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Vom Eidgenössischen Arbeitsamt zur Direktion für Arbeit | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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GESCHICHTE DER ARBEIT

46 Die Volkswirtschaft 10 / 2020

Vom Eidgenössischen Arbeitsamt zur Direktion für Arbeit

Seit der Gründung des Bundesstaates hat sich die Wirtschaft und somit die Arbeit grund­

legend verändert. Die Geschichte der Direktion für Arbeit widerspiegelt diese Transformation in den Aufgaben, die ihr in den letzten hundert Jahren zugeteilt wurden.  Guido Koller

D

ie Geschichte der modernen Schweiz beginnt düster: Kinderarbeit, lange Arbeitszeiten und kaum Schutz der Arbei- ter bei Unfällen und Krankheiten stehen am Anfang. Denn die Revolution von 1848, die das Ancien Régime ablöste, begrün- dete einen liberalen «Nachtwächterstaat».

Konkret heisst das: Der Bund beschäftigt sich mit der rechtlichen Vereinheitlichung des politischen und wirtschaftlichen Terri- toriums der Schweiz, überlässt die Regelung der Arbeitsverhältnisse aber dem Markt.

Aufgrund dieser Laisser-faire-Politik ver- schlechtern sich die sozialen Verhältnisse in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend. Mit der fortschreitenden Indus- trialisierung stellen sich deshalb auch Fragen des Arbeitsschutzes.

Einheitliche Regeln ab 1874

Erste Bemühungen, die Fabrikarbeit zu re- geln, machen noch die Kantone. Das Glarner Fabrikgesetz etwa führt 1864 den 12-Stun- den-Tag ein. Zuvor unterlag die Arbeitszeit allein dem Willen des Fabrikherrn. Erst mit der Revision der Bundesverfassung von 1874 wechseln Rechte und Schutz der Arbeit in die Kompetenz des Bundes. Das neue ge- samtschweizerische Fabrikgesetz postu- liert 1878 einen Arbeitstag von 11 Stunden und die Haftpflicht der Unter nehmer. Ab so- fort überwacht das Eidgenössische Fabrikin- spektorat zusammen mit den Kantonen die-

Abstract  Die Direktion für Arbeit wird hundert Jahre alt: Das Eidgenössische Arbeits­

amt, aus dem sie erwachsen ist, wurde 1920 gegründet. Dessen Zweck begründete der Bundesrat damals mit dem Versailler Friedensvertrag. Damit übernahm der Bund schrittweise die Steuerung der Arbeitsverhältnisse im liberal verfassten Schweizer Arbeitsmarkt: Das Amt fördert seither den Schutz und die Gesundheit der Arbeiten­

den und bekämpft die Arbeitslosigkeit. Hintergrund für die Entstehung eines solchen Amts waren die sozialen Spannungen in der zweiten Hälfte des 19. und die Krisen der Arbeit im 20. Jahrhundert. 1999 wurde die Direktion für Arbeit dem neu geschaffenen Staatssekretariat für Wirtschaft einverleibt. Das Eidgenössische Volkswirtschafts­

departement hatte sich im Bundesrat vergeblich für die Gründung eines Bundesamts für Arbeit eingesetzt.

se Bestimmungen, und Inspektoren kontrol- lieren die Fabriken.

Der Bund subventioniert auch die Arbeits- ämter, die Ende des 19. Jahrhunderts entste- hen, und überträgt ihnen die Arbeitslosen- unterstützung. Die ersten Arbeitsbüros ent- stehen zum Beispiel 1888 in Bern und 1895 in Genf. Sie dienen der Arbeitsvermittlung, dem Arbeitsnachweis, kontrollieren Arbeitslose und organisieren staatlich finanzierte Not- standsarbeiten.

Der Hintergrund für weitere bundesstaat- liche Interventionen in den liberalen Arbeits- markt ist der Erste Weltkrieg. In der Schweiz prägt der Landesstreik die politische Debat- te. Die revolutionäre Stimmung auf den Stras- sen und in den Fabriken wird von Polizei und Armee bekämpft. Die Politik kommt den For- derungen der Arbeitenden entgegen: 1919 erlässt der Bund das Bundesgesetz zur Ord- nung der Arbeitsverhältnisse. Ein Eidgenös- sisches Arbeitsamt soll befugt werden, «Ge- samtarbeitsverträge verbindlich zu erklären und Normalarbeitsverträge aufzu stellen».1 Dieses Gesetz wird aber 1920 in einer Volks- abstimmung abgelehnt. Die Revision des Fa- brikgesetzes hingegen führt 1920 zu einer weiteren Reduktion der Arbeitszeit und zu Schutzbestimmungen für Arbeiterinnen.

