Schriften zum Steuerrecht
Band 175
Kapitalertragsteuer bei der öffentlichen Hand
Von
Johanna Thieme
Duncker & Humblot · Berlin
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JOHANNA THIEME
Kapitalertragsteuer bei der öffentlichen Hand
Schriften zum Steuerrecht
Band 175
Duncker & Humblot · Berlin
Kapitalertragsteuer bei der öffentlichen Hand
Von
Johanna Thieme
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahr 2021 als Dissertation angenommen.
D 5
Alle Rechte vorbehalten
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2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, GöttingenDruck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany
ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-18530-6 (Print) ISBN 978-3-428-58530-4 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier
entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
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Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Herbst 2021 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen.
Mein Dank gilt zunächst Herrn Prof. Dr. Rainer Hüttemann, meinem Doktor- vater, für die Heranführung an die Thematik der Arbeit, seine Betreuung und zügige Korrektur. Herrn Prof. Dr. Stephan Schauhoff danke ich für die schnelle Erstattung des Zweitgutachtens.
Mein persönlicher Dank gilt darüber hinaus meinen Eltern Marlehn und Dr. Hinrich Thieme, die die Anfertigung der Arbeit durch ihre unermüdliche Unterstützung ermöglicht haben. Ihnen, meiner Schwester Sophie Thieme und Julius Blumenthal danke ich für den steten Zuspruch, die Anregungen und den Rückhalt während der Anfertigung meiner Arbeit. Bei Dr. Johannes Gottwald bedanke ich mich für die vielen Diskussionen, die technische Unterstützung und dafür, dass er seine Erfahrung aus der Erstellung seiner Dissertation groß zügig mit mir geteilt hat. Euer aller Zutun hat maßgeblich zum Gelingen der Arbeit beigetragen.
Frankfurt am Main, im November 2021
Johanna ThiemeInhaltsverzeichnis
A. Einführung . . . 15
I. These . . . 16
II. Gang der Untersuchung . . . 16
B. Die öffentliche Hand . . . 18
I. Unmittelbare Staatsverwaltung . . . 19
II. Mittelbare Staatsverwaltung . . . 19
III. Sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts . . . 20
C. Grundsätzliches zur Besteuerung der öffentlichen Hand . . . 21
I. Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand . . . 21
1. Geschichtliche Entwicklung der wirtschaftlichen Betätigung . . . 22
2. Wirtschaftliche Tätigkeit heute . . . 23
a) Hoheitsaufgaben . . . 23
aa) Hoheitliche Tätigkeiten . . . 24
bb) Nichtwirtschaftliche Tätigkeit . . . 24
b) Daseinsvorsorge . . . 25
c) Wirtschaftliche Tätigkeit . . . 28
aa) Volkswirtschaftliche und politische Ziele . . . 30
bb) Einzelwirtschaftliche Ziele . . . 31
3. Zulässigkeit und Grenzen der wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand 32
a) Einfachgesetzliche Grenzen der wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand . . . 32
aa) Haushaltsrecht . . . 32
bb) Kommunalrecht . . . 33
cc) Allgemeines Wettbewerbsrecht . . . 34
(1) UWG . . . 34
(2) GWB . . . 35
b) Verfassungsrechtliche Grenzen der wirtschaftlichen Tätigkeit der öffent- lichen Hand . . . 36
aa) Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand . . . 37
(1) Keine Grundrechtsbindung . . . 38
8
Inhaltsverzeichnis(2) Umfassende Grundrechtsbindung . . . 39
(3) Teilweise Grundrechtsbindung . . . 40
(4) Zusammenfassung . . . 42
bb) Eingriff in Grundrechte der privaten Marktteilnehmer . . . 42
(1) Art. 12 Abs. 1 GG . . . 43
(2) Art. 14 Abs. 1 GG . . . 44
(3) Art. 2 Abs. 1 GG . . . 45
(4) Art. 3 Abs. 1 GG . . . 45
cc) Rechtfertigung des Eingriffs . . . 46
c) Europarechtliche Grenzen . . . 47
aa) Grundfreiheiten . . . 48
