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Über die konzeptionelle Bewegung in der Kartographie

Alexander Wolodtschenko (Dresden)

< alexander.wolodtschenko@tu-dresden.de >

In einer Diskussionsform wird im Artikel ein Versuch vorgenommen, einige konzeptionelle Formen, Aktivitäten und Perspektiven in der modernen Kartographie darzustellen. Es wird auch eine neue Konzeption – Metakartosemiotik – vorgeschlagen, die neue methodische bzw. methodologische Umbrüche vor allem in der theoretischen Kartographie vorprogrammiert sowie eine evolutionäre kommunikations-raumbezogene Denkrichtung in Visionsform skizziert.

Schlüsselbegriffe: theoretische Kartographie, Konzeption, Metakartosemiotik

Präambel

Gegenwärtig kann man in der theoretischen Kartographie mehrere Konzeptionen unterscheiden. Ihre Entwicklung und Bestätigung oder Untergang spiegelte diese oder jene wissenschaftliche Schule und lokale, regionale bzw. globale Traditionen wider. Analysen der Konzeptionen der Kartographie wurden mehrmals vorgelegt (vgl. Salischev (1982), Ljuty (1988), Kanakubo (1991), Wolodtschenko (1993, 2003) usw.). Basierend auf diese und andere analytische Arbeiten habe ich versucht, diesen Artikel über die konzeptionelle Bewegung in der modernen Kartographie speziell für das e-journal "META-CARTO-SEMIOTICS" zu schreiben.

1. Kommunikationstheoretische und kartensprachlich-semiotische Aspekte (1960-2000)

Seit 1967 sind in der Kartographie eine kommunikationstheoretische Arbeit von Kolacny (1967) und eine modelltheoretische Arbeit von Board (1967) bekannt, die als Bausteine für die konzeptionelle Richtung in der theoretischen Kartographie dienen können. In jener Zeit erschienen auch die innovativen Monographien von Botscharow (1966), Bertin (1967) und Aslanikschwili (1968), die eine besondere Bedeutung für die Formierung der kartensprachlichen Konzeptionen und der kartographischen Semiotik als eine neue Disziplin der Kartographie hatten. Wenn der Name Jacques Bertin und seine Monographien (mit Übersetzungen ins Deutsche, Englische, Japanische) weltbekannt waren, dann wurden die Monographien der zwei Osteuropäer in andere Sprachen in den 1960er-1980er Jahren aus bekannten Gründen nicht übersetzt. Damit war eine sachliche und kritische Wertung ihrer Beiträge für die theoretische Kartographie und Kartosemiotik für viele westeuropäische Kartographen schwer möglich. Einige Details über M.Botscharow und A.Aslanikaschwili werden unten dargestellt.

Prof. Dr.sc. Michail Kuzmitsch Botscharow (1914-1997) hatte eine interessante und gleichzeitig tragische Biographie. Als Militärkartograph war er an der Moskauer Kujbyschew- Militärakademie tätig. 1958 erhielt er Vorlesungsverbot und wurde danach gekündigt. Mehrere Jahre war er arbeitslos. Später bekam er eine Stelle in einem Forschungsinstitut für Informatik.

A. Wolodtschenko: Über die konzeptionelle Bewegung in der Kartographie 1

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M.Botscharow, als "kartographischer Desident", hat 12 Bücher geschrieben. Das 1966 in Moskau erschienene Buch "Grundlagen einer Theorie der Schaffung kartographischer Zeichensysteme" (Botscharow, 1966) gehört zu den wenigen Pionierbüchern der kartographischen Semiotik. Hierbei hat er folgende semiotische Aufgaben bzw. kartographische Teilbereiche der Semiotik formuliert, die stark auf die kommunikations-theoretische Richtung orientiert waren:

Untersuchung der Zeichenrelationen in Zeichensystemen

Bewertung der Kriterien des Informationsgehaltes in Zeichensystemen

Bewertung der Kriterien der kartographischen Zeichensysteme

Mathematische Methoden für die Erhaltung des Informationsgehaltes von Karten

Gesetzmäßigkeiten der Zeichenwahrnehmung

Gesetzmäßigkeiten und Logik der Konstruktion der Zeichensysteme als Modelle der Wirklichkeit

Theorie der Projektierung und Umwandlung der kartographischen Zeichensysteme als Elemente des Informationssystems.

Für seine innovativen Erarbeitungen und kommunikativen Ideen der "Perestrojka der Kartographie" (mit drei Komponenten: Theorie der kartographischen Informations- übertragung; Technologie der kartographischen Darstellungen; Ökonomie, Planung und Organisation kartographischer Produktion) und kartographischen Ausbildung wurde M.Botscharow, wie heute bekannt ist, auch mit Hilfe von K.Salischev, aus der Kartographie

"abgeschoben". Der "Vater der sowjetischen Kartographie" K.Salischew war ein wütender Gegner solcher Novationen in der Kartographie. Aber M.Botscharow hatte genügend Zivilcourage, z.B. in zwei Interviews (Geodezist, 1991; Wolodtschenko, 1995a) sich kritisch darüber zu äußern und die Zeit der "kämpferischen bzw. militanten Kartographie"

(Abbilldung1) als "Salistschina" oder in deutsch als "Salischevismus" zu bezeichnen. Das zweite Interview habe ich per Post (in Korrespondenzform) durchgeführt und im Heft 6/1995

"Kartosemiotik/ Kartosemiotika" veröffentlicht. Im Grunde genommen war das letzte Interview eine Art "kartosemiotisches Testament" von M.Botscharow. Dieses Interview war auch einer der Gründe, dass J.Pravda und A.Berliant ihre Aktivitäten 1991-1995 für das Heft

"Kartosemiotik/Kartosemiotika" abgebrochen und auf Eis gelegt haben.

