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Archiv "Leydigzell-Hypoplasie und Testotoxikose — wenig bekannte Krankheitsbilder: Klinische und molekulare Grundlagen bei Vorliegen von Mutationen im LH-Rezeptor-Gen" (11.03.2005)

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Academic year: 2022

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ie Geschlechtsdeterminierung und- differenzierung sind sehr komplexe Vorgänge, die von vielen Entwick- lungsgenen und -faktoren abhängig sind.

Die Fortschritte auf dem Gebiet der mo- lekulargenetischen Diagnostik haben in den letzten Jahren einen wesentlichen Beitrag geleistet, um den Ablauf dieses genetischen Programms besser zu verste- hen. Angesichts der Komplexität ver- wundert es, dass Störungen der Ge- schlechtsentwicklung zu den seltenen Er- krankungen gehören. Noch fehlen epide- miologische Daten über die Häufigkeit dieser Störungen. Jedoch ist durch das zunehmende Interesse an somatosexuel- len Störungen in den nächsten Jahren mit konkreten Angaben zu rechnen.

Mit Einrichtung eines durch das Bundesministerium für Bildung und For- schung (BMBF) geförderten Netzwerk- es mit der Bezeichnung „Intersexualität“

(www.netzwerk-is.de) wurde Ende 2003 eine Kommunikationsplattform für den interdisziplinären Austausch unter Ärz-

ten, Psychologen, Grundlagenforschern und auch Betroffenen geschaffen. Unter anderem untersucht die Arbeitsgruppe der Autorin in einem Teilprojekt bei be- troffenen Patienten den LH-Rezeptor (LH, luteinisierendes Hormon). Seit der Etablierung der Untersuchung des LH- Rezeptor-Gens im Zentrum für Kinder- heilkunde des Universitätsklinikums Es- sen konnten neun neue Mutationen be- schrieben werden. Die Zahl der zu unter- suchenden Patienten steigt kontinuier- lich. Es ist davon auszugehen, dass die si- cher seltenen, aber bisher wenig diagno- stizierten Mutationen im LH-Rezeptor- Gen eine klinisch durchaus relevante Krankheitsgruppe darstellen. Die sicher seltenen, aber bisher wenig diagnostizier- ten Mutationen im LH-Rezeptor-Gen stellen eine klinisch durchaus relevante Krankheitsgruppe dar.

Klinische Grundlagen

Unter den Hormonen, die vom Hypo- physenvorderlappen produziert werden, stellen LH, follikelstimulierendes Hor- mon (FSH) und thyreoidstimulierendes Hormon (TSH) eine eigene Familie dar, die Glykoprotein-Hormone. Diese üben ihre intrazellulären Wirkungen über spezifische Rezeptoren, die LH-, FSH- und TSH-Rezeptoren, aus. Die Go- nadotropine LH und FSH besitzen eine Schlüsselrolle in der Regulation der Ho- den- und Ovarfunktion.LH stimuliert so- wohl die testikulären Leydigzellen als auch die Thekazellen des Ovars über den LH-Rezeptor zur Androgenproduktion.

Bei der Frau werden die Androgene in den Granulosazellen des Ovars durch die FSH-abhängige Aromatase zu Östro- genen aromatisiert (Grafik 1). Eine Inak- tivierung des LH-Rezeptors führt zur Leydigzell-Hypoplasie, und aufgrund des fehlenden Feedbacks der Sexualsteroide entwickelt sich ein hypergonadotroper

Leydigzell-Hypoplasie und Testotoxikose — wenig

bekannte Krankheitsbilder

Klinische und molekulare Grundlagen bei Vorliegen von Mutationen im LH-Rezeptor-Gen

