Kreisdelegiertentag | 20.03.2010 | Dorfgemeinschaftshaus Namborn
Antrag 1
Themengebiet: Demographische Entwicklung
Der Demografische Wandel…..
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…oder: Eine Herausforderung für die zukünftige Gestaltung im Rahmen der 2
kommunalen Entwicklung und Siedlungsplanung im Kreis St. Wendel 3
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I. Die Ausgangssituation
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Zu Beginn des 21. Jahrhunderts steht unsere Gesellschaft vor einer besorgniserregenden 6
Entwicklung: Die sinkende Geburtenrate und die höhere Lebenserwartung resultieren in 7
einer zunehmenden Überalterung. Glich die Struktur der deutschen Bevölkerung im Jahre 8
1900 noch einer Pyramide, so weist sie 2010 vielmehr die Form einer Urne auf. Handelt es 9
sich auch um kein rein deutsches Problem, so ist doch selbst in Nachbarstaaten – wie 10
Frankreich oder Österreich – eine konträre Situation des Bevölkerungswachstums zu 11
beobachten; bis 2050 wird die Bevölkerungsdichte dort um 11,3% bzw. 10,8% steigen, in 12
Deutschland hingegen um 9,4% sinken (von 82,3 Mio. auf 77,6 Mio.).
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Auch im Saarland tritt dieses Phänomen auf. Nach Vorausberechnungen des statistischen 15
Landesamtes wird die Einwohnerzahl in 50 Jahren unter 800.000 sinken. Fast jeder dritte 16
Saarländer kann zur Gruppe der Rentner gezählt werden und der Anteil der jüngeren 17
Generation und somit unserer zukünftigen Leistungsträger nimmt stetig ab. Diese 18
prekären Umstände stellen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft vor neue signifikante 19
Probleme und wesentliche Herausforderungen:
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Im Fokus stehen die Folgen für Dörfer und Städte, wie beispielsweise der 22
wohnungsbauliche bzw. gewerbliche Leerstand – v.a. in Ortszentren –, der Wegfall von 23
Lebensmittelläden zur Grundversorgung und anderen Geschäften, die Abwanderung 24
ansässiger Ärzte, ein stetiger Mitgliederschwund der Vereine und eine geringe Auslastung 25
von Kindergärten und Schulen mit konsekutiver Schließung derselbigen.
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Nicht zu unterschätzen ist gleichermaßen die mit dem demografischen 28
Bevölkerungsschwund ebenfalls verbundene steigende finanzielle Belastung der 29
öffentlichen Haushalte, die vor allem aus Steuermindereinnahmen und der damit 30
einhergehenden Verteuerung der öffentlichen Infrastruktur pro Kopf resultiert. Die aus 31
dieser Entwicklung folgenden Maßnahmen – bspw. die Einschränkung von Leistungen der 32
Verwaltungen oder öffentlicher Einrichtungen – können eine rapide sinkende Attraktivität 33
des Kreises nach sich ziehen und erfordern somit nicht nur eine verbesserte 34
Familienpolitik sondern vielmehr die Konzentration auf konstruktive und effiziente 35
Gegenmaßnahmen. Vorschläge zu diesen Gedankengängen, unter Berücksichtigung einer 36
nachhaltigen und langfristigen Entwicklungsplanung im Hinblick auf ökologische, 37
ökonomische und soziale Faktoren nach dem Prinzip der nachhaltigen Entwicklung 38
(„sustainable development“), werden im Folgenden erläutert.
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II. Lösungsansätze
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1. Infrastrukturelle Aspekte 42
a) Überregionale und nachhaltige Siedlungspolitik:
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Ziel ist die effektive Zusammenarbeit der Verantwortlichen, um bestehende 44
Neubaugebiete zu füllen, dabei aber gleichzeitig die innerdörfliche Besiedlung 45
zu fördern, um die Attraktivität der Dörfer und Kleinstädte zu erhalten und eine 46
Abwanderung der Bevölkerung („Urbanisierung“) zu verhindern. Dabei stehen 47
folgende Punkte im Mittelpunkt der Bestrebungen:
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- Förderung innerstädtischen/-örtlichen Bauens verstärken 49
- Kein Ausweis neuer Wohngebiete (s. aber auch LEP Saalrand) 50
- Altbaurenovierungsförderungsprogramm auf überregionaler Ebene 51
- Verkehrsberuhigung in den Ortsmittelpunkten (Umgehungsstraßen, 52
Fußgängerzonen,…) 53
- Ankauf und Abriss nicht benötigter, nicht renovierungswürdiger Gebäude 54
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b) Zentralisierende Gewerbepolitik:
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Ergebnis sollte die Schaffung bzw. Beibehaltung einer möglichst 57
flächendeckenden wohnortnahen (fußgängig erreichbaren) Versorgung sein.
