Stellungnahme
zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des dritten Sozialgesetzbuches
und anderer Gesetze
15.05.1997
I. Generelle Bemerkungen
Die erste Novelle zum im März 1997 verabschiedeten AFRG strebt einige wenige substanzielle Änderungen an. Diese Änderungen werden vom DGB meist unterstützt. Insbesondere die angestrebte Regelungen zur illegalen Beschäftigung sowie zur privaten Berufsberatung und Vermittlung von Ausbildungsstellen werden als unzureichend angesehen (siehe Teil II.)
Angesichts der sich verschärfenden Arbeitsmarktprobleme ist der Entwurf eines ersten Gesetzes zur Änderung des dritten
Sozialgesetzbuches insgesamt jedoch sehr enttäuschend.
Im wesentlichen werden nur jene Bestimmungen wieder eingebracht, die schon früher im Entwurf eines AFRG enthalten waren. Sie waren auf Betreiben der Regierung wieder aus dem Entwurf herausgenommen
worden, nachdem sie keine Mehrheit im Bundesrat gefunden hatten. Auf diese Weise sollte die Zustimmungspflichtigkeit des Gesamtgesetzes im Bundesrat umgangen werden.
Nun, da die Umgehung des Bundesrats erfolgt ist, tauchen die zu diesem Ziel entfernten Teile des ursprünglichen Entwurfs wieder auf.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält diesen Umgang mit dem Verfas- sungsorgan Bundesrat für problematisch. Ein für das Arbeits- und Wirtschaftsleben so bedeutsames Recht wie das der Arbeitsförderung, kann ohne Beteiligung der Länder nicht funktionieren. Die Aufteilung der Regelungsmaterie in materielle, zustimmungsfreie Inhalte und administrative, zustimmungsbedürftige, zerschneidet den sachlichen Zusammenhang in nicht zu rechtfertigender Weise. Es liegt deswegen eine Umgehung der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung vor.
Der DGB appelliert an die Bundesregierung, zumindest die
Bestimmungen des AFRG zu korrigieren, die sich als kontraproduktiv erweisen und zur Verschärfung der Arbeitsmarktsituation beitragen;
dies gilt ebenso hinsichtlich der Lasten der Arbeitslosigkeit, die den Arbeitnehmern unter Mißachtung ihrer verfassungsrechtlich geschützten Rechte aufgebürdet werden. Es handelt sich dabei insbesondere um folgende Gesetzesinhalte:
1. Verfassungswidrige Regelungen
Der DGB kritisiert, daß nicht versucht wird, die
verfassungswidrige Verschärfung der Anrechnung von Abfindungen sowie die Verschärfung der Zumutbarkeit zu korrigieren. Der DGB verweist erneut auf die von Verfassungsrechtlern erstellten
Gutachten für den DGB. Sie kamen zu dem Ergebnis, daß unter Bruch der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, des
Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 GG und des Rechts auf freie Wahl von Beruf und Arbeitsplatz nach Art. 12 GG Leistungen von Arbeitnehmern und Arbeitslosen drastisch reduziert wurden.
Nach Auslaufen der Übergangsregelung werden Sozialpläne keine Abfindungsregelungen mehr vorsehen können und damit
sozialverträgliche Umstrukturierungsprozesse nahezu unmöglich machen. Zugleich wird dies dazu führen, daß jüngere Menschen noch weit schneller entlassen werden. Verwiesen wird gleichfalls auf die Kritik nahezu aller Experten zu der Anhörung im Rahmen des AFRG. Zugleich wird auf das Gutachten des DGB zum Wegfall des Berufsschutzes und der nochmaligen Verschärfung der Zumutbarkeit verwiesen. Es besteht die Gefahr, daß sich der
Verdrängungswettbewerb zu Lasten der Geringqualifizierten enorm
verschärft. Die Besetzung offener Stellen scheitert keinesfalls an einer fehlenden Arbeitsbereitschaft der überwiegenden Mehrzahl der Arbeitslosen.
