dazu geführt haben,

F ' ,

'daß der Gewerkschaft bei der Festlegung der Verhandlungsge-

~genstände auf betrieblich~r Ebene eine Interventionsmöglich-

c .

Keit vorbehalten wird, die beim jeweiligen Verhandlungsgegen-

,, ,

stand die Konsequenzen für die Erhöhung des' Beschäftigungs- niveaus mit berücksichtigt. Wenn die VCj.riable ~'Dauer der Ar-

~beitszeit" jedoch leichtfertig gehandhabt wird, läuft man in Gefahr, nicht nur wenig wirksame, sondern auch nach und nach gegente~lige Ergebnisse zu erzielen, die in bereits von, der Krise betroffenen Sektoren nur noch verschärfend wirken würden.

Als Synthese dieser Uberlegungen weist es die Gewerkschaft jedoch nicht zurück, das Instrument 'der Arbeitszeit als In- ,terventionsmittel zu gebrauchen. Aber man muß es sich bewußt machen, daß dieses Instrument notwendigerweise mit einer Re~

,he anderer gewerkschaftlicher Strategieelemente verknüpft

~erden muß. Die Verbindung versch{~dener Strategieelemente setzt jedoch eine Analyse der einzelnen Situationen in den

I

betreffenden Sektoren und auf Fabrikebene voraus, um eine präzise Interventionsstrategie zu entwickeln und durchzuset- zen.

Neben dem, was Trentin schon ausgeführt hat, möchte ich noch :eine Bemerkung in Bezug auf das Verhältnis von Arbeitszeit

,

'und Arbeitsorganisation machen, die für die Beschäftigungs- 'problematik relevant wird. Uns scheint', daß ei~ne Arbeitszeii;- 'verkürzung keinen einzigen positiven Effekt für die Arbeits-

t

,inhalte mit sich bringt. Würden wir einzig und allein Forde- irungen zur Verminderung der Arbeitszeit aufstellen, würde

~~dies bedeuten, daß wir die Marginalisierung der menschlichen

t

'Arbeit. und damit die Marginalisierung der Arbeiter in der .Fabrik letztlic~,ak~epti~ren,würden.Seit langem verfolgen

(10)

wir einen Rationalisierungsprozeß, der sich in der letzten Zeit relativ intensivierte und der die Arbeit des Menschen zunehmend durch die Maschine ersetzt, und der eine Verände-

" rung der für die Produktion der Güter notwendigen Arbeits- zeit mit si~h bringt. Antwortet man auf dieses-Phänomen nur mit einer rein quantitativen Verkürzung der Arbeitszeit, bleiben dabei nicht nur die Arbeitsinhalte völlig unverän- dert, sondern man nimmt es auch hin, daß der Rest der ver-

ble~benden Arbeiten sich qualitativ nicht verändert. Dies

J .

kann für unsere Gewerkschaft jedoch keine hinreichende Stra- tegie sein. Im Rahmen der Diskussion um die Arbeitszeitver- kürzung stellt sich hier das Problem, die Veränderung der Technologie im produktionsprozeß mit einer Veränderung der Arbeitsinhalte zu verbinden. Dies könnte im Verhältnis von ausführenden und leitenden Tätigkeiten zu einer anderen Ver- teilung der Arbeitsinhalte führen. Die Arbeiter hätten so neben der ausführenden Arbeit auch Leitungs- und Kontroll- funktionen im Bezug auf die Organisation des Produktions- prozesses, wodurch die bisher strenge Trennung zwischen diesen Funktionen aufgehoben und verändert werden könnte.

Frage: Für die it~lienische Gewerk~chaftsbewegungist die im Laufe der 60er Jahre entwickelte und für die nationale Ebene sowie für die Branchen- und Betriebsebene gegliederteI

neue Tarifverhandlungspraxis ("contrattazione articolate") zum wichtigsten gewerkschaftlichen Durchsetzungs- und

Kontrollinstrument geworden. Mit diesen "artikulierten Ta- rifverhandlungen" ist es der italienischen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung gelungen, in Teilbereichen der' Indu- strie eine Strategie der betrieblichen und überbetrieblichen Produktionskontrolle zu entwickeln, die ihr substanzielle Erfolge brachte.

,!:.·· •.·h.·_.e-·-_~·,~~."~,,.-_••,;..,;"':;':"·'·.·; "':"~'';'. _ .•. -...~y.'

(11)

i In den letzten Jahren verfolgen wir allerdings eine zuneh-

~mende Zentrallsierung der Tarif~erhandlungen.Deutet diese

r ~endenz auf eine Rückentwicklung des offensiv eingesetzten

o

: Instruments ger "artikulierten.Tarifverhandlungen" oder auf

:~ eine bewußte g~werkschaitlichePrioritätensetzung hin, um

I

I' die Gegenstrategien von

U~ternehmersei

te unter Kontrolle zu.

~' bringen?

Ij f

t 0

1: Bruno Trentin: Dies ist sicherlich eine vorhandene Gefahr,

; die sich in zwei Formen dar~tellen läßt. Sie liegt einmal .'f in einer Tendenz zur Zentralisierung der Verhandlungs- bzw.

i

t

Vertragspolitik, die de facto die Bandbreite der betriebli~

~.

chen Verhandlungsmöglichkeiten begrenzt, und darin, daß sich

!

, parallel dazu die Gewerkschaft von der Arbeit in den Fabri- ken zurückziehen könnte. Zum zweiten besteht die Gefahr, daß durch die Initiative der Unternehmer quasi hinter dem Rücken

; der Arbeiter die Verhandlungs- und Vertrags inhalte auf Fa-

; brikebene unterlaufen und ausgehöhlt werden.~ Im 'ersteh Fall, r

: so glaube ich, gibt es eine geschlossene Position der ita- lienischen Gewerkschaftsbewegung, die jeder Zentralisierung dieses Typs entgegensteht. Wir sind im Gegenteil gerade da- bei, einen weiteren Schritt in Richtung auf die Dezentrali-:

sierung zu machen. Wir wollen im Moment im Parlament einen

I

Gesetzentwurf verabschieden lassen, den wir mit der Regie- rung abgestimmt haben. Diese Vorlage betrifft den Bereich des öffentlichen Dienstes,und mit ihr versuchen wir, die Er-

fahrungen mit der dezentralisierten Verhandlungspraxis um- zusetzen und auch in diesem Sektor eine Vertrags- und Ver- handlungspolitik zu eröffnen, durch 'die das Beschäftigungs~'

"problem mit Fragen der Arbeitsorganisation unQ der Arbeits-' . bedingungena verbunden werden kann. Eine solche Verhandlung~

l,

~ form gab es im öffentlichen Dienst in Italien bisher nicht, .