Prof. Dr. Alexander Fedorovitsch Aslanikaschvili (1916-1981), war ein bekannter grusinischer Geograph und Kartograph. Er war als Professor und Leiter des Lehrstuhles für Kartographie und Geodäsie der Universität Tbilisi (Tiflis) von 1973 bis 1981 tätig. Seinen Beitrag für die Entwicklung der theoretischen Kartographie kann man mit zwei Büchern demonstrieren (Aslanikaschwili , 1968, 1974) :

Kartographie. Fragen der allgemeinen Theorie. Tbilisi 1969 (in georg. Sprache).

Metakartographie. Grundprobleme. Tbilisi 1974 (in russ.Sprache).

Die zweite Monographie wurde vom Kartographischen Nationalen Kommitee der UdSSR für die englische Übersetzung nicht genehmigt. Aber 1998 wurde es vom damaligen Vize- Präsident der Internationalen Kartographischen Vereinigung (IKV) Tositomo Kanakubo in die japanische Sprache übersetzt (Aslanikaschwili, 1998).

In seiner metakartographischen Konzeption hat A.Aslanikaschwili die gnoseologischen (erkenntnistheoretischen) Aspekte der Kartographie basierend auf der materialistischen Dialektik und Semiotik (Semiotik mit Komponenten von Ch. Morris) hervorgehoben (Ogrissek, 1987). Es waren dabei auch neue konzeptionelle Ideen, die nicht überall von K.Salischew

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(damaliger Kartograph Nr.1 der UdSSR) geteilt wurden. Hinsichtlich der kartosemiotischen Untersuchungen hat Aslanikaschwili nach meiner Meinung, eine Reihe von neuen, interessanten Aspekten beigesteuert. So, z.B. hat er vorgeschlagen, die drei Strukturkomponenten - Kartosyntaktik, Kartosemantik und Kartopragmatik durch Kartosigmatik zu ergänzen. Zu jedem der Teilbereiche der Kartosemiotik wurde eine methodische und analytische Erarbeitung bzw. Untersuchung dargelegt. Die vierteilige Strukturierung der Kartosemiotik finde ich richtig. Die Notwendigkeit und Aktualität von konkreten kartosigmatischen Untersuchungen ist in mehreren kartographischen Publikationen deutlich nachgewiesen (Kekelia, 1995; Ljuty, 1988; Wolodtschenko, 1994a, 2005). Leider wurde in einigen semiotischen bzw. semiotisch-lexikalischen Publikationen (Nöth, 1998, 2000) dogmatisch betont, dass die kartographische Sigmatik ein Attribut aus der Tradition der marxistischen Semiotik ist. Eine weitere subjektive Feststellung von Nöth, dass die Sigmatik im Rahmen der allgemeinen Semiotik keine Fortschritte erbrachte, muss auf keinen Fall als

"Nonplusultra" für die Kartosigmatik und für Kartographen gelten.

Prof. Dr. Jacques Bertin (geb. 1918) ist ein bekannter französischer Kartograph und Geograph. Seit 1954 war er Direktor des "Laboratoire de Cartographie de l’École des Hautes Études en Sciences Sociales" in Paris. Unter seiner Leitung wurden in den 60er Jahren grundlegende Studien zu Anwendungsregeln der graphischen Mittel in allen Wissenschaften, speziell in den Geowissenschaften geführt und 1967 als eine Monographie "Sémiologie graphique" (Bertin, 1967) niedergelegt. Die deutsche Ausgabe ist bekannt als "Graphische Semiologie. Diagramme, Netze, Karten" (Bertin, 1974) und die englische Ausgabe als

"Semiology of Graphics: Diagrams, Networks, Maps" (Bertin, 1984).

Der Theorieansatz wurde durch die graphischen Variablen (Form, Größe, Helligkeit, Muster, Richtung und Farbe) vor allem für die traditionellen Karten (konventionelle Produkte) realisiert, was erstmals zu einer weltweit akzeptierten Graphiktheorie für die Kartographie führte. In der graphischen Semiologie (allgemeine Graphiklehre) unterscheidet Bertin nur drei Hauptformen des graphischen Ausdrucks: Karten, Diagramme und Netze. In der Kartographie sind Karten (Diagramme und Kartennetze eigentlich feste Bestandteile von bestimmten Karten) die wichtigste und häufigste Form des graphischen Ausdrucks und der Wissensvermittlung, aber nicht die einzige. Atlanten, Globen, Anaglyphen, Anamorphoten, Satelliten- und Luftbildkarten sowie weitere kartosemiotische Modelle wurden in Bertins Graphiktheorie nicht berücksichtigt.

Mit den neuen kartographischen Medien (kartographische Animationen, multimediale Karten usw.) und Technologien stehen neue Aufgaben auch für die kartosemiotischen Untersuchungen hinsichtlich der Weiterentwicklung des Bertinschen Systems der graphischen Variablen für die Präsentation von analogen und digitalen kartographischen bzw.

kartenverwandten Darstellungen bevor.