2. Nichteinhaltung von Tarifen
Bisher war unstrittig, daß vom Arbeitsamt vermittelte Bewerber nur zu tariflichen oder ortsüblichen Bedingungen beschäftigt werden durften. Hierdurch sollte die Konkurrenz zwischen Arbeitslosen und Beschäftigten reduziert werden. Diese Regelung dient insbesondere dem sozialen Frieden und sicherte die Neutralität der
Arbeitsämter.
Im AFRG wird diese grundsätzliche Akzeptanz der Tarifverträge aufgegeben:
- Bei der Vermittlung von Arbeitslosen in Beschäftigung, - bei der Gewährung von Lohnkostenzuschüssen,
- beim Eingliederungsvertrag,
- bei öffentlich geförderter Beschäftigung.
Damit stellt der Gesetzgeber erstmalig grundsätzlich die
Tarifhoheit der Tarifvertragsparteien in Frage. Das in Deutschland geltende Tarifsystem wird weiterhin von der Mehrheit der
Arbeitgeber und von den Gewerkschaften befürwortet. Beide sind bemüht, durch ständige Anpassung an neue Gegebenheiten das Tarifsystem zu reformieren. Dazu zählen auch Regelungen zur Eingliederung von Arbeitslosen, zur Eingliederung von
Langzeitarbeitslosen und zur Schaffung und Sicherung von Ausbildungsplätzen.
Es konnte bisher nicht nachgewiesen werden, daß das Tarifsystem die Eingliederung von Arbeitslosen verhindert hätte. Der DGB appelliert deswegen an den Gesetzgeber, zu Regelungen
zurückzukehren, die das Tarifsystem unterstützen und nicht dazu beitragen, es zu beseitigen.
Für äußerst problematisch hält der DGB, daß bei Zuschüssen an Arbeitgeber auf dem regulären Arbeitsmarkt das
berücksichtigungsfähige Arbeitsentgelt nicht mehr an die
tarifliche Entlohnung gebunden ist. So beispielsweise in § 221 Abs.2 AFG der die Bedingungen für eine erhöhte Förderung bei
Eingliederungszuschüssen regelt. Er sieht vor, daß Eingliederungs- zuschüsse um bis zu 10%-Punkte höher festgelegt werden können, wenn das berücksichtungsfähige Arbeitsentgelt wegen der
Minderleistung des Arbeitnehmers abgesenkt wird. Untertarifliche Bezahlung soll damit systematisch aus Beitragsmitteln gefördert werden. Der DGB tritt nachdrücklich dafür ein, diesen Absatz nicht zuletzt wegen der Eingriffe in die tarifpolitische
Regelungskompetenz und die wettbewerbsverzerrenden Wirkungen zu streichen.
3. Verschärfung der ABM-Förderung
Das Zuweisungskriterium der 90%-Quote steht einer wirksamen
Nutzung dieses Instruments ebenso im Wege wie die neu eingeführten restriktiven Vergabeverfahren. Problematisch ist gleichfalls der jetzt festgeschriebene 20%ige Einkommensabstand zum regulären Arbeitsmarkt, der vielfach zu Armut trotz Erwerbstätigkeit führen kann. Auch die Kopplung der Förderung nach § 249h und § 242s AFG an untertarifliche Bezahlung widerspricht dem Ziel, qualitative, anspruchsvolle und möglichst dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen.
4. Versicherungsanspruch bei mehr als geringfügiger Beschäftigung Dringenden Korrekturbedaf sehen wir gleichfalls hinsichtlich der Neuregelung der Versicherungspflicht bis zur
Geringfügigkeitsgrenze. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld soll ab 1998 entfallen, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht, das nur knapp über der Geringsfügigkeitsgrenze liegt. Es ist eine
Fehlkonstruktion, bei der Arbeitslosenversicherung, gleiche
Grenzen für die Versicherungspflicht und den Versicherungsanspruch festzulegen. Ein Arbeitslosengeldanspruch darf nicht schon dann
entzogen werden, wenn ein Teilzeiteinkommen von nur knapp oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze besteht, das zur Existenzsicherung nicht ausreicht.
5. Ausdehnung der Leiharbeit
Mit den zum 1.4.1997 in Kraft getretenen Änderungen wird das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in sehr starkem Maße ausgehebelt.