!

und wir hoffen, mit diesem Instrument unter anderem auch die

f

Politik des Klientelismus zurückdrängen zu können.

I: .

; Insgesamt glaube ich jedoch nicht, daß heute die Gefahr

(

: ,einer Ei~engung ql7~ Raurne.s,.,~Ü:r:.V.erhan~:nungen auf Fabrikebene

(12)

- besteht, jedenfalls nicht von seiten der Gewerkschaften

~durch ~inen Rückzu~ aus der Fabrik oder durch eine Zentra- : lisierung der Verhandlungen. Die Gefahr ist eventuell viel : subtiler, und

best~ht

dann, wenn Verträge abgeschlossen wer-

; den sollten, die zwar nicnt auf der Ebene der vertraglich

,

.

,

: gesicherten Rechte, sondern durch ihre Inhalte und Gegen-

~

standsbereiche Möglichkeiten der Fabrikverhandlungen de fac-

l .

~

to 'limitieren. Sie liegt auch in 'einseitigen Initiativen der

~ ,

~

Unternehmer, die gerade in Krisenzeiten

entwick~lt

werden

,- . . ~~

~und

die sich, vom Arbeitslohn angefangen, auch gegen

Arbeit~

, zeitregelungen richten,

unl

so kollektive gewerkschaftliche

;

: Aktivi täten und Aktionen am Arbeitsplatz zu schwächen.

I

,Zur Strategie

der'~rtikulierten

Tarifverhandlungeti'in Bezug

· auf die Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung möchte ich insbesondere auf drei Gefahrenmomente hinweisen, die für

; diesen Verhandlungstyp tatsächlich bestehen, wenn die von

~

i uns als zentral angesehene Beziehung zwischen nationaler und

bet~ieblicher

Verhandlungsweise und deren Verknlipfung mit

· ; den jeweiligen betrieblichen Arbeitsbedingungen und der Ar-

.

.~

bei tsorganisation unterbrochen wird. Man kann' sich dabei ei-;

,

, ne Arbeitszeitverklirzung vorstellen, die, wie auch immer sie aussehen mag, es den Unternehmern vollständig freistellt, deren Modalitäten zu bestimmen und'sie in der Fabrik zu re-:

alisieren. Gegen ein solches Vorgehen gab es jedoch gerade von seiten der. Arbeiter spontane Kämpfe, weil dadurch die

I

Probleme der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen·

unberücksichtigt blieben und damit ,verschärft wurden'. Es 'gab

· in der Vergangenheit auch eine mehrere Betriebe umfassende

'.

, Aktion der Arbeiter gegen eine Form der Arbeitszeitverklir- ;

,, .

~

zung, die auf natiorialer Ebene vereinbart, jedoch in der

Fa~

; brik nicht entsprechend umgesetzt wurde. Generell kann

also~

! :

f

gesagt werden, daß eine vertragliche Lösung, die sich nicht : gleichzeitig auf die Verhandlungen auf Fabrikebene bezieht,

: Rlickschläge für die "artikulierten Tarifverhanlungen", ins-

~

~ besondere hinsichtlich der Arbeitsorganisation, mit sich ~

i

bringen kann.

(13)

~Eine weitere Gefahr besteht meines Erachtens darin, daß von :Unternehmerseite auf die gewerkschaftliche Forderung nach

~ einer täglichen oder wöchentlichen Arbei tszei tverkürzung mi,t ,.

~ dem Angebot einer Reduktion der jährlichen Arbeitszeit ge-

~

antwortet wird. Das Risiko für die gewerkschaftliche Strate-

~

gie besteht dabei darin, daß die für uns wichtige Verknüp- ,~ fung von Arbeitszeit und Arbeitsorganisation, wie sie mit l; der "artikulierten Verhandlungsweise" verfolgt wird, umgan-

f.~gen werden soll. Damit würde die Gewerkschaft nipht nur die

~

, Kontrolle über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit ver-

~

.

: ll.eren, sondern auch ihre erkämpfte Präsenz im Betrieb schwä-

~ chen.

If . '

~ In diesem zusammenhang ist auch die Dezentralisierung der

t '

f: Produktion eine weitere gefährliche Tende:nz. Die Dezentra-

l

lisierung ist die Strategie einer wachsenden Zahl von Unter-

!

nehmen, Arbeiten zu verpachten (Leiharbeit) oder an kleinere

F

: Betriebe in Auftrag zu geben. In einigen Fällen weitet sich

i . - -

: dies bis zur Beschäftigung von ganzen Familien in der Heim- .

f arbeit aus, was insgesamt eine Methode von seiten d~r In- dustrie ist, die organisie~ten "artikulierten Verhandlung~n"

zu umgehen. Wir versuchen deshalb bei den gegenwärt,igen Ver-.

• tragsverhandlungen, eine Kontrolle ,über den gesamten Eereich der dezentralisierten Arbeit zu gewinnen, um mindestens auf

lokaler oder zonaler Ebene einen Diskussionsprozeß in Gang , zu set4en, der die Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastunge~

; die Fragen im Zusammenhang mit der Gesundheif:.' der Arbeiter , und die tariflichen Probleme dieser Arbeit thematisiert. Na-

~

türlich versuchen die Unternehmer auch

~it

dem Ruf nach

~

einer zentralen Gewerkschaftsstrategie , gegen die "artiku-

L lierten Tarifverhandlungen" vorzugehen. Aber es gibt zur

~

,

,.

~. Zeit in Italien keine einzige Gewerkschaft, die einer Zentr~

t

lisierung der gewerkschaftlichen Strategie und damit einem

,

f'Verzicht auf die "artikulierten Tarifverhandlungen" zustim-

~~ men würde.