bb) Europäisches Wettbewerbsrecht . . . 49
cc) Diskriminierungsverbot . . . 50
d) Zusammenfassung . . . 51
II. Besteuerung der öffentlichen Hand . . . 51
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . 51
a) Gesetzgebungskompetenz . . . 52
aa) Beschränkung durch Finanzverfassung . . . 52
(1) Selbstbesteuerung . . . 54
(2) Gegenseitigkeitsbesteuerung . . . 54
bb) Beschränkung durch das Wirtschaftlichkeitsgebot . . . 55
cc) Beschränkung durch abweichende Länderkompetenzen . . . 56
b) Grundrechte der privaten Unternehmer . . . 57
2. Europarechtliche Vorgaben . . . 60
3. Zusammenfassung . . . 64
III. Zielsetzung der Kapitalertragsteuer bei der öffentlichen Hand . . . 64
1. Wettbewerbsgleichheit . . . 65
a) Eigenwirtschaft . . . 65
b) Vollständiger Wettbewerb und Oligopol . . . 66
c) Monopol . . . 67
2. Effizienzsteigerung . . . 68
3. Finanzausgleich . . . 69
4. Zusammenfassung . . . 70
9
InhaltsverzeichnisD. Kapitalertragsteuer bei der öffentlichen Hand . . . 71
I. Geschichtliche Entwicklung der Kapitalertragsbesteuerung . . . 71
1. 1871 bis Erster Weltkrieg . . . 71
2. Weimarer Republik und Zeit des Nationalsozialismus . . . 73
3. Entwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg . . . 78
4. 2001–2008: Halbeinkünfteverfahren und Ausschüttungsfiktion . . . 82
5. Seit 2008 . . . 83
6. Zusammenfassung . . . 84
II. Unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG i. V. m. § 20 EStG . . . 84
1. Persönliche Steuerpflicht . . . 85
a) Merkmale des Betriebs gewerblicher Art . . . 86
aa) Objektive Merkmale . . . 86
(1) Einrichtung . . . 86
(2) Herausheben innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person . . . 88
(3) Wirtschaftliche Tätigkeit . . . 91
(a) Abgrenzung zur Ausübung öffentlicher Gewalt . . . 91
(b) Abgrenzung zur Vermögensverwaltung . . . 93
(4) Nachhaltige Tätigkeit . . . 96
(5) Ausschluss der Land- und Forstwirtschaft . . . 97
bb) Subjektives Merkmal: Einnahmeerzielungsabsicht . . . 98
(1) Einnahmen . . . 98
(2) Absicht . . . 99
(3) Sonderfall: Selbstversorgungsbetriebe . . . 100
cc) Zusammenfassung . . . 102
b) Praktische Erscheinungsformen der Betriebe gewerblicher Art . . . 102
aa) Abgrenzung: Betriebe gewerblicher Art mit und ohne eigene Rechts- persönlichkeit . . . 102
(1) Betriebe gewerblicher Art mit eigener Rechtspersönlichkeit . . . . 102
(a) Körperschaften des öffentlichen Rechts . . . 103
(b) Anstalten des öffentlichen Rechts . . . 103
(2) Betriebe gewerblicher Art ohne eigene Rechtspersönlichkeit . . . 104
(a) Regiebetrieb . . . 105
(b) Eigenbetrieb . . . 106
(c) Nichtrechtsfähige Sondervermögen des Bundes . . . 107
bb) Verpachtung eines Betriebs gewerblicher Art, § 4 Abs. 4 KStG . . . 108
cc) Zusammengefasste Betriebe gewerblicher Art . . . 110
10
Inhaltsverzeichnis(1) Voraussetzungen . . . 110
(a) Gleichartige Betriebe gewerblicher Art . . . 110
(b) Enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung 111
(c) Versorgungsbetriebe gewerblicher Art i. S. des § 4 Abs. 3 KStG 112
(2) Rechtsfolgen . . . 113
dd) Beteiligung an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft . . . 114
(1) Beteiligung an einer Personengesellschaft . . . 116
(2) Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft . . . 118
2. Sachliche Steuerpflicht . . . 119
3. Rechtsfolge und Tarif . . . 121
III. Beschränkte Steuerpflicht gemäß § 2 Nr. 2 KStG i. V. m. §§ 20 Abs. 1, 43 Abs. 1 EStG . . . 122
1. Persönliche Steuerpflicht . . . 122
2. Sachliche Steuerpflicht . . . 123
a) Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG . . . 123
aa) Verdeckte Gewinnausschüttungen . . . 124
bb) Spartenrechnung . . . 129
cc) Kritik an der Verlustverrechnungsmöglichkeit . . . 131
b) Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 lit. a EStG . . . 135