Diese Änderungen werden dazu führen, daß das Heuern und Feuern von Leiharbeitskräften noch größer und das Arbeitgeberrisiko in
steigendem Maße auf die Betroffenen und die
Versichertengemeinschaft abgewälzt wird. Der Ausbau eines Status sozialer Unsicherheit von Gesetzes wegen widerspricht den
Anforderungen hinsichtlich der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer und der Übereinstimmung mit dem Sozialstaatsprinzip, wie es auch an das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zu stellen ist. Der DGB hält es nach wie vor für dringend erforderlich, daß Leiharbeitskräfte bereits beim ersten Einsatz grundsätzlich unbefristet eingestellt werden und das Synchronisationsverbot nicht ausgehebelt wird.
Zugleich sollte sichergestellt werden, daß Leiharbeitskräfte nicht dazu mißbraucht werden können, tarifliche und sozialstaatliche Standards zu unterlaufen.
6. Eingliederungsbilanz
Die im AFRG bisher vorgesehenen Kriterien zur Eingliederungsbilanz sind nur von sehr begrenzter Aussagekraft. Die Bilanz ist auf den kurzfristigen Eingliederungserfolg ausgerichtet, während
längerfristige Eingliederungsaspekte und qualitative Veränderungen weitgehend ausgeblendet bleiben. Tatsächlich jedoch können
unterschiedliche Arbeitsmarktstrukturen sehr viel stärker auf den Eingliederungserfolg durchschlagen als der unterschiedliche
Einsatz der Förderinstrumente durch einzelne Arbeitsämter.
Der bloße Eingliederungserfolg und die Kosten pro Eingliederung können und dürfen nicht der alleinige Maßstab sein. Selbst in den USA, wo zeitweise mit dem Kriterium Kosten pro Eingliederungsfall gearbeitet wurde, ist wieder Abstand davon genommen worden, weil sie zur Begünstigung der wettbewerbsfähigsten Arbeitslosen und nicht etwa der besonders benachteiligten Gruppen geführt hat.
Schwedische Erfahrungen warnen ebenfalls vor unbedachten
Erfolgsbilanzen im regionalen Vergleich, weil sie Innovationen eher entmutigen als ermutigen. In Schweden setzt man stärker auf dialogische Verfahren der Erfolgskontrolle. Zugleich müßte sicher- gestellt werden, daß die regionale Wirkungsforschung ausgebaut wird. Die Indikatoren selbst sollten um qualitative und
längerfristige Eingliederungsaspekte (wie berufliche Stabilisierung, Verbesserung der Vermittlungsfähigkeit, Strukturverbesserung etc.) erweitert werden.
Über die zentralen für änderungsbedürftig angesehenen Regelungen des AFRG hinaus regt der DGB folgende zusätzliche Instrumente an, um einen wirksameren Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit leisten zu können:
1. Ein nach eindrucksvollen Erfahrungen in Nachbarländern sehr wirksames Instrument der Beschäftigungspolitik ist die
Teilzeitarbeit und die Förderung der freiwilligen Unterbrechung der Arbeit für längere Perioden. Nach geltendem Recht tragen die finanziellen Lasten und das berufliche Risiko von Teilzeitarbeit allein die Arbeitnehmer. Das ist beschäftigungspolitisch
verfehlt. Es sind Konstruktionen zu entwickeln, die die finanzielle und sozialversicherungsrechtliche Lage
Teilzeitbeschäftigter verbessert und damit die Motivation für Teilzeitbeschäftigung erhöhen. Dafür müssen alle Beteiligten - Sozialversicherungsträger, Teilzeitarbeitnehmer, Arbeitgeber und Staat - ihren Beitrag leisten. Das Ziel der Förderung von Teilzeitarbeit ist in das Arbeitsförderungsrecht aufzunehmen
sowie Leistungen der Arbeitslosenversicherung, die Teilzeit und Arbeitsunterbrechungen und finanziell tragbar machen.
2. In illegaler und ungesicherter (geringfügiger) Beschäftigung wird ein wachsender Teil des gesamten Arbeitsvolumens Deutschlands erbracht. Dadurch werden die aufgrund des Sozialstaatsprinzips gebotenen Regelungen des Arbeits- und Sozialrechts ausgehöhlt.
