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Europas Neue Machtbalance

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Academic year: 2022

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Europas Neue Machtbalance

«Europe's New Balance of Power»

by Dominik Hierlemann

Source:

Spotlight Europe (Spotlight Europe), issue: I / 2009, pages: 1­4, on www.ceeol.com.

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spotlight europe V isual # 2009 / I

Nach jahrelangem Ringen ist der Vertrag von Lissabon in Kraft. Mit neuen Ämtern an der Spitze ist die Macht in der Europäischen Union anders verteilt als zuvor. Wie viel Gewicht bringen die wichtigsten Brüsseler Politiker auf die Waagschale?

Europas

neue

Machtbalance

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spotlight europe V isual # 2009 / I

Als ständiger Präsident des Europäischen Rates gibt Herman Van Rompuy in den nächsten zwei- einhalb Jahren den Takt bei den EU- Gipfeln vor. Bislang hatten sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten in diesem Job alle sechs Monate abgewechselt. Nun soll Van Rompuy für mehr Konti- nuität sorgen. Der ehemalige bel- gische Premierminister kann sein Bett in Brüssel behalten, eine Heer- schar von Mitarbeitern hat er jedoch nicht. Als Europas oberster Modera- tor, Koordinator und Streitschlichter könnte er ein „König der internen Kompromissfi ndung“ werden.

Kein leichtes Unterfangen bei den immer weiter auseinanderdriften- den Interessen der 27 Mitgliedstaa- ten. Auch auf dem internationalen Parkett soll der Ratspräsident die EU vertreten – aber dort drängeln sich schon andere Politiker.

Die Britin Catherine Ashton soll der EU als Hohe Vertreterin für Au- ßen- und Sicherheitspolitik mehr Schlagkraft nach außen verleihen.

Die neue Chefdiplomatin wird die europäische Außenpolitik koordi- nieren und ihr Gesicht und Stimme geben. Bisher war Ashton EU-Han- delskommissarin, außenpolitische Erfahrung bringt sie kaum mit.

Doch dafür verfügt sie über eine starke institutionelle Stellung: Sie darf sich als Vorsitzende im Rat der Außenminister und Vizepräsidentin der Kommission mit einem „Dop- pelhut“ schmücken. Zudem ver- waltet sie die EU-Finanzmittel für Drittländer und wird von mehr als 6.000 Beamten des neuen Euro- päischen Auswärtigen Dienstes unterstützt. Dennoch dürften der Außenministerin oft die Hände ge- bunden sein: Alle außenpolitischen Entscheidungen müssen die nati- onalen Regierungen weiterhin ein- stimmig treffen.

Hohe Vertreterin für Außen- und Sicher- heitspolitik

Präsident des Europäischen Rates

Trotz der neuen Führungsfi guren bleibt das politische Tagesgeschäft weiter in der Hand des Präsidenten der Europäischen Kommission.

Der Portugiese José Manuel Bar- roso steht an der Spitze eines Kol- legiums von 26 Kommissaren und einer Verwaltung mit über 30.000 Beamten. Zusätzliches politisches Gewicht erhält der Kommissions- präsident, da er – im Gegensatz zum Ratspräsidenten – nach seiner Ernennung durch die Staats- und Regierungschefs auch vom Europä- ischen Parlament bestätigt wurde.

Barroso und seine Behörde kont- rollieren nicht nur die europäische Gesetzgebungsmaschinerie, son- dern auch die Umsetzung von Be- schlüssen und die Ausführung des EU-Haushalts. Auf der internationa- len Ebene vertritt die Kommission die EU in Fragen des Außenhandels, der Entwicklungshilfe und der Er- weiterungspolitik.

