Wer bin ich?
Was sagen mir meine Gene?
Prof. Theo Dingermann
Institut für Pharmazeutische Biologie Biozentrum
Max-von Laue-Str. 9 60438 Frankfurt am Main
Sind die verrückt geworden?
Freitag, 4. Februar 2011
Lass uns mal eben eine Bibliothek zusammenstellen!
Eine Bibliothek
• mit 1.200 Bände
• à 1.000 Seiten
• à 3.000 Buchstaben
Lass uns mal eben eine Bibliothek zusammenstellen!
• deren Buchstaben wir zwar entziffern können
• deren Text wir vielleicht lesen können
• aber deren Inhalt wir (noch) kaum verstehen.
Eine Bibliothek
Freitag, 4. Februar 2011
Genetische Information codieren und realisieren
DNA
Zwischenspeichern
mRNA
Realisieren
Protein
Dekorieren
Genetische Information lesen
Die Qualität und die Reihenfolge von Buchstaben bestimmen den Sinn der hinterlegten Information
Gentechnologie
AGCTTGAACT
Freitag, 4. Februar 2011
Genetische Information lesen
Die Qualität und die Reihenfolge von Buchstaben bestimmen den Sinn der hinterlegten Information
Gentachnologie
AGCA TGAACT
Die sind alles andere als verrückt gewesen!
Freitag, 4. Februar 2011
Ein vorläufiger Höhepunkt der Revolution in den Biowissenschaften
Beginn der Revolution in den Biowissenschaften
1953 entdeckten der Brite Francis Crick und US-Amerikaner James Watson, die
Doppelhelix-Struktur der universellen
Erbsubstanz: der Desoxyribonukleinsäure
(DNS bzw. DNA).
Ein vorläufiger Höhepunkt der Revolution in den Biowissenschaften
Beginn der Revolution in den Biowissenschaften
1953 entdeckten der Brite Francis Crick und US-Amerikaner James Watson, die
Doppelhelix-Struktur der universellen
Erbsubstanz: der Desoxyribonukleinsäure (DNS bzw. DNA).
Freitag, 4. Februar 2011
Ein vorläufiger Höhepunkt der Revolution in den Biowissenschaften
Beginn der Revolution in den Biowissenschaften
1953 entdeckten der Brite Francis Crick und US-Amerikaner James Watson, die
Doppelhelix-Struktur der universellen
Erbsubstanz: der Desoxyribonukleinsäure
(DNS bzw. DNA).
Ein vorläufiger Höhepunkt der Revolution in den Biowissenschaften
Entdeckung der DNA im Jahre 1953
Entschlüsselung des humanen Genoms im Jahre 2001/2003
50 Jahre
Freitag, 4. Februar 2011
Ein vorläufiger Höhepunkt der Revolution in den Biowissenschaften
Die Umsetzung einer verrückten Idee mit dem Start des humanen Genomprojektes im Jahre 1989
Entschlüsselung des humanen Genoms im Jahre 2001/2003
14 Jahre
Industrialisierung der molekularen Medizin
… weg von der problemorientierten Forschung
… hin zur systematischen Forschung
Freitag, 4. Februar 2011
Das humane Genomprojekt – eine globale Leistung
Eine Bibliothek
• mit 1.200 Bände
• à 1.000 Seiten
• à 3.000 Buchstaben
3.200.000.000 Buchstaben
Der Mensch ?
Freitag, 4. Februar 2011
Die Menschen !
Die Menschen !
Wir Menschen unterscheiden uns im Aussehen und in anderen Eigenschaften, ...
... weil zwei Genome im Schnitt alle 1.000 Buchstaben einen Unterschied („Fehler“) aufweisen (= 3 pro Seite).
Freitag, 4. Februar 2011
Zur Sicherheit lieber alles doppelt!
Nicht in einer Bibliothek sondern in zwei Bibliotheken ist die Information für menschliches Leben gespeichert.