1.1. "Dritte Kraft" in der konzeptionellen Bewegung

Nach der ICA Präsidentschaft von K.Salischew (1968-1972) begann in der theoretischen Kartographie eine „kämpferische“ Phase (Abbildung 1). Es war keine besonders günstige Zeit für die Entwicklung der kartensprachlichen Untersuchungen. Ab Mitte der 1980er Jahre begannen politische Umgestaltungen in Osteuropa (zuerst die Perestrojka in der UdSSR).

Dadurch eröffnen sich neue Möglichkeiten auch für die Kartographie (und Kartosemiotik) in Europa und in der Welt. Die theoretisch-konzeptionelle Landschaft in der Kartographie zeigt

A. Wolodtschenko: Über die konzeptionelle Bewegung in der Kartographie 3

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deutlich stagnierende Merkmale. So z.B., hat das Internationale Jahrbuch für Kartographie (IJK) in der zweiten Hälfte der 80er Jahre keinen Artikel zu theoretischen Konzeptionen veröffentlicht (Wolodtschenko, 1995b). 1992 erschien der letzte Band XXX/1990 und 1993 nach dem Tod seines langjährigen Herausgebers und Enthusiasten Karl Heinz Meine hat das IJK seine Herausgabe eingestellt. Bis jetzt gibt es keine ähnliche Fachzeitschrift bzw. Jahrbuch der Internationalen Kartographischen Vereinigung für die theoretische Kartographie.

(Wolodtschenko, 1994b)

Abbildung 1: Phasen der Entwicklung der theoretischen Kartographie (Wolodtschenko, 1994)

In Moskau an der Lomonossow Universität war die Stagnation deutlich zu erkennen, wo ein achtzigjähriger K.Salischew den Lehrstuhl für Kartographie besetzte. Damit wurde der Generationswechsel mindestens auf ein Jahrzehnt verschoben. Aber nicht nur das, die Querdenker fühlten sich unerwünscht in Moskau. So hat A.Ljutyi die Verteidigung seiner Habilitationsarbeit nicht in Moskau, sonder in Kiew (Ukraine) organisiert und sie 1990 mit Erfolg abgeschlossen. Querdenker sind in jeder Zeit und in jeder Epoche unbequem gegenüber Konservativen und Dogmatikern, auch in der theoretischen Kartographie und nicht nur in Osteuropa. Unter den dogmatischen Bedingungen der 1980er Jahre haben die osteuropäischen Kartographen und Kartosemiotiker einen soliden Beitrag für kartosemiotische und theoretisch- konzeptionelle Aktivitäten geleistet.

Doch die Entwicklung der theoretischen Konzeptionen in der Kartographie der 1970er-1990er Jahre war von politisch-ideologischen "Prioritäten" stark geprägt. Natürlich hatten nicht alle Autoren das Ziel - ihre konzeptionellen Untersuchungen auf "ideologischen Prioritäten" aufzubauen. Es ist aber Tatsache, dass der "Ideenkampf" im Rahmen der kommunikativen und gnoseologischen (kartenkundlichen) Konzeptionen über lange Zeit ideologischen Charakter angenommen hatte. Das alles erschwert auch die Entwicklung der kartensprachlichen Konzeptionen, die als "dritte Kraft" in der konzeptionellen Bewegung betrachtet werden kann.

Als ein Beispiel lässt sich die Kartonomie-Konzeption von A.Ljutyi nennen, die in den 1980er Jahren entstanden war. In der Kartonomie-Konzeption wurde ein besonderer Platz für die Struktur der Kartensprache belegt. Die linguistischen, semiotischen, logischen, kommuni- kationbezogenen u.a. Aspekte der Kartensprache werden in der "zweieinheitlichen subsprach- lichen Konstruktion" betrachtet. In einer solchen theoretischen Konzeption von A.Ljutyi hat K.Salischew kommunikative Ideen gesehen (Salischew, 1982), die im Voraus zu einer Reihe von

"prinzipiellen Fehlern und falschen Meinungen" geführt haben. In kategorischer Form hat er seine Kritik mehr emotional als objektiv begründet. Diese Kritik hat nur einige und aus- gewählte Aspekte tangiert, aber ein wichtiges Moment - der Prozess der Herausbildung einer neuen Konzeption von A.Ljutyi, welche nicht immer und nicht überall mit den herkömmlichen

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Vorstellungen zur Karte und Kartographie korrespondierte, wurde von K.Salischew totgeschwiegen. Unabhängig davon, ist die Konzeption Kartonomie von A.Ljutyi eine der grundlegenden Konzeptionen der theoretischen Kartographie der 1990er Jahre geworden.

1.2. Weitere konzeptionelle Vorschläge

1992 veröffentlicht A.Berljant einen Artikel über die theoretischen Konzeptionen der Kartographie (Berljant, 1992). Als einer der treuen Anhänger der kartenkundlichen Konzeption von K.Salischev versucht er diese Konzeption weiter zu nutzen, um seine neue konzeptionelle Position durch integrative Tendenzen in der Kartographie zu verstärken (Abbildung 2).

Berljant will mit einem integrativen Weg eine neue Konzeption - geoinformative Konzeption bilden. Er akzeptiert in der Entwicklung der Theorie und Methodologie der gegenwärtigen Kartographie nur eine Hauptrichtung - die geoinformative Konzeption als ein Produkt der Geoinformatik. Die Geoinformatik untersucht nach Berljant (1992) die gleichen Gegenstände wie die Geographie und Kartographie, d.h. die natürlichen und gesellschaftlichen Geosysteme.