Präsident der Europäischen Kommission

Europäisches Parlament

Die Staats- und Regierungs- chefs der 27 Mitgliedstaaten sind oft genug unterschiedlicher Mei- nung. Schließlich treffen in Brüs- sel Befürworter der Integration auf EU-Skeptiker, Konservative auf So- zialdemokraten und Vertreter von Gründungsstaaten auf Politiker neu- er Mitgliedsländer. Doch am Ende jedes Streits muss in guter EU-Tra- dition stets ein Kompromiss stehen.

Besonders die politischen Schwer- gewichte wie Angela Merkel oder Nicolas Sarkozy lassen gerne ihre Muskeln spielen und prägen mit ih- ren Initiativen das europapolitische Geschehen. Den EU-Granden gefällt ihre Rolle als heimliche Chefs im europäischen Haus: Bei ihren Per- sonalentscheidungen für andere Spitzenpositionen achten sie sorg- sam darauf, dass ihnen die Auser- wählten nicht allzu sehr die Show stehlen.

Staats- und Regierungschefs

Das Europäische Parlament wird durch den Vertrag von Lissabon zu einem europapolitischen Schwerge- wicht. Kein europäisches Gesetz kann künftig ohne parlamenta- rische Beteiligung erlassen wer- den. In den meisten Politikberei- chen sind das Parlament und der Ministerrat sogar gleichberechtigt.

Das Europaparlament verabschie- det den jährlichen EU-Haushalt und muss allen internationalen Verträgen zustimmen. Auch bei der Besetzung vieler Spitzenpositio- nen kann das Parlament nicht mehr übergangen werden: So müssen die Abgeordneten den Kommissi- onspräsidenten, den europäischen

„Außenminister“ und die übrigen EU-Kommissare bestätigen. Not- falls kann das Europaparlament die Kommission durch ein Misstrauens- votum zum Rücktritt zwingen.

Access via CEEOL NL Germany

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spotlight europe V isual # 2009 / I

Kaum ist der Reformvertrag in Kraft, drohen bereits die ersten Konfl ikte: Unklare Jobbe- schreibungen, Machtkämpfe und Diskussio- nen über Fehlbesetzungen in den Spitzenäm- tern. Manch einer fragt sich: Haben wir zu viel vom Vertrag erwartet? Doch es gibt genügend Gründe für Aufbruchstimmung.

Nach acht Jahren Dauerdebatte über institutio- nelle Reformen hat die europäische Nabelschau nun endlich ein Ende. Die Arbeit ruft, der Blick richtet sich wieder nach vorn. Viele Probleme in Europa und der Welt warten darauf, endlich ent- schlossen angepackt zu werden. Die bisherige Entschuldigung, dass zunächst einmal das euro- päische Haus in Ordnung gebracht werden muss, gilt jetzt nicht mehr.

Wenn das international weitgehend unbekannte neue Spitzenteam zeigen kann, dass es mehr ist als nur der kleinste gemeinsame Nenner im eu- ropäischen Posten-Poker, könnte Europas Stim- me auf der Weltbühne schon bald besser gehört werden. Dank der neuen Strukturen und Gesichter kann die Wirtschaftsmacht EU endlich auch in der Außenpolitik auf Augenhöhe mit den Weltmäch- ten verhandeln.

Vereinfachte Arbeitsmethoden und neue Ab- stimmungsregeln wie die „Doppelte Mehrheit“

sorgen dafür, dass die EU-Institutionen auch mit 27 Mitgliedstaaten weiterhin handlungsfähig sind – künftigen Erweiterungsrunden steht nun nichts mehr im Wege. Entscheidungsblockaden werden abgebaut, so dass Probleme künftig schneller und effi zienter gelöst werden können.

Mit dem neuen Vertrag heißt es auch in der EU:

Mehr Demokratie wagen. Das gestärkte Europä- ische Parlament wird als Stimme des Volkes noch einfl ussreicher. Auch die nationalen Parlamen- te können sich nun stärker europäischen The- men widmen – das stärkt das Bewusstsein für die EU. Der Schwarze Peter kann nun nicht mehr ganz so leicht nach Brüssel geschoben werden.