• mit 2.400 Bände
• à 1.000 Seiten
• à 3.000 Buchstaben
6.400.000.000 Buchstaben
6,4 Milliarden Buchstaben
Abgelegt in 46 Chromosomen Aufgereiht auf 2 Meter DNA
In jeder der 14 Milliarden Zellen unseres Körpers
Alle Information ist doppelt vorhanden, weil das sehr viel sicherer ist!
Risiko
Freitag, 4. Februar 2011
Wir kennen nicht nur alle Buchstaben. Wir kennen auch die wichtigsten Variationen.
Single Nucleotide Polymorphisms (SNPs)
…TGGCTAGACTAGACATT…
…TGGCTAGACTAGACATT…
C C
…TGGCTAGACTAGACATT…
…TGGCTAGA TTAGACATT…
C T
…TGGCTAGA TTAGACATT…
…TGGCTAGA TTAGACATT…
T
T
Wie sieht denn das alles bei mir aus?
Freitag, 4. Februar 2011
www.23andme.com
www.23andme.com
Freitag, 4. Februar 2011
www.23andme.com
Fragen, die man sich stellen kann
1. Wurde hier tatsächlich meine DNA analysiert?
Freitag, 4. Februar 2011
Augenfarbe
56 % 37 % 7 % 72 % 27 % 1 %
Blonde vs. braune Haare
Felix vor ca.
25 Jahren:
Deutlich verringerte Wahrscheinlichkeit für blonde Haare
Typischerweise blonde Haare
Freitag, 4. Februar 2011
Ohrenschmalz –
fettig/feucht oder trocken/schuppig?
Nahezu alle Europäer und Afrikaner haben feuchtes Ohrenschmalz, wohingegen Asiaten zu 80 – 95 % trocken/schuppiges
Ohrenschmalz haben.
fettig/feuchtes Ohrenschmalz
Fragen, die man sich stellen kann
2. Finde ich in meinem Genom Eigenschaften, die ich
immer schon vermutet habe, die ich aber nun schwarz auf weiß demonstriert bekomme?
Freitag, 4. Februar 2011
Lactose-Intoleranz
Wahrscheinlich Lactose-tolerant
Schmerzsensitivität
Verminderte Schmerzsensitivität
Freitag, 4. Februar 2011
Fragen, die man sich stellen kann
3. Finde ich in meinem Genom Eigenschaften, die mich
wirklich überraschen? ... oder auch nicht?
Übergewicht
63,4 % der Europäer, die meine Genausstattung besitzen, entwickeln Fettleibigkeit im Alterzwischen 17 und 59 Jahren.
Durchschnittlich entwickeln 63,9 % der Europäer im Alter zwischen 17 und 59 Jahren eine Fettleibigkeit.
Freitag, 4. Februar 2011
Übergewicht
Der Eintrag der genetischen Veranlagung für das
Gesamtrisiko liegt zwischen 64 – 84 %
Kurzer Themenwechsel
Sind „Krankheit“ und „Gesundheit“ fixe Größen?
Freitag, 4. Februar 2011
Sterbekurven 1900 und 2000
Sterbekurven 1900 und 2000
Freitag, 4. Februar 2011
Sterbe- und Krankheitskurven 1900 und 2000
1900: ca. 7 % der 9 % Lebenden waren gesund, d.h. 2 % waren krank
Ist man tatsächlich gesund, wenn man glaubt gesund zu sein?
1900: ca. 7 % der 9 % Lebenden waren gesund, d.h. 2 % waren krank 2000: ca. 32 % der 58 % Lebenden sind gesund, d.h. 28 % sind krank
Freitag, 4. Februar 2011
Fragen, die man sich stellen kann
4. Finde ich in meinem Genom Eigenschaften, aus denen
ich Konsequenzen ziehen sollte?
Altersdiabetes
43,3 % der Europäer, die diesen Genotyp besitzen, entwickeln einen Typ-2-Diabetes im Alter zwischen 20 und 79 Jahren
Durchschnittlich entwickeln 23,7 % der Europäer im Alter zwischen 20 und 79 Jahren einen Typ-2-Diabetes.
Der Eintrag der genetischen Veranlagung für das
Gesamtrisiko liegt bei 26 % .