Wenn es wirklich so ist, braucht man dann beide Disziplinen oder kann man sie man durch Geoinformatik austauschen? Wenn A.Ljutyi die Kartonomie als eine Konzeption mit kartensprachlichen Komponenten vorgeschlagen hat, dann hat A.Berljant in seinem konzeptionellen Gebäude mit oder ohne Absicht formuliert, dass die geoinformative Konzeption ein Produkt einer neuen Wissenschaft, Technologie und Lehrdisziplin ist. Das bedeutet hier, dass diese Konzeption eine nichtkartographische Konzeption ist. In einer solchen Konzeptionslandschaft nach Berljant (1992) existiert für die Kartographie eine wirkliche Gefahr sie durch irgendwelche integrative Disziplinen zu ersetzen. Und dann wird ein Kartograph ein Geoinformatiker und die Kartographie in einen Zweig der Informatik umgewandelt. Somit wird die Kartographie zerrissen und aufgelöst (Wolodtschenko, 2002). Leider ist es teilweise so.

Die Kartographie als Wissenschaft in vielen europäischen Universitäten befindet sich in einer Krise (Virantaus, 2001) und der Prozess ihrer Devalvation als Wissenschaftsdisziplin sowie in der Terminologie und Ausbildung (Wolodtschenko, 2007) geht weiter.

In der Kartographie der 1990er Jahre herrscht der technologische Trend vor, d.h. sie erhält neue Impulse von Computertechnologien (z.B. Multimedia- und Animations- technologien). Aber, wie von Taylor (1993, S. 49) festgestellt wurde - "GIS and automated cartography are techniques". Die Technik muss den Kartographen dienen und nicht umgekehrt.

D.Taylor (1993) versucht die konzeptionelle Basis der Kartographie in einem Dreiecksdiagramm mit der Visualisierung (Visualization) zu verbinden. Dieses Dreiecks- diagramm zeigt Relationen zwischen Computertechnologien, Kognition und Kommunikation, aber keine Relationen zwischen dem Kartenhersteller bzw. Kartennutzer und kartographischen Modellen. In diesem Kontext kann man die Gesamtheit von Prozessen der Visualisierung nicht nur in der Kartographie, sondern auch in der Geographie, Geodäsie, Geologie, Architektur usw.

betrachten und interpretieren. Die Visualisierung als ursprünglich rechnergestützte Darstellung und displaybezogene Wiedergabe ist heutzutage nur eine technologische Komponente im System "Kartenherstellung - Kartennutzung".

A. MacEachren (1995) stellt sein graphisch-räumliches (dreidimensionales) Modell des Kartennutzungsraums („map use cube“) als einen neuen konzeptionellen Aufbau in der Karto- graphie dar. Das Modell zeigte die Vielseitigkeit des Zweckes (von öffentlich bis privat), des Bekanntheitsgrades (von bekannt bis unbekannt) und des Interaktionsgrades (von niedrig bis hoch) bei der Kartennutzung (durch Präsentation, Exploration und Analyse) von klassischen bis modernen Formen. Dieses Würfelmodell hat wenige Kartographen gleichgültig gelassen. Es

A. Wolodtschenko: Über die konzeptionelle Bewegung in der Kartographie 5

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wurden neue gestalterische Umformungen bzw. Modifikationen von anderen Autoren durchgeführt. Allerdings, beschränkt sich auch dieses Modell wieder nur auf die Karte.

Abbildung 2: Theoretische Konzeptionen der Kartographie nach Berljant (1992)

Mit Berücksichtigung der europäischen kartographisch-theoretischen Traditionen und des konzeptionellen Trends in der theoretischen Kartographie wurde ein neues Strukturmodell der theoretischen Konzeptionen vorgeschlagen (Abbildung 3, nach Wolodtschenko (1999)).

Abbildung 3: Strukturmodell der theoretischen Konzeptionen Ende des 20. Jahrhunderts nach Wolodtschenko (1999)

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Nach meiner Meinung spiegelt ein solches Strukturmodell keine Polarisierung oder Integration, sondern die gleichzeitige Existenz und Parität von verschiedenen Konzeptionen wider. Die semiotischen bzw. kartosemiotischen Konzeptionen gehören zu speziellen Konzeptionen, die in der Regel keinen Anspruch auf eine allgemeine Konzeption der Kartographie haben. Weitere konzeptionelle Modelle der Kartensprache bzw. des Systems von Sprachen wurden in Wolodtschenko (1999) vorgeschlagen und diskutiert. Der konzeptionelle Aufbau des Modells der Kartensprache wird als ein System mit vier (sub)sprachlichen Komponenten (mathematische, graphische, verbal-sprachliche und luft/satellitenbildliche) betrachtet (Abbildung 4).

Abbildung 4: Viereinheitliches Strukturmodell der Kartensprache (Wolodtschenko, 1999)

2. Über IKV Kommissionen und theoretische Aktivitäten vor und nach der Polarisierung

Nicht nur einzelne Aktivitäten von Personen haben ihre Wirkung in der theoretischen Kartographie hinterlassen. Die Internationale Kartographische Vereinigung(IKV) mit ihren Kommissionen und Arbeitsgruppen war von Anfang an an der Gestaltung der theoretisch- konzeptionellen Landschaft der Kartographie beteiligt. Tabelle 1 zeigt Kommissionen und Arbeitsgruppen mit theoretischen Profilen vor (Teil1 oben) und nach der ideologischen Polarisierung (Teil 2 unten).