Zusammenfassung

Ein intakter LH-Rezeptor (LH, luteinisierendes Hormon) ist nicht nur die Voraussetzung für eine Ovulation und eine Schwangerschaft, son- dern auch für eine normale männliche Ge- schlechtsdifferenzierung. Mit Klonierung des LH-Rezeptor-Gens konnten inaktivierende Mu- tationen bei Frauen als Ursache für eine primä- re Amenorrhö und Infertilität und bei Män- nern für einen Mikropenis, Genitalfehlbil- dungen (intersexuelles Genitale, Hypospadien) und Infertilität nachgewiesen werden. Aktivie- rende Mutationen im LH-Rezeptor-Gen hinge- gen führen infolge einer nicht zentral gesteu- erten kontinuierliche Testosteronproduktion zu einer vorzeitigen Pubertätsentwicklung bei Jungen, die unbehandelt in einem Kleinwuchs endet. Auch wenn innerhalb der letzten Jahre zunehmend Mutationen im LH-Rezeptor-Gen

identifiziert wurden, stellen die Leydigzell-Hy- poplasie, durch inaktivierende Mutationen ver- ursacht, und die Testotoxikose, durch aktivie- rende Mutationen verursacht, immer noch we- nig bekannte Krankheitsbilder dar.

Schlüsselwörter: LH-Rezeptor, Pseudoherma- phroditismus maskulinus, Testotoxikose, in- tersexuelles Genital

Summary

Leydigcell-Hypoplasia and Testotoxikosis – Infrequent Diseases Clinical and

Molecular Basis in the Presence of Mutations of the LH-Receptor-Gen

After cloning the luteinizing hormone (LH) receptor many mutations in the LH receptor gene have been described that throw light on

both the physiological function of the LH re- ceptor and its molecular mechanism of action.

Loss-of-function mutations (Leydig cell hypo- plasia) inactivate the receptor and give rise to primary amenorrhea and infertility in women and intersexual genitalia, hypospadias, micro- penis and infertility in men. Gain-of-function mutations (testotoxicosis, familial male preco- cious puberty) cause constitutive activation of the LH receptor and result in precocious puber- ty in boys and, if untreated, in short stature.

Although the phenotypes associated with LH receptor mutations clearly illustrate the impor- tance of the receptor in female and male sex differentiation, puberty and gonadal function, its clinical implications merit a widespread ap- preciation.

Key words: LH receptor, male pseudoherma- phroditism, testotoxicosis, intersexuality

Zentrum für Kinderheilkunde, Klinik für Hämatologie/On- kologie und Endokrinologie (Direktor: Prof. Dr. med. Wer- ner Havers) des Universitätsklinikums Essen

Annette Richter-Unruh

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Hypogonadismus. Der LH-Rezeptor in- teragiert nicht nur mit LH, sondern auch mit dem plazentaren LH-Homologon hCG. Die Bindung von LH/hCG akti- viert über den Second-Messager cAMP die Enzyme der Steroidbiosynthese und sorgt für die Bildung von Testosteron aus Cholesterin.

Eine entscheidende Bedeutung hat der LH-Rezeptor in der Geschlechtsdif- ferenzierung (Grafik 2 a). hCG bindet an den LH-Rezeptor und setzt die fetale Testosteronbildung in Gang. Das innere und äußere Genitale entwickelt sich männlich. Die Produktion von AMH (Anti-Müllersches Hormon) durch die fetalen Sertolizellen verläuft unab- hängig vom hCG/LH-Rezeptor und sorgt für die Regression der Vorstufen der weiblichen inneren Genitalanlagen (Müllersche Gänge). Bei fehlender LH- Bindung oder defekter Signaltransduk- tion bleibt die Testosteronbiosynthese aus, und es entwickelt sich ein weibli- cher Phänotyp, die so genannte schwere Form der Leydigzell-Hypoplasie (LCH Typ 1). Sind Hormonbindung und/oder Signaltransduktion nur partiell gestört (Grafik 2 b), so kommt es in der Fetal- zeit zur Produktion eines verringerten Testosteronspiegels. Der Grad der Inak- tivierung des LH-Rezeptors korreliert mit dem sich entwickelnden Phänotyp.