~~

~

~

t... •._:... '., '"lr"""!'H"7 ·"Ir.h'....· ... "'; .•_.~ _.~~...~,'J""~'i:_'-"'''..'. '.; .... ;...~.... .- -,-.- -. ~""~"_,': .".;'~. ..

(14)

; Ferdinando Chiaromonte: Wie schon Bruno Tremtin bemerkte, be-

.'~steht für die ~artikulierten Tarifverhandlungen~durch die . Gegenstrategie der Dezentralisierung der Produktion eine

~. .

: wichtige Gefahr.

,

,. Der technologische Umstrukturierungsprozeß der Produktion

!

Peinerseits und die Dezent~alisierungandererseits wirken

<

:sich insgesamt auf ,die Strategie der ~artikuliertenTarifver-

~ .

:-handlungen" negativ aus, weil damit das Forderungsgeflecht

~

.

.

: von Arbeitsbedingungen, Arbeitsorganisation, zur Entwicklung des Produktionsprozesses und zur Qualifikation gefährdet

·wird. Man muß daran erinnern, daß gerade die massenhafte Ver- :breitung der ~artikulierten Tarifverhandlungen~am Ende des

r .

fletzten'Jahrzehnts gleichzeitig mit einer Entfaltung der ge-

~werkschaftlichen

Strukturen inder Fabrik verbunden war, die

t "

,

; sich als Fabrikräte, als Delegierte, als homogene Gruppen (1)

~direkt

oder indirekt auf die betriebliche Arbeitsorganisa-

~tion pezogen.

;Man kann sicherlich auch hinsichtlich ihrer Verhandlungska-

j,'

:pazität von einer Krise der betrieblichen gewerkschaftlichen

(

:Kontrollstrukturen sprechen, und dies scheint mir ein zentr~

~ler Punkt ~u sein. Gewiß kann man sagen, daß es in den letz~

~ten Jahren eine spürbare quantitative Abnahme von Verhand-

I

: lungen auf Fabrik- oder Betriebsebene sowie eine quantitati-

~ve Zunahme der auf nationaler Ebene geschlossenen Verträge

; I

'gegeben hat, obwohl man hier nicht von Verhandlungen im

i strikten Sinne sprechen kann, da dieses Gremium aus Gewerk-

; schaften, Unternehmern und Regierungsvertretern' besteht.

~Diese Verschiebungen in den Verhandlungsebenen bilden jedoch

~ ' .

'kein negatives Element, im Gegenteil. Es ist eine ziemlich

; präzise politische Entscheidung der Gewerkschaftsbewegung ge- 'wesen; die mit diesem Instrument nicht nur auf Fabrikebene

t

i

intervenieren kann, sondern auch auf die ökonomischen Bedin-

t

'gungen allgemein Einfluß nimmt. Deshalb möchte ich noch ein-

j'

~mal betonen, daß die Gefahr für die'~artikulierten Tarifver~

~handlungen~

gegenwärtig von außerhalb kommt und nicht inner-

f~halb der gewerkschaftlichen Strukturen, weder der externen : noch der internen, zu suchen .. ist ... ,.,... ,.",," '"

(15)

Frage: Wenn eine Gewerkschaft ihre Handlungsstrategie ver-

~ändert

oder mit ihren Forderungen neue Verhandlungsgegen-

,

~stände

und Durchsetzungsformen

themati~iert,

entsteht gleich- 'zeitig qas Problem des Autonomiegrades gewerkschaftlicher Po-

~litik.

Für eine kommunistisch orientierte Gewerkschaft, wie

, " .

~die

CGIL,stellt sich diese Frage hinsichtlich ihres Verhält-

~ , ,

'nisses zur kommunistischen Partei Italiens, die

im

Rahmen

!ihrer Strategie des "historischen Kompromisses" eine Posi-

, . .

': tion in der Re9'.;i.erung anstrebt sowie nach einer möglichen

, . J

, Einflußnahme' der Partei auf die gewe.rkschaftliche

Forderung~

.. bewegung. Gibt es Ihrer Meinung nach eine, über die normale

"

~wechselbeziehüng

hinausgehende forderungspolitische Ein-

"schränkung der Gewerkschaft von seiten der Partei oder eine

. f

von der Gewerkschaft selbst ausgehende Orientierung ihrer

· Forderungen an den jeweiligen politischen Vorstellungen der

.. .- '.-." -- ."

Partei

?

~Bruno

Trentin': Es existiert eigentlich i.nurter ein mehr oder

, '

:weniger starker Einfluß der Parteien auf die Orientierung :'der Gewerkschaftsmitglieder, der je nach Entwicklung der in-,

·

.

:nergewerkschaftlichen Demokratie 'und entsprechend der Fähig-:

'keit der Gewerkschaft,' eigene Antworten auf die anstehenden ,Probleme zu geben, bedeutend oder unbedeutend ist.

:Ich gehe davon aus, daß

~an

es ohne' unglaubwürdig zu werden nicht ausschließen kann, daß diese oder jene Partei die

.

,

Orientierung von Teilen einer Gewerkschaft oder das Verhält- . .nis.der Gewerkschaften untereinander beeinflußt hätte. (2)

;Wie· ich aber meine, ist dies immer oder besonders ein Anzei-

; :

:chen für grundlegende Probleme, so vielleicht für eine

Schw~

;che der innergewerkschaftlichen Demokratie, ihrer Kapazität

~ .

,zu arbeiten oder auch eine Schwäche der gewerkschaftlichen

l

I .

··Autonomie. Diese Autonomie wird der Gewerkschaft aber nicht ;

i ~

~einfach

gegeben und kann ihr deshalb auch nicht ebenso leicht .wieder genommen werden. Man kann natürlich die Partei kriti-"

~

:sieren, die in die gewerkschaftliche Autonomie eingreift,

I'

"man kann und muß jedoch ·immer die GeTtlerkschaft kritisieren, \

~. . ~.