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- Förderung der Ansiedlung bzw. der Erhalt von zumindest grundversorgenden 59
Geschäften in den Stadt-/Dorfzentren 60
- Unterstützung bei Gründung; Zusammenführung mit Post/Banken 61
- Verbesserung der Attraktivität (Zufahrt, Parkplätze,…) 62
- Anderweitige Verwendung ungenutzter bzw. brachliegender Gewerbeflächen 63
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c) Bündelung wichtiger Einrichtungen:
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aa) Auf Verwaltungsebene:
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Im Fokus steht der leichte Zugang zu allen Verwaltungsleistungen bei 67
gleichzeitiger Kosteneinsparung; dabei darf es keine „Tabu-Themen“ geben.
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- Überarbeitung bzw. Optimierung der Gemeindestruktur 69
- Eingliederung von Gemeinden ohne ausreichende Einnahmen (GewSt,…) 70
- Zusammenarbeit hinsichtlich geeigneter Verwaltungsleistungen 71
- Zusammenlegung von Ämtern, Verantwortlichkeiten 72
- Schaffung „mobiler Bürgerämter“
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bb) In Bezug auf die Gesundheitsfürsorge:
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Die bereits beschriebenen Entwicklungen hinsichtlich der Altersstruktur 76
verursachen eine große Nachfrage und zugleich ein geringeres Angebot in 77
diesem Bereich. Dem gilt es entgegenzuwirken:
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- Gewährleistung des unmittelbaren Zugangs zumindest zu einem 79
Allgemeinmediziner („Hausarzt“) 80
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d) Sicherung des Nahverkehrs 84
Gerade in unserer ländlichen Region ist – vor allem vor dem Hintergrund der 85
nicht vermeidbaren Bündelung von Versorgungsleistungen – eine angemessene 86
Verkehrsanbindung unerlässlich. Im Kern bedeutet dies:
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- Busse sollen auch weiterhin kleinere Dörfer an mehreren Haltestellen 89
anfahren (vgl. „Schees“ in Marpingen/Alsweiler) 90
- Gewährleistung der Anbindung sämtlicher Dörfer im Kreis (zumindest zwei 91
Mal täglich) 92
2. Familienpolitische Aspekte:
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Ziel ist die verstärkte Ansiedlung junger Familien in den Dörfern des Kreises St.
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Wendel. Um dies zu erreichen, muss die Attraktivität vor Ort sicher gestellt 95
werden. Eine solche Verbesserung der „weichen Standortfaktoren“ kann erzielt 96
werden zum Beispiel durch:
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- Sinnvolle Schaffung und Bewahrung familien- und kinderfreundlicher 98
Freizeitangebote, wie Spiel-/Sportplätze, Bolzplätze (vgl. Urexweiler), 99
Schwimmbäder, Tennisplätze, Wanderwege,…
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- Verlagerung von VHS-Angeboten verstärkt in die Orte 101
- Stärkung der Vereine und intensive Werbung für dieselbigen 102
- Unterstützung von Veranstaltungen, wie Kirmes, Weihnachtsmärkte und 103
Dorffeste 104
- Schaffung von Möglichkeiten auch im kulturellen Bereich:
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Wanderausstellungen, Büchermobile, Theateraufführungen (der Schule), 106
Kunstausstellungen (Galerien), Büchereien,....
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3. Ehrenamt als ambivalentes Instrument 108
Die Entwicklung der Altersstruktur und der damit verbundene Anstieg der 109
Rentnerzahl stellen zugleich eine Herausforderung und eine Chance dar. Über 110
ehrenamtliche Tätigkeiten kann dieser Bevölkerungsgruppe eine Beteiligung am 111
gesellschaftlichen Leben erschlossen werden. Gleichzeitig kann die ältere 112
Generation durch ihre – organisatorische und aktive – Unterstützung das 113
Funktionieren von Vereinen sichern oder bspw. durch ihre Mitarbeit flexiblere 114
Öffnungszeiten bestimmter Einrichtungen ermöglichen (Bibliotheken, 115
Schwimmbäder, usw.).
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III. Zusammenfassung
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Lässt sich der demografische Wandel nicht aufhalten, muss die Politik angemessen 118
reagieren. Vorstehend wurden Lösungsansätze aufgezeigt, die es ermöglichen 119
könnten, die Attraktivität und Vorrangstellung unseres Kreises zu erhalten und 120
gleichzeitig die notwendigen Kosteneinsparungen vorzunehmen. Hauptanliegen 121
der Politik muss es entsprechend sein, die Grundversorgung der Bürger bei 122
optimaler Anpassung an die kommenden Realitäten zu gewährleisten.
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