Dieser kann von einem phänotypisch fast unauffälligen Jungen mit Mikrope- nis und/oder Hypospadie bis hin zu ei- nem Kind mit intersexuellem Genitale variieren, leichte Form der Leydigzell- Hypoplasie (LCH Typ 2).

Das LH-Rezeptor-Gen

Das LH-Rezeptor Gen ist auf dem Chro- mosom 2p21 lokalisiert und mehr als 80 kb groß. Es besteht aus 11 Exons (Grafik 3): Exon 1 kodiert die unübersetzte 5´- Ende-Region und den Start zur Translati- on. Die Exons 2 bis 10 kodieren die hor- monbindende extrazelluläre Domäne.

Exon 11 ist das größte Exon und kodiert neben dem intrazellulären Anteil die sie- ben transmembranen Domänen. Bisher wurden 22 verschiedene inaktivierende und 15 aktivierende Mutationen be- schrieben (12). Einen Überblick über die verschiedenen Mutationen im LH-Re- zeptor-Gen gibt Grafik 3.

Schwere Form der Leydigzell- Hypoplasie bei Männern

Die LCH gilt als seltenes autosomal re- zessiv vererbtes Krankheitsbild. Bei der schweren Form führt eine vollständige Inaktivierung des LH-Rezeptors zu ei- nem weiblichen Phänotyp bei einem männlichen Karyotyp (46,XY). Die 46, XY-Frauen fallen meist durch eine aus- bleibende Brustentwicklung und Men- arche auf. Klinisch findet sich eine blind endende, kurze Vagina. In der Sonogra- phie des kleinen Beckens lassen sich weder Uterus noch Ovarien nachwei- sen, hingegen stellen sich inguinal Go-

naden dar. Laborchemisch entwickelt sich nach Eintritt in die Pubertät ein hy- pergonadotroper Hypogonadismus. Die Testosteron- und Estradiolspiegel lie- gen im präpubertären Bereich. Eine wichtige diagnostische Untersuchung stellt der hCG-Test dar. Nach einer Sti- mulation mit 5000 IE hCG intramus- kulär bleibt ein Testosteronanstieg aus (Tabelle). Differenzialdiagnostisch ist bei diesen Patientinnen eine Störung in der Testosteronbiosynthese zu erwä- gen. Auch heute noch werden diese Pa- tienten sehr spät oder auch gar nicht diagnostiziert. So gibt es Fallberichte über Frauen, bei denen sich letztlich als Ursache für eine ungewollte Kinderlo-

Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse Grafik 1

a) die Hypothalamus-Hypophysen-Testis-Achse, b) die Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achse. GnRH, Go- nadotropinfreisetzungshormon; LHRH, Freisetzungshormon des Luteinisierungshormons; LH, luteinisieren- des Hormon; FSH, follikelstimulierendes Hormon; HVL, Hypophysenvorderlappen

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sigkeit oder einen schmerzhaften Ge- schlechtsverkehr eine Leydigzell-Hypo- plasie herausstellte.

Bei Mädchen, bei denen nach der Geburt eine Leistenhernie mit palpa- bler Gonade diagnostiziert wird, sollte eine weiterführende Diagnostik analog wie bei einem Säugling mit intersexuel- len Genitale erfolgen (9). Andererseits sollte immer bei Kindern mit Genital- fehlbildungen ein pädiatrischer Endo- krinologe hinzugezogen werden. Nur das frühe Erkennen zum Beispiel eines 46,XY-Mädchens mit LCH Typ 1 er- laubt eine zeitgerechte Hormonersatz- therapie im pubertätsreifen Alter, die Identifizierung weiterer betroffener Fa- milienmitglieder und eine adäquate hu- mangenetische Beratung.

Bei 46,XY-Mädchen und -Frauen mit nachgewiesenem LH-Rezeptordefekt wird die Entfernung der Gonaden auf- grund eines möglichen Entartungsrisi- kos analog den Patientinnen mit ge- mischter Gonadendysgenesie empfoh- len. Im pubertätsreifen Alter wird eine Hormonersatztherapie mit Östrogenen und Gestagenen begonnen und lebens- lang fortgesetzt.