:die es nicht wagt, ihre Autonomie auszudrücken. Natürlich .beruhen diese Einflüsse auf bestimmten Einstellungen und oft-

~._ ._ \ . . . . ~. • .~ . t '. . " : . _ . •' :' , '~"" '-'~". ''';''~'••~ ~• • ; _ . , . ', • . . •~•.: • • •_ _ . . , , ;. ' .. ;,.; ' , . • • , . ~

(16)

mals auch auf Irrtümern dieser oder jener Partei, die jedoch leicht ~urückgewiesenwerden können, wenn die Gewerkschaft eine Eigenständigkeit und eine reale innergewerkschaftliche Demokratie besitzt, die sie befähigen, sich selbst zu ver- teidigen.

Wenn jedoch die politische Kultur des innergewerkschaftli- chen Lebens und di~ gewerkschaftliche Demokratie verarmen, und die Fähigkeit der Fabrikräte, auf neu entstandene Pro- bleme zu antworten, leidet, existiert ,~n der Tat eine reale"

. )

G,efahr, insbesondere wenn die Basis'strukturen in gewisser Weise stärker als vom Prozeß der Meinungsbildung innerhalb der'Gewerkschaft von außerhalb stehenden politischen Kräften beeinflußt werrlen.In derartigen Fällen weise ich immer darauf hin, daß dies~s übel nicht in den politischen. Parteien, son-

I

dern vor allem innerhalb der Gewerkschaft selbst, in den Fabrikräten und ihrer Beziehung zu den Arbeitern liegt, was seinerseits erst bestimmte Einflüsse ermöglicht •

. f

Damit will ich jed09h nicht sagen, daß eine Veränderung der Prioritäten in den gewerkschaftlichen Forderungen so gese-

,~ hen auf den Einfluß dieser oder jener Interpretation des historischen Kompromisses zurückzuführen ist. Man könnte fast sagen, das Gegenteil sei der Fall, obwohl in bestimm- ten Perioden gewisse Interpretationen des historischen Kom- promisses eine einschränkende Wirkung haben können und so etwa als ein allgemeines Druckmittel, als Maßhalteappell wirken. Man kann allerdings auch arglistig sein und einen politischen Einfluß von Kräften sehen wollen, die sich auf den historischen Komprorniß berufen und damit allgemein die gewerkschaftliche Forderungspolitik abdämpfen wollen.

Mir scheint stattdessen, daß die Prioritätenveränderung in der Forderungspolitik das Resultat einer autohomen Entwick-, lung der Gewerkschaft ist, auch wenn sie noch unabgeschlos-"

sen ist,und noch nicht alle Forderungen miteinander abge- stimmt sind. Die Verschiebung der Forderungsprioritäten be-;

zieht sich, schematisch gesagt, auf die Kontrolle der Wirt-~, schaftspolitik, um damit das Beschäftigungsniveau nicht nur' zu.verteidigen,oder es wiederzubeleben, sondern. um es zu er-

(17)

höhen. Gleichzeitig ist es dabei das gewerkschaftliche Inte~

esse, die Versäumnisse vieler Jahre in Bezug auf die Proble-

" me der Arbeitsorganisation und der Qualität der Arbeit wett- zumachen .

. Unter diesem. Gesichtspunkt betrachtet gab es eine Verschie-

! bung, die durch die Gewerkschaft selbst herbeigeführt wurde, und die es ihr ermöglichte, eine stärker politische Rolle zu entwickeln, um so, wenn man es sO ausdrücken möchte, mit den politischen Parteien der Linken stärker konkurrieren zu kön-.

.

I)

nen. Das grundsät21iche Problem ist dabei eigentlich folgen- des: Wenn die Gewerkschaft in der heutigen Realität immer noch ein'e Organisation der Beschäftigten der großen und

~ mittleren Fabriken ist, muß sie sich von Grund auf veränderI'\o um nicht nur Verbündete:, sondern wirklicher Repräsentant der gesamten Arbeiterklasse zu werden, die heute durch Schwarz- arbeit, Ge~egenheitsarbeiten,Heimarbeit, durch eine ver-

~ deckte ZWEÜte ökonomie und durch Unterbeschäftigung . und Ar-

~ beitsl?~igkeit

der Jugend gespalten ist. Die Gew'erkschaft

; muß in der gegenwärtigen Situtation aufhören, nur eine As-

t .

t

; soziation der gesichert Beschäftigten. zu s~in, um zu einer

~ .

. breiten Forderungsbewegung zu werden, die alle diese Unter-

!: schiedlichen Interessen zusammenfaßt und vereinigt.

Dami,t entwickelt die Gewerkschaft aber eine stärker poli ti-

..

: sche Struktur als in der Vergangenheit. Diese polit~sche

Entwicklung der Gewerkschaften scheint mir aber eher mit der : objektiven Strukt~r der itali~nischen Gesellschaft zu· kor- : respondieren als mit von außen herangetragenen Interventio- I~ nen politischer Gruppen oder Parteien.

I

r

~Ferdinando Chiaromonte: Aber in diesem Zusammenhang sind

,

fnicht nur die objektiven Momente ausschlaggeb~nd. Es besteht

t~ außerdem eine Dialektik zwischen den Organisationen, und

I

: schließlich gehört der Versuch, von Teilen der Gewerkschaft

!tauf die Parteien oder von Teilen der Parteien auf die Ge- fwerkschaft Einfluß zu nehmen, zu den normalen politischen

~SPielregeln.

Gerade hinsichtlich der Probleme, die von Bruno

~. .

(18)

angesprochen wurden, möchte ich noch einige - vielleicht theoretische - Anmerkungen machen, die etwas darüber hinaus gehen.

'In dem Moment" in dem die Gewerkschaft bei einer Entschei- ; dung über i~re Forderungspolitik in einen Bereich vordringt, der traditionell den politischen Parteien zugeordnet ist,

~ verändert das Problem der' gewerkschaftlichen Autonomie sei-~

,

.

t

ne Dimension; und gerade in Italien kann man, so glaube ich~

vielleicht mehr als in anderen Ländern, von einer solchen Auswei tung der Forderungspolitik de'r Gewerkschaften sprechen.