A. Wolodtschenko: Über die konzeptionelle Bewegung in der Kartographie 7

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Tabelle 1: IKV-Kommissionen und Arbeitsgruppen mit theoretischen Profilen (Wolodtschenko, 2000) Periode IKV Präsidenten/Staat Kommission/Arbeitsgruppe/Staat 1961-1964 Е.Imhof/Schweiz

1964-1968 D.Е.O.Тhackwell/Großbritannien

1968-1972 К.А.Salischev/UdSSR AG: Kartographische Information/ А.Кolacny, Tschechoslowakei

1972-1976 А.W.Robinson/USA Kom: Kartographische Kommunikation / L.Ratajski/Polen 1976-1980 F.Оrmeling/Niederlande Kom: Kartographische Kommunikation / L.Ratajski/Polen 1980-1984 F.Оrmeling/Niederlande Kom.: Kommunikation in der Kartographie/

C.Board, Großbritannien

1984-1987 J. Morrison/USA AG: Konzeptionen und Methodologie in der Kartographie/

U.Freitag/BRD

1987-1991 D.R.F.Тaylor/Kanada Kom.: Konzeptionen in der Kartographie/ Т.Каnakubo, Japan AG: Каrtographische Definitionen/C.Board, Großbritannien Ende der ideologischen Polarisierung

1991-1995 D.R.F.Тaylor/Каnada AG: Theoretische Hauptergebnisse in der Kartographie/

Т.Каnakubo, Japan

1995-1999 М.Wood/Großbritannien Кom: Тheoretische Felder der Kartographie und Definitionen/

Т.Каnakubo, Japan

AG: Kognitive Kartographie/Т.Моrita, Japan AG: Semiotik der Karten/H.Schlichtmann, Каnada

AG: Definitionen/N.Каdmon, Israel

1999-2003 B.Ristedt/Schweden Кom.:Theoretische Kartographie/ А.Wolodtschenko, Deutschland 2003-2007 М.Коnecny/CR Кom.:Theoretische Kartographie/ А.Wolodtschenko, Deutschland 2007-2011 W.Cartwright/Аustralien Кom.:Theoretische Kartographie/ А.Wolodtschenko, Deutschland

In der Tabelle kann man zwei interessante IKV-Perioden (1968-1972) und (1972-1976) kennzeichnen. Es wurden die erste Arbeitsgruppe (1968) und die erste Kommission (1972) mit kartographisch-theoretischen Profilen gebildet. Die neuen theoretischen Ideen mit kommunikativen, kartonomischen und kartolinguistischen Besonderheiten wurden im Europäischen kartographischen Raum generiert und weiterentwickelt. Besonders aktiv waren L.Ratajski und C.Board mit ihren Kommissionen in der Zeit von 1972-1976, 1976-1980 und 1980- 1984. Für die kommunikative theoretische Bewegung war ein Meeting der Kommission

„Kartographische Kommunikation“ in Hamburg (14.-17. 9. 1977) von besonderer Bedeutung.

Lech Ratajski hat eine Reihe von neuen und perspektivischen Aufgaben generiert und präsentiert. Aber im November 1977 starb er unerwartet. Es war ein unersetzbarer Verlust für

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die kommunikationstheoretische Bewegung der 1970er Jahre und die internationale theoretische Kartographie hatte eine ihrer Persönlichkeiten verloren.

Die 1980er Jahre brachten weitere Verluste für die theoretische Kartographie. 1981 im Alter von 65 Jahren starb A.Aslanikaschwili, sechs Jahre später – E.Arnberger und danach ein Jahr später – K.Salischev. Mit dem Verscheiden von E.Arnberger und K.Salischev hat die internationale theoretische Bewegung der 1980er Jahre ihre Führer verloren.

Nach fast einer hundertjährigen Kartographie-Entwicklung als Wissenschaft lässt sich feststellen, dass die Zeit der "mächtigen Personen und Nestoren" der 1970er und 1980er Jahre – E.Arnberger, E.Imhof, A.Salischev usw. – vorbei ist. Das war die Zeit der klassischen und gleichzeitig polarisierten Kartographie, wo jeder anstrebte zu beweisen, welche Kartographie besser ist.

Seit 1987 bis 1999 wurde die internationale theoretische Bewegung vom japanischem Kartographen Tositomo Kanakubo geleitet. Das war eine schwere Zeit von Kompromissen und der Suche der neuen theoretischen Aktivitäten und Konzeptionen. In diese Zeit entwickelt A.Ljuty die "Kartonomie" als eine allgemeine Konzeption der Kartographie weiter. Diese Konzeption diente als "theoretischer Eisbrecher", der eine kartenkundliche Stagnation in der sowjetischen Kartographie der 1980er Jahre gebrochen hatte. Für die damalige Zeit war dies eine ziemlich mutige Aufgabe. Dies wurde im Sinne der realen Umgestaltung der theoretischen Kartographie basierend auf konzeptionellem Andersdenken von M.Botscharow, A.Kolacny, A.Aslanikaschwili, L.Ratajski usw. realisiert. Später hat A.Ljuty ein neues phänomenologisches Paradigma formuliert. Leider starb A.Ljuty im Jahr 2001 unerwartet. Es war ein großer Verlust für die russische und internationale Kartographie.