Schon 1919 beschloss der Bundesrat den Aufbau eines Amtes für Arbeitslosenfürsorge.

1 Bundesgesetz (BG) betreffend die Ordnung des Arbeitsverhältnisses, 27. Juni 1919; Bundesblatt (BBl), 1919, 3, 26, S. 846–853.

Dieses wird 1921 jedoch zugunsten des Eidge- nössischen Arbeitsamtes aufgelöst, welches nun aufgrund eines Beschlusses vom 8. Ok- tober 1920 eingerichtet wird. Die Vorgänger- behörde der heutigen Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft ist damit ge- boren. Das Amt soll sich um die Arbeitsver- hältnisse kümmern. Dazu gehören «Aufgaben, die aus der Zugehörigkeit zur Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) entstehen». «Im In- teresse der Vermeidung von Arbeitskonflik- ten» soll es insbesondere auch die Arbeitsbe- dingungen, die Kosten der Lebenshaltung und den Arbeitsmarkt beobachten.2

Die Begründung des Bundesrates für die Einrichtung eines solchen Amts, kurz nach der Abstimmungsniederlage von 1920, lohnt eine genaue Betrachtung: Seine Botschaft an das Parlament enthält einen Auszug aus dem Friedensvertrag von Versailles, der den Ersten Weltkrieg beendete: Demnach kön- ne «Friede nur auf dem Boden der sozialen Gerechtigkeit aufgebaut werden», und dazu sei die Verbesserung der Arbeitsbedingun- gen «dringlich erforderlich».3 Kurz: Der Bun- desrat orientiert sich an den Beschlüssen der ILO, die 1919 in Genf gegründet wurde.

Fusion zum Biga

Das Eidgenössische Arbeitsamt beginnt klein:

1925 hat es neun Stellen, darunter einen Ab- teilungssekretär, einen «Sekretär 1. Klasse», einen Sozialstatistiker, einen Hilfsstatistiker und drei Statistikgehilfinnen.

1930 wird das Eidgenössische Arbeitsamt mit der Abteilung für Industrie und Gewer- be zusammengeführt4, die schon seit 1888 bestand. Zu den Aufgaben der Abteilung ge- hörten zunächst der Arbeiter schutz mit dem

2 Bundesbeschluss (BB) über die Errichtung des Eidgenös- sischen Arbeitsamtes, 8. Oktober 1920; BBl, 1920, 4, 42, S. 405ff.

3 BB über die Errichtung des Eidgenössischen Arbeits- amtes, 23. Juni 1920; BBl, 1920, 3, 26, Beilage 1, S. 651ff.

4 BB über die Vereinigung der Abteilung für Industrie und Gewerbe und des Eidgenössischen Arbeitsamtes vom 21. Juni 1929; BBl, 1929, 1, 26, 956f.

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DOSSIER

Die Volkswirtschaft  10 / 2020 47 Fabrikinspektorat sowie die Berufsbildung.

Später kamen das Gewerbe (Werkstätten) so- wie die landwirtschaftliche und die berufli- che Bildung der Frauen dazu. Die aus der Zu- sammenführung entstandene neue Behörde im Eidgenössischen Volkswirtschaftsdeparte- ment (EVD), das Bundesamt für Industrie, Ge- werbe und Arbeit (Biga), besteht aus dem Fab- rikinspektorat, vier Kommissio nen für Fabriken, Werkstätten, Sozialstatistik und Preisbildung, drei Gremien mit Experten für das gewerbli- che, das industri el le und das kaufmännische Bildungswesen sowie einem Gremium mit

«Expertinnen für das hauswirt schaftliche Bil- dungswesen». Zu den «Direktionsadjunkten», welche heutigen Stabsmitarbeitern entspre- chen, gehört Dora Schmidt, die erste Frau in einer höheren Position in der Bundesverwal- tung. Als erstes Amt fördert das Biga gezielt Frauen in Führungspositionen: Martha Bännin- ger etwa ist 1939 Sektionschefin.

Das Biga reorganisiert sich im 20. Jahr- hundert immer wieder, um die Steuerung der Arbeitsverhältnisse, also die Verfügbarkeit so- wie den Schutz und die Gesundheit der Arbei- tenden, an jeweils neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Gegebenheiten anzupas- sen. Diese Veränderungen führen im Verlauf der Jahre zu einem Arbeitsmarkt, der immer stärker von Bund und Kantonen reguliert und kontrolliert wird.