Die Dimension der Autonomie der Gewerkschaften verändert 'sich dabei insbesondere für die T~ile der Arbeiterklasse,

~

1. 'die sich auf eine bestimmte Interpretation des Marxismus be~

ziehen und von einer besonderen Arbeitsteilung zwischen Par~

tei und Gewerkschaft ausgehen. Diese Position berücksich-

, -

tigt jedoch die Dynamik im Verhältnis von Gewerkschaft und Partei nur unzureichend, so daß hier ein Problem zwischen der Gewerkschafts- und der Pateiorganisation entsteht, wenn die eine Organisation der Arbeiterklasse, die partei, die wesentlichen politischen Zielsetzungen vorzugeben beanspruch~

und die andere Organisation, die Gewerkschaft, dazu eine un~

terschiedliche Position einnimmt. Dies ist, so glaube ich, eines der noch ungelösten Probleme; für die man gegenwärtig~

Lösungen sucht.

I

Gewerkschaftliche Autonomie darf nicht mehr nur bedeuten, sich allein mit korporativ-ökonomischen Forderungen zu be- fassen, die lediglich die Interessen der beschäftigten Tei- le der Arbeiterklasse zum Inhalt haben, womit man den Par- teien das an4ere, mehr traditionelle Aktionsfeld der Poltik überlassen würde. Gewerkschaftliche Autonomie bedeutet viel- mehr sowohl die vorurteilsfreie Beschäftigung~mitökonomi-

schen und "korporativen" Problem~n als auch die gleich- zeitige Berücksichtigung der anderen Fragen, von denen Bruno Trentin bereits gesprochen hat und die noch nicht gelöst sind. Wenn: also die kommunistische Partei formal oder fak- tisch eine offensichtlicheRegierungsposition einnimmt, k6nn":"

te, so glaube ich, auch eine kritische Situation entstehen. ~

""'4~_.-I,.... _ _.,::.,." ••.•• _,·'.t .•'~ ".-'~"'-~':.::':":..::"':,::... -,.':·,1' ....:,·1,'.: .. ···• .... ,.;....:.,~••._-;.t.~_..~~..•! ... - •• ,l>." .;' • • "••••, • .; .

(19)

blik wurden bisher die Forderungen zur Arbeitszeitverkürzung vorrangig unter beschäftigungspolitischen Aspekten thematisiert.

cegenwärtig diskutiert man auch in unserem Institut(3) eine Konzeption zur Arbeitszeitverkürzungspolitik, die stärker den Aspekt der Arbeitszeitintensivierung im Hinblick auf die Re~

duktion der ~rbeitsbelastungenberücksichtigt. Die aus gewerk- 'schaftlicher Sicht wesentlichen Ebenen betreffen dabei die

technologischen Inn'ovationen, die Arbeitsorganisation, Quali-

.~

.

'fikation und die Arbeitsbelastung. Neben den in Ansätzen (wie

; . . . ~

im Lohn{~hmentarifvertragrI Nordwürttemberg/Nordbaden) bereits praktizierten gewerkschaftlichen Strategien, geht es im wesent- lichen darum, gegenüber der Arbeitsintensivierung Zeitentdich-

tungsstrategien zu entwickeln (z.B. durch erweiterte Pausen- regelungen, Pausenblöcke, Arbeitsmindestinhalte, Maschinenbe~

,

setzungsnormen, Zeitpuffern etc.), die. sich auf die Arbei ts- organisation und die technologische Innovation beziehen, zurnal gerade die neuen Technologien immer mehr arbeitsorganisatori- sche Elemente und Zeitstrukturen beinhalten. Bei größeren tecp- nologischen Innovationen wird es zunehmend wichtiger, mit diesen Forderungen bereits auf die Planungsphase Einfluß zu nehmen, ,

Um

in die Belastungsentwicklung im Produktions- bzw. Arbeitsprozeß präventiv einzugreifen und sie unter gewerkschaftliche Kontrol- le zu bringen. Wie sehen Sie dieses .Problem, und welche Überle- gungen gibt es bei Ihnen in Italien, das Arbeitsvermögen und die Gesundheit des Arbeiters, die heute weniger durch ex~ensive

Formen der betrieblichen Arbeitszeit, sondern insbesondere durch intensive Formen bedroht sind, zu erhalten und zu sichern?

Ferdinando Chiaromonte: Man kann davon ausgehen, daß die ita- lienische Gewerkschaft, wie andere Gewerkschaften auch, sich' nie gegen technische Erneuerungen gewandt hat, sondern sie im-

~ .

rner als progressives Moment angesehen hat. Insbesondere seit:

kinigenJahren ist diese Sichtweise jedoch differenziert

wor~

den; vielleicht kann man heute davon sprechen, daß die italie-

~ . -

nische Gewerkschaft technologische Innovationen befürwortet, ;

I.

wenn sie positive Veränderungen und Entwicklungen nach sich

I

ziehen. Das bedeutet. jedoch nicht notwendigerweise,

(20)

daß jede einzelne neue Technologie in ihrer konkreten Form

~

als einzelne Maschine, als einzelner

Automatisierungsproze~

~

oder jede einzelne Produktionstechnologie akzeptiert oder

f . ,

;: begrüßt wird.

i Dies bedeutet für uns, daß trotz aller

umsetzungsschwierigke~

~

ten, die sich auf diesem

~ebiet

ergeben, man sich heute das

I '

i

P~oblem

in einer anderen Form stellen muß, indem man die ge-

.~ '

..

; werkschaftliche Intervention nicht nur auf die

~uswirkungen

,

~ ,

~

neuer Technologien ausrichtet,0sondern sie bereits in die

~ '

.

~

Phase der Konstruktion und Ausführung integriert. Dies war

~

ein Prozeß, der seit Beginn der 70er Jahre ziemlich weit

"

: fortgeschritten ist und in dem die Probleme der gesamten Ar--, ,

:. bei tsumgebung, wie Arbeitsbelastungen und -risiken, Sicher-::

" heitsprobleme und gesundheits schädigende Arbeitssituationen :' berücksichtigt wurden.