Schwere Form der Leydigzell- Hypoplasie bei Frauen

Weibliche Patientinnen mit einem weib- lichen genetischen Geschlecht, 46,XX wurden bisher nur aus Familien be- schrieben, in denen bereits eine 46,XY Frau diagnostiziert worden war. Dies liegt daran, dass sich 46,XX-Frauen mit einer vollständig inaktivierenden Muta- tion im LHR-Gen körperlich normal entwickeln.

Diese Frauen fallen durch eine primäre Amenorrhö, Zyklusunregel- mäßigkeiten oder Infertilität auf. Meist bleibt eine Blutung nach Progesteron- gabe aus. Die LH-Spiegel und insbeson- dere das LH/FSH-Verhältnis sind er- höht. Die Estradiolspiegel sind normal für eine frühe Follikelphase. Die Pro- gesteronkonzentrationen im Blut errei- chen keine postovulatorischen Werte.

Sonographisch findet sich ein kleiner Uterus, die Ovarien können vergrößert sein und Zysten enthalten. Präovulato- rische Follikel oder Corpora Lutea (1, 13) lassen sich nicht nachweisen. Zu- Geschlechtsdifferenzierung

´ TabelleCC´

Normwerte für den Testosteronspiegel nach hCG-Gabe*

Präpubertäre Jungen Testosteronspiegel im Serum

Basalwerte 0,1–0,6 nmol/L (4–18 ng/dL)

Maximalwerte nach Gabe 3,1–13,8 nmoL/L (90–400 ng/dL) von 5 000 IE hCG/m2Körperoberfläche

Adulte Männer Testosteronspiegel im Serum

Basalwerte 13,8–41,6 nmoL/L (400–1200 ng/dL)

Maximalwerte nach Gabe 31,2–65,9 nmoL/L (900–1900/dL) von 5 000 IE hCG/m2Körperoberfläche

*modifiziert nach 10,11,14 Grafik 2

a) die normale Entwicklung beim männlichen Feten, b) die ausbleibende Testosteronbildung bei einer Störung im Bereich des LH-Rezeptors oder der Enzyme der Testosteronbiosynthese. TDF, Testis deter- minierender Faktor; SRY, sexdeterminierende Region des Y-Chromosoms; SOX9, SF-1, Transkriptionsfak- toren, die in die Geschlechtsentwicklung involviert sind; AMH, Anti-Müllersches Hormon; DHT, Dihydro- testosteron

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sätzlich weisen die Frauen als Zeichen eines Östrogenmangels auf eine dünn- wandige Vagina mit eingeschränkter se- kretorischer Funktion und eine redu- zierte Knochendichte.

In der Behandlung müssen Östroge- ne und Gestagene substituiert werden.

Milde Form der Leydigzell- Hypoplasie (LCH Typ 2)

Ist die Signalweiterleitung über den LH-Rezeptor nur partiell gestört, kommt es in der Fetalzeit zu einer ein- geschränkten Testosteronproduktion.

Dies führt zu Beeinträchtigungen in der Ausbildung des männlichen Geni- tals. Beschrieben wurden Jungen und Männer mit Hypospadie und Mikrope- nis (4, 5, 8). Da normalerweise postpar- tal bei den männlichen Säuglingen die Testosteronspiegel erhöht sind, stellt die Messung von erniedrigten Testo- steronwerten eine wichtige differen- zialdiagnostische Untersuchung dar.

Unter einer Stimulation mit hCG (5 000 IE/m2 Körperoberfläche intra- muskulär) kommt es in jedem Lebens- alter zu einem geringeren Anstieg der Testosteronspiegel (Bestimmung der Testosteronserumspiegel an den Tagen 2, 4 und 6). Die Normwerte sind in der Tabelle aufgeführt (12, 13, 16).

