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Seit 2005 enthalten neue Reisepässe einen RFID–Chip

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Ingrid Sehrbrock, stellvertretende Vorsitzende des DGB Veranstaltung „das Internet der Dinge“

RFID und allgegenwärtige Informationsverarbeitung am 12.12.2006 in Berlin Redebeitrag

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

über RFID und allgegenwärtige Datenverarbeitung wird heftig diskutiert: Vor allem in der Wirtschaft und in Expertenkreisen. Leider nicht in einer breiteren, gut informierten Öffentlich- keit. Angesichts des Veränderungspotenzials dieser Technologien ist das ein unhaltbarer Zustand.

Nach neueren Untersuchungen wissen 85% der Bevölkerung nicht, was RFID bedeutet und welche Konsequenzen ein flächendeckender Einsatz hätte. Dabei sind Funketiketten schon heute vielfach anzutreffen.

Beispiele:

• Seit 2005 enthalten neue Reisepässe einen RFID–Chip.

• Berührungslos und ohne Sichtkontakt lesbare Speicherchips gibt es zur Zugangskon- trolle auf Skipässen, WM–Tickets und anderen Eintrittskarten, als Wegfahrsperre auf Autoschlüsseln und vieles mehr.

• In der Produktion sind Funketiketten seit langem im Einsatz, z.B. in den Automobil- werken.

Dort erfordert die Vielzahl von Varianten auf einem Band die schnelle und eindeutige Zufüh- rung von Bauteilen mittels Funketiketten. Vor allem in Handel und Logistik hat diese Techno- logie schon länger Fuß gefasst. Handelskonzerne verpflichten ihre Lieferanten zunehmend, Kartons und Paletten mit RFID Technologie zu versehen.

Absehbare Entwicklungen:

Und auch das gibt es schon: das CD–Regal, das erkennt, welche Hülle entnommen wird, gezielte Werbung veranlasst und automatisch nachbestellt. Oder die Kasse, an der der Kun- de seine Einkäufe selbst scannt. Einzelne solcher Funktionen werden schon in mehreren Supermärkten getestet.

Der Metro Future-Store, aus dem diese Beispiele stammen, könnte schon bald alltäglich sein.

Der Preisverfall bei Chips, fortschreitende Miniaturisierung und Standardisierung eröffnen immer weitere Anwendungsmöglichkeiten. Unternehmen erwarten Quantensprünge bei der Steigerung ihrer Wirtschaftlichkeit und eine bessere Kontrolle der Wertschöpfungsprozesse.

Die Kammern informieren Klein- und Mittelbetriebe anhand von Referenzanwendungen, wie sie RFID für Wirtschaftlichkeit und Effizienz ihrer Unternehmen nutzen können. Ständig wer- den neue Szenarien für weitere Anwendungen entwickelt.

Beispiele:

• Bibliochips senken die Kosten des Buchverleihs und ermöglichen neue Dienstleistun- gen.

• In Kombination von RFID mit Sensoren für Temperatur und Feuchtigkeit kann die Qualitätskontrolle von Lebensmitteln oder Arzneien verbessert werden. Es ist z.B.

möglich zu kontrollieren, ob die Kühlkette unterbrochen wurde.

• Elektronische Bauteile können gekennzeichnet werden und so das Recycling erleich- tern.

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2 In allen Bereichen liegen Chancen für Wachstum und Beschäftigung. Der DGB unterstützt die Entwicklung neuer Märkte

Als exportabhängiges Land müssen wir mit innovativen Produkten und Dienstleistungen Vor- reiter sein. Sonst werden wir RFID-Anwendungen importieren. Mir ist bewusst, wie groß die Konkurrenz ist.

Der Staatssekretär im BMWi, Peter Hintze, will, dass Deutschland Weltmeister bei der RFID–

Technik wird. Das will ich auch, aber Technikentwicklung reicht nicht aus, um neue Märkte zu erschließen! Genauso wichtig sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

Vorrangiger Handlungsbedarf zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung und bei der Gestaltung der Arbeitswelt.

Im Vordergrund steht für mich, dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewahrt und die Arbeitswelt menschenwürdig gestaltet und nicht nur von technischen Ent- wicklungen gesteuert wird.