Auf diesem Gebiet wurden eine Reihe wichtiger Erfahrungen bezüglich auch präventiver Eingriffe von seiten der Gewerk- :

~

schaft gemacht. Zahlreiche Untersuchungen, die genau auf dies.e Probleme zielten, wurden von den Arbeitern auf der Ebene der Fabrikräte durchgeführt, wobei auch Formen der

Zusammenarbeit von Arbeitern und Technikern entwickelt wur- , den (4). Die besondere Schwierigkeit, die sich heute stellt, liegt in dem Versuch, diese Ergebnisse anzuwenden und sie nicht nur hinsichtlich der Probleme der Belastungen und Be-

I

anspruchungen, die einen wichtigen Teilbereich darstellen, sondern auch auf den übergeordneten Bereich der Probleme der Arbeitsorganisation auszuweiten. Es geht dabei insbeson- dere um eine qualitativ erweiterte Eingriffsmöglichkeit in die Gesamtheit der Organisation des Produktions- und

Arbei~­

prozesses, um schließlich in einem erneuten Versuch auf

tec~

nologische Innovationen bereits in der Planungsphase

Einflu~

zu nehmen. Wenn man sich die letzten nationalen Tarifver- tragsentwürfe für den Metall- und den Cheffiebereich ansieht,

i

die auf Erfahrungen in einigen Fabriken beruhen, findet man:

l

derartige Forderungen im ersten Teil der

verhandlungsplatt-~

.

~

form.

, . ,,'->.~...j~....'-t.', ,' •.•..:.::,.;: ....t. -'vo:..,~" :' 't .•.-.:-".'.~_ <-,;r ••' ,",~• • • , '. _ _ ••.•••.,,:' •.;".,-, ' ••• :

(21)

..' , ':~~".-

-

..

biese Forderungen zur gewerkschaftlichen Kontrolle der Stra- tegien und Investitionsvorhaben der Unternehmen richten sich

~icht allein auf Eingriffsmöglichkeiten, die nur im nachhin~

beispielsweise erst nach-der Einführung einer neuen Maschine, eine Bewertung der Belastungen, der Arbeitsris~kenoder der Auswirkungen auf die Bescpäftigung zulassen. Weil zu viele Bedingungen in ein'ern solchen Stadium bereits festgelegt sind, zielen unsere Kontrollforderungen vielmehr genau darauf, uns Kenntnisse über Planungen und Proje}ttierungen der UntCrneh- men zu verschaffen, um damit für die Gewerkschaft eine pri- märpräveI1:-tive Interventionsmöglichkei t zu erhalten.

In diesem Zusammenhang gibt es darüber hinaus auch ein Pro-""

blem, das uns als Gewerkschaft selbst betrifft. Innerhalb

r der Gewerkschaft sind Arbeiter, Teconiker und Angestellte gemeinsam organisiert, wobei sich jedoch die Techniker im Rahmen des Veränderungs- und Erneuerungsprozesses der Pro- duktion eine gewichtige ROtle angeeignet haben. Für uns als:

Gewerkschaft, insbes6ndere für unsere Forderungspolitik, stellt sich dabei im Innern der Organisation das Problem, eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Arbeitern und den Technikern innerhalb der Gewerkschaft herzustellen. Dies scheint mir ein wichtiges Problem ~u sein, weil es bereits . Gruppen von gewerkschaftlich organisierten Technikern gibt, : die alternative Möglichkeiten aufzeigen und die Planungskri- , terien entwickeln, die nicht einen unternehrnensorientierteil'

~ ~ffizienzparameter

zum

zent~alen

Bezugspunkt haben, sondern

~~Arbeitsbedingungen,"Arbeitszeit, Arbeitsorganisation und r) Arbeiterkontrolle.

I

,

r

! Hier wird jedoch ein Problem angesprochen, daä sich, so mei-

~ ne ich, zusammenfassend folgendermaßen darstellen läßt: Die

I

Gewerkschaft,und insbesondere diese Gewerkschaft, die

CGIL~

I, darf sich gerade gegenwärtig nicht weigern, sich dem Problem

I

der Produktivität und Effektivität zu stellen. "Das darf aber

~wiederum

nicht heißen, daß die Gewerkschaft eine

Produktivi~

,

t....:._,,,·.;~....-.~.::I...'!;··.. -:-'.~_. .';I1....··'t~r.:·!.,,'~...·'*WJ..,-,·.4 ... ··""'"U<\""\.'··~H·."\:...-,,)f••.'.,.J!., ...il..~_'....

(22)

tät und Effizienz anstrebt, wie

sie

von seiten der Unterneh- mer in ihrem Interesse definiert wird. Gleichzeitig wäre es . aber auch ein Fehler, wenn wir dieses Problem ausblenden würden, _insbesondere unter

Krisenbedin~ungen,

denn dies brächte die

~ewerkschaften

gegenüber den Unternehmern mit Sicherheit in eine untergeordnete Defensivposition.

Diese

Neuorientierung der

Inhal~e

von Produktivität und Effizienz' eröffnet für die Gewerkschaftsbewegung jedoch eine

Möglich~:

keit, andere Effizienzparameter zu entwickeln und zu erfor- ischen, was jedoch keine leichte Aufgabe ist.

Bruno Trentin: Hinsichtlich der Intergration von Zeit in die Maschinerie haben wir vielleicht eine etwas andere Akzent- ; setzung. Man kann. die Entwicklung. und Anwendung neuer Tech-' nologien unter verschiedenen Aspekten, auch unter dem Zeit- aspekt, untersuchen, wobei sich alle Faktoren auf den Kom- plex "Organisation der Arbeit" zurückführen lassen. Es ist abei relativ leicht, .in der Theorie den Anwendungsbereich und die Anwendungsmöglichkeiten der Technologie zu

bestimme~

die harten ökonomischen Probleme stellen sich dann jedoch bei der konkreten Einführung neuer Produktionsverfahren in Form der Auseinandersetzung um die Arbeitszeit, um längere oder erweiterte, vielleicht auch um kürzere Taktzeiten.

Wir haben auf diesem Gebiet bisher in zwei Richtung,en gear-.

beitet, die etwas von den Überlegungen zur Integration von Zeit in die Technologie abweichen. Eine Konzeption bezieht sich allgemein darauf, die Technologie mit bestimmten Ge- sundheitsbedürfnissen kompatibel zu

mac~en.