Krieg und Konjunktur

Eine erste, einschneidende Anpassung ist in den Dreissigerjahren die Bekämpfung der wirt- schaftlichen Depression, insbesondere der Arbeitslosigkeit mit Arbeitsbeschaffungsmass- nahmen. Prägend war auch die Vorbereitung auf die Kriegswirtschaft: Nach den Erfahrun-

gen des Ersten Weltkrieges, in dem die Schweiz mangelhaft vorbereitet war, erhält der Bundes- rat 1938 weitreichende Kompetenzen für Be- schlagnahmungen, Enteignungen und Kon- trollen.

Das EVD gründet Kriegswirtschaftsämter parallel zur zivilen Verwaltung. Ab dem 4. Sep- tember 1939 bewirtschaft et das Kriegs-, Indus- trie- und Arbeitsamt Rohstoffe und den Einsatz von Arbeitskräften. Es gibt eine Arbeitsdienst- pflicht. Das Kriegs-Fürsorge-Amt befasst sich mit Problemen der Sozialversicherun gen. Das Biga selber betreffen diese Aufgaben nicht. Es umfasst 1939 weiterhin das Fabrikinspektorat sowie die erwähnten Kommissio nen. Neu ist die Kommission für Konjunkturbeobachtung.

1940 erlässt der Bund ein Heimarbeitsge- setz. Es gibt dem Bundesrat die Kompetenz, Mindestlöhne festzusetzen, um so die Ver- hältnisse insbesondere im Textilgewerbe zu verbessern.5 Die Vorkehrungen vermindern soziale Spannun gen. Die Schweiz kommt, gemessen am Ersten Weltkrieg, gut durch die Kriegsjahre.

Wirtschaftsboom ab 1950

Weitere wichtige Anpassungen in der Steue- rung des Arbeitsmarktes und der Arbeitsver-

5 Der 1949 verabschiedete Beschluss zur Förderung der Heimindustrie ist eine regionalpolitische Massnahme, findet Heimarbeit nun doch vor allem in ländlichen Gebieten statt; BB über die Förderung der Heimarbeit, 12. Februar 1949; BBl, 1949, 1, 7, S. 328–330. Eine Neu- regelung erfuhr die Heimarbeit in den 1980er-Jahren;

vgl. BG über die Heimarbeit, 20. März 1981; BBl, 1981, 1, 12, S. 823–828.

hältnisse erfolgen aufgrund des Wirtschafts- wachstums in den Sechzigerjahren, der Rezession in den Siebzigerjahren und der In- tegration in den europäischen Arbeitsmarkt in den Neunzigerjahren.

Nach 1950 steigt der Bedarf an Arbeits- kräften rasch an. Die Rekru tierung von soge- nannten Gast arbeitern im südlichen Europa erfolgt nach dem Rotationsprinzip: Die Bewil- ligungen werden nur befristet erteilt, sodass immer neue Arbeitskräfte in die Schweiz rei- sen. Zwischen 1950 und 1970 werden unter grossem Aufwand der Verwaltung drei Mil- lionen Bewilligungen für Saisonniers ausge- stellt.

In dieser Zeit boomt die paritätische So- zialpolitik, die von staatlichen Stellen geför- derten und moderierten Absprachen zwi- schen den Sozialpartnern – den Gewerk- schaften und den Arbeitgeberverbänden.

Schon 1941 sah ein Beschluss und 1956 ein Gesetz die Möglichkeit vor, Gesamtarbeits- verträge für allgemein verbindlich erklären zu lassen.6 Das Biga schätzt 1950, dass cir- ca 800 000 Personen – rund drei Fünftel der Arbeitnehmenden – einem solchen Ver- trag unterstehen. Die neue Arbeitssituation wird im Arbeitsgesetz von 1964 geregelt.7 Es dehnt den Schutz der Angestellten von den Fabriken auf weitere öffentliche und private Betriebe aus. Nun sind rund zwei Millionen Arbeitende dem Gesetz unterstellt.

Das Biga besteht 1965 nach wie vor aus dem Fabrikinspektorat und den erwähnten Expertengremien. Neu hinzugekommen ist ein arbeitsärztlicher Dienst in Zürich, der Fra- gen der Gesundheit am Arbeitsplatz bearbei- tet. Gemäss dem Staatskalender gehören zu den Aufgaben des Biga Arbeitsmarktfragen und die Sozialstatistik. Die Kommissionen des Bundes für die Steuerung der Konjunktur und des Arbeitsmarktes ändern in diesen Jahren immer wieder ihre administrative Zuordnung.