Dieser Prozeß muß unverzüglich umgekehrt werden. Die Herausnahme geringfügiger Beschäftigung aus der Versicherungspflicht muß aufgehoben werden. Die Sozialversicherungspflicht ist
grundsätzlich auf alle Arbeitsverhältnisse auf alle
Erwerbspersonen auszudehnen. Arbeitsrechtliche Vorkehrungen müssen es den Arbeitnehmern, die illegal oder geringfügig
beschäftigt sind erleichtern, ein geschütztes Arbeitsverhältnis durchzusetzen. Die Verantwortung von Arbeitgebern für den Respekt des Sozialrechts bei ihren Auftragnehmern muß weit über die
schüchternen ordnungswidrigkeitsrechtlichen Ansätze des geltenden Rechts hinaus ausgedehnt werden. Es besteht zur Zeit ein starker Trend bei größeren Arbeitgebern, Kosteneinsparungen durch
illegale Beschäftigung durch als selbständige Unternehmer auftretende Mittelsmänner zu realisieren.
3. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zur Förderung
betrieblicher Beschäftigungspolitik sollten ausgeweitet werden.
Im betriebswirtschaftlichen Kalkül ist Beschäftigungsabbau überaus erwünscht. In volkswirtschaftlicher Gesamtsicht aber stellt er eine extreme Belastung da. Natürliche Vertreter der volkswirtschaftlichen Gesamtverantwortung können aufgrund ihrer Verantwortung für die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten die Betriebsräte werden. Ihre rechtlichen Möglichkeiten sind so auszubauen, daß sie dieser gemeinwohlorientierten Aufgabe auch gerecht werden können.
4. Das Arbeitsförderungsrecht muß spezifischen Problemen in der Bauwirtschaft gerecht werden. Wie in keinem anderen
Wirtschaftszweig hat die Bauwirtschaft unter gesetzlichen, fiskalischen und konjunkturpolitischen Entwicklungen zu leiden.
- Mit der Abschaffung des Schlechtwettergeldes ist ein
Finanzierungsmodell beseitigt worden, das jahrzehntelang auch den in der Bauwirtschaft Tätigen ein etwa gleichbleibendes ganzjähriges Einkommen gewährleistete. Das Schlechtwettergeld war eine vorzügliche wichtige Regelung, die das
sozialgeschichtlich uralte Elend der in diesem Zweig Beschäftigten während der Schlechtwetterperiode durch ineinandergreifende tarif- und sozialrechtliche Regelungen behob.
- Die Werkvertragsabkommen mit mittel- und osteuropäischen Staaten belasten vorrangig die Baubranche, wo sie über die zulässigen Entsendezahlen weit hinaus deutsche Arbeitnehmer verdrängen. Im Umfeld der Werkvertragsunternehmen ist eine große Zahl illegaler Arbeitsverhältnisse festzustellen.
- Ein unzureichendes Entsendegesetz lastet es der Tarifpolitik auf, faire Löhne für entsandte Arbeitnehmer durchzusetzen und einer Unterbietungskonkurrenz durch Arbeitnehmer aus anderen EU-Ländern entgegenzuwirken. Die damit jetzt erreichte Regelung bleibt hinter dieser Aufgabe zurück. Der Schutz des
Arbeitsmarktes vor Lohndumping kann von den Tarifparteien
allein nicht gewährleistet werden. Er ist eine gesetzgeberische Aufgabe. Gesetzlich muß deswegen die Gleichheit der
Lohnbelastung von Entsendeunternehmen und deutschen Unternehmen geregelt werden.
- § 123 AFRG i.Verb.m. § 151 Abs. 1 AFRG bewirken, daß die Mög- lichkeit von Bauarbeitern, die während der
Schlechtwetterperiode entlassen werden, überhaupt
Arbeitslosengeld zu beziehen, allein von dem Gebrauch, den das
Bundesministerium für Arbeit von seiner Verordnungsmacht nach
§ 151 Abs. 1 AFRG macht, abhängt. Das ist inhaltlich
vollständig verfehlt. Ein Arbeitslosengeldanspruch der Bauar- beiter für Schlechtwetterzeiten ist unbedingt zu gewährleisten.