Die andere Kon- zeption bezieht sich auf eine Technologie, die

f~r

eine qualitativ veränderte Arbeitsorganisation funktional und anpassungsfähig ist und die in ihrem Anwenaungsbereich eine größere Flexibilität besitzt. Ich würde dabei einen stärkeren Akzent auf eine Technologieveränderung nach Flexi- bilitätsgesichtspunkten als auf die Integration von Zeit

in~

die Maschinerie legen. "

1

Wie schon Ferdinando erwähnte, gibt es im Bereich der ersten

t

:;••-~ ~-I'.~.:;'...,....""'... ..,'...I'.·.·...'II,~L'~·,.,"'...t,...·;".(.:.~... '.;.".,~L'».~:'").: ...It':.,11"'..:.:"',·~:•._!...<;~...·.:r...-r, '••~'"''''''';." :;. '. ;.• ',.,.!~.'~~._...'';'.•• _ ... ....!h.-..t_;}' " . . ...:~ "':;.- :.-'~'. , _ ..•".'~ "

(23)

Konzeption für die Gesundheitsbedürfnisse eine Reihe von Er- fahrungen aus Untersuchungen und Verhandlungen, die

verschi~

dene Produktionsbereiche betreffen, und die dort nicht nur reaktiv, sondern präventiv eingreifen. Damit haben wir be- gonnen, insbesondere die eindeut'igen arbeitsbedingten Ge-

r

sundheitsgefährdungen zu beseitigen.

S

Im Fall Fiat hat die Gewerkschaft beispielsweise das vertrag-

~ .

· f lich abgesicherte Recht. erkämpft, technologische Investitio-

.

Cj

nen innerhalb des Unternehmens nicht nur mitzubestimmen, son-

~ ,

': dern auch von Mal zu Mal die jeweiligen Prioritäten zu ver-

, handeln. In der Lackiererei von Fiat haben wir dabei den

'.

~

Produktionsablauf allein aus ergonomischen Gesichtspunkten

·

'

~

um Hinblick auf die Gesundheit ,der Arbeiter verändert und

..~

:; dabei einige Resultate erzielt. Mit diesem Forderungstyp wur-

~

de in der Lackiererei ein erster Durchbruch erzielt, und

~

kürzlich wurde damit die Roboterisierung gesundheitsgefähr- ,

~.~

dender Arbeitsplätze durchgesetzt. Ich möchte dabei betonen;

: daß wir technische Veränderungen, vorrangig in Bezug auf die'

,.

;, Gesundheit der Arbeiter anstreben und daß wir über diese

Fr~

~

; gen, vorerst nur in einigen Großbetrieben, direkt 'in

Verhan~

j .

~

lungen stehen. Dabei möchte ich noch einmal unterstreichen,

~

daß dies für uns eine wiederaufgenommene und feststehende

~ .

~

gewerkschaftliche Praxis ist.

· Auf diesem Gebiet stellen sich noch eine ganze

Reih~

von Auf- : gaben, obwohl es bereits in einigen Sektoren, insbesondere

~

in der Stahlindustrie und der chemischen Industrie, fort-

~ sch~ittliche

Lösungen und Projekte gibt. Diese Projekte be-

~ ziehen nicht nur die ~nnerbetriebliche Arbeitssituation und.

; die Arbei tsumwel t mit ein, sondern berücksichtigen, von der.

r

Fabrik ausgehend, auch außerbetriebliche Aspekte der Region, rwie beispielsweise Probleme der 'ökologie oder~Probleme der

t

; Gesundhe1tsversorgung •.

f

Im Gegensatz zur Roboterisierung gesundheitsgefährdender Ar-

f~beitsplätze

ist es jedoch ein viel schwierigeres Problem,

f eine qualitativ veränderte Technologie zu gestalten, die ~it

t .

:'menschlicher Arbeit in Verbindung steht, denn eine solche

l

(24)

,Technologie müßte Elemente der Planung und Leitung des Produk-

~

tionsprozesses durch die Arbeiter beinhalten. Das einfachste : Beispiel für eine Alternative zum Montageband ist die Orga-

;' nisation' der Arbeit durch

Produktionsinseln oder wenigstens

~durch

eine Segmentierung des Bandes, die eine Gruppenarbeit

~

"ermöglicht und die zwischen den einzelnen Bandbereichen ent-

o

sprechende

puffer~6nen

vorsieht; dies 1st eine Möglichkeit,

~

..' den Produktionsprozeß

elastischer zu gestalten.

Diese Formen

.~eziehen

sich natürlich nicht so sehr auf die Technologie und

;, sind deshalb auch aus

ganz einsichtigen Gründen

viel leich-

: ter umsetzbar , zumal die daJ:ei' entstehenden Investitionskosten

; nicht übermäßig hoch sind. Wichtige Schritte sind in dieser

~Richtung,

so meine ich, in einigen Sektoren der Elektroindu-

r strie gemacht worden, wo

beispielsweise bei Olivetti die al-

~ te Fließproduktion überwunden

wurde.

; Es ist jeoch viel schwieriger

I

sich einen Eingriff in den

; Mechanismus dieser Technologie vorzustellen, insbesondere

~wenn man an die Montage von großen Einheiten, wie es

bei-'

: spielsweise Automobile oder Lastkraftwagen sind, denkt.

'Auch wenn dies theoretisch absolut-nicht unmöglich

ist und ,t

. auch wenn es von der Technologie her keine unüberwindbaren Hindernisse gibt, entstehen dabei jedoch Kostenprobleme, sei

es ebmal wegen der gegenüber traditionellen Produktionsfor- . men generell höheren Anfangsinvestitionen oder sei ,es wegen.

der erhöhten Amortisationskosten und der zeitlichen Ausla- : stung der Anlagen.

t

Von 'seiten der

Gewerkscha~t

haben wir mit Verhandlungen und Verträgen einige Erfahrungen gemacht, die die Arbeitsorga-

nisation selbst modifiziert haben und die die Zusammenlegung von bestimmten Arbeitsvollzügen betrafen. Dabei wurden zwar vorerst die Arbeitsplätze

selbst nicht anger~xchert,

jedoch, wurde eine Flexibilität hinsichtlich der Taktzeiten

erreich~

wodurch die Arbeiter mit Hilfe von Montageinseln von den streng vorgegebenen Rhythmen

am Band befreit wurden.

Dieses ,

~t

Experiment in der Motorenmontage von Fiat funktioniert

s~hri

gut, wenn man bedenkt, daß es bereits einen qualitativen

:!