Zu berücksichtigen ist, dass die Werte methoden- und laborabhängig sind. Nach Eintritt in die Pubertät entwickeln die Jungen einen hyper- gonadotropen Hypogonadismus. Die Therapie besteht in einer lebenslan- gen Testosteronsubstitution. Bei post- partal sehr kleinem Penis kann ein gutes Peniswachstum mit einer dihy- drotestosteronhaltigen Salbe erreicht werden. Je nach Ausmaß der Hypospa- die muss diese operativ korrigiert wer- den.

Aktivierende Mutationen

Aktivierende Mutationen im LH-Re- zeptor-Gen bewirken eine kontinuier- lich erhöhte Testosteronproduktion.

Die LH/hCG-unabhängige Testosteron- produktion führt zu einer vorzeitigen Pubertätsentwicklung, die vor dem vier-

ten Lebensjahr einsetzt („Testotoxiko- LH-Rezeptor-Gen Grafik 3

Jeder Kreis stellt eine Aminosäure dar. Eingezeichnet sind in grün alle bekannten inaktivierenden Mutationen, in rot die aktivierenden. In blau sind die von der Arbeitsgruppe in Essen identifizierten Mutationen markiert;

modifiziert nach (14)

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se“, FMPP, familial male limited pre- cocious puberty). Zur Fixierung des Rezeptors in seiner aktiven Form ist nur ein betroffenes Allel notwendig, sodass diese Erkrankung autosomal dominant vererbt wird. Bis heute sind 15 verschiedene aktivierende Muta- tionen bekannt. Diese aktivierenden Mutationen liegen alle im Exon 11 (4) (Grafik 3).

Bei den neun bisher von der Ar- beitsgruppe der Autorin identifizier- ten Jungen konnte immer die glei- che aktivierende Mutation im Blut (es erfolgte eine DNA-Isolierung aus weißen Blutzellen) nachgewiesen wer- den, die zu einem Austausch der Ami- nosäure Isoleukin zu Leukin im Co- don 572 führt.

Eine somatische aktivierende Mu- tation im LH-Rezeptor-Gen bei drei Jungen wurde erstmals 1999 mit einem Leydigzelladenom entdeckt (3). Bei diesen Patienten mit somatischen Mu- tationen (es erfolgte eine DNA-Isolie- rung aus dem Tumor, kein Nachweis einer Mutation im Blut) treten die Zeichen einer vorzeitigen Pubertäts- entwicklung später auf als bei Jungen mit Testotoxikose. Die Essener Ar- beitsgruppe konnte bei einem Patien- ten mit einer vorzeitigen Pubertäts- entwicklung bereits im Alter von 3,5 Jahren die gleiche somatische Mutati- on nachweisen (6). Damit konnte die Autorin mit ihrer Arbeitsgruppe die bisher gültige These widerlegen, dass diese Tumoren erst im Alter von fünf bis neun Jahren klinisch auffällig wer- den.

Bei Jungen mit einer gonadotropin- unabhängigen Pubertätsentwicklung und fehlendem Nachweis einer akti- vierenden Mutation im Blut muss ge- zielt nach kleinen Hodentumoren ge- sucht werden. Dies kann sehr schwie- rig und langwierig sein. In solchen Fäl- len kann ein venöses Sampling in der Vena spermatica die Quelle der Testo- steronproduktion im Hoden lokalisie- ren (7).

Das Ziel in der Behandlung der Testotoxikose ist eine vorübergehen- de Inhibierung der Testosteronbio- synthese oder Blockade der Andro- genrezeptoren, sodass nach Absetzen der Therapie eine normale Pubertäts- entwicklung stattfinden kann und die Phänotyp-/Genotyp-Korrelationen bei LH-Rezeptor-Defekt

>>Aktivierende Mutationen (autosomal dominant)

Karyotyp 46,XY Phänotyp/Klinik

Jungen mit vorzeitiger Pubertätsentwicklung vor dem 9. Geburtstag: hohe Wachstumsgeschwindigkeit, Schambehaarung, Peniswachstum. Cave: Bei Jungen mit gonadotropinunabhängiger vorzeitiger Puber- tätsentwicklung muss an das Vorhandensein kleiner Ledigzelltumoren gedacht werden.