Die Möglichkeit, ohne Wissen der Verbraucher / Kunden ihre Daten zu erfassen und zu ver- arbeiten, ihre Bewegungen zu verfolgen und Persönlichkeitsprofile zu erstellen, gefährdet die Anonymität im Alltag. Dies ist eine neue Dimension der Bedrohung der Privatsphäre.

Die Frage lautet, wie kann ich weiter selbst entscheiden, wer was über mich erfährt?

Das ist ein verfassungsrechtlicher Anspruch.

Die Wirtschaft empfiehlt freiwillige Selbstverpflichtungen. Gesetzliche Regelungen betrachtet sie als Entwicklungshemmnis und lehnt sie vehement ab. Der Staat will keinen Handlungs- bedarf erkennen. Das ist kurzsichtig und gefährlich. Selbstverpflichtungen der Unternehmen sind nicht von vornherein abzulehnen. Sie fördern die Verbreitung guter Praxis.

Auch technische Vorkehrungen können in gewissem Umfang vor Missbrauch schützen.

Sie müssen aber durch eine Modernisierung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) flan- kiert werden. Der Staat hat Vorsorge zu treffen, dass die Grundrechte gewährleistet bleiben und die Systemrisiken bereits in einem frühen Entwicklungsstadium minimiert werden.

Dazu gehört die gesetzliche Verpflichtung, die Verwendung von RFID–Anwendungen kennt- lich zu machen, das Recht des Kunden auf Einsicht in die über ihn gespeicherten Daten und die dauerhafte Deaktivierung der RFID–Chips nach dem Kauf.

So auch die Empfehlungen der Konferenz der Datenschutz-Beauftragten des Bundes und der Länder (Okt. 2006) zu diesem Thema.

Aber statt vorausschauend im Interesse der Bürger zu handeln, läuft der Gesetzgeber den wirtschaftlichen Interessen hinterher. Besser wäre, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

Die Kontroverse um Bio- und Gentechnologie hat doch gezeigt, in welchem Maße fehlende Akzeptanz zum Hemmnis für die Verbreitung neuer Technologien werden kann.

Offenbar wird auch nicht erkannt, dass Deutschland damit auf den internationalen Märkten Standards setzen könnte.

In einer europaweiten online–Konsultation haben mehr als zwei Drittel der Antwortenden stärkere gesetzliche Regelungen gefordert.

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3 In der Diskussion um den Datenschutz ist bislang weitgehend unbeachtet geblieben, dass mit dieser Technologie nicht nur Verbraucherverhalten sondern in besonderem Maße auch Leistungen und Verhalten von Arbeitnehmern verstärkt überwacht werden können.

Mit Funketiketten an der Arbeitskleidung oder in ihrer Umgebung ist jede Minute nachvoll- ziehbar. Das Risiko, die RFID-Chips als allgegenwärtige „Schnüffelchips“ einzusetzen, macht kritisches Nachfragen und umfassende Regelungen dringlich.

Die betrieblichen Interessenvertretungen müssen sich mit dem Thema viel stärker befassen, gerade weil es kein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz gibt.

Nach den Vorstellungen des DGB soll ein solches Gesetz die individuellen Rechte der Be- schäftigten stärken, die Mitbestimmungsrechte der betrieblichen Interessenvertretung und die Rechte des betrieblichen Datenschutzbeauftragten verbessern und ausreichende rechtli- che Instrumente zur Durchsetzung des Arbeitnehmerdatenschutzes schaffen.

Der DGB erinnert an die mehrfache Ankündigung der EU–Kommission, eine Initiative zum Schutz personenbezogener Arbeitnehmerdaten zu ergreifen. Wir erwarten, dass die Bundes- regierung darauf hinwirkt, dass die EU-Kommission endlich einen Vorschlag vorlegt.

Denn der Schutz personenbezogener und personenbeziehbarer Daten ist angesichts der fortschreitenden Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in den Betrie- ben und der weiteren Datenvernetzung mehr als überfällig.

Dazu wäre im nächsten halben Jahr vorzüglich Gelegenheit.

Eine Kontroll- und Misstrauenskultur in den Unternehmen ist auch ökonomisch kontraproduk- tiv. Der absehbare technisch–organisatorische Wandel kann nicht gegen die Arbeitnehmer durchgesetzt werden, sondern nur mit ihrer Beteiligung gelingen.