...···t·. -.",'t"J.·_';"~~·f"'~)J';~'··!..""...\t> ...),...~-i...""'--.'f'oo'\·Il.\iI;1:~:f'·.• '...··lt._~,~...~~.,..,. •.~',...l~:.-. •~-'"... -'- . .·~__.1··.~4...'.;..:.;: ... ..,.h,:..~I,d~-;";'..:. •;"~ ~. ' t ' . ;,,0',~.A·';:"'.. _. ,~", .•~ _.~. .'':'':Y,"~

(25)

,Schritt bedeutet, wenn der Arbeiter nicht mehr ganz und gar

.

~an die vom Fließband vorgegebenen Taktzeiten gebunden ist

"und er an der Montageinsel innerhalb einer bestimmten Zeit

'!

den Arbeitsrhythmus selbst bestimmt. Allerdings, sind jedoch

"

::die Investitionen für eine solche Produktionsform drei- bis..:

.

- .

:~iermal

so hoch wie für ein traditionelles Montageband. Gera-

i'

'de aber die Kostenfrage stellt für die gewerkschaftliche Str~

~;tegie in diesem Bereich ein wesentliches Problem dar. Die Kontrolle über die Tech;"1\ologie, die Modifikation von Takt-

, ' I

~

.

'zeiten und die Wiederzusammenfassung von Arbeitsaufgaben 'sind, wenigstens in den meisten Fällen, untrennbar mit den ,'noch viel generelleren Überlegungen über die Produktion und

!~die Produkte selbst sowie über die soziale Organisatiori der

,

Gesellschaft verbunden.

I

Frage: Inder deutschen Eisen- und Stah~industrie führ~e die IG Metall einen großen Arbeitskampf, um' e~nen Einstieg in die ,'35-Stunden-Woche durchzusetzen. Das gesteckte Ziel konnte

I

"nicht erreicht w~rden. Kennen Sie diesen Tarifabschluß und

r.wie schätzen Sie dieses Ergebnis ein?

~runo Trentin: Wir haben über diesen Tarifabschluß eigentlich

~kein Urteil abzugeben. Ich m6chte jedoch dazu bemerken, ohne

! I

dabei eine Bewertung vorzunehmen, daß er für die deutsche Stahl industrie zwar nicht die eigentlich angestrebte Form

"

~der Arbeitszeitverkürzung, so aber doch für die Arbeiter ei-

" '

:ne Verlängerung des Urlaubs erreicht hat, was ebenfalls eine

} .

~wichtige Forderung ist. Allerdings unterscheiden wir in Ita-

r '

,

'lien zwischen einer Verkürzung der Jahresarbeitszeit, die

l~eine Verlängerung des Urlaubs ja eigentlich d~rstellt, und

" ,

; einer Arbeitszeitverkürzung, die sich auf eine Verminderung• :'der täglichen und w6chentlichen Arbeitsstunden bezieht. Nach 1unserer Einschätzung erm6glicht erst die letztere Strategie

~einen

wirksamen Eingriff in die Arbeitsorganisation, und rÜber diese Form der Arbeitszeitverkürzung läßt sich dann'

r ,

'auch die Beschäftigungsproblematik etwas besser kontrolliere~

" .. ' - . -, ... _ . • • . . .:.- .•..•~~.• , • . . . . .~;.~•. l ,.•••..••__:'·_""'''_:_~•._ .•. _•.7_~,,'''••·_'';:~;'~_:'''''·':'';·· ;tl.",· ._ .... :._ •• ·~--i '_' . ' , . _ : - . ' ._.

(26)

, Ich möchte aber in diesem ~~samrnenhangnoch einmal auf die

.

: italienische Situation eingehen. Bei einer Strategie zur Ar-

"beitszeitverkürzung haben wir immer einen wesentlichen.Ak-

• zent auf die Kontrolle der überstunden gelegt, um damit die - tatsächlich wöchentlich und monatlich geleistete Arbeitszeit

• überwachen zu können. Wie ich vorher schon erwähnte, könnte

i: ,

~ nämlich ein Vertrag über eine jährliche Reduktion der Ar- :beitszeit, also eine Urlaubsregelung, ohne Kontrolle der

überstunden für das gewerkschaftliche Ziel auch ein Schritt

~.--,...~ - - - _ . _ - - _ . _ '.--~._....

nach hinten sein,

Frage: E~n anderes Beispiel qualitativer Tarifpolitik in der Bundesrepublik stellt der Absicherungstarifvertrag der

IG Metall in Nordbaden/Nordwürttemberg dar. Die Lohn-

,gruppe~absicherungsollte vorrangig die Wahrung des firlan- ziellen Besitzstandes gewährleisten und"als Instrument

; zur Abwehr von Dequalifizierung der Arbeiter dienen. Auch :hier konnte vorerst nur eine Zwischenlösung erreicht ~erden.

.Welche Probleme sehen in diesem' Zusammenhang die italieni- schen Gewerkschaften?

Ferdinando Chiaromonte: Ich kenne die genauen Modifikationen dieses Vertrages zu wenig, um eine präzise Einschät,zung ab- geben zu, können, würde aber meinen, daß eine solche Forde- rung nicht von den Auswirkungen von Innovations- und Ratio- nalisierungsprozessen auf die Qualifikationsentwicklung und von der Verteidigung der Qualifikation des Arbeiters iso- . liert werden darf. Wi~ alsGewer~schaften,~ersuche~

in diesen Umstrukturierungsprozeß so einzugreifen, daß das Qualifikationsniveau zumindest verteidigt ode~ sogar erhöht werden kann. In diesem Zusammenhang sind wir dabei - Ansät- ze gibt es in einigen natio~alen Tarifverträgen - neue Be- rufsprofile zu entwickeln" die die Veränderunge~ im Produk-

;'---'.' .·•.,~.,...,;:,,-u~·,·"'l.;.·~n."":4·~.,,-.,.......c ...i<oÖ.' ....::r'.,:.o.'(*.- ....,..';." ...""::._,,-.:...~....:,,: .V' ...~.'.::;....A. . . : ..., ..._.,.~. .~ " " . , ••

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