Es ist rechtsstaatlich absolut unannehmbar, daß über die Existenzsicherung der Arbeitnehmer einer gesamten
Wirtschaftsbranche allein der Verordnungsgeber zu entscheiden hat.
Eine Reform des Arbeitsförderungsrechts muß die derzeitige extreme Sonderbelastung der Arbeitnehmer im Baubereich korrigieren.
- Es ist eine neue Schlechtwetterregelung, die ein
gleichbleibendes Entgelt während der Schlechtwettermonate sicherstellt, im Einvernehmen mit den Tarifparteien der Bauwirtschaft zu entwickeln.
- Arbeits- und sozialrechtliche Regelungen sind zu treffen, die sicherstellen, daß in Deutschland tätigen Arbeitnehmern aus EU- Ländern und allen anderen Staaten der gleiche Lohn gezahlt wird, wie Deutschen und daß für sie Sozialversicherungsbeiträge in gleicher Höhe wie für Deutsche abgeführt werden.
- Stärkere Sanktionen bei festgestellten Verstößen von Betrieben aus MOE-Staaten, z.B. durch eine REduzierung der Kontingente.
II. Zu den einzelnen Regelungen
Zu den mit der Novelle beabsichtigten Regelungen nehmen wir wie folgt Stellung:
Zu Nr. 11ff - Beibehaltung der originären Arbeitslosenhilfe
Der DGB hat bisher stets betont, daß die Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe die Arbeitsmarktsituation und die
Eingliederungschancen des betreffenden Personenkreises verschlechtert und zu einer nicht zu rechtfertigenden
Lastenverschiebung auf die Kommunen führt. Deswegen ist zu begrüßen, daß in diesem Gesetzentwurf eindeutig klargestellt ist, daß die ori- ginäre Arbeitslosenhilfe beibehalten wird. Die Abschaffung der
originären Arbeitslosenhilfe würde überwiegend die Kommunen belasten, da die Bedürftigkeit bei dem betroffenen Personenkreis bereits festgestellt ist.
Zu Nr. 19
Die Gleichbehandlung von Arbeitslosengeld und
Arbeitslosenhilfebeziehern hinsichtlich der Ausnahmeregelungen ist sinnvoll. Deswegen begrüßt der DGB, daß die Zeiten von
Kindererziehung bzw. Pflege die Vorfrist für den Bezug von
Arbeitslosenhilfe verlängert. Mit dieser Regelung wird allerdings dem Ziel, Anspruchsverluste durch Zeiten der Kinderbetreuung zu vermeiden, nur unzureichend entsprochen. Angesichts des Mangels an Kindergartenplätzen und der Entscheidungsfreiheit der Eltern
hinsichtlich eines Kindergartenbesuchs sollten Erziehungszeiten bis zum Beginn des Schulbesuchs anspruchserhaltende Wirkung haben.
Zu Nr. 25
Der DGB hat grundsätzlich Zweifel, ob Arbeitslose weiterhin in einer privaten Krankenversicherung versichert sein sollen. Andererseits ist das Ausscheiden aus der privaten Krankenversicherung ein u.U.
mit sehr vielen Nachteilen für den Arbeitslosen verbunden. Eine Regelung, daß in diesen Fällen die Bundesanstalt auf Antrag auch Beiträge für die private Krankenversicherung übernehmen kann, ist angemessen. Allerdings sollte durch eine Regelung verhindert werden, daß nur "schlechte Risiken" zur gesetzlichen Krankenversicherung zurückkehren, während gute Risiken bei der privaten Krankenversiche- rung verbleiben. Der Gesetzgeber hat absichtlich die
Rückkehrmöglichkeiten aus der privaten Krankenversicherung
erschwert, eine kurzfristige Arbeitslosigkeit darf deswegen nicht zum "Hintertürchen" werden.