aa) Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 lit. a Hs. 1 EStG 138
(1) Leistungen . . . 138
(2) Wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit einer Gewinnausschüttung 139
bb) Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 lit. a Hs. 2 EStG 139
(1) Verdeckte Gewinnausschüttungen . . . 140
(2) Einlagenrückgewähr gemäß § 27 KStG . . . 143
(a) Steuerliches Einlagekonto beim Betrieb gewerblicher Art . . 143
(b) Rückgewähr der Einlagen aus dem steuerlichen Einlage- konto . . . 145
(3) Leistungen aus der Auflösung eines Betriebs gewerblicher Art . . 146
c) Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 lit. b EStG . . . 147
aa) Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 lit. b S. 1 EStG . . 147
(1) Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich . . . 148
(2) Überschreiten der Umsatz- oder Gewinngrenzen . . . 149
(3) Nicht den Rücklagen zugeführter Gewinn . . . 149
(a) Rücklagenbildung bei Eigenbetrieben . . . 154
(b) Rücklagenbildung bei Regiebetrieben . . . 155
(aa) Rechtsentwicklung . . . 155
(bb) Rechtslage seit 2018 . . . 157
11
Inhaltsverzeichnis(cc) Kritik . . . 158
(4) Verdeckte Gewinnausschüttung . . . 161
(5) Gewinn i. S. des § 22 Abs. 4 UmwStG . . . 162
(a) Einbringung . . . 163
(aa) Einbringungsgegenstand . . . 163
(bb) Einbringungstatbestände . . . 164
(cc) Einbringender Rechtsträger . . . 165
(dd) Übernehmender Rechtsträger . . . 166
(b) Rechtsfolge . . . 166
(aa) Einbringungsgewinn I . . . 167
(bb) Veräußerungsgewinn . . . 169
(cc) Kritik . . . 171
bb) Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 lit. b S. 2 EStG . . 172
(1) Auflösung der Rücklagen für Zwecke außerhalb des Betriebs ge- werblicher Art . . . 173
(2) Auflösungsfiktion bei Einbringung oder Formwechsel . . . 175
(a) Einbringung gemäß §§ 20 ff. UmwStG . . . 175
(b) Formwechsel . . . 177
(3) Zusammenfassung . . . 179
cc) Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 lit. b S. 3 EStG . . 179
(1) Inländische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt . . . 180
(2) Veranstaltung von Werbesendungen . . . 180
(3) Gewinn i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 lit. b S. 3 EStG . . . 180
dd) Tatbstandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 lit. b S. 5 i. V. m. Nr. 1 S. 3 EStG . . . 181
ee) Zusammenfassung . . . 183
ff) Rechtsbeziehungen zwischen Betrieb gewerblicher Art und Träger- körperschaft . . . 184
gg) Sonderfall: zusammengefasste Betriebe gewerblicher Art . . . 186
(1) Gewinnermittlung . . . 186
(2) Besonderheiten gemäß § 8 Abs. 8 KStG . . . 187
(3) Verlustverrechnung und verdeckte Gewinnausschüttung . . . 188
d) Zusammenfassung . . . 191
3. Rechtsfolge und Tarif . . . 193
a) Besonderheiten für die Besteuerung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG . . . 193
b) Besonderheiten für die Besteuerung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 lit. a und b EStG . . . 194
12
InhaltsverzeichnisE. Drittrechtsschutz bei fehlerhafter Kapitalertragsbesteuerung . . . 199
I. Einfachgesetzliche Konkurrentenklage . . . 199
1. Auskunftsklage . . . 200
2. Konkurrentenklage . . . 201
a) Statthafte Klageart . . . 201
b) Klagebefugnis . . . 202
aa) Norm mit drittschützendem Charakter . . . 203
bb) Hinreichende Wahrscheinlichkeit der wettbewerbsverzerrenden (Nicht-) Besteuerung der öffentlichen Hand . . . 204
cc) Wettbewerbsnachteil des privaten Konkurrenten . . . 206
3. Ergebnis einer erfolgreichen Konkurrentenklage . . . 206
II. Konkrete Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG . . . 207
III. Verfassungsbeschwerde . . . 207
IV. Zusammenfassung . . . 207
F. Kritik und Lösungsansätze auf Grundlage der gesetzgeberischen Wertung . . . 209