Wie schon in früheren Jahren beschäftigt das Biga Spitzenbeamte und -beamtinnen, die vor- oder nachher Karrieren in der Pri- vatwirtschaft oder in Wirtschaftsverbänden machen. 1965 zählt das Biga insgesamt 109 Beamte. Gemäss der Gosteli-Stiftung, dem Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung, ist die promovierte Juris- tin Nelly Jaussi seit 1948 «2. Adjunkt» und da- mit «die höchste Bundesbeamtin ihrer Zeit».8

6 Mit der Allgemeinverbindlicherklärung wird der Gel- tungsbereich eines Gesamtarbeitsvertrags ausgedehnt auf alle Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber der betreffenden Branche. Mehr Informationen auf Seco.

admin.ch.

7 BG über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel, 18. März 1964; BBl, 1964, I, S. 556–582.

8 Gosteli-Stiftung, Bestand 581, Nachlass Nelly Jaussi.

Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit förderte schon früh Frauen in Führungs­

positionen: Die Juristin Nelly Jaussi war um 1950 die höchste Bundesbeamtin.

RINGIER BILDARCHIV

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GESCHICHTE DER ARBEIT

48 Die Volkswirtschaft 10 / 2020

Guido Koller

Dr. phil. hist., Dienst Historische Analysen, Schweizerisches Bundesarchiv, Bern In den Siebzigerjahren geht die Wirt-

schaft aufgrund der Ölpreiskrise durch eine einschneidende Rezession, die eine steigen- de Arbeitslosigkeit und insbesondere in der Uhrenindustrie Strukturanpassungen zur Folge hat.

Arbeitslose in der Ölpreiskrise

Zu Beginn dieser Dekade geht die Einwan- derung schrittweise um nahezu 60 Prozent zurück, danach kommt sie ganz zum Er- liegen. Über 300 000 Personen müssen in ihre Heimatstaaten zurückkehren, was der Schweiz den Vorwurf einträgt, ausländi- sche Arbeitskräfte als Konjunkturpuffer zu missbrauchen. Die Arbeitslosenversiche- rung ist der Situation zunächst nicht ge- wachsen. Vor der Krise in den Siebzigerjah- ren war nur rund ein Sechstel der Erwerbs- tätigen versichert. Eine neue Konzeption der nun obligatorischen Arbeitslosen- versicherung wird 1976 in einer Volksab- stimmung angenommen.

Als die Konjunktur in den Achtzigerjah- ren wieder anzieht, führt Jean-Pierre Bon- ny das Biga. Das Amt umfasst nun fünf Ab- teilungen: eine für Arbeitnehmerschutz und Arbeitsrecht (inkl. Arbeitsinspektorat), eine für Arbeitskraft und Auswanderung sowie je eine Abteilung für Arbeitslosenversicherung, Berufsbildung und Sozialstatistik; und wei- terhin den arbeitsärztlichen Dienst. Hinzu kommt neu ein Dienst für internationale An- gelegenheiten.

Die Direktion für Arbeit

1994 verschickt der Bundesrat eine Botschaft zur Revision des Arbeitsgesetzes; sie betrifft die Flexi bilisierung der Arbeitszeit.9 Die Re- vision scheitert zunächst in einem Referen- dum. 1998 tritt das neue Arbeits gesetz nach Anpassungen bei den Schutzbestimmungen in Kraft.

In diesen Jahren wird die Wirtschaft nach liberalen Grundsätzen neu ausgerich- tet – Stichworte: «Freizügigkeit» und «Inte- gration in den europäischen Arbeitsmarkt».

Gleichzeitig beschäftigt sich der Bund mit ausgedehnten Regierungs- und Verwal-

9 Botschaft über die Änderung des Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel, 2. Februar 1994; BBl, 1994, 2, 13, S. 157–218.

tungsreformen. Das Biga wird 1998 unter der Leitung von Jean-Luc Nordmann in das Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit (BWA) übergeführt.10

Am 14. Juni 1999 beschliesst der Bundes- rat, das BWA und das Bundesamt für Aussen- wirtschaft (Bawi) im Rahmen des Projekts Mi- nerva zu einem neuen Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zusammenzuführen. Die- ser Beschluss stösst im EVD auf Kritik: Es hat im April 1999 die «Schaffung eines Bundes- amts für Arbeit» gefordert und diesen Antrag erst im Juni 1999 zugunsten einer Direktion für Arbeit im Seco zurückgezogen. Den Aus- schlag für diesen Entscheid gab die Überle- gung, wonach die Arbeit ein wesentlicher Teil der Wirtschaftspolitik sei.11

Unvereinbare Kulturen?