In der Zeitperiode 1995-1999 wurde eine IKV Arbeitsgruppe"Semiotik der Karte/Map semiotics" unter der Leitung H.Schlichtmanns gegründet. Die Arbeitsgruppe stellte einen wichtigen Beitrag für die Popularisierung des kartosemiotischen Wissens (Schlichtmann, 1999) dar und bildete ein solides kartosemiotisches Fundament für die neue Kommission und weitere konzeptionelle Entwicklung bzw. Bewegung.

Eine Initiative, das Konzept und die Realisierung der neuen Kommission "Theoretische Kartographie" auf der 19. Internationalen Kartographie-Konferenz 1999 in Toronto /Kanada/

waren exklusive Verdienste der IKV Vizepräsidenten Tositoma Kanakubo und der Japanischen Kartographischen Vereinigung. Die neue Kommission "Theoretische Kartographie" ist eine IKV Kommission mit theoretisch-orientierten Profilen. Tabelle 2 zeigt ein Strukturmodell der IKV Kommissionen (2003-2007) basierend auf der Bildung von drei Gruppen der Kommissionen und Arbeitsgruppen. Alle 19 IKV Kommissionen unterscheide ich in theoretisch-orientierte, theoretisch-technologisch orientierte und technologisch-orientierte Gruppen. Die Anzahl von Kommissionen in den Gruppen kann variabel sein.

Die Kommission "Theoretische Kartographie" arbeitet zielstrebig und kontinuierlich schon die dritte Zeitperiode (1999-2003, 2003-2007, 2007-2011). Die Aufgabenbeschreibung für die erste und zweite Periode schließt folgende Forschungsthemen ein:

allgemeine und angewandte Kartosemiotik

Karten und kognitive Prozesse

kartographische Sprache und Kartensprache

Strukturmodelle der Kartographie.

A. Wolodtschenko: Über die konzeptionelle Bewegung in der Kartographie 9

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Die Terminologie und kartographische Ontologie sind zwei neuen Aufgaben der Kommission für die Zeit 2007-2011. Die Kommission hat eine Webadresse:

http://rcswww.urz.tu-dresden .de /~wolodt/tc-com/ und stellt offen ihr zugehörige Informationen und Leistungen dar.

Tabelle 2: Strukturmodell der IKV Kommissionen (2003-2007) (Wolodtschenko, 2003) IKV Kommissionen 2003-2007

Theoretisch-orientierte Kommissionen

Theoretisch-technologisch orientierte Kommissionen

Technologisch orientierte Kommissionen Cartography and Children

(P.Wiegand/UK)

Education and Training (L.Zentai/Hungary)

Incremental Updating and Versioning

(A.Peled/Israel A.Cooper/South Africa)

Gender and Cartography (E.Krzywicka-Blum/Poland)

Map Generalization and Multiple Representation

(A.Ruas/France)

Management and Economics of Map Production

(P.de Maeyer/Belgium) History of Cartography

(A.Postnikov/Russia)

Maps and Graphic for Blind and Visually-Impaired People

(A.F.Tatham/UK)

Mapping from Satellite Imagery (S. Le Blanc/France)

Map Projections (D.

Strebe/USA)

Marine Cartography (R.Furness/Australia)

Maps and the Internet (M.Peterson/

USA) Theoretical Cartography

(A.Wolodtschenko/Germany)

Mountain Cartography (L.Hurni/Switzerland) National and Regional Atlases

(T.Trainor/USA) Planetary Cartography

(K.Shingareva/Russia) Spatial Data Standards

(H.Moellering/USA)

Ubiquitous Mapping (Takashi Morita/Japan)

Visualization and Virtual Environments (A.MacEachren/USA)

5 10 4

19

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3. Neue Konzeption: Meta-Kartosemiotik

Das Europa der 1990er Jahre erlebte politische Wenden. Für die Kartosemiotik bedeutet das, dass sie sich ohne ideologische Dogmen entwickeln kann. Es hat auch die Bildung des freien informations-kartosemiotischen Raums in Europa und in der Welt gefördert. Die Kartosemiotik ohne ideologische Barrieren ist für viele Wissenschaftler mit unterschiedlichen Ansichten und Positionen offen und erreichbar geworden. Enthusiasmus und Initiativität waren und sind die Stärke der Kartosemiotiker. Die Bewegung "von unten" hat Novationen (und nicht zuletzt) die Revitalisierung des kartosemiotischen Denkens in der europäischen Kartographie der 90er Jahre hervorgerufen. Wobei ein Generationswechsel, eine konzeptionelle Erneuerung (Neue Kartosemiotik) mit theoretischen und angewandten Richtungen sowie neue Formen wissenschaftlicher (institutioneller bzw. nichtinstitutioneller) Aktivitäten mit kartographischen und nichtkartographischen Traditionen deutlich zu erkennen war.

3.1. Akkumulation kartensprachlichen bzw. kartosemiotischen Wissens

Die Akkumulation von kartensprachlichem bzw. kartosemiotischem Wissen vollzog sich in den 1990er Jahre und den ersten Dekade des 21.Jahrhunderts im Rahmen der individuellen und kollektiven Aktivitäten. Das zeigen solide Leistungen in der theoretischen Kartographie.

Die kartosemiotische Bewegung spiegelt sich in diversen Publikationen mit kartographischen und nichtkartographischen Traditionen wider. In den letzten zwanzig Jahren wurden folgende ausgewählte monographische Arbeiten veröffentlicht:

Лютый А.А.: Язык карты - сущность, система, функции. Москва 1988, 2002.