Zu Nr. 28
In § 273 ist vorgesehen, die Einsatzfelder für
Strukturanpassungsmaßnahmen zu erweitern. Der DGB begrüßt, daß auch die Vorbereitung und Durchführung der Denkmalpflege die
städtebauliche Erneuerung und der städtebauliche Denkmalschutz sowie die Verbesserung des Wohnumfeldes in den Maßnahmekatalog aufgenommen werden. Die stärkere Ausrichtung auf Wirtschaftsunternehmen des regulären Arbeitsmarktes kann allerdings zu einer ungewollten Einschränkung führen. In jedem Fall muß erreicht werden, daß auch Arbeitslose in die Maßnahmen eingebunden werden und daß es nicht zu Mitnahmeeffekten kommt. Deswegen sollten von der strengen
Vergabevorschrift Ausnahmeregelungen zugelassen werden.
Ebenso begrüßt wird die Erweiterung für die ostdeutschen
Bundesländer auf die Bereiche Breitensport und freie Kulturarbeit (Nr. 57). Gerade in diesen Bereichen hat es in den ostdeutschen Bundesländern einen starken Einbruch gegeben, der durch diese Förderung aufgefangen werden kann.
Zu Nr. 31 - Genehmigungsfreie Beschäftigung von Ausländern
Begrüßt wird, daß auch Ausländer, die nicht im Bundesgebiet geboren sind, aber eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis oder
Aufenthaltsberechtigung besitzen, künftig nicht mehr
genehmigungspflichtig sein sollen (§ 284 Abs.1 Nr.2 SGB III). Dieser zaghafte Beitrag zur Integration aufenthaltsberechtigter Ausländer ins Arbeitsleben macht allerdings eine grundsätzliche Neukonzeption des Rechts der Einwanderung und Integration nicht überflüssig. Dem DGB geht es vor allem darum, den Status aller langfristig
aufenthaltsberechtigten Ausländern hinsichtlich des Arbeitslebens dem Vollrechtsstatus weitgehend anzugleichen.
Zu Nr. 32
Der DGB lehnt nach wie vor die Berufsberatung durch private
natürliche oder juristische Personen oder Personengesellschaften ab.
Bemängelt wird insbesondere in diesem Zusammenhang, daß noch nicht einmal ein Zulassungsverfahren für private Berufsberatung
erforderlich ist. Es ist schwer nachzuvollziehen, warum für
Ausbildungsvermittlung und Arbeitsvermittlung höhere Anforderungen gestellt werden als für private Berufsberatung. Die Berufsberatung ist nach Auffassung des DGB bei den Arbeitsämter sinnvoll eingeglie- dert und wird von den Jugendlichen in hohem Maße in Anspruch
genommen. Dies wird auch von den ausbildenden Betrieben und den Schulen bestätigt.
Wenn schon kein Zulassungsverfahren vorgesehen ist, ist es um so mehr zu begrüßen, Regelungen einzuführen, die die Berufsberatung verbieten können. Allerdings müssen die Kontrollmöglichkeiten der Bundesanstalt für Arbeit ausgeweitet werden, so daß auch Kontrollen ohne konkreten Verdacht möglich sind. Die Berufsberatung ist ein sehr sensibles Feld. Bereits wenige Einrichtungen, die diese Möglichkeiten mißbräuchlich nutzen, können zu einer tiefen Verunsicherung der Jugendlichen führen.
Zu Nr. 37
Die Beschränkung von Prüfrechten bei Auftraggebern von Selbständigen auf juristische und ins Handelsregister eingetragene Personen ist nicht sachgemäß, weil große Unternehmen das System mehrfach
gestufter Subkontrakte verwenden, um der Verantwortung für falsch deklarierte Arbeitsverhältnisse zu entgehen und sich dabei auch nicht eingetragener Personen bedienen können. Solche
Umgehungsversuche werden in vielfacher, im einzelnen nicht prognostizierbarer Form vorkommen.