Das EVD kritisierte anfänglich, dass Bawi und BWA «bedeutend weniger» Doppelspu- rigkeiten aufweisen, als ursprünglich ange- nommen wurde. Entsprechend geringer fie- len die Synergieeffekte aus. Von der Reorga- nisation sind 570 Stellen betroffen. Der von der Bundeskanzlei veröffentlichte Schlussbe- richt zur Regierungs- und Verwaltungsreform hält im Jahr 2000 fest, dass die unterschiedli- chen Kulturen in diesen beiden Ämtern «sich kaum je eliminieren» lassen. Sie seien «nur in- soweit aufeinander abzustimmen, dass sie die Zusammenarbeit nicht beeinträchtigen». Die Autoren des Berichts setzen auf sogenannte weiche Faktoren wie «Kooperation in Form von Projekten und flexiblen Taskforces».

Das EVD macht sich Sorgen über die Grös- se des Amtes; die Zusammenfügung unter- schiedlicher Kulturen gilt nicht als effizient.

Das Departement hofft, dass «eigenständi- ge Führungsbereiche, die Verflachung der Hierarchie und eine flexible Organisation»

die Nachteile kompensieren. Einzelne Stim- men bedauern auch, dass die Berufsbildung aus dem Bereich Wirtschaft und Arbeit her- ausgelöst wird. Diese Aufgaben werden ins neue Bundesamt für Berufsbildung und Tech- nologie integriert. Auf Kritik stösst überdies

10 Verordnung über die Aufgaben der Departemente, Gruppen und Ämter vom 9. Mai 1979; Änderung vom 19.

Dezember 1997; Amtliche Sammlung des Bundesrechts (AS), 1998, 650.

11 Schweizerisches Bundesarchiv (BAR),

E7001D#2009/55#1415*, «MINERVA – Integration BAWI und BWA», 1999–2001; weitere Unterlagen dazu finden sich in E7001D#2009/55#1405*.

der Transfer des Bereichs Arbeitskräfte und Einwanderung vom EVD ins Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement. All dies führt zwar zu einer «insgesamt eher kritischen Be- urteilung der Reformen im Bereich Wirtschaft und Arbeit», wie der Bericht der Bundeskanz- lei konstatiert, dennoch sei die Integration der Arbeit in die Wirtschaftspolitik sinnvoll.12

Die Leitung des Seco übernimmt 1999 Da- vid Syz. Er übergibt 2004 an Jean-Daniel Ger- ber und dieser 2011 an Marie-Gabrielle In- eichen-Fleisch. Das Staatssekretariat verfügt über zehn Bereiche, darunter die Direktion für Arbeit.13 Sie wird 1999 von Jean-Luc Nord- mann geleitet und bearbeitet Fragen rund um die Arbeitsbedingungen mit dem Arbeitsin- spektorat sowie den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosenversicherung. Die inter nationalen Arbeitsfragen sind ebenfalls der Direktion zu- geordnet. 2007 folgt Serge Gaillard, der die Leitung 2012 Boris Zürcher übergibt. Heute umfasst die Direktion 227 Vollzeitstellen.

Der Rückblick zeigt, dass die Direktion für Arbeit eine grosse Kontinuität in ihren Aufga- ben aufweist. Ihr Ziel ist es, Menschen eine Arbeit für ein gesundes und würdevolles Le- ben zu ermöglichen. Die Behörde sorgt in Zu- sammenarbeit mit den Sozialpartnern und Kantonen seit 30 Jahren für klare Regeln beim Schutz der Arbeitenden, bei der Arbeitslosen- versicherung und der Öffnung des Arbeits- marktes nach der Einführung der Personen- freizügigkeit. Diese Kontinuität in der Steue- rung der Arbeitsverhältnisse in einem liberal verfassten Arbeitsmarkt geht zurück bis zum Eidgenössischen Arbeitsamt, das vor hundert Jahren gegründet wurde.

12 Regierungs- und Verwaltungsreform, Schluss- bericht, Bern 2000, S. 76–77, 109. Zu «REODEC»,

«Reorganisation des EVD im Rahmen der Regierungs- und Verwaltungsreform», 2000, vgl. das Dossier E7001D#2009/55#1411* im BAR.

13 Organisationsverordnung für das EVD vom 14. Juni 1999; AS, 1999, 2179.

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