Pravda, J.: Zaklady koncepcie mapoveho jazyka. Bratislava 1990.

Володченко А.: Картоязыковые проблемы и картосемиотика. Дрезден 1993.

Кекелия Д.Й.: Картосемиотика. Тбилиси 1995.

MacEachren, A.: How Maps Work. New York and London 1995.

Neytchev, P.: Jezyk czy kod kartograficzny? University of Warsaw 1997.

Володченко А.: Картосемиотика и доисторические карты. Барнаул-Дрезден 1997.

Hussy, C.: La Carte, un Modеle, un Langage. Genеve 1998.

Map Semiotics Around the World. (Ed. H.Schlichtmann) Regina, ICA 1999

Wolodtschenko, A.: Kartosemiotische und konzeptionelle Aspekte der 90er Jahre.

Dresden 1999.

Casti, E.: Reality as representation. The semiotics of cartography and the generation of meaning. Bergamo 2000.

Brodersen, L.: Map as Communication. Allerod 2001.

Wolodtschenko, A.: Kartosemiotik in Europa. Dresden 2002.(2008)

Wolodtschenko, A.: Ausgewählte Beiträge zur Kartosemiotik und zur Theorie der Kartographie 1993-2003. Habilitationsschrift. Dresden 2003.

Володченко А., Шевченко В.А.: Доiсторичнi карти України. Дрезден 2004.

Володченко А.: Картосемиотика. Мини-словарь.Дрезден 2005, 2008.

Володченко А.: Атласная картосемиотика. Дрезден 2006.(2008)

Hruby, F.: Semiotische Begründbarkeit kartographischer Signaturen. München 2006.

Wolodtschenko, A.: Nationalatlas Deutschland: ein kartosemiotisches Porträt.

Dresden 2007.

A. Wolodtschenko: Über die konzeptionelle Bewegung in der Kartographie 11

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Brodersen, L.: Geo-communication and information design. Allerod 2008.

Jobst, M.: Ein semiotisches Modell für die kartographische Kommunikation mit 3D.

Wien 2008. (2008)

3.2. Paradox der Kartographie

Der Anfang der ersten Dekade des 21.Jahrhunderts in der theoretischen Kartographie wird durch eine konzeptionelle Ruhe charakterisiert. Das spiegelt sich wachsenden Prioritäten von Informationstechnologien (z.B. GIS) über die kartographische Theorie und Konzeption wider. Aber es ist auch bekannt, dass Technologien keine Konzeptionen "zur Welt bringen". In der Regel werden die theoretischen Konzeptionen in den Tiefen der Wissenschaftsdisziplinen entwickelt. In diese Zeit dominiert in der Kartographie ihre Hauptform der Identifikation und Ausprägung - die Visualisierung (Kartenherstellung), was zu eine Paradox-Situation führte. In der Kartographie gibt es keine Disziplin, die sich mit der Nutzung, Untersuchung und Inter- pretation von diversen kartosemiotischen Modellen (herkömmliche und elektronische Karten, Atlanten usw.) beschäftigt. Diese Disziplin kann die Kartosemiotik sein. Die Kartosemiotik hat kartographische Wurzeln aber ihre Untersuchungsmethodik schließt nicht nur kartographische, sondern auch nichtkartographische Traditionen (z.B. in der Literatur, Medizin usw.) ein.

3.3. Semiotisch-methodisches Umfeld

Seit den 1990er Jahren lässt sich deutlich eine Umbildung der einzelnen Forschungsrichtungen in den Forschungsfeldern der Kartosemiotik feststellen (Wolodtschenko, 2002). Es zeichnet sich eine bestimmte Verschiebung in den Forschungsakzenten von der semiotischen Untersuchung einzelner Komponenten des kartographischen Zeichensystems (z.B.

syntaktische Besonderheiten der Kartenzeichen) zur strukturellen Untersuchung diverser kartosemiotischer Modelle (z.B. eine Kartenserie, ein Atlas bzw. eine Reihe von Atlanten usw.) als Träger und Akkumulation des räumlich-zeitlichen Wissens ab (Wolodtschenko, 2002).

Damit entsteht auch eine Reihe von neuen Disziplinen der Kartosemiotik, z.B.

Atlaskartosemiotik, ökologische Kartosemiotik, Paläokartosemiotik usw.

Im Rahmen der Atlas-, ökologischen, touristischen und historischen Kartosemiotik wurden intensive methodische und angewandte Untersuchungen durchgeführt. Es war ein methodischer Umbruch und Anstoß für die Begründung einer neuer konzeptionellen Konstruktion – Metakartosemiotik. Das Entstehen dieser konzeptionellen Konstruktion hat ein selbständiges Recht auf Existenz. Die Metakartosemiotik kann als ein neuer konzeptioneller

"Leuchtturm" nicht nur in der Kartographie gewertet werden; sie hat ein mächtiges interdisziplinäres Potenzial für die Bildung einer neuen Generation von semiotischen Konzeptionen für die geoinformativen und nichtgeoinformativen Dimensionen.