Zu Nr. 60
Der DGB hat bereits mehrfach davor gewarnt, die Übergangsregelungen zur Abfederung des sozialen Umbaus in den neuen Bundesländern zu früh außer Kraft zu setzen. Deswegen ist zu begrüßen, daß das Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit bis 24 Monate gewährt werden kann. Allerdings hält der DGB den Zeitraum bis 31. Dezember 1999 für zu kurz. Es wird
vorgeschlagen, diese Regelung mindestens bis zum Jahre 2002 zu verlängern. Es ist absehbar, daß bis zum 31. Dezember 1999 die Umstrukturierung in den ostdeutschen Bundesländern noch nicht abgeschlossen ist. Die bisherige Regelung hat sich nach Auffassung des DGB bewährt.
Bekämpfung illegaler Beschäftigung
Das Anliegen der zahlreichen hierauf bezogenen Änderungsanträge, insoweit die Zusammenarbeit der Verfolgungsbehörden zu verbessern und auszuweiten, Unterrichtungspflichten zu präzisieren und mit neuen Bußgeldtatbestände auch Fälle mittelbarer illegaler
Beschäftigung zu erfassen, entspricht alten Forderungen des DGB. Es reicht aber nicht, wie es die Änderungsanträge tun, lediglich das bestehende System der Bekämpfung illegaler Beschäftigung
fortzuschreiben und in einigen Bereichen zu verfeinern. Die illegale Beschäftigung hat sich in den letzten Jahren parallel zum Wachstum der Arbeitslosigkeit ausgebreitet. Der Umfang des in illegale oder legal unversicherte Arbeit vergebenen Beschäftigungsvolumens
entspricht in etwa dem Arbeitsvolumen, das zur Beseitigung der
derzeit bestehenden Arbeitslosigkeit notwendig wäre. Nach Teil 1 des Berichts der Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen zur Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland liegt derzeit der Beitrag von illegaler Beschäftigung und
Schwarzarbeit zum Bruttoinlandsprodukt bei 10 %, sind 13 % aller abhängig Beschäftigten ausschließlich geringfügig beschäftigt und arbeiten 2 % aller abhängig Beschäftigten in Scheinselbständigkeit.
Angesichts dieser Entwicklung sind neue Instrumente zur Durchsetzung der Versicherungspflicht dringend notwendig. Ein wirksames
Maßnahmebündel müßte nach Auffassung des DGB vor allen Dingen folgende Elemente enthalten:
• Bekämpfung mittelbarer illegaler Beschäftigung. Hier reichen die Ansätze der Änderungsanträge (§ 305 SGB III und § 304 Abs.3 SGB IV) nicht. Mittelbare illegale Beschäftigung findet meist in mehreren Stufen der Unterbeauftragung statt. Deswegen muß eine Verantwortung des Generalunternehmers für legale Beschäftigung auf allen Subkontraktebenen statuiert werden. Die
ordnungswidrigkeitsrechtliche Haftung ist durch eine Haftung für die Versicherungsbeiträge zu ergänzen. Beide Formen der Haftung dürfen nicht auf den Vorsatz beschränkt werden. Zwar enthalten die Änderungsanträge auch Fahrlässigkeitstatbestände.
Fahrlässigkeit verlangt jedoch die Verletzung von
Sorgfaltspflichten. Diese Sorgfaltspflichten müßten im Gesetz selbst definiert werden, weil die einschlägigen
Ordnungswidrigkeitstatbestände sonst ins Leere verweisen. Schon jetzt verstehen es Auftraggeber, die Erfüllung von
Sorgfaltspflichten vorzuspiegeln, indem sie pro forma in Beauftragungsverträge Verpflichtungen des Auftragnehmers, für legale Beschäftigung zu sorgen, aufnehmen. Wie im
Umwelthaftungsrecht sind weitgehende Organisations- und Kon- trollpflichten des Auftraggebers für alle Subkontraktebenen festzulegen.
• Legale versicherungsfreie Beschäftigung (insbesondere
geringfügige Beschäftigung) und illegale Beschäftigung sind nach ihrem ökonomischen Zweck weitgehend substituierbar. Wo illegale Beschäftigung behindert wird, können Unternehmer in legale geringfügige Beschäftigung ausweichen. Die geringfügige Beschäftigung ist darüber hinaus ein Vertragsstatus, mit dem Beitragshinterziehung hervorragend kaschiert werden kann. Die Arbeitszeiten werden einfach in schwer nachweisbarer Form verlän-
gert. Die Ausweitung des Anteils ausschließlich geringfügiger Beschäftigter an den abhängig Beschäftigten insgesamt von etwa über 4 % im Jahre 1970 auf nunmehr 13 % spricht insoweit eine deutliche Sprache. Das legale Alternativmodell für unversicherte Beschäftigung muß deswegen gestrichen werden.