Freitag, 4. Februar 2011
Altersdiabetes – und die Konsequenzen
BMI: KG
cm X cm
73 182 X 182
= 22,04
BMI < 25 Normalgewicht BMI < 30 präadipös
BMI > 30 adipös
83 25,06
Altersbedingte Maculadegeneration (MD)
13,4 % der Europäer, die diesen Genotyp besitzen, entwickeln im Alter zwischen 43 und 79 Jahren eine AMD.
Durchschnittlich entwickeln 7 % der Europäer im Alter zwischen 43 und 79 Jahren eine AMD.
Freitag, 4. Februar 2011
Herzinfarkt
17,5 % der Europäer, die diesen Genotyp besitzen, werden einen im Alter zwischen 40 und 79 Jahren einen Herzinfarkt erleiden.
Durchschnittlich erleiden 21,2 % der Europäer im Alter zwischen 43 und 79 Jahren einen Herzinfarkt.
Der Eintrag der genetischen Veranlagung für das
Gesamtrisiko liegt bei Frauen bei 38 %, bei Männern bei 57 %.
Risikofaktoren sind das Alter, Rauchen und Alkohol, zu
Fragen, die man sich stellen kann
5. Finde ich in meinem Genom Informationen, wie ich mit Arzneimittel umgehe?
Freitag, 4. Februar 2011
Coffein-Metabolismus
Menschen, die Coffein langsam abbauen, sollten wenig Kaffee und
andere Coffein-haltige Getränke trinken, da mit einem erhöhten Coffein- Konsum das Herzinfarktrisiko deutlich steigt.
Ferner können solche Menschen auch untypisch auf folgende Medikamente reagieren: Antidepressiva, Östrogen, Theophyllin, Marcumar, verschiedene Mittel gegen zu hohen Blutdruck u.a.
Schneller Metabolisierer für Coffein
Lumiracoxib und Leberschäden
Wegen dieser Gefahr wurde Lumiracoxib aus dem Handel genommen!
Stark erhöhtes Risiko, bei
Einnahme von Lumiracoxib einen Leberschaden davonzutragen.
Freitag, 4. Februar 2011
Simvastatin und Muskelschäden
Deutlich erhöhtes Risiko, bei Einnahme von Simvastatin mit Muskelschmerzen zu reagieren.
Simvastatin und Muskelschäden
SLCO1B1 = leberspezifischer Anionentransporter ABCG2 = ABC-Transporter G2
ABCB1 = ABC-Transporter; P-Glykoprotein
Freitag, 4. Februar 2011
Simvastatin und Muskelschäden
SLCO1B1 = leberspezifischer Anionentransporter ABCG2 = ABC-Transporter G2
ABCB1 = ABC-Transporter; P-Glykoprotein
Gen SNP TD IZ
SLCO1B1 rs4149056 TC TT ABCG2 rs2231142 CA CC
ABCB1
rs1128503 TT TC ABCB1 rs2032582 TT TC ABCB1
rs1045642 TT TC
Tamoxifen
Patientinnen, die das Enzym CYP2D6 nicht in einer funktionsfähigen Form besitzen, werden praktisch nicht behandelt, obwohl sie jeden Tag ein Medikament einnehmen!
Tamoxifen ist nur eine Vorstufe
der Wirkstoff heißt Endoxifen Das Enzym CYP2D6 katalysiert diese Umwandlung
Freitag, 4. Februar 2011
Tamoxifen
!
Fragen, die man sich stellen kann
6. Will ich eigentlich alles wissen, was ich heute wissen könnte?
7. Wie steht es mit Datenmissbrauch?
Freitag, 4. Februar 2011
Erhöhte Risiken vs. verminderte Risiken?
Zusammenfassung
Letztlich sollte bzw. muss jeder entscheiden, ob er oder sie soviel über sich selbst wissen will ...
...oder ob es ihm oder ihr reicht, zu wissen, dass man das alles wissen könnte.
Vielen Dank, dass Sie mir so lange zugehört haben.
Freitag, 4. Februar 2011