Die Beschäftigten stehen vor großen Unsicherheiten. Abläufe und Prozesse werden opti- miert, vernetzt, verdichtet: Was heißt das für die Arbeitsplätze?

Inventuren werden überflüssig, Tätigkeiten, durch die bisher per Hand Objekte erfasst und bewegt wurden, fallen weg.

• Wo entstehen neue? Wie sieht die Bilanz aus?

• Welche Qualität werden die neuen und verbliebenen Arbeitsplätze haben?

• Welche Qualifikationen werden gebraucht?

• Und vor allem: Wie kann der Wandel gestaltet werden?

Untersuchungsergebnisse oder Szenarien kann die Wissenschaft kaum bieten. Rationalisie- rungseffekte oder die Auswirkungen von RFID-Anwendungen auf die Arbeitswelt sind bislang nur ein Randthema der Forschung. So wie ich die high-tech Strategie interpretiere, müssten die zu erwartenden Veränderungen der Arbeitsorganisation oder der Qualifikationsanforde- rungen systematisch erforscht werden. Das Programm „Innovationsfähigkeit in einer neuen Arbeitswelt“, aber auch die Dienstleistungsforschung müssten diese Themen aufgreifen.

Eigentlich muss viel früher angesetzt werden: Schon in der Schule muss eine informatori- sche Allgemeinbildung, müsste IT- und Medienkompetenz vermittelt werden. Außerdem soll- ten gesellschaftliche Aspekte des Einsatzes von Informationssystemen auf fachlicher Grund- lage behandelt werden.

Gewerkschaftlicher Handlungsbedarf:

Angesichts dieser Entwicklungen stehen die Gewerkschaften vor der Herausforderung,

• Persönlichkeitsrechte zu schützen

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• den technisch–organisatorischen Wandel zu gestalten,

• Qualifizierungs- und Karrierechancen auszubauen und

• durch Orientierung auf Innovationen Beschäftigung zu sichern.

Es geht darum, Beschäftigte, Betriebsräte und Verbraucher weiter zu sensibilisieren. Wir werden Betriebs- und Personalräte dabei unterstützen, als kompetente Interessenvertreter auf betrieblicher Ebene zu agieren. Wichtig ist, ein Problembewusstsein zu entwickeln und die Mitbestimmungs- und Gestaltungsmöglichkeiten in den Unternehmen zu kennen und zu nutzen.

Der Erfahrungsaustausch über Handlungsmöglichkeiten der Interessenvertretungen und be- reits bestehende Vereinbarungen, etwa zur Beschäftigungssicherung, wird intensiviert wer- den.

RFID ist ein Vorläufer auf dem Weg zur Allgegenwart von Sensoren und Prozessoren, die miteinander kommunizieren, Aktionen auslösen und steuern können.

Der Kühlschrank, der selbstständig Milch nachfordert

oder das Auto, das automatisch Ersatzteile ordert, gehören in diese Vorstellungswelt, zum

„Internet der Dinge“.

Ich kann mir wünschenswerte Dienstleistungen vorstellen, etwa zur Unterstützung älterer Menschen, die lange unabhängig zu Hause leben wollen, und vieles andere mehr. Diese Entwicklung muss aber durch eine kritische und engagierte öffentliche Debatte begleitet wer- den.

Ob RFID–Anwendungen die Pflege verbessern oder menschliche Betreuung weitestgehend ersetzen, wird durch Vorgaben im Gesundheitssystem entschieden. Sie bestimmen damit auch die Arbeitsplatzchancen in diesem Bereich, quantitativ wie qualitativ.

Fazit:

Eine Politik, die nur die technischen Potenziale fördert und kurzschlüssigen Wirtschaftlich- keitsüberlegungen folgt, wird ihren komplexen gesamtgesellschaftlichen Gestaltungsaufga- ben nicht gerecht.

Ich möchte alle Akteure dazu aufrufen, die Herausforderungen ernst zu nehmen, die diese

„kleine technische Revolution“ ihnen stellt.

Ob sich unser aller Lebensbedingungen in einer freiheitlichen Gesellschaft verbessern wer- den oder ob sich die Spaltung der Gesellschaft vertieft, ist eine Frage der richtigen Weichen- stellungen.

Es ist höchste Zeit, die Debatte darüber zu verbreitern.

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