I. Lenkungsfunktion und -fähigkeit des Steuerrechts . . . 210
1. Kritik . . . 210
2. Lösungsansatz: Angleichung der ökonomischen Ausgangssituation . . . 211
a) Verpflichtung zur Gründung einer Kapitalgesellschaft . . . 212
b) Möglichkeit der Beteiligung an einer Personengesellschaft . . . 214
c) Globalhaushalt . . . 215
3. Zusammenfassung . . . 216
II. Konkrete Ausgestaltung der Besteuerung . . . 216
1. Kritik . . . 216
2. Lösungsansatz: Sondersteuersatz . . . 218
a) Anknüpfung . . . 218
aa) Anwendungsfälle . . . 219
bb) Partielle Steuerpflicht . . . 219
b) Ausgestaltung der Steuer . . . 221
aa) Steuerstruktur . . . 222
bb) Höhe des Steuersatzes . . . 223
c) Zweckmäßigkeit . . . 224
13
InhaltsverzeichnisG. Kritik an der gesetzgeberischen Wertung . . . 226
I. Wettbewerbsgleichheit . . . 226
1. Unbeschränkte Steuerpflicht gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 6, 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 20 EStG . . . 227
a) Vergleichbarkeit . . . 228
b) Wettbewerbsrelevanz . . . 229
aa) Beteiligungen im Betriebsvermögen . . . 230
bb) Entscheidender Einfluss oder Umschichtung wesentlicher Beteiligungen . . . 231
c) Zusammenfassung . . . 232
2. Beschränkte Steuerpflicht gemäß § 2 Nr. 2 KStG i. V. m. §§ 20, 43 Abs. 1 EStG 232 a) Kapitalerträge aus Beteiligungen der öffentlichen Hand . . . 232
aa) Vergleich mit Kapitalgesellschaften als Anteilseigner . . . 233
bb) Vergleich mit natürlichen Personen als Anteilseigner . . . 235
cc) Vergleich mit der sonstigen Vermögensverwaltung der öffentlichen Hand . . . 236
dd) Vergleich mit gemeinnützigen Einrichtungen . . . 238
b) Leistungen und Gewinntransfers von Betrieben gewerblicher Art an die Trägerkörperschaft . . . 239
aa) Leistungen eines Betriebs gewerblicher Art mit eigener Rechtspersön- lichkeit . . . 239
bb) Gewinn eines Betriebs gewerblicher Art ohne eigene Rechtspersön- lichkeit . . . 241
c) Steuerabzug . . . 241
II. Effizienzsteigerung . . . 243
III. Finanzausgleich . . . 244
IV. Zusammenfassung . . . 244
H. Fazit . . . 246
Literaturverzeichnis . . . 250
Verzeichnis der Berichte und Verwaltungsschreiben . . . 273
Verzeichnis der Gesetzesmaterialien . . . 276
Sachregister . . . 278
Abkürzungsverzeichnis
Die verwendeten Abkürzungen sind in folgenden Verzeichnissen zu finden:
Dudenredaktion (Hrsg.): Duden – die deutsche Rechtschreibung: auf der Grundlage der amt- lichen Rechtschreibregeln, 27. Auflage, Berlin: Dudenverlag, 2017
Kirchner, Hildebert / Böttcher, Eike: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Auflage, Berlin: De Gruyter Verlag, 2015
A. Einführung
Die Kapitalertragsteuer bei der öffentlichen Hand ist ein seit jeher diskutierter Problemkreis, der auch in jüngster Zeit wieder die Aufmerksamkeit der Finanz- gerichtsbarkeit und Finanzverwaltung gewonnen und in der Folge erneut Einzug in die Fachliteratur gefunden hat.
1Der Staat besteuert sich mit Kapitalertragsteuer selbst, wenn er Kapitalerträge in Konkurrenz zu privaten Marktteilnehmern er- zielt. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber gesetzliche Regelungen geschaffen, die bestimmte Leistungs- und Gewinntransfers innerhalb der öffentlichen Hand wie Gewinnausschüttungen ansieht und somit ebenfalls der Kapitalertragsbesteuerung unterwirft. Gestützt wird die Kapitalertragsteuer bei der öffentlichen Hand auf das Ziel, Wettbewerbsgleichheit zwischen Privaten und dem erwerbswirtschaftlich tätigen Staat herzustellen. Daneben werden für die Besteuerung der öffentlichen Hand Effizienz- und Finanzauslgeichserwägungen angestellt.
2Maßgeblich für die Frage, ob und wie weit die öffentliche Hand besteuert wird, ist die wirtschaftliche Tätigkeit in Konkurrenz zu privaten Marktteilnehmern. Hoheitliche Tätigkeiten werden nicht besteuert.