Basierend auf der Karten- und Atlantenanalyse sowie -interpretation bildet sich ein interessantes Umfeld in der Forschungsmethodik, von kartenbezogenen oder kartographischen (KM) zur kartosemiotischen (KSM) und weiter zur metakartosemiotischen (META-KSM) Forschungsmethodik heraus. Abbildung 5 zeigt ein Arbeitsmodell des semiotischen Umfeldes der Forschungsmethodik. Die neuen Aspekte der Forschungsmethodik charakterisieren den methodischen Übergang von der Semiotik der Zeichen (graphischen Primitiven und Variablen) zur Semiotik der raumbezogenen Wissensmodelle (z.B mono- und multimediale gedruckte und elektronische, 2D und 3D kartographische, kartenverwandte und kartographisch-textuelle oder

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Mix-Modelle) mit dem weiteren Übergang zur Semiotik der Meta-Wissensmodelle (Tabelle 3).

Es ist mit Sicherheit ein paradigmatisch-wechselnder Prozess, der bezüglich der obengenannten methodischen Formation (Semiotik der Meta-Wissensmodelle) einen visionsbezogenen Charakter trägt. Hier sind neue Möglichkeiten und Entdeckungen von kartosemiotischen Wissensmodellen mit visuellen, akustischen, taktil/haptischen und vor allem geistigen (mentalen) Kommunikationsdimension und -potenzialen (Abbildung 6) noch zu erwarten. Es ist unschwer zu erkennen, in welche Richtung semiotische Meta-Wissensmodelle weiterentwickelt werden können.

Tabelle 3: Strukturell-methodisches Modell der Metakartosemiotik Untersuchungs-

gegenstand

Sprachen Raumbezogene

Denkarten

Semiotische Domänen

Kartographische Zeichen und Zeichensysteme

(diverse Karten und Legenden)

Kartensprache(n) elementar-systemhafte Kartensemiotik (Semiotik der kartographischen Modelle)

Kartosemiotische Wissensmodelle (kartographische, kartenähnliche und kartographisch-textuelle

Modelle)

Sprachen der kartosemiotischen Modelle

(Sprachen der Karten, der Atlanten usw.)

poly- systemhafte Kartosemiotik (Semiotik der kartographischen, kartenähnlichen und kartographisch-textuellen

Modelle) Modelle der

kartosemiotischen Wissensmodelle (Meta-Wissensmodelle)

Meta-Sprache(n) (Sprachen der Meta-Wissensmodelle)

meta-systemhafte Meta-Kartosemiotik (Semiotik der Kartosemiotik)

A. Wolodtschenko: Über die konzeptionelle Bewegung in der Kartographie 13 Abbildung 5: Semiotisches Umfeld der Forschungsmethodik in der Kartographie

Abbildung 6: Visuelle, akustische, haptische und mentale Kommunikationsdimensionen

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Es ist noch zu früh davon zu sprechen, welche weiteren innovativ-methodischen bzw.

methodologischen Umbrüche die Metakartosemiotik zeigt und hervorbringt. Als "Leuchturm- Konzeption" hat sie ein kartosemiotisches "Querdenken" in der Kartographie ausgelöst und ausgeleuchtet. Nicht allen gefällt diese Aktivität, aber neue alternative Ideen und Vorschläge sind auch nicht zu erkennen.

4. Fazit

Für die moderne Kartographie ist die Kartosemiotik als ein Zweig der angewandten Semiotik, eine junge Disziplin sowie exotische Forschungsrichtung und Wissensbereich. Leider war die Kartosemiotik auch in Europa eine lange Zeit nur auf die „trockene“ Zeichentheorie in der Forschung und Lehre orientiert und beschränkt. Eine solche Position mit konservativen und sogar wissenschaftsfremden Erscheinungsformen führte auch in eine konzeptionelle Sackgasse.

Die Neue Kartosemiotik (Wolodtschenko, 2002) mit einer neuen integrativen Denkweise und neuen angewandten Richtlinien und Konzepten in der Forschung und Lehre eröffnet neue Wege, Ideen und Aktivitäten. Dabei verläuft die Akkumulation des kartosemiotischen theoretischen und angewandten Wissens weiter, unabhängig davon ob es von einigen Kartographen akzeptiert wird oder nicht. Auch am Ende der 1990er Jahre zeichnet sich ein konzeptioneller Wechsel von Forschungsakzenten (mit kartographischen und nichtkartographischen Traditionen) in der internationalen Kartosemiotik ab, besonders im Rahmen der Aktivitäten der Kommission der Theoretischen Kartographie der Internationalen Kartographischen Vereinigung (IKV/ICA).

Die theoretische Bewegung in der Kartographie in der ersten Dekade des 21.

Jahrhunderts wird nachhaltig durch kartensprachliche bzw. kartosemiotische Aktivitäten gekennzeichnet. Damit setzt auch ein Evolutionsprozess in der theoretischen Kartographie ein (Ljuty, 2002).

Nicht allen gefällt die konzeptionelle Bewegung des kartosemiotischen "Querdenkens".

Leider werden die kartosemiotischen Horizonte und Potenziale verkannt. Hier ist deutlich zu erkennen, dass der Weg zu kompetentem raumbezogenem Wissen, das eine gegenwärtige Kommunikationsgesellschaft als zukünftige Wissensgesellschaft braucht, allein durch die moderne Technologie der kartographischen Visualisierung nicht mehr bewältigt werden kann.

Die neue Konzeption – Metakartosemiotik kann in dieser Situation einen immensen Beitrag leisten.

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Syntaktisches Profil des Artikels

Artikel-Teile/Abschnitte Seite Profile

1.Kommunikationstheoretische… 7 S.

2. Über IKV Kommissionen… 3 S.

3. Neue Konzeption: Metakartosemiotik 3 S.

4. Fazit 0.5 S.

5. Literatur 1,5 S.

Referenzen

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