• Notwendig ist es darüber hinaus, den Druck zur Kollusion mit dem Arbeitgeber, dem illegal beschäftigte Arbeitnehmer unterliegen, aufzulösen. Dazu müssen illegal Beschäftigte, die durch
gerichtliche Schritte oder Information von Behörden in ein
legales Beschäftigungsverhältnis beim selben Arbeitgeber wechseln wollen, unterstützt werden. Sie müssen von der Androhung von Geldbußen freigestellt werden, müssen ein Recht auf legale Beschäftigung erhalten, Ansprüche für längere Zeit rückwirkend geltend machen können und für die Zeit bis zu einem Jahr nach Klärung ihres Status gegen Kündigungsabsichten des bislang illegal beschäftigenden Arbeitgebers wirksam geschützt werden.
• Die Bekämpfung illegaler Beschäftigung muß verstärkt auch Aufgabe des Staates werden. Es reicht nicht, daß dieser sie an die
Sozialversicherungsträger delegiert. Diese unterliegen zu starken wirtschaftlichen Zwängen und werden deswegen Bekämpfungsmaßnahmen nicht weiter entwickeln als nach einem kurzfristig angelegten wirtschaftlichen Kalkül vertretbar. Ihre Tätigkeit muß deswegen durch eine aktivere und von hoher fachlicher Kompetenz geprägte Zusammenarbeit von Polizei, Ordnungsämtern und Justiz der Länder unterstützt werden. Insoweit ist es auch notwendig, daß die Zuständigkeit der Landesbehörden zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung in jeder Form herausgestellt wird. Auch sie
benötigen zu diesem Zweck die Rechte nach den §§ 305-308 SGB III.
Rolle des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Die Bestimmungen, die die Informationsbasis für das IAB
sicherstellen sollen, werden begrüßt. Das IAB muß möglichst wirksam davor geschützt werden, von Verwaltung und Politik
instrumentalisiert zu werden. Der DGB schlägt deswegen vor, in § 282 SGB III den Satz einzufügen: "Das Institut gibt sich ein vom
Vorstand/Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit zu genehmi- gendes Statut, das die Unabhängigkeit seiner wissenschaftlichen Tätigkeit gewährleistet".
Zu Artikel 2 Nr. 1
Auch der DGB sieht dringenden Handlungsbedarf für die Verbesserung der sozialen Absicherung der Seeleute. Die vorgeschlagene Regelung schafft für die Seeleute, die auf einem Schiff beschäftigt sind, das überwiegend Eigentum eines deutschen Reeders mit Sitz im Inland ist, eine zufriedenstellende Regelung. Für die Seeleute, die auf einem Schiff, dessen Reeder seinen Sitz im Ausland hat, beschäftigt sind, ist die Absicherung unzureichend. Die soziale Absicherung kann nicht in das Belieben des Arbeitgebers gestellt werden. Ein einzelner Arbeitnehmer hat keine Möglichkeiten, die Sozialversicherungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen. Auch durch internationale Absprachen muß versucht werden, die soziale Absicherung der Seeleute zu verbessern.
- - - 5. Nichtbeachtung von Tarifen
6. Der bereits erfolgte Wegfall des Alleinrechts zur Berufsberatung und die Zulassung gewinnorientierter Ausbildungsvermittlung wird dem besonderen Schutzbedürfnis Jugendlicher beim Berufseintritt keinesfalls gerecht. Vom DGB wird bemängelt, daß nicht einmal die ohnehin unzureichenden Kriterien der gewerbsmäßigen
Arbeitsvermittlung auf die private Berufsberatung und Vermittlung von Ausbildungsstellen übertragen wurde und mit dem ersten Gesetz zur Änderung des dritten Sozialgesetzbuches gleichfalls keine Änderung angestrebt wird.