Konkret ist bei der Besteuerung von Kapitalerträgen der öffentlichen Hand zu unterscheiden zwischen der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht. Die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 6, 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 20 EStG erfasst Kapitalerträge, die die öffentliche Hand im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art
3erzielt (Kapitel D. II.). Daneben sind Kapitalerträge der öffent- lichen Hand im Rahmen ihrer beschränkten Steuerpflicht dann zu versteuern, wenn sie gemäß § 2 Nr. 2 KStG i. V. m. §§ 20 Abs. 1, 43 Abs. 1 EStG dem Steuer- abzug unterliegen (Kapitel D. III.). Damit erstreckt sich die Kapitalertragsteuer- pflicht der öffentlichen Hand nicht nur auf Einnahmen aus Tätigkeiten, die dem äußeren Bild eines Gewerbebetriebs entsprechen, sondern daneben sowohl auf Einkünfte aus vermögensverwaltender Tätigkeit i. S. des § 20 Abs. 1 EStG sowie auf Gewinntransfers innerhalb der öffentlichen Hand gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 lit. a und b EStG.
1 BFH v. 30. 01. 2018 – VIII R 15/16, BStBl. II 2019, S. 101; BFH v. 30. 01. 2018 – VIII R 42/15, BStBl. II 2019, S. 96; BFH v. 30. 01. 2018 – VIII R 75/13, BStBl. II 2019, S. 91; BMF- Schreiben v. 28. 01. 2019 – IV C 2 – S 2706-a/15/10001, BStBl. I 2019, S. 97; Bott, DStZ 2019, S. 220.
2 Zur Zielsetzung der Besteuerung der öffentlichen Hand vgl. Abschnitt C. III. dieser Arbeit.
3 Zum Begriff des Betriebs gewerblicher Art vgl. Abschnitt D. II. 1. dieser Arbeit.
A. Einführung
16
De lege lata nimmt der Gesetzgeber an, dass ein Wettbewerbsverhältnis zwi-
schen der öffentlichen Hand und Privaten nicht nur auf Ebene der unmittelbaren wirtschaftlichen Partizipation am Markt, d. h. durch Kapitalgesellschaften oder Betriebe der öffentlichen Hand, besteht, sondern darüber hinaus auch auf der nachgelagerten Ebene des Gesellschafters oder der Trägerkörperschaft. Dies führt dazu, dass die Gewinne, die bereits mit Körperschaftsteuer besteuert werden, auch in den Fällen der Ausschüttung an die öffentliche Hand als Anteilseigner – unab- hängig davon, ob die Beteiligung ein Bestandteil der Vermögensverwaltung der öffentlichen Hand ist oder die Schwelle zum Betrieb gewerblicher Art überschrei- tet – mit Kapitalertragsteuer nachbelastet werden. Der Gesetzgeber sieht darüber hinaus aus Wettbewerbsgleichheitsgründen eine Notwendigkeit, Gewinntransfers zwischen einzelnen juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie innerhalb eines Haushalts der Nachbelastung zuzuführen.
I. These
Dem bestehenden Kapitalertragsteuerregime liegt folglich die Annahme zu- grunde, dass ein Wettbewerb auf Ebene der Kapitalgeber und Ausschüttungs- empfänger, somit zwischen Anteilseignern und Trägerkörperschaften, besteht.
In dieser Arbeit wird diese Prämisse bezweifelt. Die Besteuerung zum Zweck der Wettbewerbsgleichheit ist dann erforderlich, wenn die Nichtbesteuerung der öffentlichen Hand zu einer Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil der privaten Kapitalgeber führt. Dies ist für die Kapitalertragsteuer dann der Fall, wenn der Steuervorteil der öffentlichen Hand auf Ebene der Nachbelastung zu einem Kos- tenvorteil der Kapitalgesellschaften und Betriebe in öffentlicher Trägerschaft wird.
Es wird die These aufgestellt, dass im Bereich der Vermögensverwaltung und der Leistungen von Betrieben gewerblicher Art an die Trägerkörperschaften sowie der Gewinntransfers innerhalb der öffentlichen Hand kein Wettbewerbsverhältnis zwischen der öffentlichen Hand und privaten Marktteilnehmern besteht, mithin eine Besteuerung der öffentlichen Hand in diesem Zusammenhang nicht erforder- lich wäre.
II. Gang der Untersuchung
Die Untersuchung in dieser Arbeit wird dafür zwischen Betrieben gewerbli-
cher Art und privatrechtlichen Kapitalgesellschaften unterscheiden. Im Übrigen
wird untersucht, inwiefern sich die Einnahmen aus Kapitalvermögen i. S. des § 20
EStG bei der öffentlichen Hand von Einnahmen aus sonstiger Vermögensverwal-
tung, z. B. i. S. des § 21 EStG unterscheiden und somit der Frage nachgehen, ob
die bestehende, unterschiedliche steuerliche Behandlung der verschiedenen ver-
mögensverwaltenden Tätigkeiten erforderlich ist oder ob eine gleiche Besteuerung
geboten wäre.
II. Gang der Untersuchung