Vielen Menschen erscheint Brüssel immer noch als ferner, unerreichbarer Planet. Mit dem neuen Vertrag wird Europa ein Stückchen bürgernäher.

Das neue Europäische Bürgerbegehren bedeu- tet mehr politische Mitspracherechte für Jeder- mann und soll dabei helfen, dass Europa und sei- ne Bürger wieder enger zueinander fi nden.

Neue Chancen?

Mit dem Vertrag von Lissabon soll Vieles bes- ser werden: die EU demokratischer und hand- lungsfähiger, das Regieren koordinierter und die Außendarstellung einheitlicher. Schön, wenn es so kommt. Aber im Vertrag selbst sind potenzielle Konfl ikte angelegt.

Die EU will auf der Weltbühne endlich mit einer Stimme sprechen. Doch der Kompetenzstreit ist bereits absehbar: Sowohl der Präsident des Euro- päischen Rates als auch die „EU-Außenministe- rin“ sollen Europa auf dem internationalen Par- kett vertreten. Doch wer greift in Brüssel künftig zum Telefon, wenn Anrufe aus Washington, Mos- kau oder Peking eingehen?

Die Chefs der nationalen Regierungen werden sich vom neuen Spitzenduo kaum etwas vor- schreiben lassen. Sie achten auf ihren Einfl uss in Brüssel und werden den Profi lierungsspielraum der Neuen einschränken. Wie gut, dass der Rats- präsident bereits signalisiert hat, sich mit der Rol- le des Moderators und Vermittlers zu begnügen.

Aber vielleicht verspürt auch er ab und an Lust auf etwas Glamour und würde sich gern auf gro- ßer Bühne präsentieren?

Bislang wird die EU bei internationalen Gip- feln wie den Treffen der G8 oder G20 neben den Staats- und Regierungschefs auch durch den Kommissionspräsidenten und die rotierende Ratspräsidentschaft vertreten. Doch wer gibt in dem vielstimmigen europäischen Chor eigent- lich den Ton an, wenn demnächst auch noch Van Rompuy und Ashton am Tisch Platz nehmen?

Künftig bleibt der rotierenden Ratspräsident- schaft nur noch der Vorsitz in den Fachminis- terräten, um eigene europapolitische Akzente zu setzen. Die eigentlichen „Rosinen“ der Ratspräsi- dentschaft – der Vorsitz im Europäischen Rat und im Rat der Außenminister – fallen ersatzlos weg.

Wie funktioniert die neue Arbeitsteilung? Und vor allem: Welche Bühne erhalten die nationalen Re- gierungschefs?

Während die Staats- und Regierungschefs oft von kurzfristigen nationalen Interessen geleitet sind, hat der Kommissionspräsident das langfristige Wohl der gesamten EU im Blick. Doch Barroso galt bislang bei vielen als verlängerter Arm der mitgliedstaatlichen Regierungen. Wird er nach seiner Wiederwahl selbstbewusster und unabhän- giger gegen die nationalen Egoismen vorgehen?

Neue Konfl ikte?

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spotlight europe V isual # 2009 / I

Konzeption:

Dr. Dominik Hierlemann Bertelsmann Stiftung, Gütersloh

Mitwirkung:

Christian Heydecker, Duisburg Frederike Müller,

Bertelsmann Stiftung, Gütersloh

Verantwortlich für den Inhalt:

Dr. Dominik Hierlemann Joachim Fritz-Vannahme Bertelsmann Stiftung Carl-Bertelsmann-Straße 256 33311 Gütersloh

Grafi sche Umsetzung:

KircherBurkhardt GmbH Oranienburger Straße 66 10117 Berlin

www.kircher-burkhardt.com

Impressum

Das Plakat steht wie alle anderen Ausgaben des „spotlight europe“ im Internet zum Download zur Verfügung.

www.bertelsmann-stiftung.de/spotlight

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