Labor

LH/FSH niedrig, Testosteron erhöht (auszuschließen sind Enzymdefekte der Nebennierenrinde, exogene Androgenzufuhr, hCG oder androgenproduzierende Tumoren, McCune-Albright-Syndrom.

Therapie

Androgenrezeptorblockade (Spironolacton), Aromatasehemmer (Testolacton), Inhibierung der Testosteronbiosynthese ( Ketokonazol) (2)

Karyotyp 46,XX

Bei Mädchen und Frauen mit aktivierender Mutation im LHR ist kein Phänotyp beschrieben.

Labor(nicht bekannt) Therapie(nicht bekannt)

>Vollständig inaktivierende Mutationen (autosomal rezessiv) Karyotyp 46,XY

Phänotyp/Klinik

Pseudohermaphroditismus masculinus; unauffälliges weibliches Genitale, gegebenenfalls Gonaden in den Leisten zu tasten (bei Leistenhernien im Säuglingsalter daran denken). Im pubertätsreifen Alter aus- bleibende Brustentwicklung, primäre Amenorrhö

Labor

Säugling: für ein Mädchen normaler Testosteronspiegel, für einen Jungen pathologisch niedrig; in der Pu- bertät Entwicklung eines hypergonadotropen Hypogonadismus, präpubertäre Werte für Östradiol und Testosteron

Therapie

Entfernung der Gonaden aufgrund des Entartungsrisikos, Substitution mit Sexualsteroiden ab dem pu- bertätsreifen Alter

Karyotyp 46,XX Phänotyp/Klinik

primäre Amenorrhö, Zyklusunregelmäßigkeiten oder Infertilität; sonographisch findet sich ein kleiner Uterus, die Ovarien können vergrößert sein und Zysten enthalten. Präovulatorische Follikel oder Corpora Lutea (15) lassen sich nicht nachweisen. Zusätzlich besteht bei den Frauen ein Östrogenmangel (Vagina mit dünnen Wänden und eingeschränkte sekretorische Funktion, reduzierte Knochendichte).

Labor

Postpubertär sind die Estradiolspiegel normal für eine frühe Follikelphase, Progesteronkonzentrationen im Blut erreichen keine postovulatorischen Spiegel. Meist bleibt eine Blutung nach Progesterongabe aus. Die LH-Spiegel sind erhöht, insbesondere das LH/FSH-Verhältnis ist hoch.

Therapie

Substitution mit Sexualsteroiden

>Partiell inaktivierende Mutationen (autosomal rezessiv) Karyotyp 46,XY

Phänotyp/Klinik

intersexuelles Genitale, Mikropenis mit/ohne Hodenhochstand, Hypospadie Labor

postpartal erniedrigte Testosteronspiegel, unzureichender Anstieg von Testosteron nach hCG-Gabe, Ent- wicklung eines hypergonadotropen Hypogonadismus im Pubertätsalter

Therapie

Substitution mit Testosteron-Depotpräparaten ab dem pubertätsreifen Alter Karyotyp 46,XX

Bei K46,XX sind keine LH-Rezeptor-Defekte bekannt.

LHR, „luteinizing hormone releasing“; LH, luteinisierendes Hormon; FSH, follikelstimulierendes Hormon Kasten

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Fertilität nicht beeinträchtigt wird. Es gibt zwei Therapieoptionen: Die Be- handlung mit Ketokonazol oder eine Kombination von Spironolacton und Testolacton. Ketokonazol inhibiert mehrere Schritte in der Biosynthese adrenaler und gonadaler Steroide, Spironolacton hingegen blockiert die Androgenwirkung und Testolacton als Aromatosehemmer die Östrogenbio- synthese.

Liegt ein isoliertes Leydigzell- adenom vor, reicht eine operative Ent- fernung des Tumors aus. Der Rest- hoden kann belassen werden, eine me- dikamentöse Behandlung ist nicht er- forderlich. Dagegen muss bei einer nodulären Leydigzell-Hyperplasie, die immer den gesamten Hoden betrifft, ei- ne Orchidektomie durchgeführt wer- den.

Der Textkasten fasst noch einmal die verschiedenen Phänotyp-Geno- typ-Korrelationen von Patienten mit Mutationen im LH-Rezeptor-Gen zu- sammen. Der Nachweis von neun neuen inaktivierenden Mutationen, ei- ner molekulargenetisch gesicherten Testotoxikose bei neun Jungen und einer somatischen aktivierenden LH- Rezeptor-Mutation bei drei Jungen in den letzten zwei Jahren lässt ver- muten, dass LH-Rezeptormutationen häufiger vorkommen als bisher ange- nommen. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Therapieoptionen nach Dia- gnosestellung und der wichtigen Impli- kationen für die Familien in Hinsicht auf eine humangenetische Beratung, ist die Analyse des LH-Rezeptor-Gens in gezielten Fällen nicht nur gerecht- fertigt, sondern auch medizinisch er- forderlich.

Dr. med. Annette Richter-Unruh ist seit Februar 2003 Stipendiatin des Lise-Meitner-Habilitationsprogramms des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen. Ein Teil der Arbeiten wird über das Teilprojekt „Störungen in der Androgenbio- synthese“ des BMBF-geförderten Netzwerkes „Inter- sexualität“ unterstützt.

Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht

Manuskripteingang: 29. 3. 2004 revidierte Fassung an- genommen: 20. 8. 2004

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 673–678 [Heft 10]

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Anschrift der Verfasserin:

Dr. med. Annette Richter-Unruh Klinik für Pädiatrische Hämatologie/Onkologie und Endokrinologie

Hufelandstraße 55, 45122 Essen E-Mail: annette.richter-unruh@uni-essen.de

FSME von Neuroborreliose unterscheiden

Vor dem Hintergrund einer möglichen Berufskrankheit durch Borrelien sind des Öftern als „Neuroborreliose“ bewer- tete Folgeerkrankungen aktendokumen- tiert, die möglicherweise zum FSME- Komplex gehören. Häufiger liest man in einer Epikrise Formulierungen wie zum Beispiel „gut zu einer Borreliose passend“. Das hilft zwar dem auf eine schnelle kausale Klärung seiner Sym- ptome drängenden Patienten gelegent- lich. Die aktendokumentierte Falschzu- ordnung erschwert dann aber nicht nur eine gegebenenfalls erforderliche medi- zinisch-versicherungsrechtliche Zusam- menhangsbeurteilung, sondern führt bei Patienten, Hausärzten und Versiche- rungsträgern zu einer teils erheblichen Verunsicherung. Begünstigend ist hier- für auch, dass bei der FSME und der Neuroborreliose in Deutschland nicht nur die Risikogruppen mit beruflicher Zeckenexposition (zum Beispiel Forst- und Landwirtschaft) sowie die jeweili- gen Hochrisikogebiete überlappen.

Auch treten bei beiden Krankheitsbil- dern ähnliche uncharakteristische Sym- ptome wie zum Beispiel Kopfschmerzen und Beeinträchtigung des Allgemeinbe- findens auf. Dies erschwert möglicher- weise vor dem Hintergrund einer nicht immer eindeutigen Serodiagnostik die korrekte fachneurologische Zuordnung der Befunde in die jeweils zutreffende Zoonose. Für eine überlappende Sym- ptomatik nach Zeckenexposition könn- te auch eine (mitunter zeitlich versetzte)

zu dem Beitrag

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Prof. Dr. med. Reinhard Kaiser in Heft 33/2004

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